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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0677

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Zchrgang - Nr. 110

^ e P o st- crscheint wöchentl siebenmai. Dei!a"cn: Didaskalia (Sonnt.) —
lMontags» - Literaturblatt —Sochschutbeilage lmonatIichs.
--ore BeitrSae obne Verantwortung. Rücksendnna nur, wcnn Porto bei'.iegt.

Heidelberger Zektuttg

(Gegründet 1856)

und

Sandelsblatt

Sonn<ag, den 22. April 1S2Z

Hauvtaeschä-tsstcllc u. Schriftleita. ber.Badischc» Post'H-idelbera.Hauvtstr. N.Fcrnsvr.
Nr. 182. Berliner Vertretung: Berlin 8VV 48. Zimmerstrake g, ffernlpr Zentr. 416
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Kardolff - Severmg.

^o« nnserer Derliner Nedaktlon.
y, Berlin, 21. April.

Äleich zu den ungemein tumultuöftn Auftritien am
^ it^. ?kl>er die Fortfetzung der Aussxrache im Landtag am Sams-
bab ist o ^ Verbot der Dcutscbvölkischen Freiheitspartei sehr ruh'g.
Miejh„^^ allen Dingen der Rede des Abg. von Kardorff M-
m, , ^ !>lh bemnhte, ausgleichend nach allen Richtungen
M j^ rren. Das A?ort des Alchenministers Rosenberg von
ke, in r.Uolitischen Moratorium, das Deutschlano haben müsse,
lllster Nede ein weites Echo. Trotzdem läßt sich nicht ver-
lid? ailen ^dsrr von Kardorss in seinem Bemiihen, ausgleichend
dgk, , «eiten zu sein, vieNeicht doch etwas zu we! t ging,
^adnrch seine Rede vielsach die Schärse vermissen ließ.
wo sie unter allen Umständen hätte zum Ausdruck
riuVuss-nV

gea° ^ politisch Unkluge des Vorgehens des Herrn Seve
Te^"U de die Dsutsrbvölkische Freiheitspartei glbt es in den
b D-utschen Bolkspartei pur eine Meinung. Kerr
°-u»g r > seinen Dorstoß gemacht, ohne sich mit der Re'ichs-
hiseoeu j' lo^ar ohne sich vorher mit seinen preußischen Minist'.r--
Einvernehmen zu setzen. Herr von Kardorff riiate das
doessedi^l, Herr Scvering hat aber dann durch den preußisch-il
»v i -s' ?>^° sich selbst aus die Meldung verbreiten lasien,
HSt. bp^samte preusiische Minister-um, also auch die beiden
»i^N. >>^te!lichen Ministcr, sein Vorqehen gebilligt
Su ?t e Meldung war. w'e wir ausdrücklich feststellen möchten,
- ke» k.'A t l - "-^ - ---- —-- " -

fgtt»" Sie war bewußt irrefü
irusj/^en Ausiasiunq Anlaß gegeken, als o

rend und sie hat
zwischen der Land,

skuk.b>eich»!! Deutschen Volkspärtei und der ReichstagssraktiZn
iö>"lon " Partei, oder zumindest den Führern der Neickistaas-


der Neichstags
preußüschen Ministern
" wäre im

v... »n ^ beiden volksparteilichen . .

dyi^essg .ü s r> e r s ch i e d e nh e i t e n bestünden. Es wär
ldy,?pglj.,^ Partei erwünscht gewesen. wenn am Samstag oin
U j-°eg wä Seite aus mit aller Entschiedenheit betont
pgck. >zn. ' diese Auffasiung von Mei'nungsverschiedenheiten
>hl-1^olissi s s E n d ist, daß die volksparteil'chen Minister in der
CjL ElnLerufenen Sitzung des vreußiscken Kabinetts zwar
^ih svrp?^""^ vertreten haben. daß das Voraehen Severings
H suristisch zulässig war, daß sie aker vom
e i s,'Aen Standpunkte aus die Aktion ihres Kollegen ebenso
l°rff? ° utig verurteilt hatten, wie dies der Abg. von

