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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0035

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ZHrganr - Nr. s

»Badische Poft- crscheint täglich sauch Sonntagss vormittag», also stebenmat
wochentlich und koftct frei ins Haur zugestcllt monattich IS'W Mk, durch die Post
>?°natlich MHrnziiglich I0M Mk. Bcstellee'd. Etnzelnmnmer k!> Mt.

Heidelverger Zettung

(Gegründet 1858)

«nd

Handelsblatt

Sormiag, 7. Ianuar 1923

Anzetgenprei«: dle S8 wm breit« Noiiparelllezeile 10 Mk , Familien-, Bereins-
vnd Aleine Anzeigen nach befanderem Tarif. Reklamen: die 08 mm breite Nonpareille-
etl« S00 Mk. Dei Wiederholungen und Zeilenanschlüssen tariflicher Nachlatz.

-


tz^°»twornich für den gesamten textlichen Teil Adolf Kimmlg tn Heid.'.berg. rsernrus d:r Redaktion: HeiLeloerg 82.

H rechsiknde Lcr Schrisil-itung vorm. 11-lS Uhr. Bcrliner Bertrctung: Berlin 8VV 48. Zimmerftrafte Nr. g.
^rnrus Amt Z-n«rum Nr. 4lü. Mknchener «ertretung: München, G.-orgenstraZe Nr. 107. F-rnruf Nr. 81667.

Für Anz-tgen/Rellame.i und geschäftlich« Beilagen verantwortlich Ä.sreo Schmttz in Heiderberz. Fcrnruf 82
Bcrlag: Heidelberger VerlagSanstalt und Druckeret <Sb. m. H Heidelberg, HauptstrageSS. —
Poftscheckkonto Karlsruhe Nr. Igggg. — Druck von I. <S. Holtzwart, Nachs, B. m b. H., Frankfurt am Matn

Si'e drMe Zorderlmg.

Eia ojfcnes Wort des Reichssinanzminifiers.

Bon unserier Berliner Redaktion.

Berli», 6. Zanuar.

fift Bcrliner Korrespondcnz verbreitet Nenherungcn dcs Reichs-
^"iUlinisters Dr. Hermes zu dem Bcrlincr Beeichterstaiter der
^ °kikanischen Nachrichtenzcnt.ale „Jnternational News Service".
di/ sagtq u. a.: Deutschland würde eine Weltkonserenz Lber

h bieparationsfrage i» Washington mit Freuden be.qrüsten. Die
sLa-Vorschläge steüen die iiuherste Krcnze der Lcistungs-
^.Mgkeit Deutschlands dar. Das Ministerlum Cuno ist ohne Frage
^ . ^tzte entgegenkommende Negierung in Deutschland. Zur Aus-
^ kitimg einrs unparteiischen Planes ist untcr ven Slmerikauern
^"»vrr der geeignetste Mann. Der Ministee erllärte weiter:
r>»d^ sortgesetzten Fehlschläge unserer Bersuche, tzilse zu sinden,
v ^ 6ank der sch.ecklichen wirtschastlichen Lagc, drc setzt den Rand
a Abgr,.,ves sast erreicht hat, erhebt eine gefährliche Drohuug ihr
iu, Lande, di« von uns die A u s k ü i, di g un g des Versailler
krtragg verlangt. Wir sind jetzt am Ende unserer Krast.
rutschland ist durchaus gewillt, Zahlungen in vevnünftigeu Erenzen
^ leisten. Wir verlangen jetzt zweierlei: eine Atempause und
definitioe Eewihheit dcr Summe, die wir zahlcn sollen
6»d die sich innerhalb unsercr Zahlungsfähigkcit halten muh. Die
^orschläge, die Staatssekretiir Bergmann nach Paris mitgenom«
hat, wareu das Ergebnis wochelllanger sorgsultiger Berhand-
^Ugen. Die deutsche Regierung kan» keine Forderung anerkenne«,
^ «ehr verlangt, als Deutschland ersüllen kann. Auch eine andere
utschx Regierung würde «icht mehr aus sich nehmen können. Jch
ur»e dir Welts Erhält das deutsche Volk noch eine Ohrseige,
^u wiid Las gequälte Bolk vom Zorn Lbermannt werden,

"lle Hemmnngen durchbreche» und sich jenseits der Kontrolle
^ Regiernng ftelleu.

