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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0791

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^ ZchkMg - Ar. 128

Dov' crscheint wöchentl. jiebenmai. «eil-gen: LiVaKkalia sEonnt.) —

iMontagsl - Literatitrblatt —Dochschnlbeilag« smonatlichl.
Beiträae ohne Verantwortung. Rücksendung nnr, wenn Porto beiliegt.

Zeidesbsrger Zektung

(Gegründet 1888)

u«d

Aandslsblait

SonnerStag, dea 10. Mai 1S2Z

lllptgefchSstsstell« u. Echriftleita der.Badifchen Poft" Hetdelbsrz, j)a:rvtstr. S3, Fernspr.

: 182 Berliner Vertretun,,: Berlin 8V 48, Zimmerstratze g, Fernspr. Zentr. 4l8
MSnchner Bertretung: München, Georgenftr. 107, Fernspr. 81667.

Voktfche<r.«outo, Fra»««rt a. M. «lais

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l»hle. m ^^d.nur bir ,um2. sed.Mts.angenommkn. SIm l n.S .noch gelief.Zeitungcn stnd nach d. Etnzelverraufrprei» zube
Elnzelnumvier MI. 170 -. SstdieZeituug am Erscheinen verhindert,besteht kein Anspruch aufEntschSdigunk

Anjeigenbreis«: die44 mm breite Nonpareillezeile kostet: lokale Ztellsngesuche Mk.80 -, kl. Telegenheltranzeigen Mk. 100
Famllienanzeigen Mk. 80.—, Teschäftranzeigen Mk. 175.—, Finanz- und Jndnstrieanzeigen Mk. 350—, mtt Platzvorschrist und
MontagrMk. 10.—mehr. Die S8mm breite ReklamezetIekoftetMk.600.—. Anzetgen und Reklamen oon auswSrts LS°/» höher

Die Schande von Werden.

Ds« unierer Berliner Redaktion.

Berlin. g. Mai.

,Sl» ist stch die gesamte Berliner Preste vom „Vorwärts'

, >t x^«euzzeitung" einig. Das ist angesichts der Ungeheuerlich-
?egMgenen Frevels selbstverständlich. Aber es vcrdient doch
n zu werden, dasi alle Blätter mit der gleichen
g, mit fast denselben Worten, denselben Ausdriickcn

»S e tz

! . genehmes Eewalturteil erzwungen hat. Damals, es

Dierteljahrhundert her, sollte an dem Leutnant ,D r e q-
s'" Exen.. .s^uldigt war, im deutschen Solde gestanden zu haben,
i^ie statuiert werden und das oberste Kriegsgcricht ver-
,,stl. dem ihm erteilten Befehl Dreqfns aus dic Teufels

't>e»^.a»>als ... ---- -- - -

--

von dieser Eewalttat französischer Militärjustiz ab>
b - Pi" "*«h* als an einer Stelle wird die Parallele zum Dreq -
"'"" gezogen, wo der französische Militarismus schon ein-

arbeitetc die sranzösischs Militärsustiz mit Mein-

gcfälfchten Dolnmenten nnd es >st be-
d? «berj'»»?^ "uch in diesem Prozctz wieder mit gefälfchten Dekomen-
, und angebliche Betehle vorgebrächt wurden die sich
»,sr „r < . aus den Fingern aesogen hatten. Manmutzteeine
«e ^ ej^^'iung erzwingen, denn ein Freifpruch wiirde zu
hyr. ^«rdammungsurteil der französischcn Eewaltpolitik be
sto ^ ' und das mutzte anf feden Fall vermieden werden. Der

f,?!"osis^?^>lte in dem Prozetz von Werden ist wiederum die
ds^.^i l i t ä r j u st i z und es ist verständlich, wenn ange-
Tatsache die ^.Deutsche Allgemeine Zeitung" die Frage


? Äl,ku'ns?b der passivc Widersiand der vcrgewaltiatcn Bevölkc-rung
"Ulg^.'r nichf g„ch unter allen Umfländen aus die Eerichts-
anzuwenden wäre, die noch in Vorbereitung stnd.
let^zscho,.^^ Vlatt weiter fragt: ,.Was sagt Lord Curzon zu der
oon Werden?" ,^st es denkbar, datz Deutschland einem
, veue Vorschläge niacht?" so wird damit leider ein
unseres autzenpolitischen Dersagens be-
vm, Aeutzischen Landtag hat heute Präsident Leinert das
»jU Werden gebrandmarkt nnd im Reichstag hielt Präsidcnt
aindrucksvolle Ansprache: Reichspräsident Ebert und
,r »t... ^ Tuno, der preutzische Ministerpräsident und

r habsn an Krnpp nnd die Vsriirteilten tele-
das sind Proteste stir den Jnlandsgebranch, Pro-

. Abe?


