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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#1057

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66-ZaSrgan- Ar. 17»

Zrettag, den 22. Znnl 1S2Z

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(Gegründet 1858)


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Rr. 18L Berliner Bertretnng: Berlin 8V 43. Ztnnnerstraße S, Fernspr- Zentr. 41S

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Handelsblatt

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Badlsche


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poinrares Aaüvori an Saglasd.

Fraukreich verlangt Deutschlands vällige Unterwerfung
Von unserem -Korrejponüenrcn

London. 21. Juni.

. Dis französische Antwort wird offiziell heute odcr
>.°rgen in London überreicht. Jnzwischen fcheinen aber die amt-
heu Stellen über den Jnhalt der Antwort vollkommen infarmiert
? fein. Die Jnformationen der Zeitungen bckunoen übereinstim-
^Nd, dajz die Antwort im Tone sehr frcundlich, inder
^che ater sehr fest gehalten sei. Nach der „Westminster
Aette" scheint die französische Äntwort folgende Hauptzüge zu
^halten:

Es wird endgültig festgcstellt, dast di« »ou Deutsch-
lend angebotenen Garantieu ungeuügend
stnv und durch produktive Pfänder erjetzt «erden müsssn.

2-Frankreich lehnt alle Berhauslnngen ab, so-
lange der Widerstand Deutjchlands andauert.

Sobald der deutsche Widerstand eingestellt ist, stnd Belgien
«nd Fraulreich bereit, zu ihrem rrrsprüngiichen Plane
einer friedlichen Besetzung zurackzuiehren.

1. Solange Deutschland nicht lapituliert hat,
werden die gegeuwärtigen Matznahmen nicht
nur sortdauern, sondern sogar noch verschärst
wsrden, jo datz sie sür die Bevölkerung uner-
träglich werden müssen.

l, Tus den Mitteilungen des genannten Blattes ergibt jich weit»r-
datz Frankreich als Garantie die Kontrolle der
?»lle. der Eisenbahnen und der Jndustrie vor-
lägt, wobei allerdings nicht ersichtlich ist, ob es sich in dem
Mttzt genannten Falle nur um die staatliche « Betriebe handcln
. ^de, oder ob auch an eine Kontrolle der privaten Zndustrie
E^achs wird. Zweifellos hat es Paris jedoch in erster Linie auf
Eisenbahnen abgesehen, die gegenwärtige Kontrolle der Ruhr-
»okNbahllell soll als Muster fürdie Jnternatioaalisierung
Eijenbahneu des ganzen bejetzten Gebietes
^Nen. Frankreich soll weiterhin bereit sein, die uerhofteten Dent-
zu entlassen, falls diese sich verpflichten, den neuen Stand der
enzuerkennen.

Die .Mcslminster Eazette" will endlich noch erfahren haben, datz
französische Antwort inLondon als eine starke An-
s^hcrung an den englische» Standpunkt betrach-
wcrde lü!) und einen grotzen Fortschritt für die
Äung ver Frage der englisch-französischen Zujammenarbeit bedeute.

'. Lcgen sagen die Jnformationen des „Daily Telegraph", datz die
"Uzösische Antwort alleM Anschein nach noch weit von dem eng-
^ Ser- Standpunkte entfernt sei, besonders auch hinsichtlich der
^nbahnen-

. Dic „Times" sieht sich erst heute veranlatzt, darauf auflnerksam
i blachen, datz sich Deutschland in schneller Entwick-
einem wirtschaftlichen und sozialen Lhaos
^here. Wenn die Entwertung der Mark, die sich durch künstliche
vorübergehende Matznahmen nicht aushalten lage, ^eiter fort-
Mkeite, so werde die Frage bald nicht mehr dahin gehen, oü von
^ utjchland überhaupt noch Reparationen zu erhalten seien
nicht, sondern Deutschland werde ähnlich wie Rutz-
^ Nd, der Wohltätigkeit der ganzen Welt zur Läst

^llen.