Sie französischen AbWen.

Die drohende Aktion gegen Esscn und Bochum.

Von unserem Il-Korrespondenten.

Paris, 8. Januar.

r^ie alarmierenden Nachrichten aus Amerika scheinen die sran-
- Regierungsireise in ihrer Absicht zn besiarken, die ge-
,u Sanktionsmatznah

ko^iuhren, um dem erwarieten E>nspruch Amerikas zuvorzu-

a>iz^n Canktionsmatznahmen noch schnelter als erwartet
ko^Usuhren, um dem erwarieten E-njpruch Amerikas zuvorzu-
nnd auf eine nicht mehr ruckgangig zu machende vollzogene
hvnweisen zu tönnen. Ler franzo,ische Ministerrat -irar
Lij^tag vormittag 81- Uhr zu einer Sitzung zusammen, der aue
4llr n"t Ausnahme des Kolon,alminijrers Sarraut beiwohnten.
Su »^örierung jtaneen die in Ler nächsten Woch: zepen Deuijaiiand
' ld ^^^^nden Matzregeln. Ueber den Ministerrat wurde nur fol-
^ nichtssagende Kommuniquö ausgegeben: „Ministbrpräsident

dtz^'Oonü Pomcare erstattete üder die Beoingungen Bericht, unter
r>U,^.die Parijer Konserenz beendet wurde." Unbcdjngte Legeiste-
deill ^ militärische Druckmittel scheint bei allen Kabinettsmitglie-
htz.-tz nicht zu herrscheki. Poincarä und die jüngeren Minister treten
dv!>, ^n, datz die militärischen Matznahmen >o rasch wie möglich
weroen. Aber im Generalstaü rst die Begeisterung für ein
ibg5"ncken ins Ruhrgebiet nicht allzu grotz, solange er nicht weitz, ob
p,j? dori nicht bejonderen Schwierigketten begeanen wird. So wird
rij^ °Mem Streik der Bergarbeiter gcrechnet. LLenn ste diesen auch
dx5"-?ange üurchhalten würden, da ihre Kassen nach einem Bericht
Kölner „Times"-Korrespondcnten leer sind. Aber eine passive

ztz'ilstenz in den Bergwerken würde die Jndustrie im Ruhrgebiet
>dn, .ichwsr schädigen. Aaber Franlreich würde dadurch um die
ihitckriellen Vorteile betrogen werden, die es sich versprach. Datz es
ech'um diese eigentlich gar nicht zu tun ift, gab Senator Monzie
Vertreter des Marjeiller „Radikal" zu, als er sagte, die Ent-
^jf'ung mir England sei nicht das Vorjpiel eincs Einvernehmens
ii" Deutschland" Man habe sich ohne Kompensationen
öx?ert. Man wünsche nur ein Programm, der Zerstörung unv
öen, uflösung Deutschland herbeizuführen, was jcden Morgen von
u royalistischen Schriststeller Iacques Bainville in der „Action
U^u«a,se" gepredigt werde. Man teile, um zu herrschen, nicht
bezahlt zu wercen. Die Besetzung weiteren deutschen Eebietes
^ nur Lann einen Sinn, wenn sie auf die Z e r t r ü m m e r u n g
° utschlands hinauslaufe.