»»'p 'si r ^

^ell^gchti >^>ustverständlich, daß, nachdem einmal Herr Severing
llr^eu^L vorgegangen war, der Innenminister nicht von seinen
pls^bhe»^lell de-avouiert werden konnte: dies wäre eine Kata-
k wpc? ulitik gewesen, die untcr allen Umständen vermieden
peii,7,edi>^>e, aker gerade. weil wir dem Abg. von Kardorff darin
k>l>Kt »'Sit -iustimmen müsien, daß heute eine solche Kata'trophen-
i^trieben werden dürie. wäre es vielleicht auch ange-
^lbiK^^ess-^.U' d>e absichtlich irreführende Mel-dung des Seveiing-
?^ustes von der vollen. alsö auch volitischen Ueberein-
°«r llntz i, preußischen Kab-'netts richtigzustellen, und dadurch
. A>eis, ° Unklarkeiten zn keseitigen, die nun einmal innerhalb
Deutschen Volksxartei selbst bestanden haben.

^iiji.Ug den die qesamte Rechtspresie gegen den Ministsr

?>lhe,>ch „pfs oen hat, daß sein Vorgehen aegen die Deutschvölkisch.'n
?»t o U P„iNI gewesen se- nnd aus Erün-den der inneren wie der
seZ djx ^ ">>ter allen Umständen hätte ver--°rieden werden mllsien,
ns»sier am Samstag namentlich die Verteidigunzsrede

^>z.»»Ng°;° vering selbst, deren InbaUslosigkeit nur noch von
Llrt'sb s-^.udertroffen wurde, nicht zu entkräften vermocht. Irgend-
^>e ip..<Us ?>^ndes Material gegen die Dentschvölkische Freiheits-
m'>lksig:?>che hat auck> setzt Herr Severing nicht vorgebracht,
Mt Ät Verfahren v^r dem Siaatsgerichtshof^war da,

Mt"8>t iri'aü'"^ °as Bersayren vor vem i2laaisgeria,rsyos war va-
ÄlsijM >>»"bend. denn diese Rücksichi hinderte Herrn Severing
^lijifUbsiEi. u, wag Herr Roßbacb nnd seine Freunde angeblich für
k ^ I ^.UatjL" aeäußert hätten. Dte Roßbachleute sind von den
8.'>>eii " "ud auch von dcn Deutschvölkischen bekanntlich ab-
p?.Uatsn„, ?urden, aber das Material, das von Herrn Severing
,,Ä die^iv'^>^^us unterbreitet worden ist, scheint sich tatstichlich
d, m slkes speradopolitik dieser Außenseiter zu beschrän-
i'n?^ew?^u?üt von neuem die Frage in den Vorderqrund, ob
^tL ve^ ^Ulohnlicher und noch nie dagewesener Schritt, wie er
i, N» >st. ^-rbote einer ganzen politischen Partei ausdrllckt, be-

,^e« 'st v«-- ... .

g gemesien

eipoIi -
> an dieser
aucki das nöch so starke Be-
Ministei llber den Parteien
g an seine
-lem Elan-

lo^it^ "M E^'uer eigcnsn Reihen wenig Anhänger findcn. Er
!,--s>hli^nd^uuls<ag wieder, wogegen mir uns mit aller Entschie-
lll !ei-^uss^u, betont, daß die Linksradikalen nicht entfernt,
Ii^° r ^>UKee?. ">ie die Rechtsradikalen Er hängt weiter denr!

'n ^vNtn,,u>"uben an, indem er saqte, daß die Kommunisten
^'le daß die Hundertsck'aften. mit denen sie nament-'

^erte.ir" Fahne" immer aufmarschieren. zu einem aroßen
>>tz >>ie everin "» >°>en. Kurz, es gibt auch hente noch für
bes„ preui-i?4 "'chts Harmloseres als die Kommunisten,
^ren „ ^ Regierung insgesamt und Herrn Severing
llesj'. daß si^"^ Freitaq eine ..Eaunerbande" genannt habcn.

t. Uen l? ver«,'« 11ung kommt er n l ch t I
xdhe „ss "U nach unserem Erachten auü
ri'e.u.Uhts -„..beverina. daß er als Mini

u?S,t. ^°^n und Herrn Sever-ng ^ .. ausgleuhenv Z nick >
alle?^ Absicht des Herrn °- lann man stch

