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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0519

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^ ^' r«ng - Vr. 8S

Dost» erlchkint wöchentl. siebcnmal. Betlagen: DldaSkalia'Tonnt.»- I

°dvcrla„„. lFreitc>g«> — Literaturblatt — vochschuibeilagelmonatlich>. I

— ""»t« ohne Verantrvortung. Rückscnvung nur, wenn Porto beiiteat. I

t - -

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

ViMag. 27. MLrz 1SA

LauptaeschLstrstcL, y. Echriftlettg. Ler «Badischen Poft'Heidelbera.Hauotftr. S3, ssernspr.:
Nr. 182. (Derlaqoort: ffrankfurt a.M > Berltner Dertretung: Berlin LtV4S. Ztminer»
stratzeS, Fern>pr.Zentr.41S. MünchneVDertret.: München,Seorgenstr.lv?, Fernlpr.NIKg?

Dostfcheck^kouto r SrauNurt a. vr. vltl»

^best^Mgsvrei» der .Bad. Bokt' Mt.L2VV.- (ausschl. LusteLgcbühr,. Selbftabhol.Mll. LlVV.-. «usland Mk. MIV.-
bi» zum2. >ed. Mlr. angenommcn. Am l u.2.noch gelics.Zeitungen slnd nach d. Einzelverkanfrpreto zu be»
^^^^«db^Dinzel»ummerMk-14V —. ZstdieZeitung amErschrinenverhindert.bcsteht ketnAnspruch anf Cntschidigung.

«oftscheck-konto! »rantturt a. M. «141»

.—.....» —.... . : >

Anzelgctivreise: die44mm bleit, NonpareMezetle toftct:loralrStell«nges>lche Mk.8v.-, kl.Eelegenheiteanzetgen Ml 1VV.-,
Famillenanzelgen Mk Sv.—, tSeschttftranzetgen Mk. 17k.—, Finanz- und yndustrieanzeigen Mk. 2KV.-, mit Platzvorschrist un»
Montag» Mk. 10.- mehr. Die S8 mm dreite Reklame-cile kostet Mk.SV0.—, Anreigen und Reklamen von aurwärt» 2S°<> b-ber.

Die „Enimiliiariflemng" der Heinlande.

^öialiftische Träumereien rrnd politische Wirkttchkeit. - Maedonald in New Bvrk

^o>l unlerem U-Korrelpondenten.
s, Dgx ^ Pari«, 26. uuu

klii?c ^ dgx Labour-Party im «nglischen Unierhaus, R i

B«, - dj- ^°°ald, hielt in New Pork eine Rede, in der ei

t?'pr

W°n,


Pari«, 26. März.

am-
er er.

our-Party hoffe, datz die aegenwärtigen Berliner
, - Ngen zwifchen den dentschen und den alliier»
d„."listen zu der Abfaflung eines Planes fiihrrn

«chu

den das Ruhrproblem gelöst werden könnte. Die

°»zis-

UNH



gli

. wünfcht nicht, datz Besprechüngen zwifchen Vonar
^sincarg stattfinden uNd dah man dann aus dem
l6»» ?"8lischen Ministerprästdenten erfährt, was das fran
»>°°Nke, und durch Poinearä, welches der Standpunkt des
^olkes sei. Den StandpuNkt des französtfchen und des
- ° r l a lönne man nur durch Erklärungen ihrer Vertreter
fie İU, dgst kennenlernen. Jnfolgcdessen fei es notwendig
lkrn ^tr«iÄVertreter der Parlamente zufammenkamen, damii
dx, Di»r einzelnen Völker die Vedürfnisse des andern kennen
^lerst^'? Art und Weise zu verhandeln habe dis Zustimmung
zunnÄt^ gefunden. Deshalb feien die Vertreter der Labouv
V Urid N - ach P°»>° gegangen, nm mit den Franzofsn, Beb
. n„„ kgnserieren. Man habe darauf eine Ab

und ins Ruhrgebiet sntsandt, um zu
ltschenRegie-

^_„ der gegenwartigen

^ _ _ Bericht wird nach Paris ge-

bejtr/"- Die Perhandlungen werden, wie Macdonald hofst,
b«r °«n, dmtz di« europäifchen Regierungen «inen Aueweg
bsnwartigen verwitkelten Situation finde» könnten.