h. Der „Temps" verskuht zwar in einer offiziösen Note dieses von
NlU radikalen Senator völlig einLeutige Bernichtungsprogramm
tz?'Ucarss abzuschwächen, wenn er sihrcibt: „Es werden zahlreiche
r^uchie über die Matznahmen verbreitet, die die französische Regie-
gegon Deutschland dergreifen will, sowie Eerüchte über den
hj "punkt, wann diese in Kraft treten sollen. Wir glauben, datz all
> Mitteilungen nur Vermutungen darstellen. Dle französische Re-
-Ung gab ihre Ansicht ihren AÜiierten bekannt. Sie wird sich die
N'heit vorbeyalten, ihr Programm festzusetzen. Nichtsdestoweniger
Ll?E sest, Lag am Freitag bereits Poincars eingehende Be-
>?°chungen mit dem französilchen Eeneralstabschef und
Uu!o auch mit Marschall Foch hatte. Der Generalstab soll
Kmne ausgearbeitet haben, die allen Mögliihkeiten Rechnung tragen.
>k.ubesonLere ist der Fall ins Auge gesatzt, datz Belgien und
,,/cklien aemeinsam mit Frankreich vorgehen. Aber es sollen
ft^ch andere Pläne ausgearbeitet worden sein, die eine Sonderaktion
Wnkreichs vorsehen. Die Belgier sind zwar entschlosien, mit
jIcknkreich zusammenzugehen. Ob sie aber mehr als moralische
ztzUterstützung angeds hen lassen werden, bleibt noch sehr fraglich.
j ^uisterprästdent Theunis ^erklarte ^ bereits, Velgien sei
^INerlei nii'^'""^' ^

^lgischg

^ ^ . - zu

.litärische Operationen g-zwuncen. Die

. ,e Abordnung auf der Pariser Konferenz hätte auch keine
j,,ck l lm ach t e n, um darüber mit Frankreich irgendwelche Ver-
i!ckgs einzugehen. Aber Belgien stehe fest hmter Frankreich. Auch
Jtaliener, auf deren Unterstützung die Franzosen ebenfalls
^lnen, werden erft noch einen Beschlutz fassen mussen.

Am Mittwoch wird Poincarö wahrscheinlich vor der Kammer über
seine Politik sprechen. Es wird mkit dcr Möglichkeit gerechnet, datz
noch vor dem 15. Ianuar Essen nnd Bochum besetzt werden. Znr Be-
setzung des neuen Eebiets sollen 45 000 Mann verwendet werden, die
man aus der alten Besatzungsarmee entnehmen will, während diese
durch frische Truppen ans Franlreich ausgesüllt werdcn würde. Nach
anderen Meldungen ist led.iglich beaüsichtigt, die Stadt Essen zu be-
sctzen. Nach der Besetzung will man Lann die Reichsregicruna zu
neuen Verhandlnngen aufsbrdern. Man erwartet, Latz der aus die
deuische Erotzindusttie ausgeübte DruL die Verhandlungen mit
Deutschland wesentlich fordern wird. Die sür die Vesetzung dcs neuen
Eebiets zn verwendcnLcn Trupxen sollen durch einigc tausend Jn-
genieure und Bcamten ergänzt mcrden, die sur die Pfand -
stcherunq gcbraucht werden. Ernsthaftcn WiLerstand Englands
oder Amcrikas gegen diese Gewaltmatznahmen Icheint man nicht zu
erwarten. Die Londoner KorresponLcnten der französischen Blätter
erklären, datz die Engländer sogar keinen Widerspruch erheben wür-
den, wenn die französtschen Truppen für Essen und Vochum durch die
englische Zone t r crn s p o r t i e r t würden N'.cht einmai von
amerikamscher Seite sei ein sokcher Widerspruch zu erwarten.
Dem Datum des 15. Ianuar w-rd nach amtlicher französischer Auf-
iassvng keine Bcdeutung mehr beigelegt, da das Moratorinm am
31. Dezsmber abgelausen ist und die gepkante Aktion nur durch die
R i ch i c r f ü l l u n g begründet werten soll. Es ist Lemnach anzu-
nehmen, datz sosort nach ver Fsststellung dcr angeblichen Nicht-
.crfüllung und nach der Benachrichtigung des Parlaments Po-ncarSs
Plan durchgeführt werden soll.

Gehör sör SeWhland.

Ein Bcschluh der NcpMatisnskommisftoo.

Von unserem tt-Korrefpondenten.

Paris, ö. Ianuar.