LtziL ^stren. aber seine Argumenra k»errn,«wlang^ -

^esis^I zu cigen machen. So .wcn »..^tschnatlonalen ^
als Musier eines gemag'siion einmal >n T

k's^tE Die D^ liegen.doch ^ m°n

an-ers ^s i'n Reich, >eiber wir gluckUch«

epÄI-lu der ganze Streit. ^m . ^ Mann^

3usiönde, die es shlhs> ezelsserich mdglich t.^ech-
^>4 uÄ Temperament wie S"in S-lnei > ^iltth derecy
iurückhaltend zu sprechen. Dw u» u

tigt, wie etwa Herr HeMerich sprechen würde, wenn er im Reichs»
tag einem Mann wie Severing gegenüberstcinde. Das Kampffeld
ist, wie gesagt, sehr zu Unrecht etwas einseitig verschoben. Statt
einer Attacke gegen Herrn Severing hatte man schließlich ein
Kesseltreiben gegen die Deutschnationalen. Die Ant-
wort von dorther wird nicht ausbleiben. Dic ..Deutsche Tagesztg."
kündigt das bereits für die am Montag weitcrgehende Debatte viel-
versprechend an. Daß sich die keiden Rechtsparteien allerhand lln-
liebenswürdigkeiten sagen, war eigentlich nicht der Zweck der Uebung.
Schließlich hat die Deutsche Volkspartei wahrlich keine Veranlasiung,
Herrn Sevcring herauszupauken.

(Den Sitzungsbericht bringen wir an anderer Stelle. D. Red.)

DeuWland und di'e ErMungen Lurzons.

Am Anfang einer «euen englischen Politik?

Don unserer Verliner Redaktion.

Berliu, 21. April.

Ueber die Rede Lord Eurzons im englischen Oberhaus
äußert man sich in Regierungskreisen noch sehr zurückhaltend,
da man erst den amtlichen Wortlaut der Erklärung des englischen
Außenministers abwarten will. Jnsbesondere gilt dies der Be-
merkung, daß England wiederholt die Aufforderung an Deutsch-
land "erichtet habe, der Entente ein AngeLot zu machen. Man
kann in Kreisen, die dsr Reichsregierung nahestehen, den Eindruck
beobachten, daß Lord Curzon mit seiner Rede den Franzosen
in der Ruhrfraqe den Weggeebnet habe, wenn auf fran-Lsischsr
und belgischer Seite tatsächlich eine Verhandlungsbereitschaft bestehen
i e. Auch in anderen politischen und parlamentarischen Kreisen
ist man der Ansicht, zum ersten Mal verständige Aus-
führungen eines wirklichen Staatsmannes des Auslands ge-
hört zu haben. Besonders sympathisch berührt die Erklärung
Lord Eurzons, daß auch er der Aufsasiung sei, daß Deutschland gegen-
wärtig nicht in der Lage sei, ein zahlenmäßig bestimm-
tes Angebot zu machen. Jn parlamentarischen Kieisen glaubt
man auch aus der Rede des englischen Außenministers entnehmen
zu können, daß die letzte Reichstagsdebatte, insbesonder« die Rede
des Abg. Stresemann, nicht ohne Wirkung auf sifrank-
reich und Belgien sowie auf das neutrale Ausland geblieben ist.
Wenigstens deutet man so seine Verstcherung. daß ein deutsches An-
gebot von Frankreich und Belgien ernsthaft geprüft werden würde.
Man glauüt auch, daß Lord Lurzon nicht derartige Erklärungen ab-
gogeben hätte, wenn er nicht die einigermaßen verläßliche Eewißheit
gehabt hätte, daß seine Rede in Berlin und Paris die erwünschte
Wirkung haben würde. Infolgedesien glaubt man an verschiedenen
Stellen. die Eurzonsche Rede als ein EinlenIen Frankreichs und
Velgiens auslegen zu können, wenn man sich auch nicht verhehlt,
daß die Derständigungsmöglichkeit noch nicht in greifbare Nähe ge-
rückt sei. In xarlamentarischen Kreisen hält man, wie schon er-
wähnt, die Curzonsche Rede füräußerst bedeutsam und glaubt,
daß sie den Anfang einer neuen englischen Politik darstelle.