-»riage, vte von oer ReichsregieruNg selbst
iails pEudert werden mützte, die ILngst hätte da sein müsien und
>»s.Me„ Ue viellcicht noch vorbercitet werden soll, ihre Wirkung
d^?er x-/"ust. weil sie zu spät kommt. Aber vielleicht lätzt man
s°^r h.^al eine Eelegenheit, di« wie keine in all den Jahren
anggfan wäre, Frankreich vor der Welt ins Unrecht zu
tzv'bex. den Vergewaltigten Spmpathien zuzuführen, ungenutzt
Man spricht davon, datz eine Knndgebung qrotzen
„ ">wvpsn werden soll, man kündigt an, datz die Reichs-
E^bi^uegenüber dem Urteil Protest erheben wolle. In einem
deutsche Volk voll ist des ingrimmiasten Zorns
zs^t°s g.?such, tzen französtsche Richtor im Namen des französischen
->, >Ninh/n "Eutschem Doiden fällten, wo die Empörung oder dock)
h?^ig ag?2,Ein gewiffes Dctretensein selbst anch das uns bisher
imd ^ Ausland «rgriffen zu haben scheint, wo es gilt zu
M in>l-we Sekunde zu nutzen, halten sich unserc amtlichcn
'*ll kz' wrwägungen aus über das, wos vielleicht noch ge-
ch>' Nesch^' "t e , Lbcr ein« Proiesino'e an Trankr « icki. di-> von
»lj<t>ie f-, smrkuna sein wird wie all die vorausgegangenen Noten
^«»^Uer ch^?stsch« Adreffe, anstatt sosort nach dem Urteil
^ . d s>. uch London, nach Rom, nach all« n Unterzeich-
«rsailler Vertrags gerichteten Note hervor-

«s

E^stM^^störte Urteil km Krupp-Prozetz hat in o
!!»°qg^tusten^«sten des Ruhrgebiets dte^grötzte Entrüs

allen

. - - --— -- .-ustung

und das Gefnbl der vollkommenen Rechtlosigksit
- franzcstschen Eindringlingen noch verstärkt. An-

»--n -dex die Franzosen eine elementare Entladung
Whh. lie hgr^'i««' wie in der Bürgerschast herrsckienden Erregung,
„oen >m Laufe der Nacht Truppenverschiebungen vor-
M°in^«n »!v,?urch umfangreiche Matzregeln das Gerichtsgefängnis
M M ^ ucpchert. Mittwoch vormittag haben sie dann die ver-
<ze>?er«jj»"«u nach Düffeldorf abtransportiert. Die Verieidiger
der Zusammenstellung dcs Materials für die
n erhandlung beschäftigt. Verteidiger Moriaud,
lA du»^? nuf die Hörer einen tiefen Eindruck gemacht
Lt Men A-°ns unerwartete llrteil tief erschüttert. Noch
>>rss»^Na »-„"d versammeltcn sich die stellvertretenden Direktorsn
d°V5Nch^."W zur Besprechung der Lage. Im Laufe des Mittags
Ürj»?. Drbelterschaft. sowie die Angestellten der Kruppwerke
i. tzNekvn,-'' Stellung nehmen. Zu Unrnhen ist es bisher noch


Man stelle sich vor: Der mäch-
, des Feuers, geht ins Eefängnis,
abzubützen- Das Blatt findet sogar
hinzuzuschreibcn: Gercchte Strafe

, - -- ' —

°fä^ « u Anqeklagten veMeiben bis auf weiteres in
M Düsseldorf, bis dvs Kriegsgericht ent

ob erne Revision des Prozeffes stattsinden kani
^!chiedev ^rage wird aber erst um die Miite der nächstei

^ ÄK Vaei^alien und die Miierten.

jlvtz insb'lEig. Drahtm.) Der gestrige Kabinetts-
de? k,»k5!sch die Lereits gemeldete Reise Poin-

Mivxtvn iür Donnerstag «inberufenen M i n i st e r-

Ueiot- ^ "«rtagen. In Kreisen, die dem Quai d'Orsay
wan h«ut« nachmitta« M der bestimmten An-

nahme, datz Jtalien keine besondere Antwort aus die deutsche
Note geben werde, dah es sich vielmehr mit Frankreich und
Belgien solidarisch erklären wllrde. Wie wir indeffen dazu er-
fahren, liegen bis zur Stunde an anstlicher Stelle noch kein« be-
stimmten Nachrichten darüber vor, datz Mussolini tatsächlich
diesem Drangen Frankreichs nachgegeben habc. Zwischen Paris
Rom und Brüssel fand daher heute ein lebhafter Meinungsaus-
tausch statt, und der Reise des englischen Königs und Vonar
Laws wird daher in hiesigen Kreisen eine erhöhte und sehr aktuelle
Bedei'tung beigemeffen.