Nllch L°usrn zu

° r l i n u.», ...» --

g Plan auszuarbeiten, der der deu

kq?lerig,.; u g tuung geb« und di« Regelung d
M verdea 2^>tatten würde. Ein Bericht wir

°>n« °vs>t«ren Meldnng aug New Pork fand dort am Eonn«
Sffentliche Debatt« Lber di« Ruhrfrag« statt,
^""^bsische, der deutsche und der englifche Standpunkt
d--"« - ' letzterer oon Sir Willlam Wiseman, der
ber ,n-.?5l°ges Verbindungsoffizier zwischen der amerikanischen
h^schey Armee war und nunmehr Kompagnon des ameri-

düd Otto K«hn ist. Von allen Rsdnern wurd«

Et°>i Teir v ^ bie Sch uld für die Ruhr-hefetzung zum
^ep , ^ ben Vereinigten Staaten zufall«, di« es ab-
Aölkeek Bolkerbund einzutreten. Der Eintritt Amerikas
lz », wäre der best« Weg, um das Rnhrproblem zn lösen.

Slaubt man im HiNblick auf die Derliner Sozialisten-
^rst- ^ ° r j „ deutschen Sozialdemokraten der Reaierung Tuno
HjMdlliirg^ ° r. t e n bereitsn, salls diefe stch zur Eröffnung von
A.,? "flt den Fianzosen nicht bewegen lassen wurde. Die
"»'«listen würden auf die deutschen Einflutz zu nehmen
?>hll,°°varts( „ dies« der Regieruna in den Rücken fallen.

auch in Paris Vorschläg« der dentschen Sozial-
MK?°rartw° « sung des Ruhrproblems. Po-incarS wurde
>°R,°» P?i:ks^,°»!chläse für bedenklich halten, weil ihm va-
nur Programm gestört werden könnte, datz nämlich
i! «r?„l- Matze geräumt werden soll, wie Reparations-
?s>i ^>s u»d "ber es würden fich nach der Sozialistenkonferenz
wohl auch in der französtschen Kamm « r unter
M d- rusrde» .^tsnrenten Stimmen geltend machen, di« befür-
dl« Frage der Entmiutaristernng der Rheinlande
^"°te dem Völkerbund anzuvertrauen. Selbst

ngebote
n d als

dieser feinen Einfluh zugunsten der
ng der Rheinlande ausbietet
Räumung des Ruhrgebiets erfolgt,
war.

stüs .^Ntm l's'?- oie,er ,«inen Einflutz

'>» lln'.Ii tarifierung ^

in rascher «in« Räv

^l>° ra,cher em« Raumung des Ruh
«russeler Besprechungen vorgesehen

dies, .

Tntmilitarisierung de» ltnken
Md, ?,°hl darüber plaudert das „Echo de Paris":

Nare'c,"»! der "ch' datz, wenn eine rheinisch« Autonomie gewährt
Min so ein Partikularismus entstehen wllrde.

dj sUstg Alös, °°nn würden stch Koblenz oder Köln viel eher von
>>,- München oder Stuttgart. Aber eine dernrtige

Wland und ste set den zentralisierenden Kräften.