Sie segen-reiche TStigkeit Msgre. TeffaS.

Lrleichterungen für deutsche Eefangene lm Einbruchsgebiet.

Eigene Drahtmeldung.

Berlin, 21. April.

Der päpstliche Delegat Msgre. Testa hat Berlin wieder ver-
lasien. Außer dem Reichspräsidenten hat er auch dem Rcichskanzler
und dem Minister des Auswärtigen einen Besuch abgestattet. Um
einen Ueberblick über die grcße Not in Berlin zu gewinncn, hat
er verschiedene charitative Einrichtungen, darunter d:e Quäker-
speisungen, das Städtische Waisenhaus, das Flüchtlingsheim, dis
Tuberkulosenstation und das Obdachlosenheim besichtigt. Testa, der
erklärte. daß seine Mission keinen politischen. sondern einen
rein insormatorischen Charakter trage, begaü stch wieder ins Ruhr-
gebiet, von wo aus er ins Saargebiet reisen wird. Msgre. Testa
sind Erleichterungen für politische Gefangene und be-
sonders für die Jnsasien des Gefängnisies Zweibrücken, die
unter den schmachvollsten Verhältnisien leben, zugesagt worden. Es
ist ihnen jetzt gestattet, zum erstenmal Besuch durch dortige Eisen-
bahner zu empfangen und ste dürfen ihre Verpslegung durch das
Rote Kreuz erhalten. — Ebenfalls auf Fürsprach-e Msgre. Testas
wird der zu drei Jahren Eesängnis verurteilte Esiener Oberbürger-
meister Schäfer mit Rücksicht aus sei'nen kränklichen Zustand aus
dem Gefängnis entlassen werden. Er kann mit seiner
ssamilie in einem Sanatorium oder Hotel des besetzten Eebiets
Wohnung nehmen.

Am Montag wird Msgre. Testa der bayerischen Regie-
rung in München einen Besuch abstatten und sich von Lort wied'r
in das Ruhrgebiet zurückbegeben.

Die Krlse im iialienischen Kablnett.

Von unserem L-Korrespondenten.

Rom, 21. April. (Eigene Drahtm.) Die Sitzung der parlamen-
tarischen Eruppe der italienischen Volkspartei Lauerte
gestern bts 7 Uhr abends. Es wurde eine Tagesordnung ange-
nommen, in der dem Kabinett Mussolini das Vertrauen aus-
gesprochen und die ErklLrung abgegeben wird, daß die Volkspartei
bereii ist, mit dem Kabinett weiter zusammenzuarbeiten. Diess
Taqesordnung wurde mit 70 gegen 1 Stimme bei 10 Stimmenthal-
tungen angenommen. Eine Abordnung erschien sofcrt bei Musiolini.
um ihm den Bsschluß der Partei zu übergsben. Dicser behielt sich
eine Entscheidung vor, von der es abhängen wird. ob der Arbeits-
minister und die drei Unterstaatssekretäre, die als Volksxarteiler
dem Kabinett angehören, demissionieren müsien oder in der Regie-
rung weiler verbleiben können.

A« Hmn Severing!

n. ' '