Die Saltung Snglands.

Fronzöfische Pressestimmen zur Spaltnng der Entente.

Don unserem U-Korrespondenten.

Paris, k> Mai

Die französtsche Morgenpreffe weist darauf hin, die Annahmc
Lord Eurzons^ datz er durch scine frühere Oberhausrcdc dic
deutschen Vvrschlage dankeuswerterweise veranlatzt habe, sei ungc-
rechtfertigt. Die oeutschen Norschläge seien viel zu unzureichend
gewesen, als datz man Eurzon Dank iviffen könne, datz er sie herbci-
gefiihrt habe. Die Reparation interessiere allerdiims a l l e Älliierten,
aber dic deutsche Note kümmere sich weniger um Reparation, als um
die Ruhrbesetzung, mit der England nichts zu tun habe.
Jnfolgedessen sei oie englische Klage schlecht Legründet. Das „Echo
de Pans" bcschwört dic englische Rogierung. doch endlich eine
entscheidende Politik zu treiben und nicht länger die Rolle
des eingeschlasenen Partners zu spiclen. In französtschen Reaie-
rungskreisen empfindet man es ossenbar als recht unangenehm, datz
englische Staatsmänner sich erdreistet haben. Frankreich und Belgien
wegen ihres eigenmöchtigen Vorgehens Borwürfe zu machen.
Zwischen der englischen und französischen Auffassung, so wird noch
einmal mit aller Deutlichkeit betont, habe ein großer Eegensah
dahin bestanden, dah England sich sür die Raumung des Ruhrgebists
einsetzen wollt«, ohn« datz Dentschland den passiven Widerstand auf-
gegeben und bevor cs seinen „Verpflickitunaen" nachgekommen sei.
Diese Ansicht Englands sei unannehmbar und Lord Lurzon
solle sich nur nicht einbilden, datz mgn in Paris ihm für seine Hal-
tung Dank wiffe. Das „Ocuvre" erklärt: Wir sind also nach der
Deutschland erteilten Antwort wohl gezwungen zu bemerken. datz die
Einmütigkeit unter den Alliierten in Frage gestellt wurde. —
Die „Ere Nouvell e" sagt, England wölle aufs neu« seine
Rolle im Nate der Allüerten smelen und wunderc sich, datz man ihm
dses verweigere, Die französisch-helgische Note sei ein politischer
Irrtmn gewesen; denn sie habe in ven Augen Europas ei'ne Sual-
tung gezeigt, von der Deutschland Nutzen gezogen habe, Sie habe
die Bildung eines englisch-italienischen Blocks gestattet,
der befähigt sei, in gesährlichcr Weise die Achse des Eleichgcwichts
eincr schon an und fllr sich sehr gebrechlichen Allianz zu verschieben.
Grotzbritannien erhebe sich immer mehr als der Hüter des euro-
päischen Friedens und der europäischen Stabilität. W!r beseblen
— so schlietzt das Blatt — in Essen und in Westsalen, Aber ist es
nichi,zu besürchten, datz bald eine andereMacht in Derlin
befehlen wird? Der „Gauloi s" gibt zu, datz eine rasch« Antwort
notwendig gewesen sei, findet abcr, datz man eine Kollektivantwort
hättc vorziehen müffen: 1. weil sie der Erwiderung mehr Krast
gegebcn hätte; 2. weil sie England zu einem Akt der Solidarität
gesührt hätte, zu dem man es brs jetzt nrcht hätte bringen können:
3. hätte die gemeinsame Antwort jcne Art von Svaltung verhin-
dert, die heute bei den Alliierten ofienbar sci, die stch in zwri
Gruppen trennten, die sranzäsisch-belgische und die englisch-italie-
nischc. Dadurch. datz man durch die Unierredungcn mit Velgien die
Engländer und Italiensr beissite gestellt habe, habe man notwen-
digerweisc eine Ännäherung zwischen London und Rom
begünstigt, eine Annäherung, die durch den Besuch des Königs von
England gekrönt werde, und deren Folgcn viel größcr und seriöser
sein könnten als man sich einbilde. Schon scien Italien und Eng-
land damit einverstanden, vom Deutschen Reiche neue VorschläP
zu verlangen. Wir befürchten, datz ste nach und nach die Rolle des
Schiedsrichters einnehmen werden! Das ist eine Eefahr, die zweifel-
los hätte verhindert werden können, wenn Leide durch eine gemein-
same Antwort gebunden worden seien-

Me englische Mte in paris.

