ZchWnz - Är. M
Voft" erscheintwöchentl. siebenmnl. Bel'al^en: LidaskalialSonnt.> —
^?n»erl°n>" *!§bblatt l>?reitagr> - Literatnrblatt — SochlÄuIbeilage lmonatIich>.
:itrüsi> oftne Derantwortung. Rücklendnna nur, wenn Porto beiltegt.
Heidelberger Zeitimg
(Gegründet 1858)
und
Handelsblatt
Deitaz, den iZ.AprIllS2Z
v-aptE»t-st-ll> >>-r.r.B°d»»en DoN^«cw.rg
Uolttcheck-Konto r Frankfnrt a. M. S141S
Übbest.^^iugstzreis der .Bad.Post" Mk.4M>l> - laurschl. Zustsllgebührl. Sclbstabhol.
nur bis znnr 2. ied.Mtr anLcnomm:n. Am 1 u.2. noch gelies. Zcitungen str
MI.880».-. Ausland Mk.8V»».-
.Drei ^ isnm L. lt-v. —"2b stnd nach d. Cinzelverkaufspreis zu be«
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«oftscheck-Konto r Fraukfurt a. M. «141»
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MontagsMk. 10.—mehr. Die 68 mm breite Reklamezeile kostet Mk.600.—, Anzeigen und Reklamen von auswärtr 25 /» höher
Wichüse Veratungen in Lerlin.
Cin augeblicher Reparationsplan des deutschen Neichsfinanzmintsters.
Die Sensationsmeldung des Pariser „Iournal".
D
on unserer Berliner Redaktioa.
i ^°r t- B-rlin, 12. April.
!'» Ng „ " Mitarbeiter des „Journal" verössentlicht Repara-
die angeblich imSchotze desReichs-
^ausgearbeitetworden seien und die den
^ojekj s "^^ister zum Verfasser haben sollcn. Durch dieses
!!^Süljj ° angeblich vor allem die Natural- und Geldzahlungen
'sildep ^8eregelt werden. Deutschland würde Franlreich 26 Mil-
o anbieten, auherdem würde Deutschland die bel-
die italienischen Ansprüche befriebigen, inländische und
""4 die P.. ^uleihen sollten ausgegeben werdcn, dafür würde aber
^^srat """">"8 des Ruhrgebietes nach der Zahlung der ersten
° verlangt werdcn. Dem Eedanlen einer Entmilitarisie-
^strebe jedoch das Reichskabinett.
berx-, 'Oung des Berliner Korrespondenten des „Journal", wo-
T "icht ^? °>" deutscher Reparationsplan fertiggestellt sei« foll,
'el uiehr als eine naheliegende Kombination, i« dcr
*"nndliches nrit Falfchem durcheinandcr-
, '°chiti,oeü Fnlsch ist vor allem, dah jetzt schon dke Be.
i»!e,°^Vrob> ^ innerhalb des Kabinetts iiber die Löfung des Rcpa«
stattsinden, dahiu geführt HStten, dah irgendcine
llhh-,'kr genannt werden könnte. Dah Berhandlungen statt-
"8 d«, ^ in erster Linie FiaanMinister Hermes auf eine
^""8t, jk- Reparutionsproblems im Sinne riner aktiven Politik
k,, » d«r ^"° iür den Finanzminister voa felbst geaebene Tatfache.
h,,!/ ey, "'respondcnt des Parifer Blattes von „Unstimmig-
tz,"°k oig" h ° lbdesKabinctts" svricht, so ist das nichts
^°'°e tendenziöse Mache, daraus berechnet, in
^pUsttsz °° Eindruck zu rrwecken, als ob die Einhcitlichkeit des
jtz> u°o in der Ruhrfrage nicht mehr so geschlossen sei wie
^UgetzL..^nlls liegen die Dinge so, dah die einzelnen Ressorts
^ie, 8 dxg ^ uoch mit der Nusarbeitung von Vorschlägen zur
s§,.>.^°parationsproblcms beschästigt sind und dah schon aus
Ue von einem einheitlichen Plan dcs Kabinetts
'Uge ° ^ uicht gcsprochen werdcn kann. Wie schr
8 ii, "U d.°^§ 'U, Fluh stnd und wie von dcn verschiedensten Seitcn
UyZ ° l k 7°"blem aearbeitet wird, geht aus dcr Anwesenhcit der
d«, Uylrv «'^-n Delegation, die zu dcm römischen inter»
i-lo ^ic ^.^undelskammerkongretz abgesandt war, in Berlin hcr-
u>ie /uesenhcit der Amerikaner ist natürlich kein Zufall, eben-
2ys ^°U ^urpfang beim Botschafter Houghton wohl nicht
"nten Charakter trägt, wie dirs vcrstchert wird. Jm
8«leb?E°U n^8 damit ist auch ein Eerücht von Jntereste, wonach
iltzSs- dereits mit den deutfchen Jndustricllen in Verbindung
^ft» ^age». . ' Auch die Reise dcs früheren amerikanischen Ee-
tj, °kcsr, Berlin nach London ist ein Beweis dafür, dah das
^«"»probs uierikas an der Lösung des Repara-
°ryli>. üruno'^.'u s bedeutend zugenommen hat. Dah
itytjs' ohv 8anzen Derhältniste noch fiickit eingetreten ist,
"">ft o?°uden ^ °>eiteres aus dcn mit den Parteisührern noch immcr
*ihj ^ussenn,- , sprechungcn. Am Mittwoch wurden die Fiihrer
dlri«»,'" Üer Rosenberg empsangen, am Donnerstag konfc-
t>rg 'ichen 'g. UNslcr Cuno mit ihnen. Ein direktcs Dementi hat
blei^gen ^bwirtschastsminister Becker dem Korrespondenten
^ d, ^! ino "^'llhr-Abendblattes" abgegeben. Er erklärte, dah
NZministcr Hermes noch mtt niemand
^ " ueuen Reparationsvorschlag gespro-
'lchts'" solck-0 er infolgedesten auch nicht seine Zustimmung
bie „8, dgft v'! Plan gegeben haben könne. Ebenso sei es nn-
^ifto, "°u nn ° 3 ndustrie auf ihn einen Druck ausgeübt habe,
"llftift Anck,^^^^en Hermcsschen Borschläge zur Anaahme z»
^Ud^Un, ?,."°u Staatssekretär Bergmann im Reichsfinanz-
u ift. unrd erklärt. dah die „Journal"-Meldung frel er.
