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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0963

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Loonerslag. dea r. Znni 1923



-^adi lch k Poft' crscheint wöchentl. liebenntal. Bellanen: -hidaslatta'Sonnt.) —

Unn att <Mon«al,r> - Literatnrblatt -SochlS-Cberlagc,monat > ich>.

und

Hauvtacschäitsftelle o. Schrtftlelts der »Badischen Poft^Äsldelbera.Äanotftr. 28, Feruspr.
Nr. 18S. Bcrlinrr Vertreinn-,: Berlt« sv «8. Zinrmerftratze g, Fernspr. Zentr. 115
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Di'e Kaliung der AMerten.

^nlerschiedliche Aussassungeu in der Reparationssragc.

Von unserem tt-Korrespondenten.

Paris, K. Iuni.

^ Vrüsseler Mltarcheiter des ,,Matin" Lerichtet setnem Dlattc,
d,»Lelgische Regrerung aut keinen Falldaran
sich von den Franzosen in der Nuhrange-
abzusondern, weil di«s allein der deutlchen Re-
sx-7.^3 dle Krast aelen würde. sich Gehorsam zu verschaffen. Die
wünschten aher Aleichzeitig. dah die alliierte Einheitsfront in
enjschiedenen Ultimatum zur Geltung komme, nur komme
^lin ^l'timatum unglücklicheMeise zu spät. Selbst wenn man ge-
fei' di« AusE-eutuUlg des Ruhra.ebietes M oraanlsieren, um
Gswinn zu ziehen, s.o fordert Velg'en, dah. nachdem man
'kglV haben werde, die Alliierten in London und Nom sür die
I^Mch-Ä-elgis-ch-e Politik zu g-winuen, lnngfristige Ent -
k>ü»»^ungen getraffen werden mühtcn. Die belgis.che Negierung
Kjische ke'nssweäs Magn>ahmen, die auf cin« Ausb-eutung des be-
Era-'etes abzislen, solange nicht vochcr fsstgestellt worden ist,
'e; D ruck auf Deutschland sich als unfruchtbar erwiessn
^-.insolgetzsffen verhantzeln die Belgier au-f der hsutc k«Aflm«nven
»r.^enz darüLer, daßman mit denDeutschen erstdann
-i»üandele. wenn der passivc Widerstand zu End«

. uird 'lah das R.-hrgeLie! nicht eher geräumt wsrde, als Lis
d:e Kew'ßheit habe, dast Zahlungen von Deutschland gelcistet
Ferner wünschs es, dah inan stch die U n t e r st ü h u ng der
»„Psten Alliiertcn stchere, um ein endgültiges Mimatum
iisr^uischland zu rtchten; alle anderen Pläns, vie darauf h-'m»us»
«In.« en^gültige Reparat'onssumme sestnulegen, oder Zahlnnqs-
* >„ DeutMand zu sinden, seien verfrüht, und es wäre nutzlos,
dWt' erörtern, wenn nicht die französisch-belgl'schen VorLedingungen
wären.

Lon-don liegen heute in Paris verschieden« Preffemel-
vor, datz Baldwin raschenstens Deratungen in der Re-
?!« s^ssraae mit dem französtschen KaLinett herbeiführen wolle.
»ib -^chverständigen des englischen Schakamtes legen eben jetzt
<rn die neu'en englischen Revarations-
sth»,'chläge. Der Londoner MitavLeiter des „EcL-o de Paris"
d« ,^>et sögar, dah Keynes stch augeniblicklich in Berlin Lsfind«,
Lf«n NLgang der deutschen Note Werwache, L«! deren Abfaffung
^^ifellos eine grotze Rolle gespielt hab«.