England wärtet Frankreichs Einwendnngen nicht ab.

Von unserem N-Korrespondcnten.

Paris, 9. Mai.

Dem Pariser „Times"-Korrespondcnten zufolge ist die eng-
lische Antwort auf die deutsche Reparationsnote bereits nach
Paris gesanvt worden, dis jedoch erst heut« morgen, wie unssr
Korrespondent erfährt, dem Quai» d'Orsaq üoerreicht werden wird.
Das englische Kabinett scheint nicht die ALsicht zu haben, Deutschland
die Note erst zuzusenden, wenn Frankreich stch geäutzert hab«. Es
scheint vielmehr, datz heut« dem deutschen Botschaster Sthamer in
London die Note .zugestellt werden soll Diese könne, dem „Times"-
Korrespondenten zusolge. Frankreich zwar in mehreren Einzel-
heiten mitzfallen, aber es sei nicht anzunehmen, datz die Franzosen
in den wesentlichen Punkten Einwendungen erheben könnten, da
England das deutsche Angebot für unzureichend und nutzlos halt«,
wenn Deutschlanid neue Anträge stelle, die nicht höher wärcn als
jene, die Frvnkreich bereits kennengelernt habe. In diplomatischen
römischen Kreisen glaubt man, datz di« italienische Regierung
zwar in einer eigenen Note das deutsche Angebot zwar fur un-
zureichend bezeichne, datz ste aber der Anschauung Ausdruck geben
werde, datz eine Erörterung auf Erund der deutschen Vorschläge
erfolgen könne und müffe.

Gin großer Veruntreuungsskandal in Frankreich.

Paris, 9. Mai. (Eig. Drahtm.) Ein neuer grotzer Skandal
wird ganz Frankreich wieder bewegen. Nach dem Waffenstillstand
im ganzen Land wurden neun Hauptverpflegungsstellen, besonders
iür Eetreide eingerichtet, wofür ein Kredit von 100 Mill. Frankin
bewilligt worden war. Hierbei sollen, wie jetzt festgestellt wurde,
grotze Veamtenbestechungen und Unterschlagungen
vorgekommen sein. Eegen die Hauptbeteiligten soll m kurzer Zeit
das Verfahren epSffuet werden.

Seiüschlands Aufstieg.

Tin Wort zum Himmelfahrtsfeft

von Iulius Werner.

Wir befinden uns, vielfach als emzelne, vor allem als Polk»
>n Not und Bedrängnis. Und selbst manche, denen e» nnter spekula-
tiver Ausnutzung der Mitzstände, äuherlich „glänzeNd" geht, können
stch doch des unheimlichen Eefühls nicht erwehren, als ob wir vok
einem Abgrund ständen. Und wenn Bereinzelte noch Dlumen am
Abgrundsrandc pfliicken und zu Kränzen winden, so wird der Ab-
fturz mit Sicherheit doch nicht aufgehalten,- jedensalls nicht dnrch
einen sich türmenden Wall von Papiergeldscheinen, noch auch durch
diplomatische Noten, selbst wenn sie von noch grötzerem, völlig ein-
wandsreiem Geschick abgefatzt wären. Es gehört in unseren Tage«
unsjreitig mit zur ernsten vaterländischen Pflicht, sich der drückenden
Not und den drohenden Gefahren in ganzer Tiefe klar lewuht zu
wsrden. Wie einerseits die Not nur wächst und ihre heiligende und
erziehliche Macht nur einbützt dmch geistige nnd politische Hoffnungs-
losigkeit, so hilft uns erst recht nicht eins neben dem Peffimismus
unvermitielt sich regende nationale Selbstverhimmelung oder Ver-
götterung von modischen Ideen und Persönlichkerten, die das nicht
stnd, wofiir fie stch selber halten oder von dcr urteilsl isen Durch-
schnittsmeng« gehalten werden.