De»
D
5?" neiier FMer nach London.
sriihere
on
sranzösische Minister Klotz tn England.
aii!
-v>^ °r . "8 ln London ei, .
Bein. °"^'uer Misfion nach
Üy. ^°°" kon ^""8°u. die durch L°
unserem R-Korrespondenten.
Paris, 12. Npril.
Kavinett Clemencea«, Klotz,
eingetroffen. Es steht jedoch nicht
nach London a-reist ist, ob er vor
- n» »", ^ - durch Loucheur begonnen wordrn stnd.
^ Zejjnn ^ ob seine Reise nur rcin privaten Lharakter
. ftlit r..8°u suchen natürlich dcn Eindruck zu erwecken. als
N'c-e den N 7 °Ni,iellen Misston L-auftragt sei.
d°Ü°° der dcs französischen Botschafters beim Foreign
Telegraph" mit, datz vieser im Vcrlaufe
»o." ° ar ^ ,"reduna keine besondere Mittellung
!ei,?Ug k,-l °ben ich " der Frage des Besuches Loucheurs über-
-bg,!,"? die Viclleicht behalte er sich eine derartige Mit-
UKjtjinbe u^uienkunft mit Bonar Law oor, die vermutlich
- Es sei jedoch nicht vollkomme« sicher. ob Poin-
cars es für zweckdienlich erachten werde, genauer die Ansichten sei-
ncr Regicrung bezllglich der Regelung mit Deutschland durch die
Botschastskanäle der Alliierten Frankreichs zu enthüllen, bevor er
öffentlich seine Politik am Sonntag in Dllnkirchen dargelegt
habe. Eine beträchtliche Bedeutuna könne dem Bericht Leigemesten
werden. datz Loucheur an dieser Veranstaltung teilnehme und
seine Anwesenheit dabei mützte die Ansicht zerst^reuen datz seine
Eedanken über die Neparationen jetzt mit denen Poincarhs swenn
kleinere Difierenzen auch vielleicht noch immer beständen) ernstlich
in Widersvruch stehen. Tatiächlich sei die Bedentung der von
Loucheur Lei seinem nenlichen Besuch in London dargelegten Politik
durch den Umstand erhöht worden, der erst jetzt ^'-estellt worden
sei, datz seine Politik die allgemeine, obwohl nicht formelle
Unterstützung des Vorsitzenden der Reparations-
kommission genietze. Disser sei durch Loucheur in den tech-
nischen RnnFten zu Rate gezoaen morden. A,>s-t"-^«n' i-'-e'N' '
Varthon vor kurzem den Plan Seydoup' zeitgemätz umgestal-
tet habs. Allgemein aesnrocben, ssi daher Loucheurs Plan wenig-
stens in seinen wesentlichcn Dunkten. besonders hinsichtlich der Ee-
samtentschädigunq von SO Milliarden, non denen 26 von Frankreich
beansnrucht würden, vorher der orundsätzlichen Zustimmung sowohl
des Präsidenten, als auch des Ministerpräsidenten stcher gcwesen.
Es würde nichts mit diesem Plane Unvereinbares bedeuten, wenn
PoincarS den Standpunkt bekräftige, datz er keine weitere Herab-
setzunq der französtschen Forderung an Deutschland annehmen würde
und sich nicht vollständig von der Ruhr zurückziehen werde, bevor
der geforderte Betrag bezahlt sei. Das Wort „vollständig" sei von
grötzter Dedcutung.