Dke „reaktionäre" Staatsausfassung wurzelt in der „Familie".
Sie sind natürlich zu klug, Herr Severing, um diese Ausfasiung nichL
auch sür die Linke vorläufig wenigstens noch in Ansxruch zw!
nehmen. Sie wisien sehr wohl, wie ties in jedem Detitschen geradai
d'ese Ueberzeugung eingesenkt ist. Und Sie sehen sehr wohl, wasl
für einen Entrüsiungssturm ein wirklich konsequent durchzeführter^
gegenteiliger Geranke im ganzen deutschen Vaterland entfachenö
lvürde. Es ist Jhnen auch sehr wohl bekannt, datz Sie gerade un^
am entschiedensten hiei die Frauen gegen 'sich haben würden, die»>
selben Frauen, die ihre eigene Partei ja scinerzcit mit so außrr--
gewöhnlicher Rührigkeit in xoiitiois auf den Plan zerufen hat.'j
O nein, Herr Scvering, darin sind Sie viel zu vorsichtig, um üiesei
Macht nicht zu unterschätzen und darum — ich rede hier vow
Ihnen 'mmer nur als den Exponenten Fhrer Partei — gehenl
Sie einstweilen noch sehr behutsam mit dieser heiklen Angelegenheisi'
um. Aus diesem Erunde bleibt denn diese Frage auch als cine-
„rein sentimentale Angelegenbeit" für Sie tunlichst außerbalb der
politischen Diskussion. Aber es muß eine Zeit kommen, Hcrr
Seoering, wo eine solche Verschleierung Jhrer letzten Absichtcn nicht'
mehr möglich ist. woil Sie sich notgedrungen einmal unweiqerlich-!
in der Zwangsläusigkeit Jhrer eizenen Gedankengänge vcrfangen
werden und stch plötzlich vor eine Situation gestellt sehen, in dcr'
Sie auch in diesem in Wirklichkeit doch cminent politischen Pnnkte
Farbe bekennen müsien. Noch mag es eine Menge Blinder acbcn/
die glauben können, die Sozialdemokratie wäre eine gemäßigte'
Partei, noch mag es Lcute geben, die ihre Einstelluna nicht bis in
ihre letzten Konsequenzen überblicken. ALer die Dinge treiben
heute einer Entwicklung zu, die die Linke gebieterisch dazu zwinqt,
die Maske kluger Mäßigung vom Eesicht zu nehmen und ihr
wahres Verhalten an den Tag zu legen. Eeaenüber allem, mas
sich mit Fug und Recht „V o l l" nennen kann. Und wic wenig Sie
und Jhre Partei, Herr Severing, mii dem Volk zu tun haben, in '
desien Namen und Jnteresie Sie angeblich handeln, das zeiqcn zur
Eenüge die Vorgönqe in Sachsen. Sie brauchen hier gar n'chti
entrüstet zu tun. Mas Jhre Eenosien in Sachsen getan haben, lieqt
lediglich in der Fluchtlinie des lin^sgerichteten Denkens, ist nur die
logische Konsequenz Ler wirklich sozialdemokratischcn Denknngs-«
weise. denn es ist weiter nichts als der offene Uebergang ins Laarrz
der Int e r n a t i o n a l e. Was S i e aber machcn und mit Ihn-'n >
Ihre ganze sogenannte „gemäßiqte" Richtung. ist nur eine ha'be:
Sache, ist nur Opportunitätsverhaltcn, das sich scheinbar nur'
vom antlstaatlichen Empfinden des Herrn Zeiqner unterscheidet und, >
das auch nur aüs dem stcherlich n'cht sehr lckimelcheihastcn Er"n-»','
weil es temperamentsmatter ist. M. a. W.: Ihre Stel-:
lung zum Staat, Herr Severing, Ist n i ch i bejal'end, kann es auch ;
gar nicht sein, denn Sie dürsen ja von Partei wegen oar ks'ncn:
Staat kennen. Sie dürfen sa die Republik gar nicht bejah n,>
dieselbe Nepublik, in deren Namen Sie uns rerurteilen, denn 'ür Z
Sie darf sie ja nicht das sein. was sis fiir uns bedeutet. nämlich^
eine Phase im Ausstieg, ein Sprungbrett zur Höhcreniwicklunz.!
sondern sür Sie ist die Nepublik, wie d!8. jede Staatsformsi
nur ein geduldetes Uebel, nure>n Uel-ergang zur Internationale, j
nur ein l e i d e r nocki nicht zum letzten Ende gediehener Vcr!uck> der-
Abrüstung mit allem ursnrünalichen, erdgebundenen. volkshasten,
d. h. aber nationalen Empfinden. Wenn das nicht so wäre,
dann könnten S!e ja doch eben nicht Sozialdemokrat sein!