»«s,^ehr wicht'g schetnen auch die Ausführungen dss Lonidoncr Mit-
M des .Peiit Journal" zu seiu. von wslchem be'annt i'st,
srki? »amentlich SLer sehr gute Deziechimqen zu nationalli-Leralen
um Llond Eeorge oersügt. Er erklärt. datz die eng-
K st Iffchoerständigen ihrc Arbeiten eben erst Leendet haben, und
"k ^oieile AvLc-iten Baldwin vorgelegt haben. mbd d->eser werde
i °kd Len all-'iercen Regier.ingen zugeLen laffen. Daldwin
aber zunächst den Schritt abwarten. der viel-
,.ks^t durck die sra nz ös isch - L e l o ! s ch e Konferenz
'ken könnte. Welches Borgehen da? engltsch« KaLinett



»n wird. ist gestern
Ausdrücklich w:rd

in einem KaLinettsrat fesigelegt
Frankreich vom Mstardgiier des
<u>urnal" daraus aufmerksam g-emacht. datz von Baldwin
>„°ffünstigere Haltung erwarten dürfe als non
^ ^ Law. England Lesteht ror allcm darauf, datz^Dentschland

^ r s" ratorium gewnhrt wird. Auch fürdie Festft« llung
krft^utschen Zahlungsfähigkeit durch ein« in-
Eional« Kommission spricht stch Baldwin aus,
?sj: wie dtes Donar Law g-etan hattc. Datz die fran-
'>r>,!uien Bedingunzen fürdie Aufhebung des uas-
'dy " W i d e r st a nd e s im RuhrgeLtet von England
?rrf,ff,u m m e n werden könnten, sei eine durchaus
Ibtzj.fhlte Ansicht, EnglaNd wünsch-e auch ke'n« teilweise o^er
?ül??rische Regelung der' Reparationsfrage, sondcrn e'ne end-
^ RegelungderNeparatiansfrage, -d-".rck^welchc

^tand

zu Leseitigen.

6. Iuni. Das „Oeuvrs" hat ebenfalls einen Sonder-

^iyss^atter nast Drüffel enisen-dct. der d-em Dlatte heute am
sA H if.ieines Telegramms schreibt: Die Delgicr befürchten sehr. datz
" carz, der hente einc Schar von Bürokraten und Sachver-
nach Drüffel schlevven wird, nur mit den unmittelbar im
-§"uhang mit dsr Besetzung de- Ruhrgebietes stehenden rrakti-
i-AsjslpUgen Leschäftigen will. Das Drängen des Ouai d'Orsay. die
d-'»loi ^utssttzung" auf etnsn Tag -u Leschränken. und die etwas
itz»,-»Hutz ssavs vergogres PoincarLs, am gleichsn ALend wieder
,^L,?ffel aLzureisen. machen auf ste einen ebenso besorgten
L>es zhoutsamen Eindruck. In Brüssel wsrden ffch heute
von Politik gsgenübsrftehen und aus der Dauer dcr
ff>, ^un man schlietzen. weiche Art den Sieg davongetragen
tzpyg:? klleicher Zeit wird sich anch das Schtckfal der nerfchiedenen
^ cfrankreichs entscheidcn. Die Lelgischsn Minffter ssien ge-
vorstchtige Leute, als datz man zu befürchten Lätte. heute
»ifsiiyP! .„Vruch" aussprechen zu müffen. ALer man miiffe sich ver-
->ig, ^stgen, datz der gsgenwärtiqe Zwrefpalt. wenn es hsuts nicht
»sZ^Ne französtsch-belglsche Dktion einzuleiten, stch rasch zu einer
u grötzer werdenden Dresche erwettern werde.

, ^icrWitei, der frmMch« ZnnenKMik.

6- Juni. (Eig. Drahtm.) Nachdem der öffcntliche An-
de- ^den der Leiden Abgeordneten Herriot nnd Brousse
ffr L» -.'-Unenministers in der gestrigen Kammersitzung besckiloffen
"!rl.^egs„ - ist dic weitere Debatte über die innere Politik
vertagi worden. Poincara lietz mitteilen. datz
hauptsächlich mit Rückstcht auf die heutige Drüffeler
!« »ch e,, 'U.Ul dringend geboten erscheine. Bei Poincar 4 wie
chr«. ^ zeigt stch also eins auffallend« Aehnlichkeit hinsicht-
Vc°re NbEw.ierigkeiten mit Rücksicht auf die
Ayg ; "litik. Poincar« wird Freitag im Senat bei Veant-
mer Interpellation Eelegenheit nehmen, auf die roya - /

listischen Umtriebe näher einzugehen. Zweifellos wird spä-
ter aber die Frage auch in der Kammer noch einmal gründlich be-
handelt werden.