Während also zwischcn den Auffasiunqen Poincarös und
Loucheurs keine tiefgehenden Disscrenzen vorhanden zu sein
scheincn. gebärdet stch die nationalistische Presse sehr wild und er-
klärt sich mit der Reise Loucheurs und scinen Anschauungen und
Plänen durchaus nicht einverstanden. So erklärt das „Echo de
Paris", datz nach der Besprechung des französtschen Botschafters in
London mit Vonar Law die französische Regierung in
der Lage sein werde, zu ermesien, ob der Bericht auf
Mahrheit beruht, den Loucheur vorgelegt hatte. und der be-
bauptete, datz die englische Reaierung nunmehr dem französtschen
Vorgehen an der Ruhr freundlicher gegenüberstehen werde. Jn
Paris könne man an eine Sinnesänderung in London
nicht glauben,' Frankreich könne nur dann an eine Ein -
Leitsfront mit England denken, wenn Bonar Law ausdrücklich
crklären würde, datz das Ruhrgebiet Lesetzt bleiben dürse,
bis die Repartionen vollständig bezahlt sein wür-
den. Den Sicherheitsplan könne man in die zwcite Reihs
stellen, denn seine Lösung wcrde erst dann dringlich sein. wenn
Deutschland die gesamten Reparationen bezahlt hätte,
also erst dann die französtschen Truppen aus den jetzt besetzten Ge-
bieten abberusen wiirden. Erü wenn Bonar Law eine Zustim-
mungserklärung zu dieser französtschen Volitik abgeben werde, wäre
es möqlich, mit Enqlanb direkte Besprechungen einzuleiten. Es wäre
vollkommen ausgeschlossen, datz sich Frankreich damit begnügen
würde, datz nur>lne interalliierte Kommission in Esien bliebe. die
die Dnrchsühruna der Deutschland auferleaten Bedinqungen zu Lber-
wachen hätte. Die Deutschen mützten sich nnterwerfen und die
Fabriken des Ruhrgebietes mützten unter französischer Kontrolle
arbeiten. Nur unter dieser Vedinaunq könnte vielleicht eine
leichte Verminderung der Besatzungstrupven er-
folgen und das Prosekt. das am 11. Januar, dem ersten Tage der
Rührbesetzung, in Anariff genommen wurde. könnte durchgesiihrt
werden. Vorläufig sei aber von einer Verminderung der Be-
satzungstruopen im Nubrgebiet keine Rede, da man aus alle
Fälle die Blockade des Rührgebietes werde aufrechterhalten müsien.
Im „Fiqaro" erschien seit eintaen Wochen jeden Samstaq ein
Artikel, in dem eindringlich die „Nachteile" der jetzigcn englischen
Politik dargelegt wurden. In dem heutigen Artikel wird darauf
hingewi'esen, dätz die Jnteressen Englands und Frank-
reichs seit dem Jahre 1918 in schärfster Weise im Wider-
spruch stündcn, datz Lloyd Eeorae nichts anderes versucht habe,
als die französische Regierung zu täuschen, und datz auch sein Nach-
solger, Bonar Law, Frankreich keine Dankbarkeit bewei-
sen woNe. Alsdann wendet sich der Artikel inhestigen An-
griffen qegen Loucheur und in noch heftigeren Angrisfen
gegen Millerand. Die Besprechungen Loucheurs mützten
Verwirrung anrichten, insbesondcre könnte Deutschland qlauben,
datz Frankreich beunruhigt ssi, und auf indirektem Wegc eine Ver-
mittlung suche. Loucheur habe mit seiner Reise nur eigene
Ziele verfolgt, indem er nach der Ministerpräsident-
schaft strebe. Noch heftiger sind die Angriffe auf Millerand.
Es wird die Frage aufgeworfen, von wcm die Anregung für die
Neise Loucheurs äusging, ünd ob das Eerücht wahr sei, datz die
Anregung dazu von dem erstcn Beamten der Republik. dem Präst-
denten Les Staates selbst ausging. Collte dies der Fall sein, so
hätte der Prästdent der Republik in besonderer Weise seine ver-
fassungsmätzigen Vollmachten überschritten, und
wäre der Mitarbeiter einer Operation geworden, die ganz beson-
ders waqhalstq war. Der Artikel schlietzt mit der Feststellung: Im
Augenblick ist vor allem die Notwendigkeit vorhanden, im Ruhr-
gebiet raschestens zu Erfolgen zu oelangen. Deutschland mutz
wisien, datz Franlrejch in seinen Beschlüssen nicht wankt. und datz
es seinen Willen durchsetzen wird.
Gin Mlenischer Llnierhändler in Verlin?
Paris, 12. April. Der Berliner Berichterstatter des „Journal"
meldet, datz der Privatsekretär Musiolinis, d'Arini, stch die ganze
letzte Woche in Berlin aushielt und wiederholt Konferenzen
mit ^ndustriellen und Politikern gehabt hat.
Der Kamps «m Lenins Aachsolge!n Rußland
Bon unserem Moskauer Berichterstatter.
Mitte April tritt der Kongretz der kommunistischen
Partei Rutzlands zusammen. Die Tatsache, datz er verschoben
worden ist, als Lenins Krankheit von neuem eine Wendung zum
schlechteren nahm, lätzt schon erkennen, datz sein Verlauf von dieser
wesentlich abhängig ist und beeinflutzt werden wird. Mit Lenin
scheidet der bisher unbeschränkte Führer der Sowjetregierung. Nach
der rusiischen Verfasiung ist der Rat der Volkskommisiyre, das stnd
die Minister, zwar nur ein ausführendes Orqay des Willens der im
avrussischcn Exekutivkomitee verkörperten Kommunistischen Partei
und ist der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare nur dazu be«
rufen, die DnrKführung des Willens der Partei zu Lberwachen und
zu verantworten. Seitdem die Krankheit Lenins stch nicht mehr ver-
heimlichen lätzt, Lemühen sich die Blätter der Regierung, zu ver-
sichern, datz dieses an dem Systcm nichts ändern werde, da die Partei
und nicht einzelne Persönlichkeiten in Rutzland regiere. Dies ist
nach der Verfasiung zutreffend. Was aber die FLHrung der
Regierung durch Lenin betrifft, so entsprach diese eben nicht
der Verfasiung, sondern verkörperte eine Alleinherrschaft
in der Hand des Ministerpräsidenten. Die Rolle des allrussischen
Exekutivkomitees und damit die der Partei war zu einer rein forma-
len herabgedrückt worden, die überragende Persönlichkeit Lenins
hatte dahin geführt, datz der Rat der Volkskommisiare dem Exekutiv-
komitee nur kurzen Bericht erstattete, der ausnahmslos gut geheitzen
worden ist. Aber nicht alle Bolschewisten waren mit diesen Zuständen
und der Einflutzlosigkeit der Sowjets einverstanden. Sie sahen 0er
Herrschaft einer einzelnen Person grollend zu und dieses um so mehr,
seitdem Lenin unter dem Druck der Verantwortung in manchsm z u
den Grundsätzen des nationalen und bürgerlichea
Staates zurückkehrte.