Weit« Kreise, die vom deutschen Jdealismus und religiösen
Glauben abgefallen sind, spotten in einseitiger Ueberschätzi'Ng einer
technischen Auhenkuliur und neuzeitlicher, uubewäbrter Wcklt- und
Lebensanschammgen Lber den Innenwert ewiger :i de.n und

namentlich über deren praktische Bedeutung für das ganz« Nolks-
leben. In eitler Selbstllberhebung verwirft man Lberlieserte Reli-
gionsanschauungen als rückstLndig und überwunden. Das gilt be-
jonders hinsichtsich der Eeltung des Himmelfahrtsfestes. Wenn's
hoch kommt, erblickt man dartn das Eebilde etner frommen, phau-
tasievollen Romantik: aber man hält die in diesem christlichen Fefi
entyaltenen Ideen nicht wirksam fiir das praktische Gegcnwartsleben.
Aber vergitzt man denn im Ueberschwang moderner Fortschritt chuldi»
gungen, datz sich in den schicksalsvollen Erlebniffen unserer oufge-
klärten Esgcnwart die Schrecken und das Grauen längst vergangener
„finsterer" Tage wiedsrholen? Oder ist es etwa nicht barbarisch«
Iustiz, unerträgliche Sklaverei des Altertums, was uns in tödlich
gemeinter Absicht von äuherer Feindesmacht und einer ihr gleich-
zuachtenden Gruppc entarteier Volksgenoffen auferlegt wird? llnd
zwar sind diese Ereueltaten der Vcrgangenheit in raffiniert .n For-
men in der Gegenwart ausgelebt. Da spotts noch einer Lber dk
„Himmclfahrt", wo wir unter dem Dann von Höllengewalten stehen!

Fürwahr der Wandel vieler Dinge ist mehr als tragisch. Nicht da«
ist das Furchtbarste dabei.datz an den TLren reicher Hauser der Dettel-
sack hängt; schlimmer und kränkender ist die Tatsache, datz Menschen
van überlegener Bildung und reifem Urteil sich einer terroristischen
Eewalt- nnd Mehrheitsherrschast Halb- und Ungebildeter sügen
müffen. Ist da noch eine Wendung zum Befferen zu «rwarten? Wir
glauben trotz mancher niederdrückenden Ereigniffe dennoch an
einen Wiederaufstieg. Aher allerdings nicht, nicht ausschliehlich,.
durch Steigerung landwirtschaftlicher, industrieller Produktion, auch'
nicht durch geschtckte drplomatische Schachzüge, so wünschenswert sie >
an fich stnd, vor allem nicht durch parlameniarische Tätigkeit oder'
gar parlamentarische Tätlichkeiten! Merkwiirdig, das Schtck«
sal ironisiert so gern. Jst es nicht eine Art von Jronie des Schick-
sals, datz in Berlin in dem ftüher als besonders für „parlamentarisch"
vornehm gehaltenen Landtag Prügelszenen sich rreignen, während
man zu gleicher Zeit hier in Frankfurt an der historischen Pauls-
kirchenstätt« in grotzem Stil eine parlamentarischc Eedenkfsier rüstet?

Nein, aus jeder nachdenklichen Kritik unserer autzen- und auch
innerpolitischen Zuständ« ergibt stch die an kein bestimmt oartei-
politisches Bekenntnis geknüpfte Einsicht: vom drohenden Absturz
rettet uns nur der festc und willensstarke Elaube an die Möglichkeit
eines geistigen Aufftiegs, den wir uns als Erhebung über den Staub
der materialistischen Alliäglichkett zu einer höheren reinen Gottes-
und Eetsteswelt denken. Das bildet den Kern und Gedankengehalt
der Himmelfahrt. Es handelt sich dabei nicht um einen räumlichen
Vorgang. vielmehr für uns um den Ausdruck und Antrieb zur Sehn-
sucht nach einer überirdischcn Welt, aus der uns -mmer wieder die
unsichtbaren. ewigstarken Krafte zur Befteiung aus den drückenden
Feffeln der Not und des Niedergangs zuströmen. Es bleibt heute noch
wahr und von prakttscher Bedeutung das Wort, das einst
E. M. Arndt, gemitz einer der edelsten Gestalten aus dem e-sten
deuischen Parlament von 1848, gesprochen, Er, dem die Eintracht
und Stärke unseres Volkes am Herzen lag und der nichts Sehn-
licheres wünschte, als seine „letzten Tage mit der Freiheit ehrlich
durchzuleben", sagte — fift unser Thema und unsere Zeit gleichsam
prophetisch und pragrammatisch:

„Dem Menschen hilft keine Kraft ohne Gott und eitcl bleibt,
was aus sterbliche KLnste gebaut wird. Aber der Elaube an
Gott tut noch täglich Wunder unld die Zuoersicht auf den Himmel
überwindet die Hölle."
 
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