Wchep ?stchtli» Hunderten von Iahren regeln, entgegen »nd
!ti-r»llll°°°ch prei.sä^ ^icherheit Frankreichs die alten Unterschiede
be L > Aber und dem nichtpreuhischen Deutschland ziem-

l>?° E??ihese nAsi.°uf Erund dessen, datz sich vielleicht die gün-
fist isj^t sprjchj?."^ehen könnte. konnte Frankreich Schutz finden.
>>>d ^Ute^Ung der aradweisen Internatio-

iep Idllt-»°!ster fx» r rheinischen Eisenbahnen. die zu-
de*n/0 einem"4 ° > i s 4 - b e l g i s ch e n R e g i e stehen mutzte,
>8l° u>M?° °ber . >uternationalen Komitee übertragen zu wer-
M M b-, ^ber ° »zös i, ch - E i n f l utz v ° rh e r rfch e nd
>> >>. dyk,b°srledia°n^ bas sei nicht genugend, um den nationalen
di°°>e °Utfchlg-„°°b zwar aus ftrategischen Gründen. Fur den
r ° ^usz?st° versllti-n ">üs>° uran Frankreich und Belgien

^egil^EsiLrun" ^-in zu halten.E- sei also nötig. dvk
^8lly L i n^ st ^°r ^ französisch-bel^ischen Seere durch

.... in die rechtsrhsinische 50-Kilo-

dak,' °°°n das ^ " solch/r Plan werde Einwendungen
i°st di° o---°b.konne man ohne .

di-"«-^ ronne ma

"" -°st«ll?we?L.'"'^

militärische Ueberwachung
"'Ai im Angenblkck der Eefahr
Aüer dieser Plan ergebe sich aus der

Logik der Klauseln, deren Anwendung Frankreich unbedingt zu
fordern habe.

Geivohcheit-mSßige Seu-elel.

Französtsche Beschwichtigungen aus petnlich« Fragen.

Paris, 26. März.

Die Zeitungsgruppe „Newspaper Enireprise Association of East
America", der 500 Tageszeitungen der Vereinigten Staaten an-
gehören, hat dem „Matin" fllns Fragen vorgel«gt, die Bezug
haben auf 8as R e pa ra t i o ns p r ob l e m und !d>i« Ruhr-
besetzung. Di« erste Frage betrifft den Londoner Zahlungsplan,
von dem offenlar in Amerika angenommen wird, datz er von Frank-
reich allein aufgestellt wurde. Auf die zweite Frage, ob Frankreich
das Rhein- und das Ruhrgebiet annektieren werde, wurde
vom „Matin" folgende Antwort erteilt: Frankreich w!vd niemals
das Rhein- oder Nuhrgebiet annektieren, Frankreich wird aber das
Rhein- und das Ruhrgebiet solange Lesetzt halten, Lis Deutschland
bezahlt haben wird, was es Frankreich schuldet, mit anderen Worten.
das Rheinland und das Ruhrgebiet sind fllr Frankreich «in Zahlungs-
pfand. Wenn Deutschland bezahlen wird, werden ihm di« Pfänder
znrllckerstattet. Schließlich leugnet das Blatt in Beantwortung der
anderen Fragen ab, dah das „Tomkte des Forges" die Bes«tzung
des Ruhrgebiets veranlaht habe. Die französischen
Bauern feien es vielmehr gewesen, di« in der Kammer über SSÜ
bis tOO Stimmen verfiigten. Weiter erklSrt der „Matin", Frank-
r«ich s«i nicht m i li taristisch. (I) Sein Heer, das
besteunddasgrößtederWelt.habekeinenanderen
Zweck, alsDeutfchlandzumZahlenzuzwingen, und
di«s«s H«er koste weniger. als die kleine pazi^
fistische und nicht militaristisch« Arme« der Ver»
einigten Staaten.

Raub von ReichSeigentlim.

Der vorgetSuschte rege Kohlrntränsport. — Neu« BerurteUunge«.

Osfenburg, 26. März.