Nun steht es fest, datz Lenin endgültig für die Führung der
Regierung ausscheidet. Zwar bemühen stch seine Anhänger, den
Zeitpunkt durch Berufung der grötzten ärztlichen Autoritäten der Welt
hinauszuschieben. Aber auch deren Kunst versagt. Lenin ist seinen
Feinden nicht mehr gefährlich. Er kann ihnen nicht mehr entgegen-
treten. Könnte er es, so würde er sie auch jetzt wieder mühelos
schlagen, denn in den Reihen seiner Eegner befindet sich keine un-
bedingt gebietenhe Persönlichkeit.
Der Kampf gegen den „Lenin-Ismus" wle das persönliche Re«
giment im Eegensatz zur Herrschaft der Partei genannt wird, hat
bereits in der Presie begonnen. Zum Führer seiner Eegner hat sich
Ossinski aufgeworfen. Er verlangt im Zentralorgan der Kom-
munistischen Partei, der Moskauer „Prawda", eine Revision des Ne-
gierungssystems. Ohne den Namen Lenjng vorläufig noch zu nennen,
wendet er sich gegen die bisherige unbeschränkte Diktatur einzelner
und verlangt die Riickgabe der Macht an dic Sowjets. An Stelle
des einzelnen Führers soll das allrussische Exekutivkomitee iretsn und
in langdauernden Tagungen die Negierungsgeschäfte führen. Der
Nat der Volkskommisiare soll, wie es die Verfasiung vorschreibt, nur
Verwaltungsorgan und sein Vorsitzender lediglich für die Durchfüh-
rung der von der Partei gegebenen Direktiven verantwortlich sein.
Diesen Forderungen ist als Vertreter des bisherigen Systems
Kamcnew sRosenfeldl scharf entgegengetreten. Er weist darauf
hin, datz die straffe Regierungsgewalt, die Lenin geschasfen habe, cr-
halten werden müsie, wenn nicht durch eine Vielheit der Regieren-
den der Untergang der Partei herbeigesührt werden solle, zumal im
Volk, und besonders zwischen den Arbeitern und dcn Vauern, noch
keine Einheitlichkeit hergestellt worden sei.
Der Kampf um den „Lenin-Jsmus" wird auch den bevorstehcn-
den Kongretz der Kommunistischen Partei beherrschen. Vorläufig
haben die Anhänger des bisherigen Systems die Oberhand. Be-
halten sie diese, dann verlangt aber die Frage der Nachfolgeschaft
Lenins sofortige praktische Lösung. Kamenew, dcr Vorsitzende
des Moskauer Sowjets und derzeitiger Führer der Anhänger dcs
bisherigen Systems, ist Jude. Aus diesem Erunde ist seine Nach-
folgeschaft unwahrscheinlich, denn man wagt es doch nicht, als tat-
söchlichen Leiter der Regierungsgeschäfte einen Nichtrusien zu bc-
stellen. Man hält es für notwendig, auf dieser Stelle einen Rusicn
zu-haben. Da aber das Rätesystem nicht auf russischem Boden gc-
wachsen ist, fehlen unter seinen Führern auch die Rusien und sind
die tüchtigsten und energischsten Führer Juden oder Nichtrusien.
Stalin, der vielfach als Nachfolger Lenins genannt wurde, ist
Kaukasier, Trotzki ist Jude und zudem als Organisator und Führer
der Roten Armee nicht zu entbehren. Kalinin, der Dorsitzende
des Exekutivkomitees und damit Präsident des russischen Reiches,
eignet sich nur zu dieser bisher mehr dekorativen Rolle. Kras si n
ist bürgerlicher Eesinnung verdächtig. Jm Eegensatz dazu gilt
Dsierschinski als zu stark links gerichtet. Er vertritt die Wieder-
einfllhrung des militärischen Kommunismus, wofür selbst in der
Partei nur sehr wenig Neigung besteht. Tschitscherin ist zwar
Ehrist und Russe, begabt und zuverlässig, aber stark übcrarbeitet und
darum nicht mehr voll arbeltsfähig. Hiermit ist die Liste der bisher
an führender Stelle Stehenden erschöpft, ohne datz ste einen Kandi-
daten erkennen lietze, der ohne weiteres Lenin ersetzen und sich wie
dieser die unbedingte Gefolgschaft der anderen verschaffen könnte.