GnMch-beigische AnnSAerung.

Zölle, Monopole und Eisenbahn sollen herangezogen werde«.

Von unserem -Korrespondenten

London. 6. Iuni.

Zu der Nachricht, datz die deutsche Negieruna daranf
verzichtet habe, etne Totalsumme varzusckilagen,
Lemerkt der . Daily Telegraph", es könnte unter anderen Umständen
von hohcm Intereffe sein, den Ursachen für disse Sinnssänderung
nackizugehen, würde aüer gegenwärtig keinen Nutzsn haben. Die
Tatsache set jedensalls zu bsdauern, abcr man könnte wenig-
stens hoffen. datz die Fraqe der Iahresleistungon und der Earan-
tien in der Note aenügend di'rchgearbeltet sein wsrde. um von den
Miicrten ernsthaft in Detracht gezogen werden zu können. Beson-
ders sei erfreulich, datz in der Earantiefrage sich der Lel-
gische und englische Standpunkt einander zu
nähern scheinen. Hinstchilick' dcr Brüsseler Konferenz
wird in dem Artikel betont. datz England eine Priorität der
Zahlungen für die zcrstörten Eebiete nicht annehmen könne.
ELenso hätte der Eedankc abgelehnt wcrden müffen. datz die Schul-
den der Alliierten gegenüber England auf Deutschland übsrtragen
würden. schon weil Deutsibland ein weniger leistunosfählger Sstuld-
ner wäre. Der Lclgische Z ah l n n g s p l a n. soweit er stch auf
dis Eisenbahn und gewi'sss Monouole Lezieht. finde in England
im allaemeinen Zustimmung Im übrigen aber hätten
die en-glischen Sachverständigen immer d!e AusfuLraLgabe als beste
Karantie Lsffachtct. weil ste Eoldergebniffe abwerfc. Aks Ergänzung
könnten auch gewöhnliche Zolleinnahmen herangezogen werden, io
datz drei Ernndlagen für sinen soliden Revarations-
plan oegeben seien: 1. Exportabgabe und Zölle 2. Mono-
pole für Eetränke und Tabo». 8. Eisenbahn.

Sniffe Mchnung an Saldwin.

Die »Timcs" über die Notwendigkeit einer endgiiltigen Lösnng.

London, 6. Juni.

Jn einem „Baldwins Eelegenheit" übersck-riebenen Leitartikel
führt di« „Times" aus, das wirtschaftliche Ebaos Euro-
pas werde stcherlich die erste Sor"s dss neuen britischen Prsmisr-
ministers sein. der im kaukmännisck'en Leben grotz geworben sei und
scine F'nanzersgLrunoen im Sckatzamt i-nter 'we'' M'nistcr'eg oe-
sammelt habe. Das Erundrroblem sei die endgnltige Reqs -
lung der deutschen Reparationen. Wenn sts erfolgt
sei. so werde jede andere Regelung leichter gsmackt merden. Es dürse
kein Vcrsuch eemackit werden. das Rsr-arationsproblem Mit der Frage
der französlscken Sicherhett zu verknüusen. Es drohe
Frankreich augsnblicklich keine Invaston. Diese Ge'ahr Lestehe auch
niibt, solange dre glliicrten Aeere das RLeinland Lesetzt bioltcn. Die
Erörterung der Sicherheiten erreoe autzerdsm immer nationalfftischs
Leidenschaften. Es sei wesen'lich. datz dsx Nerarationsfraoe s o
leidensckiaftsloswie möglicki erörtert werde. Si« lei ein
wirtschastlicbes Problem. das auf wirtsckaülicke Meise gclöff werden
müffe. Es sei wesentlick. datz dis gegenwärtige Lritische Regierunq
mit diplomatischer Rückstcht an' Frankreicks Eeffihle. vereint mit
nüchterner Erkenntnis der wirtschastlicken Tatsachen vorgehe; beides
zu vereincn sei freilich keineswegs leicht. Baldwin w"rde fedoch den
Borte'l der Illüersti-Kuna Eurzons auk dem einen Eeb-et »nd die
lknterffütz' ng MacKennas auf dem anderen Eebieto befftzen.