Oder wollcn Sie etwa mit dcr in lllhr-'r Partcisnrache so be-.
liebten Begriffsvermengung das als „Volk" bezeichnen, was Cie
in Wahrheit meinen? Der Bsgriff des Proletariats. Herr
Severing. der n>e e!n abqeschlosiener gewesen ist und scin w!rd. hat
m!t VoIk nur sehr wenig zu tun: Volk ist zunächst das im Voden
Wur>elnde, mit beidcn Füßen feft auf der Erde stehende Ecfchlscht, -
es !st und bleibt dem Mutterboden verwachsen, dcm cs ents"rang.
Volk und Land sind nie und nimmer voneinander zu trennen. Dieses ,
Eewachsensein, dieses stammhafte Derbundeniein und organrsche t
Ine>'nanderspielen aller Elieder zu einem W°rke ist dem Volkesi
wesentIich. Aber ..Proletar'at" ist — wenn Sie Las auch noch t
so gerne mit dem Volke ldentifizieren möchten — ein Klas!cn-'t
begriff. und damit nicht auf Liebe gegründet, nicht auf Zu. z
sammcnarbei't, sondern auf Haß und Kamvf. Sie. die priv:-z
leqierten Fr!edensa"osiel, die abgesa»ten Fe'nde des Krieges, pr:-1
digen das, mas noch b!s heute und !n alle Ewigkeit durch d!e Ee» j
fchi'chte der Völker hindvrch als Las Verabscheuenswürdlgste gilt. den j
Bruderkrieg. Es ist verlorene Siebesmüh, wenn sie hier etwa ^
auf d!e ..Ncvisionen" verweisen wollten, die das ..kommunistische s
Manlfest". von dem sie sa doch als von. d«m A und O ibrer ganzen 1
Weisheit ausginzen, seit Erfurt und ELrlitz erfabren hat. Eanz >
abgesehen davon, daß diese „Nevisionen" gar nicht etwa eincr's
.weiscn" E'nsicht entsprangen, sondern nur — genau wie in Nuß»4
land — notoedrungene Konzessionen an eine. ganz andcrs geartete Z
»olitische Wirklichkeit waren, bedc".tetcn sie in dor Tat auch gari
kcine wesen'smäßige Umstellnng. Die Linke ist und bleibt'^
eine Varte! des Klassenkampfs, undes ist vrin»j
zipiell gleichgilltig, ob sie diesen Kamps führt.1
mit tödlilbem Dolch oder nur langsam wirkendem^
Eift. Ihr Endziel ist (vorausgesetzt, daß sie konsequent sein will) s
Zerstörunz. Und, man muß es ihr schon lasien, sie hat »on >
diesem Ecsichtspunkt aus in der Tat schon mancherlei geleistet. Ihre
„sozialen" Reformen, gekrönt von der ..religionslosen Schule". wcr« >
den viellefcht erst :m Eeschichtsurteil sväterer Zeiten ihre gebührende
Stelle finden. Daß aber der linksstehende Mensch als Geistestnvns
betrachtet, seinem Wesen nach k u l t u r f e i n d l i ch ist, jdas dürfte
auch heute schon zur feststehenden Erkcnntnis der meisten gewordcn
sein. Er mnß einfach, offen oder versteckt. von der inneren Logik .
seiner EinsteNung gezwungen, den Kampf gegen alle Kultur- '
güter aufnehmen. Und in dieser zersetzenden Tendenz darf und r
wird er auch nicht halt machen vor dem Kern, vor der Unelle
alles staatlicben und kulturellen Lebens — vor der Familie. Hier, g
wo der Mensch noch am festesten verankert ist in Tradiklon, Sitte '
und Eesetz, als den Ursormen des staatlichen Lebens überhanyt. bier '
ist denn auch die ganze Linke mit innerer Folgerichtigkeit eifrig am
Wcrk. die letzten zähcn Bindunaen zu lösen, die den Menschen anch
und zerade heute noch in Heimat und Eeschlecht wurzeln
lasien. H-er versucht man systematisch, auf dem Umweg über die
Schule an die Familie heranzukommen, hier zerreißt man mit Ee»
walt das h-ilig- Band der Achtung, das Eltern und Kinüer bluts-
 
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