Damit stigen die Aussichten der Eegner de: Herrschaft eines einzelnen,
wenn nicht Ossinski selbst auf diesen Posten ambitioniert, was eine
persönliche Diktatur im radikalen Sinne Ledeuten würde.
Die Konferenz der Kommunistischcn Partei lätzt heftige Aus-
einandersetzungen erwarten. Noch heftiger als dieses auf der Kon-
serenz nach autzen in die Erscheinung treten wird, geht der Kampf
zwischen den führenden Schichten der Partei. Lenins Aus»
scheiden Ledeutet also in der Tat Führerlosigkeit de»
russiichen Kommunismu»,
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v-aptE»t-st-ll> >>-r.r.B°d»»en DoN^«cw.rg
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nur bis znnr 2. ied.Mtr anLcnomm:n. Am 1 u.2. noch gelies. Zcitungen str
MI.880».-. Ausland Mk.8V»».-
.Drei ^ isnm L. lt-v. —"2b stnd nach d. Cinzelverkaufspreis zu be«
^o.EinzelnummerMk.170.-. IstdieZeitung am Erscheinen verhindert,besteht kein Anspruch ausEntschädigung.
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Cin augeblicher Reparationsplan des deutschen Neichsfinanzmintsters.
Die Sensationsmeldung des Pariser „Iournal".
D
on unserer Berliner Redaktioa.
i ^°r t- B-rlin, 12. April.
!'» Ng „ " Mitarbeiter des „Journal" verössentlicht Repara-
die angeblich imSchotze desReichs-
^ausgearbeitetworden seien und die den
^ojekj s "^^ister zum Verfasser haben sollcn. Durch dieses
!!^Süljj ° angeblich vor allem die Natural- und Geldzahlungen
'sildep ^8eregelt werden. Deutschland würde Franlreich 26 Mil-
o anbieten, auherdem würde Deutschland die bel-
die italienischen Ansprüche befriebigen, inländische und
""4 die P.. ^uleihen sollten ausgegeben werdcn, dafür würde aber
^^srat """">"8 des Ruhrgebietes nach der Zahlung der ersten
° verlangt werdcn. Dem Eedanlen einer Entmilitarisie-
^strebe jedoch das Reichskabinett.
berx-, 'Oung des Berliner Korrespondenten des „Journal", wo-
T "icht ^? °>" deutscher Reparationsplan fertiggestellt sei« foll,
'el uiehr als eine naheliegende Kombination, i« dcr
*"nndliches nrit Falfchem durcheinandcr-
, '°chiti,oeü Fnlsch ist vor allem, dah jetzt schon dke Be.
i»!e,°^Vrob> ^ innerhalb des Kabinetts iiber die Löfung des Rcpa«
stattsinden, dahiu geführt HStten, dah irgendcine
llhh-,'kr genannt werden könnte. Dah Berhandlungen statt-
"8 d«, ^ in erster Linie FiaanMinister Hermes auf eine
^""8t, jk- Reparutionsproblems im Sinne riner aktiven Politik
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tz,"°k oig" h ° lbdesKabinctts" svricht, so ist das nichts
^°'°e tendenziöse Mache, daraus berechnet, in
^pUsttsz °° Eindruck zu rrwecken, als ob die Einhcitlichkeit des
jtz> u°o in der Ruhrfrage nicht mehr so geschlossen sei wie
^UgetzL..^nlls liegen die Dinge so, dah die einzelnen Ressorts
^ie, 8 dxg ^ uoch mit der Nusarbeitung von Vorschlägen zur
s§,.>.^°parationsproblcms beschästigt sind und dah schon aus
Ue von einem einheitlichen Plan dcs Kabinetts
'Uge ° ^ uicht gcsprochen werdcn kann. Wie schr
8 ii, "U d.°^§ 'U, Fluh stnd und wie von dcn verschiedensten Seitcn
UyZ ° l k 7°"blem aearbeitet wird, geht aus dcr Anwesenhcit der
d«, Uylrv «'^-n Delegation, die zu dcm römischen inter»
i-lo ^ic ^.^undelskammerkongretz abgesandt war, in Berlin hcr-
u>ie /uesenhcit der Amerikaner ist natürlich kein Zufall, eben-
2ys ^°U ^urpfang beim Botschafter Houghton wohl nicht
"nten Charakter trägt, wie dirs vcrstchert wird. Jm
8«leb?E°U n^8 damit ist auch ein Eerücht von Jntereste, wonach
iltzSs- dereits mit den deutfchen Jndustricllen in Verbindung
^ft» ^age». . ' Auch die Reise dcs früheren amerikanischen Ee-
tj, °kcsr, Berlin nach London ist ein Beweis dafür, dah das
^«"»probs uierikas an der Lösung des Repara-
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itytjs' ohv 8anzen Derhältniste noch fiickit eingetreten ist,
"">ft o?°uden ^ °>eiteres aus dcn mit den Parteisührern noch immcr
*ihj ^ussenn,- , sprechungcn. Am Mittwoch wurden die Fiihrer
dlri«»,'" Üer Rosenberg empsangen, am Donnerstag konfc-
t>rg 'ichen 'g. UNslcr Cuno mit ihnen. Ein direktcs Dementi hat
blei^gen ^bwirtschastsminister Becker dem Korrespondenten
^ d, ^! ino "^'llhr-Abendblattes" abgegeben. Er erklärte, dah
NZministcr Hermes noch mtt niemand
^ " ueuen Reparationsvorschlag gespro-
'lchts'" solck-0 er infolgedesten auch nicht seine Zustimmung
bie „8, dgft v'! Plan gegeben haben könne. Ebenso sei es nn-
^ifto, "°u nn ° 3 ndustrie auf ihn einen Druck ausgeübt habe,
"llftift Anck,^^^^en Hermcsschen Borschläge zur Anaahme z»
^Ud^Un, ?,."°u Staatssekretär Bergmann im Reichsfinanz-
u ift. unrd erklärt. dah die „Journal"-Meldung frel er.
