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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0809

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^6. Zahrgang - Ar. 131

sch e Post« xrscheint wöchentl. siebennral. Beilasien: DivaskallalSonnt.) —
UnveVr ""«ngsblattlMontags» - Literaturblatt-SochschulbeilageInronatlich,.
^-^angte Veiträne ohne Verantwortung. Rücksendung nnr, wenn Porto beiliegt.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Aandelsblatt

Sonmag, den 1Z. Mal 1S2Z

Hauptgeschäftsstelle u. Schriftleitg. der.Badischen Post"Heidelberg,Hauvtstr. 33, Fernspr.
Nu 188- Berliner Vertretung: B-rlin 8V 48, Ztmmerstratze g, Fcrnspr. Zentr. 415
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Dex

Sie englische Aniwortnole.

vermutliche Znhalt. — Die italienische Antwortnote.

Don unserem 8-Korrespondenten.

Paris, 12. Mäi.

enier Meldung Les „Zntränsigeant" ist die eng-
^ Autwort äuf die deutsche Reparationsuote Samstag vor-

»lit^

^°lsen ^^11 Uhr anf der englischen Botschaft i« Paris einge-
»>0kj. "»d am Nachmittag der sranzöfischen Regierung mitgeteilt
^lj 5s Näch einer Londoner Meldung des gleicheu Blattes ent-
°»er?s Londoner Note nur zwei Teile; im ersten werden in
»ddj^iche» Ausdrücken die deutschen Borschläge äbgelehnt,
^eiten Teile wird Deutschland ausgesordert, nene Repa-
"^vorschläge vorzulegen, Lie jedoch so gehalten sein
Ee» fie sür Frankreich annehmbär wären. Jn gut informier-

lei »lg^Hen Kreisen verfichert man, dah die evglischc Note kürzer
^ C ^ lranzösische Note. Sie betont namentlich, dah 30 Milliar-
^tztzi^^ark sür die Reparationen eine durchäus unzureichende
'^ten. Bon der Ruhrbesetzung spricht jedoch die eng-
!^°hlj°-, ' cht > devn i« London erklärt man, dah diese Ange,

' H i x ^ ^ne van der allgemeineu Reparationssräge durchaus ver -
o»sa», °»e Sache sei. England erklärt aber dennoch, dah es die
'»»Narbeit aller MSchte wünsche, die am Kriege teilgenommen
. z;'. das Nepärationsproblem zu lösen.

»tner Havasmeldung aus Rom wird die italienische
auf die deutschen Vorschläge von der englischen Note
n'Nt "ge»d verschieden sein, weil für Ztalien die Frage
'ich« ^alliierten Schulden eine grohe Bedeutung hat, vnd der eng-
^ iv ^ italienische Standpunkt in der Reparationssräge wie
^'»»«en Ruhrfrage im Augenblick uicht vollkommsn überein-

Sn

DAZ. Lsrrdov, 12. Mai.

Jnformation des „Daily Telegraph" Lbei die diplo-
Lage wird behauptet, dah in Berlin eine gewisss
Ä Mii ^ entstanden sei hinsichtlich der Frage, wie auf die Note
^ten Mächte eine gemeinsame Äntwort erteilt werden
tiMlss, 'T'» Schwierigkeiten liehen fich nach Meinung des Blattes
ViÜ b»Ermeiden, dah in der deutschen Note nur das Nepara-
!^Ä»e^oblem im allgemeinen behandelt werde, währ.md
Mr' DaV-n ^ äe auf eine spätere Diskussion vcrschoben werden
tz't also der alte Ratschlag, der von englischer Seite wieder-

c,worden ist und vor dem wir wiederholt gewarnt haben,
Id!? d?s Uu führen muh, die Behandlung der Revarationsfrage
<^uhrgebiets voneinanderzutrennen. Der gleiche Korre-
Vlattes. der sich stets in einer schulmeisterlichen Rolle
»kj. »dia,, ^rutschland gefällt. drückt der deutschen Regisrung seine
»c»ll ü^Ug. darüber aus. dah sie, wie man höre, durch das Krupp-
»v, igei, Ulcht davon abhaltcn lasse, den einzia rrchtigen Weg zu
beta»^und dah sie sich hinsichtlich der Mischen den Alliierten
?len Differenzen ungewöhnlich klug verhalten habe. Es
^bxÜlirkl'L deutiche Oeffentlichkeit endlich beoriffen habe. 7>ah
»stMg» "we Interefle Deutschlands in der Hersiellung einer Ver-
" »»!- 3 zwischen den Alliierten liege. (?) Voincare lehne es