Die Franzosen haben neue ArLeitslose von Stratzburg
nach Offenburg gebracht und verladen weiter mit Hochdruck Reiche»
dienstkohle. Die Kohlenzüg« werden durch das El'satz nach der
Pfalz geführt und nach einer Rundfahrt durch die Pfalz nach Frank-
reich geleitet. Damit soll allem Anschein nach ein reg « r Kohlen-
transport aus Deutschland nach Franlreich vorgetäuscht
werden. Des weiteren Leginnen die Franzossn aus dem Offenburger
Ausbesserungswerk der Reichsbahn Werrmaschinen, Dreh-
hänke usw. fortzusühren. Sie verwenden dazu den elek-
trischen Kran und den neuen Dampfkran der Reichsbahn und haben
ferner drei eigene Kräne aus Stratzburg herbeigebracht. Autzerdem
haben sie eine Anzahl von Reparaturlokomotiven neuesten
Typs, darunter grotz« Schnellzuglokomotiven, nach Karlsruhe gebracht.

Eifenbahnoberinspektor HLrtlein in Offenburg wurd« vom
Militärpolizeigericht in Kehl zn 18 Tagen Gefängnis und
50 000 Mark Geldstrase verurteilt, werl man bei einer Haussuchung
bei ihm neben Dienstakten, Plönen und Lohnlisten einen alten
Rev.olver gefunden hatte, von dessen Existenz dem Deamtea
selbst nichts Lekannt war. Ein anderer Beamter, der EisenLahn-
oberinspektor Maier, wurd« zu 8S000 M. Geldstrafe verurteilt,
weil man bei einer Hausfuchung einige Patronen, aber ohn«
Schußwaffe, vorgefunden hatte.

Ein unerhörter Kulturflandal.

verli«, 26. März. Nach eingegangenen Nachrichten stnd dke Zu-
stände im Eefängnis in Zweibrücken, wo die Mehrzahl der mit Ee-
fangenschaft bestraften deutschen Beamten untergebracht ist, Lber«
aus unwürdig. Augenzeugen berichten, daß den Eesangenen
alle Vorteile, die sonst den politischen Eefangenen gewährt werden,
verwetgert sind. Verboten sind Rauchen, Lektüre. Korrespondenz,
Beschaffung anderer Kost usw. Die Behandlung ist die ge-
meiner Verbrecher, mtt denm die Eefangenen auch zu-
sammengesperrt stnd. Ferner wirtz die schlimmste Form
der Einzelhaft angewandt. Die Bewachung geschieht durch
T u r k o s.

Ser «eue Deiiffchenmordbei Sagen

Vorhalle, 25. März. Wie bereits kurz gemeldet, wurde der
27 Jahre alt« Karl Bracht an der Bahnstrecke zwischen Vor-
hall« und Vollmerstein von einer ftanzösischc:'. Patrouille
erschossen. Bracht befand sich auf der Reise von Hagen nach
Bochum und muhte wegen der Zugunterbrechiung in Vorhalle aus-
steigen. Er suchte mit zwei Mitteisewden seine Reise zu Fuß fort-
zusetzen, gcriet dann in die Nähe der militarisierten Bahnstreckc
Vor-Halle-Vollmerstein und suchte offenbar diese in Unkenntnis
der erlassenen Bestimmungen zu überschreiten. Dabei wurde
er von Ler französischen Bahnhosswache erschossen. Die Zeugen-
oernehmungen haben keinerleiAnhallspunkte fürdie von
französischer Seit« verbreitete Darstellung ergeben, daß von deutscher
Seite auf die französische Wache Schüffe abgegeben worden feien.
Trotz wiederholier Bemllhungen von Leutscher Seite ist die Leiche
bisf^r nicht freigegeben wordeo.

Zwelerlei Maß.