De»
D
5?" neiier FMer nach London.
sriihere
on
sranzösische Minister Klotz tn England.
aii!
-v>^ °r . "8 ln London ei, .
Bein. °"^'uer Misfion nach
Üy. ^°°" kon ^""8°u. die durch L°
unserem R-Korrespondenten.
Paris, 12. Npril.
Kavinett Clemencea«, Klotz,
eingetroffen. Es steht jedoch nicht
nach London a-reist ist, ob er vor
- n» »", ^ - durch Loucheur begonnen wordrn stnd.
^ Zejjnn ^ ob seine Reise nur rcin privaten Lharakter
. ftlit r..8°u suchen natürlich dcn Eindruck zu erwecken. als
N'c-e den N 7 °Ni,iellen Misston L-auftragt sei.
d°Ü°° der dcs französischen Botschafters beim Foreign
Telegraph" mit, datz vieser im Vcrlaufe
»o." ° ar ^ ,"reduna keine besondere Mittellung
!ei,?Ug k,-l °ben ich " der Frage des Besuches Loucheurs über-
-bg,!,"? die Viclleicht behalte er sich eine derartige Mit-
UKjtjinbe u^uienkunft mit Bonar Law oor, die vermutlich
- Es sei jedoch nicht vollkomme« sicher. ob Poin-
cars es für zweckdienlich erachten werde, genauer die Ansichten sei-
ncr Regicrung bezllglich der Regelung mit Deutschland durch die
Botschastskanäle der Alliierten Frankreichs zu enthüllen, bevor er
öffentlich seine Politik am Sonntag in Dllnkirchen dargelegt
habe. Eine beträchtliche Bedeutuna könne dem Bericht Leigemesten
werden. datz Loucheur an dieser Veranstaltung teilnehme und
seine Anwesenheit dabei mützte die Ansicht zerst^reuen datz seine
Eedanken über die Neparationen jetzt mit denen Poincarhs swenn
kleinere Difierenzen auch vielleicht noch immer beständen) ernstlich
in Widersvruch stehen. Tatiächlich sei die Bedentung der von
Loucheur Lei seinem nenlichen Besuch in London dargelegten Politik
durch den Umstand erhöht worden, der erst jetzt ^'-estellt worden
sei, datz seine Politik die allgemeine, obwohl nicht formelle
Unterstützung des Vorsitzenden der Reparations-
kommission genietze. Disser sei durch Loucheur in den tech-
nischen RnnFten zu Rate gezoaen morden. A,>s-t"-^«n' i-'-e'N' '
Varthon vor kurzem den Plan Seydoup' zeitgemätz umgestal-
tet habs. Allgemein aesnrocben, ssi daher Loucheurs Plan wenig-
stens in seinen wesentlichcn Dunkten. besonders hinsichtlich der Ee-
samtentschädigunq von SO Milliarden, non denen 26 von Frankreich
beansnrucht würden, vorher der orundsätzlichen Zustimmung sowohl
des Präsidenten, als auch des Ministerpräsidenten stcher gcwesen.
Es würde nichts mit diesem Plane Unvereinbares bedeuten, wenn
PoincarS den Standpunkt bekräftige, datz er keine weitere Herab-
setzunq der französtschen Forderung an Deutschland annehmen würde
und sich nicht vollständig von der Ruhr zurückziehen werde, bevor
der geforderte Betrag bezahlt sei. Das Wort „vollständig" sei von
grötzter Dedcutung.
Während also zwischcn den Auffasiunqen Poincarös und
Loucheurs keine tiefgehenden Disscrenzen vorhanden zu sein
scheincn. gebärdet stch die nationalistische Presse sehr wild und er-
klärt sich mit der Reise Loucheurs und scinen Anschauungen und
Plänen durchaus nicht einverstanden. So erklärt das „Echo de
Paris", datz nach der Besprechung des französtschen Botschafters in
London mit Vonar Law die französische Regierung in
der Lage sein werde, zu ermesien, ob der Bericht auf
Mahrheit beruht, den Loucheur vorgelegt hatte. und der be-
bauptete, datz die englische Reaierung nunmehr dem französtschen
Vorgehen an der Ruhr freundlicher gegenüberstehen werde. Jn
Paris könne man an eine Sinnesänderung in London
nicht glauben,' Frankreich könne nur dann an eine Ein -
Leitsfront mit England denken, wenn Bonar Law ausdrücklich
crklären würde, datz das Ruhrgebiet Lesetzt bleiben dürse,
bis die Repartionen vollständig bezahlt sein wür-
den. Den Sicherheitsplan könne man in die zwcite Reihs
stellen, denn seine Lösung wcrde erst dann dringlich sein. wenn
Deutschland die gesamten Reparationen bezahlt hätte,
also erst dann die französtschen Truppen aus den jetzt besetzten Ge-
bieten abberusen wiirden. Erü wenn Bonar Law eine Zustim-
mungserklärung zu dieser französtschen Volitik abgeben werde, wäre
es möqlich, mit Enqlanb direkte Besprechungen einzuleiten. Es wäre
vollkommen ausgeschlossen, datz sich Frankreich damit begnügen
würde, datz nur>lne interalliierte Kommission in Esien bliebe. die
die Dnrchsühruna der Deutschland auferleaten Bedinqungen zu Lber-
wachen hätte. Die Deutschen mützten sich nnterwerfen und die
Fabriken des Ruhrgebietes mützten unter französischer Kontrolle
arbeiten. Nur unter dieser Vedinaunq könnte vielleicht eine
leichte Verminderung der Besatzungstrupven er-
folgen und das Prosekt. das am 11. Januar, dem ersten Tage der
Rührbesetzung, in Anariff genommen wurde. könnte durchgesiihrt
werden. Vorläufig sei aber von einer Verminderung der Be-
satzungstruopen im Nubrgebiet keine Rede, da man aus alle
Fälle die Blockade des Rührgebietes werde aufrechterhalten müsien.