Üj5 »IZ^aL die Ruhrbesetzung nach dem Vorschlag Mussolinis
»l,,li»g T'Uisode zu betrachten, vielmehr bleibe die französische Re-
!>- . öem Standpunkt, dah das ganze Reparationsproblsm

^ die Ruhrfrage beherrscht werde, und dah Deutschland
?*schläge liefere, was nicht der englischen Forderung,
franzosischen Besetzung zu danken sei. Poincarö
Mlie>N auch alle festenReparationspläne abzu-
?»>i . lvill auch von internationalen Anleihen nichts mehr

°»I ^Eint vielmehr darauf auszugehen, die ganze Repara-
>>»d pis^ uusschiiehlich in alliierten, vorwicgcnd französisch-
Nb,,e>^"u Händen zu behalten. Deutschland solle die Zinsen
fg- ^apitalsabzahlung der Anleihe leisien, die Frankreich
V »jg,, den Miedcraufbau aufgenommen hätte. Wenn disser
)ustandekommen wird, wird er sich weigcrn, die Pfändsr

^ Amerika mterefsieri?

isi^^.Äiai. (Eig. Drahtm.) Der New york Herald" meldei
»itz Bork: Eestern trafen an Vord desselben Dampfers

»Lx drej amerikanische Votschafter ein und zwar

l>iH?»i ^»-ondon, Verlin und Madrid. Dieses gibt zu
!»5 Ä ^»Usutungen Anlah. Positives war aber darüber bishsr

-I E.r'»urungen „ ^ . _

u», »kkj-iahrung zu bringen. Der Berliner Botschafter Hough
»rs/»r dah die Arbeitslosigkeit in Deutschlan
»Uij^U^Unehme und zwar hauptsächlich infolge der Ruhr
sich ,7.' die für die Eesamtlage wie für die deutsche Regierup
»1 Der deutsche Arbeiter dächte lediglich an Arbeit, nic!
^Evanche.

Z-ltix Eine Pariser SkandalaffLre.

^»h>> Dka:. (Ekg. Drahtm.) In der linksstehenden fran-
MuNt. wird mit besonderer Eenugtuung eine Anzeige

üegen den Präsidenten des Vloc National, den
Irj ^üi K»rde- der Kammer Aragot wegen Steuerhinterziehung

l»ii! 5 wird. Es wird Aragot zum Vorwurf gemacht, lah

wiflentlich falsche Angabsn gemacht habe, indem er
iki »Ii" »r »i-.winkommen auf nur 30 000 Franken bezisferte,
als Abgeordneter 27 000 Franken bezieht. Aragot,
m°»d°,^ar,r. sehr vermögend gilt, bewohnt u. a. in einsr der
»A». ^ i„>,ll.Strahen, der Avenue du Bois de Boulogne, eine
^Nose Villa. Der Fall erregt in Paris grohes Auf-

^dp^gt, s^ l oc National hat seinem Präsidenten bereits
„de? Wnell wie möglich zu demissionieren, da er die stärkste
* triun,^?!"ler schwer kompromittiert hat. Das
:-wybiqrt hereüs. Lah tziese DemWon.dem Bloc Hatio-

nal den Todesstoh versstze. Weite politische und gesellschaftliche
Kreise Frankreichs warteri mit grotzer Spanmmg auf die Entwick-
lung dieser Angelegenheit.

Aus dem Einbruchsgeblet.

Neue Schandtaten der Franzosen. — Weitere SchNächurteile.

Eigene Drahtmeldung.

Besetztes Gebiet, 12. Mai.