Herr Severing hat sich «twas geleistet. was für unfere hsutig«
politische Situation geradczu ungeheuerlich ist. Der preußisch«
Innenminister nutzt die Abwescnheit des Neichskanzlers, der im
Süden um die Einheit wirbt, aus, um eine lange vorbereitete
Aktion in Szene zu setzen, eine Aktion, die den Sozialdemolraten seh«
am Herzen liegt, da sie es aus verschiedenen Gründen sehr notwendlg
haben, ihr schwindendes Prcstige aufzubessern. Der ganze Agitations-
apparat wurde schon seit einiger Zeit in Bewegung gesetzt, um dem
gefährlichen Erwachen des nationalen Bewußtseins einen Riegel
vorzuschiebon. Denn wir wollen die Dinge nur nehmen, wie sie
sind: Die nationalistischen Quertreibereien sind nur der
Porwand für die Bekämpsung des nationalen Gedankens,
der als solcher den heimatsentwurzelten „deutschen" Sozialdemo-^
kraten immer noch etwas ist, das sie mit ihrer weltfremden Abstrakt-
heit nicht zusammenreimen können. Nicht um der paar Plänsmacher
und Dilettanten willen bricht der ganze Hexensabbat los, sondern
um der im tiefsten Jnnern des deutschen Volkstums schlummernden
wurzelechten Kräfte willen wird die unglaubliche Hetze arrangiert,
mit der man wieder einmal glaubt gegen die „Reaktion" vorgehen
zu müffen. Um dieser gesunden politisch-nationalen Instinkte wcgen,
die unser Volk allein bis heute noch vor dem vöIligen Unter«
gang Lewahrt haben, nicht aber aus Angft vor dem Faszismus, be-
ginnen die Narren der Jnternationale eine wüste Agitation. Sie
scheint auf den ersten Augenblick nicht ungeschickt ins Werk gesetzt.
Mit der Jnterpellation des Herrn Wels über reaktionäre Umtriebe
in der Reichswehr sing die Sache schon vor einigen Wochsn an. Die
Münchener Hochverratsaffäre bildete den Anlatz für den „Weckruf"
des Herrn Scheidemann und nun ging gegen die ganze Rechte und
ihren angc-blich markantesten Exponenten, den „Maffermörder"
Ärdendorsf, ein Sturm los, der als solcher in seiner ganzen Unglaub«
lichkeit nur in einem politisch so unreifen Lande möglich ist, wie in
Deutschland. An stch ist vas, wae jetzt Herr Seoering getan hat,
eigentlich nur das Fazit einer gut vorbereiteten Jntiige. Aber
dieses Fazit gewinnt eben noch ein besonders peinliches Eesicht da>
durch, datz es ausgerechnet der preutzische Jnnenminister
ist, der diese unverantwortlichen Parteimachenschaften -von offi-
zieller Stelle zu einer Regierungshandlung zu stempeln
wagt. Wir sind es müde, iinmer wieder die Selbstverständlichkeit
zu Letonen, dah politische oder Leffer gesagt höchst unpolitische Um-
triebe jederArt rückhaltslos zu verurteilen sind. Wir müffen aber
gerade in diesem Falle wieder die strickte Forderung der Ob -
jeltivität stellen, die ein Träger der Regterungsgewalt unter
allen Umständen und seIbst wenn er ein Sozialdemokrat ist,
zu beobachten hat. Sonst ist seine ganze Handlungsweise weiier
nichts als eine demagogische Agitation niederster Sorte, eine Hetze
zum Bürgerkrieg, die genau wie jede anderr vor den
Staatsgerichtshos gphört.