Im „Fiqaro" erschien seit eintaen Wochen jeden Samstaq ein
Artikel, in dem eindringlich die „Nachteile" der jetzigcn englischen
Politik dargelegt wurden. In dem heutigen Artikel wird darauf
hingewi'esen, dätz die Jnteressen Englands und Frank-
reichs seit dem Jahre 1918 in schärfster Weise im Wider-
spruch stündcn, datz Lloyd Eeorae nichts anderes versucht habe,
als die französische Regierung zu täuschen, und datz auch sein Nach-
solger, Bonar Law, Frankreich keine Dankbarkeit bewei-
sen woNe. Alsdann wendet sich der Artikel inhestigen An-
griffen qegen Loucheur und in noch heftigeren Angrisfen
gegen Millerand. Die Besprechungen Loucheurs mützten
Verwirrung anrichten, insbesondcre könnte Deutschland qlauben,
datz Frankreich beunruhigt ssi, und auf indirektem Wegc eine Ver-
mittlung suche. Loucheur habe mit seiner Reise nur eigene
Ziele verfolgt, indem er nach der Ministerpräsident-
schaft strebe. Noch heftiger sind die Angriffe auf Millerand.
Es wird die Frage aufgeworfen, von wcm die Anregung für die
Neise Loucheurs äusging, ünd ob das Eerücht wahr sei, datz die
Anregung dazu von dem erstcn Beamten der Republik. dem Präst-
denten Les Staates selbst ausging. Collte dies der Fall sein, so
hätte der Prästdent der Republik in besonderer Weise seine ver-
fassungsmätzigen Vollmachten überschritten, und
wäre der Mitarbeiter einer Operation geworden, die ganz beson-
ders waqhalstq war. Der Artikel schlietzt mit der Feststellung: Im
Augenblick ist vor allem die Notwendigkeit vorhanden, im Ruhr-
gebiet raschestens zu Erfolgen zu oelangen. Deutschland mutz
wisien, datz Franlrejch in seinen Beschlüssen nicht wankt. und datz
es seinen Willen durchsetzen wird.
Gin Mlenischer Llnierhändler in Verlin?
Paris, 12. April. Der Berliner Berichterstatter des „Journal"
meldet, datz der Privatsekretär Musiolinis, d'Arini, stch die ganze
letzte Woche in Berlin aushielt und wiederholt Konferenzen
mit ^ndustriellen und Politikern gehabt hat.
Der Kamps «m Lenins Aachsolge!n Rußland
Bon unserem Moskauer Berichterstatter.
Mitte April tritt der Kongretz der kommunistischen
Partei Rutzlands zusammen. Die Tatsache, datz er verschoben
worden ist, als Lenins Krankheit von neuem eine Wendung zum
schlechteren nahm, lätzt schon erkennen, datz sein Verlauf von dieser
wesentlich abhängig ist und beeinflutzt werden wird. Mit Lenin
scheidet der bisher unbeschränkte Führer der Sowjetregierung. Nach
der rusiischen Verfasiung ist der Rat der Volkskommisiyre, das stnd
die Minister, zwar nur ein ausführendes Orqay des Willens der im
avrussischcn Exekutivkomitee verkörperten Kommunistischen Partei
und ist der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare nur dazu be«
rufen, die DnrKführung des Willens der Partei zu Lberwachen und
zu verantworten. Seitdem die Krankheit Lenins stch nicht mehr ver-
heimlichen lätzt, Lemühen sich die Blätter der Regierung, zu ver-
sichern, datz dieses an dem Systcm nichts ändern werde, da die Partei
und nicht einzelne Persönlichkeiten in Rutzland regiere. Dies ist
nach der Verfasiung zutreffend. Was aber die FLHrung der
Regierung durch Lenin betrifft, so entsprach diese eben nicht
der Verfasiung, sondern verkörperte eine Alleinherrschaft
in der Hand des Ministerpräsidenten. Die Rolle des allrussischen
Exekutivkomitees und damit die der Partei war zu einer rein forma-
len herabgedrückt worden, die überragende Persönlichkeit Lenins
hatte dahin geführt, datz der Rat der Volkskommisiare dem Exekutiv-
komitee nur kurzen Bericht erstattete, der ausnahmslos gut geheitzen
worden ist. Aber nicht alle Bolschewisten waren mit diesen Zuständen
und der Einflutzlosigkeit der Sowjets einverstanden. Sie sahen 0er
Herrschaft einer einzelnen Person grollend zu und dieses um so mehr,
seitdem Lenin unter dem Druck der Verantwortung in manchsm z u
den Grundsätzen des nationalen und bürgerlichea
Staates zurückkehrte.