Am 10. Mai abends wurde auf einem Bahnüüergang in Mainz
ein holländischer Schiffer, der stch infolge Gewitterregens
verspätet hatte und nach seinem Schiff zurückkehren wollte, von
einem französischen Posten erschossen. — Jn Wiesbaden
wurde die Arbeiterin Bredorf in ihrer Wohnung von einem
Marokkaner durch Schüsse in die Brust schwerverletzt. — Auf
dem Bahnhof Herne wurden drei WerkstättenarLeiter von franzö-
sischsn Posten beschossen. Dabei wurde der Oberbauarbeiter
Schewes schwerverletzt. — Vom Kriegsgericht in Sterkrade ist
der Recklinghausener Landrat Dr. Klausener zu zwei Monaten
Eefängnis verurteilt worden. Weiter der Polizsikommiflar
Schermer zu neun Monaten Eefängnis und 100000 Mark Eeld-
strafe, Eemeindevorsteher Heiland zu fünf Monaten Vefängnis
und 50 000 Mark, Bürgermeister Reiz aus Dorsten zu vier Mona-
ten Eefängnis und 30 000 Mark Geldstrafe, Bürgermeister Kappen
von Gladbeck zu elf Monaten Gefängnis und 138 000 Mark Geld-
strafe, Stadtsekretär Alekotts in Eladbeck zu zwei Monatsn Ge-
fangnis und 10 000 Mark Eeldstrafe. — Der Eifenbahnoberingenieur
Mauelshagen und der Lokomoivfuhrer Dambertz, beide aus
Karthaus, sowie der Lokomotivheizer Flesch aus Vonn hatten stch
vor dem französtschen Kriegsgericht in Mainz wegen ver-
botswidrigen Verlaflens ihres Postens und Eehorsamsverweige-
rung gegenüber einem Defehl der Rbeinlandkommission (Strsikverbot)
zn verantworten. Das llrteil lautete für Mauelshagen auf drei
Monate Eefängnis und 100 000 Mark Geldstrafe und für
Dambertz und Flesch auf je zwet Monate Eefängnis- Vom
gleichen Kriegsgericht wurde der Reservelokomotivführer Schinder
aus Bingerbrück wegen Begünstigung des Eisenbahnerstreiks M
neun Monaten Eefängnis. und fiinf MMonen Mark Geldstrafe ver--
urteilt. Zwei frühere deutsche Offiziere aus Ludwigshafen
wurden wegen ihrer Mitgliedschafi Lei dem im besetzien Gebist ver-
botenen Deutschen Offiziersbund zu zwei Monaten Eefängnis und
vier Millionen Mark Geldstrafe resp. zwei Monaten Gefängnis und
zwei Millionen Mark Geldstrafe verurteilt.

Jm Neichsbahndirektionsbezirk LuLwigshafen wurden am
9- und 12. Mai zusammen 28 Eisenbahnbedienstete mit
Frauen und Kiudern ausgewiesen. Ein Teil der Aus-'-m'esenen
erhielt den Vefehl, den Haushalt mit Ausnahme der Kleidungs-
stücke und dergleichen in dem jetzigen Zustande zu belassen, unier An-
drohung von Bestrafung bei iZuwiderhandlung Ferner wurden in
dcr Pfalz nach der letzten Lohnauszahlung wieder mebrere Eisen-
Lahner verhaftet, vorübergehend in unwürdigen Röumen festgc-
halten und zmn Teil fchwer mihhandelt. Beschlagnahmt wurde
dabei eine gröhere Summe Geldes.

Borröcken der Franzofen bei Karlsruhe.

Karlsruhe, 11, Mäi.

Die Franzosen, die fich bisher dämit begnügt hätten, den Karls-
ruher Hasen z« besetzen, find Samstag srüh einen Kilometer
vorgerückt, haben däs Bahngleis Lberschritten und än der Eckc
dcr Honsell- und Lerchenstrahs eiuen Posten, bestchend aus einem
Unterossizier und acht Marm, stationiert. Nach dcr Erklärnng eines
sranzöfischen Ofsiziers soll jetzt das besetzte Eebiet bis zur Strahe
MLHlburg-Knielingen einschliehlich reichen. Der Bahnhof
Mühlburg ist noch nicht besetzt.

Ueber den Verlauf des Vorrückens der Fränzosen wird uns noch
gcmeldet: llm 4 Uhr friih ist ein Personenauto, besetzt mit einem
Offizier und zwei Mann, vom Rhsinhafen aus in der Richtung nach
Knielingen abgsfahren. Um 5.15 Uhr marschierte französisches Mili-
tär in Stärke von einer halbsn Kompagnie über die Rheinbrücke
und traf um 6.30 llhr im Rheinhafen «in. Um 6 llhr rückts die
Mannschaft, etwa 80 bis 90 Mann, bis zur Wirtschaft „Zum Anker",
Ecke Honsell- und Rheinstratze, vor, nachdem vorher zwei Ofsiziere
mit einem Automobil dort angskommen und ausgestiegen waren.
llm 7.30 Uhr wurde eine französischs Postenkette bei der Wirtschast
„Zum Anker" gezogen. Bald darauf rückten die Mannschaften mit
ihren Offizieren nach dem Hafengebiet wieder ab.

Gespannte Lage in Laufanne.