Die Reparationskommission trat Samstag vormittag zu einer
Sitzung zusammcn, der auch der britische Delegierte Sir Zohn BraL«
bury bciwohnte. Ilcver die Sitzung wurde folgendes KsmAUniqUtz
ausgegcben: „Die Rcparationsiommission trat unter dem Vorsitz
Barthous um 10 Uhr vormittags zujammen, um de» Bericht des
sranzöstschen Delegierten zu prüsen, der die Feftstellung eiuer Ver«
sehlung Deutschlands dnrch die Kommission gemätz K 17 Anh. H
wegen der Kohlenliefsrrmgen an Frankreich sür 1822 vorsah. Da
die deutsche Regierung gebeten hatte, ihre Anhörung möglich zu
machen, bcschlotz die Reparationskommission, den Bertreter der deut-
schen Rcgicrung am Montag, den 8. Jcmuar, 3 Uhr nachmittags, an-
zühören." Dieser Bericht wird jedensalls von Dr. Mayer — der mit
dem Botschaster nicht indentisch ist — erstattct werden, der Freitag
die Rcparationskommisston um die Möglichkeit sür die deutsche Re«
gierung crsuchtc, die Ursachen bekannt zn geben, weshalb die Kohlen-
und Kokslieserumgen gcringer sein mühten als die Reparationskom-
missicn ste vorgeseyen hatte. Man glo.utzt, datz Montag abend oder
Dienstag morgen die Berfehlung Deutschlands festgestellt wird, wor-
aus die Rcparationskommisston sich mit der Frage des Morako-
riums, das die deutsche Rcgierung siir 1923/24 erbeten hatte, be-
schästigen wcrde.

Sie Ssltung AmenM.

Die Plänc dcs Weiheu Hauses.

Von unserem tt-Kürrespondenten.

Pari», 8. Januar.

Wie aus Washington gemeldct wird, hielt Präsident Harding
am Freiiag eine Vejprechung mit dem Votschafter Harvey Lber
die curopäischen Fragan ab, serner mit dem Senator Smooth, Ler
der amerikanischen Schuldenkonsolidierungskommission ausgedehnte
Vollmachten erteilcn will. Dann fand eine Kabinettssitzung statt.
Die Vcreinigten Staaten erwarten einen Appell von europäischer
Seitc, um in die Reparationskrise einzugreise«. Man glaubt, dah
die Zeit hiersür noch reift, bcvor Poincarö gegen Deutschland vor-
geht. Die Meldnngen, datz England gesordert hätte, das Repa-
rationsproblem aus einem interuationalcu Kongreh z« behandeln
und Amerika dieje Bitte ersiillen wiirde, wird zwar amtlich demcn-
tiert, aber Las Weihe Haus weift gleichzeitig aus den von Staats-
sckretär Hughes vorgeschlagenen Weg hin, einer Bankierkom-
mission die Festsetzung der Reparationssmnme zu LLertragen, ein
Borschlag, der dcr französischen Regrerung übermittelt wurde. Jrgend-
dinen Druck aus die Alliierten wollen die Bereinigten Staaten aller»
dings nicht ausüben. Ueber die bevorstehenden Matznahmen der Ber»
einigten Staaten bcrichten serner «Chicago Tribunc" und „Dailq
Mail" unabhängig voneinauder übereinstimmend, Staatssekretär
Hughes werde sondiere», ob die Alliierten eine internationale Sach-
verständigenkonserenz wünschen wiirden. Sollte insbesondere Frank-
reich zustimmen, würden Abmachungen dahin getrossen werden, bis
dahin alle politischen Erörterunge» der Reparationssrage zu ver«
tagen. Sollte der amerikanische Plan aus Widerftand stohen, so
wiirden die Veremigten Staaten der Welt mitteilen, wer sür das
Scheitern vcrantwortlich ist. Eegen die Besetzung des
Ruhrgebietes würde Amerika einen euergischen Proteft er«
heben und möglicherweise seine Truppen vom Rhein zorückziehen.

Die Gnberusung des Reichstages.

Verlin, 6. Jan. (Eig. Drahtm.) Der Reichstagsprästdent hat
die näckste Plenarsttzung auf Dienstag, den 16. Ianuar, 2 oder 3 llhr
nachmittags änberaumt. Der Reichstag wird sich voraussichtlich mtt
deir neuen Finanzkrediten aus Anlatz der Besoldungs-
erhöhungen sür Dezember und.mit dem Eesetzentwurf Lber Lie
Asnderung in der Wirksamkeit des T ar i fs ch i e d s g e ri ch ts
usw. befassen. Die Besprechung der au tz e n p ol i t i sch en Lage ist
erst fllr den zweiten Sitzungstag zu crwarten. Mit der auswärtigen
Lage wird sich zunächst der A u s w ä r t i g e A us s ch uh des Reichs-
tags beschäftigen, der von seinem Vorsitzenden, dem Abgeordneten
Dr. Stresemann, aus Mittwoch, den 10. Januar, vormittags
10 Uhr, einberufen worde« ist-

GereMgkeit Md Llebe.