Nun steht es fest, datz Lenin endgültig für die Führung der
Regierung ausscheidet. Zwar bemühen stch seine Anhänger, den
Zeitpunkt durch Berufung der grötzten ärztlichen Autoritäten der Welt
hinauszuschieben. Aber auch deren Kunst versagt. Lenin ist seinen
Feinden nicht mehr gefährlich. Er kann ihnen nicht mehr entgegen-
treten. Könnte er es, so würde er sie auch jetzt wieder mühelos
schlagen, denn in den Reihen seiner Eegner befindet sich keine un-
bedingt gebietenhe Persönlichkeit.
Der Kampf gegen den „Lenin-Ismus" wle das persönliche Re«
giment im Eegensatz zur Herrschaft der Partei genannt wird, hat
bereits in der Presie begonnen. Zum Führer seiner Eegner hat sich
Ossinski aufgeworfen. Er verlangt im Zentralorgan der Kom-
munistischen Partei, der Moskauer „Prawda", eine Revision des Ne-
gierungssystems. Ohne den Namen Lenjng vorläufig noch zu nennen,
wendet er sich gegen die bisherige unbeschränkte Diktatur einzelner
und verlangt die Riickgabe der Macht an dic Sowjets. An Stelle
des einzelnen Führers soll das allrussische Exekutivkomitee iretsn und
in langdauernden Tagungen die Negierungsgeschäfte führen. Der
Nat der Volkskommisiare soll, wie es die Verfasiung vorschreibt, nur
Verwaltungsorgan und sein Vorsitzender lediglich für die Durchfüh-
rung der von der Partei gegebenen Direktiven verantwortlich sein.
Diesen Forderungen ist als Vertreter des bisherigen Systems
Kamcnew sRosenfeldl scharf entgegengetreten. Er weist darauf
hin, datz die straffe Regierungsgewalt, die Lenin geschasfen habe, cr-
halten werden müsie, wenn nicht durch eine Vielheit der Regieren-
den der Untergang der Partei herbeigesührt werden solle, zumal im
Volk, und besonders zwischen den Arbeitern und dcn Vauern, noch
keine Einheitlichkeit hergestellt worden sei.
Der Kampf um den „Lenin-Jsmus" wird auch den bevorstehcn-
den Kongretz der Kommunistischen Partei beherrschen. Vorläufig
haben die Anhänger des bisherigen Systems die Oberhand. Be-
halten sie diese, dann verlangt aber die Frage der Nachfolgeschaft
Lenins sofortige praktische Lösung. Kamenew, dcr Vorsitzende
des Moskauer Sowjets und derzeitiger Führer der Anhänger dcs
bisherigen Systems, ist Jude. Aus diesem Erunde ist seine Nach-
folgeschaft unwahrscheinlich, denn man wagt es doch nicht, als tat-
söchlichen Leiter der Regierungsgeschäfte einen Nichtrusien zu bc-
stellen. Man hält es für notwendig, auf dieser Stelle einen Rusicn
zu-haben. Da aber das Rätesystem nicht auf russischem Boden gc-
wachsen ist, fehlen unter seinen Führern auch die Rusien und sind
die tüchtigsten und energischsten Führer Juden oder Nichtrusien.
Stalin, der vielfach als Nachfolger Lenins genannt wurde, ist
Kaukasier, Trotzki ist Jude und zudem als Organisator und Führer
der Roten Armee nicht zu entbehren. Kalinin, der Dorsitzende
des Exekutivkomitees und damit Präsident des russischen Reiches,
eignet sich nur zu dieser bisher mehr dekorativen Rolle. Kras si n
ist bürgerlicher Eesinnung verdächtig. Jm Eegensatz dazu gilt
Dsierschinski als zu stark links gerichtet. Er vertritt die Wieder-
einfllhrung des militärischen Kommunismus, wofür selbst in der
Partei nur sehr wenig Neigung besteht. Tschitscherin ist zwar
Ehrist und Russe, begabt und zuverlässig, aber stark übcrarbeitet und
darum nicht mehr voll arbeltsfähig. Hiermit ist die Liste der bisher
an führender Stelle Stehenden erschöpft, ohne datz ste einen Kandi-
daten erkennen lietze, der ohne weiteres Lenin ersetzen und sich wie
dieser die unbedingte Gefolgschaft der anderen verschaffen könnte.
Damit stigen die Aussichten der Eegner de: Herrschaft eines einzelnen,
wenn nicht Ossinski selbst auf diesen Posten ambitioniert, was eine
persönliche Diktatur im radikalen Sinne Ledeuten würde.
Die Konferenz der Kommunistischcn Partei lätzt heftige Aus-
einandersetzungen erwarten. Noch heftiger als dieses auf der Kon-
serenz nach autzen in die Erscheinung treten wird, geht der Kampf
zwischen den führenden Schichten der Partei. Lenins Aus»
scheiden Ledeutet also in der Tat Führerlosigkeit de»
russiichen Kommunismu»,