DAZ. Paris, 12. Mai. (Erg. Drahtm.) Die Ermordung
Worowskys wird in der Schweizer und französischen Prefle weiter
ausführlich erörtcrt. Man befllrchtet in der Schweiz Repres-
salien gegen die 600 Schweizer, die sich derzeit in Sowjetrutz -
land aufhalten. Jn vergangener Nacht traf Batowsky in
Lausanne ein, um vorläufig den Vorsitz der russischen Delegation
zu Lbernehmen. Ahrends.der nach wie vor schwers Vorwürfe
gegen die schweizer Behörden erhebt, erhielt aus Vern den
Ausweisungsbefehl. Die türkische Delegation bat
die Schweizer Behörden dringend, um verstärkten Schutz, da sie sich
stark bedroht fühle.

Der Hochverratsprozeß Fuchs- Machhaus-

Münche«, 12- Mai. (Eig. Drahtm.) Der Hochverratsprozetz
Fuchs-Machhaus und Gen. wird vor dem Münchner Volks-
gericht am 4. Iuni verhandelt werden und zwar ist vorläufig eine
Woche für die Verhandlung in Aussicht genommen. Die Vetteidigung
haoen die Nechtsanwälte Eraf Pestalozza. Dr. Sauter und
^jMiLkäj K.o k l üLeruommen. .

Zetzt Aaüonalfeierlage?

ii.

Mit demselben peinlichen Empfinden, mit dem wir dem Ver-
suche gegenüberstehen, den Tag des 11. August, an dem 1919 zegsn
eine sehr erhebliche Minderhsit die neue Verfaflung veraüschiedet!
wurde, zu einem Nationalfesttag zu erklären, stehen wir auch der
Festfeier des 18. Mai gegenüber, mit der die Erinnerun g
an den Zusammentritt der deutschen verfaflunggebendenN at i o n a l-:
versammlung in derPaulskirchc in dieser Woche in
Frankfurt begangen werden soll.

Festfeiern in diesem Augcnblick, da alle, die des
deutschen Namens würdig sind, fast zusammenbrechen unter derr
Schwere unseres Schicksals, da fast kein Tag vergeht, der uns nicht
neue Demütigungen, unsern Volksgenossen neue Leiden bringt, da
die Zukunft so schwarz vor uns liegt wie nie, da wir vergebens ans-z
schauen nach sichtbaren Wittungen des heroischen Widerstandes der
Unglücklichen, die von sinem unsagbar grausamen Feinds immett
schonungsloser eingekerkert werden, da unsers Westmarken dem Reichei
immer mehr entrückt werden: Festfeiern in diesem Augenblick, — es
ist ein beinahe unfatzharer Eedanke, fatzbar erst, dann aber auch glcicksi
verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, datz dic Anregung zu,
dieser Feier offenbar von linksdemokratischsr Seite ausgegangen ist
und wsnn man sich weiter vergegenwärtigt, wre heitz das Bemühens
dieser Kreise ist, für Republik und Dcmokratie zu werben, wic be»!
flissen sie sind, Republik und Demokratie nicht nur von der Tc-te-
des Doktrinarismus, sondern auch von dcr historischcn Seitc yer als'
das Rechte und Notwendige hinzustellen, und mit welcher Beharrlich-
kcit seit November 1918 das Iahr 1848 gleichsam als der Vorläufer
dessen hingestellt wurde, was im Jahre 1918 und 1919 sich dann zu-
trug; wie offensichtlich das Bedürfnis war, die Ereignifle dieser bei-
den Jahre dadurch nachträglich in ein etwas hellere's Licht zu setzen,
datz sie in inneren Zusammcnhang mit dem politischen Idca-
lismus gebracht wurden, der in der Bewegung des Iahres 1848
hervortrat.

Es bedärf nun kaum eines Veweises für jeden, der nicht vartei-
politisch verrannt ist, daß dieses Bestreben, die ungliicklichcn Eteig-
nisse dcs November 1918 und ihre Folgen idealistisch zu unterbauen,
historisch zu legalisieren, sachlich vollkommen ausfichtslos ist, datz der-
November 1918 in jeder Hinsicht ein einzio.es grotzes Verbrechoir
war. und datz daher alles, was daraus erwuchs. als mit deMi
Kaiuszeichen gebrandmarkt crschoinen wird und mutz. Aber-
gerade deshalb bleiben die Ehorführcr der Demokratis beri
ihrem Bestreben, ste haben es sich vorgesetzt, die Dinge umzudeuien,
sie rechnen mit der Macht der Kewöhnung, sie wifleii. wie man es
machcn mutz, um an die Stelle dcr geschichttichen Wirilichke'ten
Legenden zu setzen, und so weben sie denn und weben, ein Faden
wird an den andsrn gefügt und sie denken, den Schleier schan senig,
zu bringen, der dazu bestimmt ist, dic Noventcher-Rcvolution mit?
täuschendem Schein zn irmkleiden.