Jnlwischcn vermehrs iede Vsrzögerung die Sckwlerigksiten der
Lage. die i'nendlich rerschlimmert wordcn >ei durch die französtsch-
Lelgffche Besstzung des R u h r g e L i e t s. Deutscklands Reparations-
zablungen hätten aufgehört und d!e Zablungsfählgkeit Deutsck-lands
sei vermindert worden. ,-nd was noch scblimmer set. der Getst der
Feindseligkeit sei in Deutschland "rötzcr und Litterer aeworden Allc
deutschcn Staaten die noch ror Monaten uneins gewffen seien, seien
,'n eiys festgeschloffene Ovposttion gedrängt worden. D!e E'Nwohncr
im Rr'brgeLiet hätten ffcb aus esgenem Antr'eb dsr Veeinträchtigung
ihr--r Freiheiten widsrl-Lt. Ibr« Aaltuna hätte Wisdsrvsrgeltungs-
matznabmen der französitchen Verwaltvng bervorgerufen Es sei keins
Uek-ertreibung. menn gcsagt wsrds, datz jetzt eme Herrschaftdes
Tcrrors geschasfcn wor>en ssi. Alle deutlckien Beamten die den
Vesehlen des Esnerals Degoutte nicht nachgekommcn seien, wür-
den eingekerkert oder ansgemiesen. Dre Zahl d°r Bertriebenen be-
trage Tg.ussnde wöckenffick'. Dre Familien der Ovser würden einige
Tage später aus den 5täiffsrn abgesckoben. obne Sckuff und Existenz-
mittcl. Ver'weiflung nnU Wut im 5>erzen. Die Ersckietz"ngen und
Unruhen würden zablreicker un^ ernster. Die Not Deutich-
landsse, zmeifellos ernst.

Die knduffrielle Erholunv. die ffch endlich in England zu zeiaen
Legonnen babe. sei zum Stillstand gekommen. Der britische
5, a n d e l im Kölncr Eobiet se! aehemmt.. In Südwales sei der
Niedergang wegen der Unmöglickkeit erfolat. billiaen Stahl zu er-
halten von dem die Zinn"latteninduffrie abhänge. Deutsckland könne
nickt länaer Waren aus Indisn kaufen. Indien könne daber nicht so
viek von Lancalliire kauken. Der vollständige finanzielle
Zusammenbruch Deutschlands könne kür nieman-
den von Vorteil sein und müsse das Wohlerachsn
der Welt nachteilig berühren. Trotzdem wäre diestr Zu-
sammenbruch De,'tschlands dle ffck-re Folge der französiscken Polltik,
wenn dkese nickt sofort und praktisch abgeändert wsrde. Es seien An-
zeichen vorbanden, datz Velgien ungeduldig werde und aerne
seinen Aiffeil an dem Ruhrabenteuer los werdcn nw"e. Dis Haltung
Belgiens ssr zweifellos nickt unverein''ar m!t der Erotzbritann'sns.
Die Drüffeler Konferenz könne das Vorsuiel für eine grötzere Zu-
sammenkunft sein, wo Italien und Grotzbritannien ebenfalls an-
wcsend sein würden.

Amm'ka prüst die Lage im Äuhrgebiet.