H-

Unser PariserS-Korrespo'ndent drahtet des weiteren:
r'6 belgischen Morgenblätter bestätigen jetzt, datz der
.?lgische Botschafter gestern Poincard die Lel-
ZUche Antwort auf den englischen Fragebogen
«j^erreicht hat. Er hatte gestern nachmitiag aus oiejem Anlatz
lange Bejprechung mit Poincare. Aus üen von England
Bclgten übermittelten unmittelbaren Fragebogen, der sich beson-
auf die Aufhebung des passiven Widerstandes bezieht, hat
^lgie« bis jetz noch nicht geantwortet.

r. Die osfiziösen Blätter, soweit ste stch heute mit der Frage
.jMsjen, jchreiben dazu folgendes: Der „Petit Parijien" meint, das
r^Zige, wac Frankreich sojort tun könnte, wenn Ler passive Wider-
tatjächlich aushören würde, (?) sei ejne beträchtliche Vcrmin-
^tling der Stärke der Besatzungstruppen. Die etappenweise Räu-
^Ng des Ruhrgebiets würde je nach den deutschen Zahlungen in
bis drei Abjchnitten erfolgen. Zuletzt würden E > jcn vnd die
^tjgstcn Knotenpunkte des Ruhrgebiets geräumt wcrden. Das
Mo de Paris" wird noch etwas genauer und schrelüt, zuerst würden
sAnn dje am 15- März i«s Ruhrgebiet gesandten 15 bOO Mamr Ver-
kj'klingen nach Frantreich zurüaberufen werden. Was die Amne-
»^une dcr' von der französisch-belgischen Vesatzungsbehörde ver-
s/leilten Personen anbelangt, so heitzt es weiter, behält stch dic
»Söstsche Regierung in diejer Hinstcht völlige Handlungssreiheit
(!!!) Von einer Begnadigung von Leuten wie
t.*Upp usw. sei überhaupt keine Rede, (!) höchstens von
^Eiienbahnern. die stch verpflichten. die Arbeit wieder aufzu-

^ützenden
^jchall Foch.

^esprechuug Dr. Sthamers mit der Labour Party.

Paris, 21. Juni. (Eig. Drahtm ) Der Londoner Korrespondent
„Echo de Paris" meldet, Latz dsr deutsche Votschafter Dr.
V.^h amer seine Ferien bei der Gräfin Varwick in Eagton
8e verlebt, wo er wichtige Bespre ch u n gen mit sührenüen
"Lliedern derLabour Party hatte. Ma» spricht davon. datz

diese sich demnächst in das Ruhrgebiet begeben sollen, um dort
Untersuchungen anzustellen und hierüber Vericht zu erstatten.

poincares VerfKleppungStakkik.

Frankreich wartet aus den Zusammeubruch des Widerftäude«.

Von unserem 8-Korrespondenten.

Paris, 21. Juni.

Man sucht in der Pariser Presse oergebltch nach Mitteilung der
Punkte, di« Belgienvon Frankreich in der Frage der Ein-
stellung öes passiven Widerstandes im Ruhrgebiet jchelden. Aber
gerüchtweise vertautet, datz man inBrüsjel jich immer mehr
bemühe, Len englijchcn Wünschen entgegenzukom-
men und der sruchtlosen militärijchen Besetzung
des Ruhrgebiets ein Ende zu machen, während Frank -
reich daraus beharrt, datz dies« fortgesetzt werde. Litan hat megen
des schleppenden Ganges Lei VerhanLlungen üvn Einsruck, datz Poin-
car« immer noch darauf wartet, datz vielleicht der
Widerstand des deutschen Volkes zujammsnbrechen
könnte und datz es ihm erjpart blieb«, mit dem englischen Ka-
binett bestimmte Abmachungen zu treffen, io datz er trium-
phierend verkünden tönnte, Frankreich habe gesiegt und könne
ohn« Rücksicht auf die Anschauungen Engtands das Nuhrgebiet ver-
walten und ausbeuten, wie es ihm beliebe. Sein Ziel ist ossenbar
daraus gerichtet, Zeit zu gewinnen, und daher rührt sein Ent-
schlutz, mit Brüssel und London nur inundliche Erörterungen zu
pslegen, die Iangwierrg und umständlich sind, weil Poincarö
jeinen Botschaftern immer erst Jnstruktionen jchicken mutz, die diese
werterzuleiten haben, worauf dann das Lelgische und das englische
Kabinett eine Antwort senden, die dann in Paris weitläusig
studiert wird.

Pertinax schreibt iur „Echo de Paris": Aus oen demnachstigen
Besprechungen zwischen dem Grafen St. Aulaire und Lord Eur-
zon werde man erlennen können, wie weit London und Paris
in ihren Anschauungen von einander getrennt seien. Am klügsten
wäre es, wenn man in diesekn Augenblick alle Ausklärungen vermeiden
würde. Wenn aber die Engländer darauf dringen würdsn, dah
die Erörterungen beschleunigt werden, so würsen sie die Vcr-
antwortungfürdenBrilchder . oorills.1 s"

tragen.

Nie llrsache der belgischen Krise.

Belgie» wünscht i» d-r Frage L« Ruhrbesetzung klar z» sehen.

Non unserem 8--Korrespondenten.

Paris, 21. Juni.