Auch die geplante Feier des 18. Mai gehött mit zu diesem Gs-
webe: wir denken aber, datz das deutsche Volk die Absicht durch-
schauen wird — so sorgfältig auch die Leute, die die Fäden sühren/
der Feier einen durchaus neutralen und rein nationalen Charakter
zu geben bemüht sein mögen.

Wir dcnken nicht daran, dcn Männern gegenüber, die heutc an
der Spitze der Neichsregierung sind, sowic auch denen gegenüber, dic
sich für die Feier eingesetzt haben. auch nur den leise'ien Zweifel
an der Reinheit und Ehrlichkeit ihrer nationalen Gesinnung aus-
zusprechen, wir bezweifeln aber, ob die lreutige Republik als
solche irgendeine Verechttgung hat, sich mit dem, was 1818 er-
strebt wurde, innerlich iii Verbindung zu bringen.

In der heutigen Republik hat. wie die Dinge einmal licgen,
nicht der nationale Idealismus den schlietzlich i'mmer entscheidenden
Einflutz, sondern der i n t e r n at i o n al eingestellte Sazialis -
mus, die Lehre akso, die heute in Moskau triumphiert, die hier zn
einer vielleicht erst in Jahrhunderten wieder guizumachcnd:n Zer-
störung geführt hat, die. von der grausam.en WirMchkeit zwar, i»
Rutzland sclber in die Zwangsjacke gesteckt ist, die aber jetzt Deutsch--
land als Las Land ausersehen zu haben scheint, nm hi'ei nach Be-
lieben weiter zu wirken.

Man werfc nicht ein, daß in Deutschland diese Lehre nur vorr
den Kommunisten vertreten werde, datz die Sozialdemokratie den
Kommunismus von sich weise: Diese Zurückwcrsung mag mit Wor-
ten erfolgen, mag in dem politischen Tagesgeschehen aiich betätigt:
werden, aber die Entwicklung, die von der Sozialdemokratie bo-
herrscht wird, fühtt mit unentrinnbarer Notwendigkeit znm
Bolschewismus, wenn nicht Kräftc vorhanden srnd. die Einhalt zu
gebieten vermögen; solche Kräfte aber sind, so wcit man auch blickt,
nicht zu entdecken.

Dic deutsche Republik rst dem in ihr vorherrschenden Eeiste näch
durch und durch i n ternaLional, die drei Parteien, die die Revo-
lution entwcder gemacht oder nachträglich gutgeheihen Haben, siird
es nach Herkunft und Vekenntnis; sic alls drei sehen den natio-
nalen starken Staat, einen Staat also, der diesen Namen
verdient, nicht als dic notwendige und unerlätzliche Voraus-
setzung einer gedeihlichen Zukunftsgestaltung an, und dcshalb hat
diese Republik kein Recht, sich auf dic Männer, die im Iahre
1848 in der Paulskirche zusammenkamen, zu berufen, sich gewifler-
matzen als die Erfüllung deflen dcirzustellen, ivas damals qewollt
wurde.

Denn die Männcr waren alle, aber auch alle, getragen von der
nationalen Idee und von der Ueberzeugung ihrer Umvider-
stehlichkeit, von dem Elaubcn, datz die in ihnen dargestcllte Offen-
barung der deutschen Idee dahin führen müsse, den ersehntsn
starken Staat zu gestalten. Auch die Radikalen waren von diefem
Streben nach dem starken deutschen Siaate erfüllt, sie waren nur in-
sofern realpolitischer gerichtet, als sie erkamtten, datz ohne Zwang
die Felsmaucrn, die den Weg zur deutschen Einheit oersperrten — es
waren die historisch gewordenen und gewachsenen Gewalten der
Ernzelstaaten —, nicht zu beseitigei? fein ioürden, und sre waren da-
her zunächst auf llmsturz gerichtet, aber auch, was s i e wollten, war
nrcht etwa ein pazifistisches Krüppelgebilde, sondsrn es war eiu
Staat, der auch kriegerisch stark genug war, um sich den andern
Staaten gegenüber, wenn sie dem revolutionären deutschen Natio-
nalismus nicht die Ehre geüen wollten, durchzusetzen, Wie war es
doch im August und Sevtember als der König von Preutzen
 
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