Paris, 6. Juni. Das „Echo de Paris" erfährt aus Mainz, daß
der ehemalige amerikanische O L e r k o m m i s s a r Lei der
.mteralliierten Rheinlandkommission, Noyes. !n keson^crem Auf-
trag das RSeinland ausges'-cht habe, um stch über die Laae dort und
lm Ruhrgebiet zu unterrichten.

Die Serrschast der Znsurgenien.

lVon unserem ostoberschlesischen Mitarb«it«r)

Wenn neben einer rechtmätzigen Negierung «ine zweite besteht,
spricht man von cincr Nebenregierung. Vei uns in Ostober-
schlesien prägt stch kmmer mehr ein Zustand aus, Lei dem die
ordnungsmätzige Regierung die eigentliche Nebenregierung ist. die
Regierung von untergeardneter Vedeutung, während die offizieve
Regierung immer stärker durch die btshcrige Nebenregierung reprä-
senticrt wird. Dtese tatsächliche Regierung wird ge»
bildet von den Insurgenten, Durch den Regierungs-
wechsel in Ma rschau. bei dem Witos harter Bauernschädel nur
rein äutzerlich den fiihrenden Kopf darstellt, während die ratsächllche
Leitung aller Staatsgeschäfte in den Händen dar Rechte» liegt.
Schon in den letzten Negierungswochen Sikorskis ist die Leitung
aller Staatsgcschafte immer mehr den Insurgenten Korfantys
anheimgesallen. Das galt nicht nur in Oberfchlesten, wo z. B. die
Partei Witos im Kattowitzer Sejm von 48 Mandaten nur ein
einziges besttzt, sondern auch im Lbrigen Polen. Der Einflutz der
Insurgenten erstreckt stch Lis nach Warschau, Posen uNd L em-
bcrg. Wsr Let dem dritten Polenaufftande vor zwei Iahren weit
hinter der Front ,'n Oberschlefien unter Korfaniys Leitung „ge-
kämpft" hat, glaubt heule in der ganzen polnischen Rspublik im
Besttze Lesonderer Fübrertalente zu sein. Es gibt nrcht nur in Ober-
ichleffen Sns„r--enten-"-""iffatiancn, sondern auch in Bosen. Lem»
Lerg, Krakau und Warschau. Eie matzen stch gleichermatzen
Lberall das Necht an, in allen Verwaltungsdingen das entscheidende
Wort zu sprechcn.