Die „Frankfurter Volkszeitung" hat die kurzen Vemerkungen, dte
wir am 30. Dczember des verflossenen Iahres an der Spitze nnseres
Blattes Lber die Weihnachtsenzyklika des Papstes und über die Un-
vcreinbarkeit mehrerer hier ausgesprochener Süge mit der politischen
Haltung der „Volkszeitung" gebracht haben, z»m Anlatz genommen,
sich über uns im Lesondersn und über katholische Politik im allge-
meinen zu äußern. Sie hat diese Aeutzerungen unter die Ueber-
schrift: „Eerechtigkeit und Lrebe" gesetzt und hat Lamit doch wohl
von vornherein andeutcn wollen, Latz sie die Anforderungen, die in
diesen beiden erhabenen Begrifsen liegen. sür sich als ncrpflichtend
anerkenne, wir müstcn aber gestehen, datz ivir wcnigstens in dem,
was fie über uns sagt, Eerechtigkeit und Liebe nicht aufzufinden ver-
mocht haben.,

Die „Volkszeitung" behauptet, wir hätten ihre politische Hal-
iung „verdächtrgen" wollcn. Jst cs denn aber eine Verdächtigung,
rvenn man sine Tatsache seststellt? Wir haben gesagt, datz man den
Ton der „Volkszeitung" manchmal von dem der linksradikalen
„Volksstimme" nicht zu unterscheiden vermöge. Wir haben das ge-
sagt, weil es einsach sa ist. Man lese als Beispiel nur den Leit«
artikel der „Volkszeitung" vom 14. Rovcmber und man wird uNs
rccht geben. Aber, man braucht gar nicht so weit zu gehen! Der
Artikel: „Eercchtigkeit und Liebe" selber genügt als Beweis: er
zeigt stch in seinsm letzten Teile so völlig durchtränkt von anti-
kapitalistischem Eeiste, datz, wer nur diese Ausführungen läse, sicher-
lich zum Schlusse kommen mützte, datz cr ein sozialdemokratisches Blatt
vor sich habe.

Fernsr schreibt die „Volkszeitung", wir hätten „mit Verwun-
derung" festgestellt, dah sie einen Auszug der Enzyklika veröffentlicht
habe. Wir haben uns darüber aber durchautz nicht „gewundert".
Wir hätten es geian, wenn die „Nolkszeitung" die Enzyklika nicht
gcbracht hätte, dagegen müsten wir uns heuie sehr wundern, datz
die „Volkszeitung" Lehauptet, „sie wiste, datz unsere Bcmcrkungen
nicht ernst gemeint seien". Diese Aeutzerung lätzt Eerechtigkeit und
Liebe ganz besonders vermissen, denn die „Volkszeitung" meint, wir
hätten unsere Worte auf die Stimmung „gewisser katholischer Kreije
berechnrt. denen durch — nur zu begreiflich — Restentiments der
Blick für das politisch Notwendige und das wcsentlich Katholische ge-
triibt und verdunkelt sei". Wir können der Wahrheit gcmätz ver-
sichern, datz wir an dies e „gewissen Kreise" nicht gedacht haben,
denn diese Kreise brauchen nicht erst von uns auf die Unvereinbar-
kcit der Zentrumspölitik, wenigstens der Politik des linken Flügels
dcs Zentrums, mit den Ueberlieferirngen der Kirche hingewiesen zn
werdcn. Etwas anderes ist es mit denjenigen Kreisen, denen diese
Unvereinbarkeit noch nicht zum Bewutztsein gekommen ist. Wenn
wir Angehörige dieser Kreise durch unsere M'tiz veranlatzt haben
sollten, diese Dinge etwas schärfer ins Auge fassen, so würüen
wir uns um der Sache willen sehr freuen.