Wir müffen darauf hinweisen, datz das, was hier vorgefallen ist,
nicht etwa eine Ausnahme ist, sondern für die Haltung der Herren
von links geradezu symptomatisch. Wer erinnert sich nicht jener un-
würdigen Reichstagsszene, in der Herr Wirt h^in den letzten Tagen
scines glorreichen Regimes mit ungeheurer Wichtigkeit von einer
gegen seine Person gerichteten „Verschwörung" fabelte, einer Ver-
schwörung, die sich zwar Lei näherem Zusehen als albernes Eerede
eines Unzurechnungsfähigen entpuppte, die aber trotzdem von dem
tmmals höchsten Reichsbeamten zu der Lerllchtigten Kampf-
parole ausgenützt wurde: der Feind steht rechts! Wenn Hcrr
Severing heute in seinem Vorstotz gegen die Deutsch-Völkischen —
abgesehen übrigens von der verfaffungsrechtlichen Unmöglichkeit
seines „Verbotes" — die Parteikonjunktur auszunützeii bemüht ist, so
tut cr gewitz nichts anderes, als wie seinerzeit Herr Wirth, allerdings
mit dem einzigen llnterschied, dah er noch nicht Reichskanzler ist.
Es mag p a r t e i p o l i t i s ch für die Sozialdemokraten wünschens-
wert sein, wenn „Eenoffe" Severing duxch ein „geplantes" Attentat
zum Märtyrer gestempelt wird. Jm Sinne einer organischen
Reichspolitik liegt das ficher nicht und dem wirklichen Starts-
intereffe ist damit — und das ist das besonders Traurige daran —
von verantwortlicher Seite ein schwerer, kaum wieder gi>1 zn
machender Schlag versetzt worden.

Wir betonen noch einmal: rückhaltslos ffnd alle, aber auch
clle konspiratorischen Machenschaften zu verurteilen. die io oder so
versuchen, mit, nebenbei gesagt, immer recht törichten Mitteln, an
den Grundfesten des bestehenden Staates zu rütteln. Aber wir
müffen uns aus dem gleichen Jnteresse am Staatsgefüge heraus mit
genau derselben Entschiedenheit dagegen verwahren, datz ein Jnnen-
minister seine Amtsgewalt dazu gebraucht, um wsgen der Torheiten
«inzelner Wirrköpfe eine Partei zu vcrbieten. Das hat noch nicht
einmal Bismarck fertig gebracht,' diesen politischen Terror
haben sich vielmehr ausgerechnet diejenigen vorbehalten, die
bis heute noch am lautesten nach Eesinnungsfrei»
heit schreien. Was soll das ganze hysterische Wutgeheul gegen
die „Feinde der Republik", was soll das ganze alberne Eerede um
die Verwerflichkeit der Diktatur, wenn hi'er von verant-
wortlicher Stelle aus diktatorische EeLärden zur Schau getrrgen
werden, wie sie beffer auch einem orientalischen Despoten kaum zu
Eesicht stehen dürften. Wer hat denn hier eigentlich diktatorische Ge-
lüste, wenn nicht Herr Severing? — Abex viclleicht ist das schon
zuvi'el gesaat. Hinter der Eeste braucht noch nicht der Mann, noch
nicht die P e rsön l i ch ke i t zu stehen, die in grohem Stile
immerhin für einen Diktator unerlätzlich ist. llnd Herr Severing
mag ein tüchtiger Parteimann sein, den Beweis dafür, datz er unter
Umständen die Selbständigkeit und Innere Kraft einer wirklichen
Eeschichte bildendcn Herrschernatur verkörpern kann, hat sr bis heute
noch nicht gebracht: und die Aucfichten auf eine künftige historische
Monumcntaliiät scheincn nicht übermätzig zu sein für einsn Mann.
der sich s o sehr zum bloßen Werkzeug eincr Partei herabwürdigt,
wie der dcrzeitige preuhische Jnnenminister.

Aber selbst wenn Herr Sevcring nur ein V o r g e sch o be n e r
ist, der marionettenhaft auf „höhere" Weifungen reagiert, s-lbst wenn
er nicht denpersönlichen Ehrgeiz besitzt. eine unter allen
llinstäirden führende Rolle zu spielen — seMt Lann ist cs durchaus
unangebiacht, die ganze moralische Entrüstung nicht «rnst zu
nehmen, die di« Linke mitsamt dem in solchen ^allen besonders
konvuMvifch zuckenden „Vorwärts" an den Tag legj. Freilich diese
Entrüstung ist mindestens zum grötzten Teile nicht echt, kein unmittel-

bares Ausdrucksvhänomcn, sondern nur ein
durchjsichtiges Mittel, um fllr sich aus der

nicht einmal sebr un-
Situation Kapiral zu
 
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