In Oberschlesien gehen die Insurgenten fortgesetzt bei
öffcntlichen Umzügen mrt Waffen herum, sie schretben seit einigcn
Tagen im lokalen Teil der ihnen nahestehendsn Blätter ganz ofsi-
ziell „militärische Uebungen" aus. Sie suchen die ver»
faffungsmätzige Earantie, daß die Oberschlesier für die nächsten acht
Iahre keinsrlei militärische Dienstleistung zu verrichten Lrauchen,
auf diese Weise zu umgchen. llnd mit jedem derartigen wcitsren
Schritte kommt auch die tatsächliche Macht der Regierung immer
mehr in ihre Hände, die ste nur in einem streng deutsch-
feindlichen Sinne gebrauchcn. Jn den letzten Wochen ist in
Kattowitzz. V. geradezu eine Epidemie daraus geworden, in den
Abend- oder Nachtstunden heimkehrende Deutsche, wenn ste stch
in ihrer Muttersprache unterhalten, niederzuschlagcn un8 in
der schwersten Weise zu mitzhandeln. Kein Tag ohne einen
neuen derartigen Ueberfall! Jeder Tag lieferi neue Vsweise dasür,
wie die Insurgenten Korfantys die Verwaltung der Wojewod»
schaft an stch reitzcn. Eic kommandieren und nach diejem Kom-
mando hat stch die Wojswodschaft zu richten. Sie oerlangten ein
Einschreiten gegen die deutsche Presse und prompt
wurde dieser Wunsch erfüllt. So wurde in Kattowitz ein Redak-
teur wegcn einfacher kommentarloser WiedergaLe von iatsächlichcn
Begebenheiten im Ruhrrevier zu drei Monaten Eefängnis und zwei
Millioncn Mark Eeldstrass vsrurteilt. Die einzige Begründung für
diese Strafe lag in den trockenen Worten des vcrurteilendsn Eerichts-
vorsttzenden: Wir dürfen unsere Bundesgenoffen nicht beleldige»
laffen! Jn Vromberg wurde ein Nedakteur zu neun Monaten
Gsfängnis verurteilt, weil er an die Ausweisung einor deutschcn
Dame einige kritische Bemerkungen geknüpft hatie: in Lodz wurde
cin dsutscher ReLakteur zu vier Wochen Eefängnis verurieilt wegen
Beleidigung eines gegen das Deutschtum hctzenden Telcphon-
sräuleins, während e'n polnischer Nationalist wegen Beleidigung des
früheren Staatspräsidenten nur eine geringe Eeldstrafe erhielt. Ein
einziger Kattowitzer Redakteur eines deutschen Blattes hat zurzeit
neun Strafverfahren laufsn wegen Beleidigung, Verächtlichmachung
polnischer Staatscinrichtungen usw., ein anderer Redakteur acht der-
artige Strafverfahren, die alle nur das eine Ziel haben: ^ie dcut-
schen Zeitungen mundtot zu machsn und die verantwortlichcn Nedak-
teure hinter Echlotz und Niegel zu bringen. Jn den Strafverfahren
gegen deutsche Nedakteure wird den Staatsanwälten das zu bean-
tragende Urteil vorgeschrieben. Es gibt ehrlichc Staatsanwälte, die
sich wegen der Härte dieser Anträge moralisch beschwert fühlen und
die im vertrauten Kreise crklärsn: Es gtng nicht anders, ich hatte
den dienstlichen 2luftrag, diesen blödstnnlgen Antrag zu stellen! Das
erkennende Eericht aber sucht diese ohnehin drakonischen Aniräge in
dem Urteil diensteifrig noch zu übertrumpfen, wcil man weiß. datz
derartige Urteile den Wünschen matzgebender Faktoren entsprechen.

Die Jnsurgenten vcrlangten in einer Entschlictzung die Unter-
bindung der Tätigkeit des deutschen Volksbundes.
Zur Begründung wurde gesagt: „Der Bund der schlesischen Auf-
ständischen stellt fest, daß der deutschs Volksüund in Polnisch-Obcr-
schlesten eine staatsfeindliche Tätigkeit entsaltet" Als „Beweis" für
diese staatsfeindllche Tätigkeit gilt den Insurgenten die angebliche
Anwesenheit ron Vertretern des Volksbundes auf der PfingAtagung
heimattreuer Verbände in Neitze. Darum fordorn die Knüppel-
garden Korfantys öffentlich: „Auf die Tätigkeit des Volks-
bundes, deffen Organisationen und Mitglieder aufmerksam acht zu
geben Von zuverlässtgen Mahrnehmungen ist dem Bund« der Auf-
ständischen tn Kattowitz vcrtraulich Meldung zu erstatten. Mit der
Viite, die gleiche Wachsamkeit zu entwtckeln, wendet stch der Bund
auch an alle polnischen sozialen Organisationsn." Während sich
gestern noch das polnische Note Kreuz in umfangreichen Sammlungen
an den Geldboutel der deutschen Bevölkerung wandts, soll heute der
eigentliche Zwcck auch dieser Organisation nach dem Willen der Auf-
ständischen nichts als eine Spitzelorganisation zur Ueberwachung der
Deutschen sein!

Jn einem anderen Aufrufe wendet stch der Bund der Aufftändi-
schen dcr Frage der so heitz umstrittenen Delbrückschächte zu.
über deren künftiges Schicksal die Jnterallüerte Ercnzkommisston be-
kanntlich immer noch nicht entschicden hat. Der Bund vcrsolgt de»
albernen Plan, die milliardenreichen Schächte »mill-
 
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