Schon jetzt sreuen wir uns aber darüber, dah die „Franksurte«
Volkszeitung" durch unseren kleinen Artikel veranlatzt worden ist,
„das Zentralproblem", von dem sie selber übrigens bekennt, datz es
die politische Einigkeit der deutschen Katholiken zersetzt habe, einmal
grundsätzkich darzustellen, das „Verhältnis nämlich der Zentrums«
partei, und für unsere Eegend der Frankfurter Volkszeitung, zur
Sozialdemokratie", und wir freuen uns auch, in den Ergebnisten den
übrigens als „selbstverständlich" hingestellten Satz zu finden, „datz
der Sozialismus in seiner marxistischen und in seiner modern-huma-
nitären Ausprägung im Gegensatz zur katholischen Jdee steht, und '
datz auch die Praxis der Sozialdemokratie in schrosfer Kampfstellung
gegen den Kaiholizismus steht". Die „Volkszeitung" sagt mit Recht,
damit sei die prinzipielle Frage des Verhältnisses zum So»
zialismus ein für alle Male entschieden, sie fügt nur leider
diesem Satze die Worte bei: „auf geistigem Eebiete", und mit
diesem Zusatz bahnt sie sich den Weg zu Betrachtungen, die als Ant»
wort auf die Frage, wie sie sich zu den sozialistischen Menschen zi»
stellen habe, genau das Eegonteil von dem eben Eesagten sind.
Sie findet nämlich, diese Frage sel auf dem politischen Gebiete
zu entscheiden, ihre Lösung könne der katholisihen Jdee gemätz nur in
Eerechtigkeit und Liebe gefunden wcrden, und sie ver-
kündet als das Ergebnis ihrer Untersuchung dcn Satz: „Die salsche
Lehre mutz bekämpft werden, mit allen Mitteln des Geistes. aber
den Menschen müssen wir helfen".

Wir wollen uns nun blotz an diesen Satz selber halten, nicht an
die llntersuchung die Lazu geführt hat, obrvohl in dieser Untcrsuchung
stch Aeutzerungen finden, die nicht dasür sprechen, dah der Verfaster
die „falsche Lehre" bekämpfen wolle, die im Eegenteil ganz und gar
im Eeiste dieser falschen Lehre gehalten sind, — wie gesagt: wir
wollen den Satz hinnehmen und wollen auch zugeben — was Lbri»
gens als selbstverständlich gelten kann —, datz wir in der Tat den
Menschen helfen müssen, namentlich denen, die in Not stnd, wir fragen
aber, ob wir den Menschen auch dann helfen müssen, wenn sie etwas
Unrechtes begehen?! D ie Menschen nun, die sich zu einer Partei zu- >
sammenschlietzen, um eine andere Klaste, mit der sie im Lbrigen
durch Eeschichte und Leben, durch Sprache, Kitltur, ja oft auch durch
denselben Elauben aufs engste verbunden stnd, bis zur Vernich.j
tung zu bekämpfen, diese Menschen begehen Unrecht, und!
wenn man darüber etwa im Zweifel sein sollte, was ihnen gegen-'
über „katholische Politik" gebiete, so müsten unstrer Ansicht nach.
gegenüber der Weihnachts-Enzyklika des Papstes alle Zwe fel schwin-
den. Die „Franksurter Volkszeitung" sagt: „Katholische Polit.k
machen heitzt, bei allen politischen, d. h. auf ein Ziel gestellten Ent-
scheidungen Bezug nehmen auf die unvergänglichen Erundsätze dsr
katholischen Religion". Wir wützten nur nicht, wer ein besterer Rat-
geber in bezug auf die Ausdeutung dieser unvergänglichen Erundsätze
sein sollte als der Papst, und wenn wir in seiner Kundgebung di«
Worte lesen, datz „der Klastenkampf die eingewurzeltste und tödlichste
Krankheit der Eesellschaft sei, gleichsam det Bohrwurm, der ihren
Lebensnerv Lernage", ,so können.wir.daraus.nur.di« Lchliitzfolgeruns
 
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