Es ist immcrhin Lezeichnend. dah heute, also genau eine Woche
nach dem belgischen Ministersturz, so rechtsstehende Zeitungen, wie
z. B. der „Figaro", zum ersten Male mit der Möglichkeit rechnen,
datz es Theunis vielleicht doch nicht gclingen werde. ein Mim-
sterium zusammenzubringen. Nachdem die Morgenblätter daraus
aufmerksam gemacht hatten, datz der allgemeine Eindruck in Belgien
der sei, datz Theunis nur noch recht wenigAussicht aus ein
Eelingen seiner Aufgabe habe, kann allerdings niemand
voraussagen, auf welche Weije die augenblickliche Krise stch lösen
lassen könnte- Uebrigens hatte der französtsche Botschafter in
Brüssel in den letzten Tagen seine Regierung wiederholt aus
dieje Entwicklung der Dinge aufmerksam gemacht und betont, üatz
die Frage der Flamisierung der llniversität Gent für die bel-
gische Regierungskrije von weit untergeorüneter Bedeutung sei, als
vielmehr der Wunsch weitschauenderbelgischer Poli-
tiker und W i rt s ch a s t l e r, endlich einmal klar zn
sehen, welche Ziele mit der Ruhrbesetzung ver-
folgt würden, und welchestatsächliche Ergebnis
davon auch zu erwarten sei.

Die Nachrichten über den Verlauf derMinisterkrisis
lauten heute morgen widerspruchsvoll. Die meisten Brüsse-
ler Korrespoudenten der Pariser Zeitungen bshaupten, datz Theu -
nis bas Kabinett nicht zustandebringen werde und datz entweder
der Vizegouverneur der Socists gsndrale, Francqui, oder der Direk-
tor der Ueberseebank, Lattier, mit der Kabinettsbildung beauf-
tragt werden wllrde. Letzterem sagt man nach, datz er für ein enges
Zusammengehen mit England sei und datz er infolgedessen die Ruhr-
und Reparationspolitik Belgiens ändern würde. — Ler Brüsseler
Korrespondent des „Echo de Paris" hält es möglicherweise nicht für
ausgejchlossen. datz Theunis zwar nicht Ministerpräsident würde,
aber doch das Fjnanzministerium beibehalte. Dagegen glaubt der
Brüsseler Vertreter des „Oeuvre", datz Theunis das Kabinett bilden
werde. Die Katholiken wollten von einem Ministerium Carton
de Wiart nichts wissen und da man ihnen in der Frage der Dienst-
zeit cntgegenkommen wolle, die auf zwölf Monate herabgesetzt werden
dürfte, so könnten ste mit Theunis zusammenarüeiten. Die Ent-
scheidung der Liberalen steht allerdings noch aus. Jnsbesondere
mützte noch das Kompromitz zwischen Liberalen und Katho -
liken in der Frage der Universität von Gent beschlossen werden.

Veränderungen im englWen Kabinett.

Mac Kenna wird vorausstchtlich im Juli SchLtzkauzler.

Von unserem ü-Korrespondenten.

Paris, 21. Juni.

Nach Londoner Meldungen dürste Mac Kenna bereits im
Juli in das Schatzamt einziehen. Einzelne Veränderungen im
englischcn Kabinett stehen, dem „Daily Ehronicle" zufolge, in Aus-
stcht. Der Kolonialminister Herzog von Devonshire soll König
von Jndien werden und Auston Chamberlain an dessen Stelle
Kolonialminister; der Lordkanzler Lord Lave soll aus
EesunLheitsriicksichten seine Demission geben, an seiner Stelle soll
Lord Summer ernannt werden. Der Haupteinpeitscher der Kon-
jervativen. Oberst Wilson, werde zum Gouverneur oon Dun -
dee ernannt und im Unterhause durch den Oberst Georges
E ibbs ers«tzt weroeu,

Kordemngen -er DeuGen Volkspattei

Bet dcr dritten Beratunz deö vrenßischen Haushalts machtc
der volksvarteiliche Abgeordnetc SchivarzHanvt Ausfüb-
rungen, öie stch u. a. mit den Aufgaben öes neucn Staates
beschästigteu. Er wies sunächst die Vorwürfc surück, die Ler
dcmokratische Ncdner wegen der Angrtfse der Dcutfchen VolkS-
vartei gegen tviinister Severing erhoben hatte, setzte stch öann
kurs mit öem dcntsch-nationalen Redner anseinander nnb vräzi.
sterte die Stellung der Dentsche» Volksvartet zu öen Matz-
nabmen des Jnnenministers. Dann suhr cr fort:

Unser Volk leidet nicht nur unter wirtichaftlichen und autzen-
politischen Nöten. Auch die geistige Not unseres Volkes ist un -
geheuer grotz. Viels Tauscnde von Volksgenossen können keine
richtige Stellung zum Staate finden, eine Stellung, die früher so
natürlich, so ganz von selbft gegeben war. Sie suchen und tasten
nach neuen staatlichen Formen und verlieren dadurch den Blick für
das jetzt Notwendige. Aber gerade in disser Zeit einer gewisse«
geistigen Verwirrung, in dieser Zeit einer ungeheueren wirtschaft-
tichen Not, durch die gerade dte kulturell wertvollstrn Schichten
unseres Volkes so ungeheuerlich belastet und bedrückt werden, in
einer Zeit, in der unser Vaterland nnter täglichen neuen Demüti-
gungen schmachtet, in der ein batzersülltes Volk auf unsere Vernich-
tung hinarbeitet, gerade in dieser Zeit halten wir es für nötig, datz
vor allen Dingen zwei Aufgaben vom Staate ersüllt werden, wenn
wir überhaupt wieder zur Ordnung, Stärke und Ansehen kommen
wollen. Diese beiden Aufgaben sehen wir erstens in der Anerken-
nung des Arbeiterstandes als eines gleichberech-
tigten und mitverantwortlichen Trägers dee
Staates, und zweitens darin, datz wir dic Vrücke schlagen
müjsen vom alten zum neuen Staat.

Die Einordnung der Arbeiterschaft bedeutet natürlich eine ge-
wisse llmschichtung, sie bringt eine gewisse Umwälzung mit sich,
und solche Umwälzungen gehen nicht ohne Kamps ab. Das war
vor mehr als 100 Jahren, als sich das Bürgertum seine Stellung
erobern mutzte, auch so. Diese Kämpfe müssen aber rein politische
und rein geistige Kämpfe bleiben. Sie dürfen nicht zu Auj-
stand und Vürgerkrieg werden. Zeder, oü rechts oder
links, sollte sich in dieser Zeit voll drohender Gefahren hüten, eine
Atmosphäre zu schasien, die zu Explosionsn führen kann. Eine der-
artige Explosion — so will ich es einmal nennen — würde nicht
nur den Sturz einer Regiernng mit sich üringen, sondern auch den
Zusammenbruch des Deutschon Reichss und den llntergang des deut-
jchen Volkstums bedeuten. Gerade meine politischen Freunde be-
trachten es als ihre dringendste Aufgabe, nach lints und nach rechts
die Hände zu reichen, zusammenzusassen und zusammenzuhalten. Wenn
wir, die wir die Verbindung auch nach rechts aufrechterhrlten wolleri,
von dieser rechten Seite trotzdem immer wieder ob unseres Verhal-
tens angegrifsen werden, so kann uns das an der Erfüllung dieser
als recht erkannten Pflicht nicht hindern, so lange uns die
Erfüllung dieser Aufgabe noch irgendwi« mög-
lich erscheint.

Nun die zweite Aufgabe, die darin üesteyt, in der jetzigen Zeik
die Brücke vom alten Staat zum neuen zu schlagen.
Meine politischen Freunde haben stets treu zum alten Staat ge-
standen und halten ihn heute noch hoch und möchten nur, datz der
heutige Staat machtvoll und stark werde, wie es der alte aus der
Höhe seines Bestehens war. Ader es wäre doch ungerecht, wenn man
dem neuen Staat den alten in der Weise gegenüberstellen v.ollte,
datz man sagt: der alte Staat war stark und mächtig und an-
gejehen, der neue aber ist ohnmächtig und schwachs er ist ein Spicl«
dall in der Hand seiner Gegner. Es ist auch töricht, ledig-
lich die Staateform für die Schwäche diese»
Staates verantwortlich zu machen. Es ist töricht, zu
sagen: die Monarchie bedeutet Stärke, die Republik bedsutet
Schwäche. Das ist salsch und ungerecht. Aber es ist auch ungerecht,
diejenigen, die diesem neuen Staat noch kühl ünd ablehnend gcgen-
überstehen, einfach als Feinde jeder staatlichen Ordnung, als verächt-
liche Landsknechtsnaturen, als Abenteurer oder gar als Schädlinge
und Verbrecher zu beschimpfen. Es ist unerhört, wenn in der „Welt
am Montag" steht:

Der Lebenslauf Schlageters ist geradezu ein Musterbeispiel
der Entwicklung, die unsere modernen Landsknechte und poli-
tischen Mörder nr der Regel genommen haben.

Dafür gibt es kein Wort mehr. Ich bedauere, datz in der Frank«
furter „Volksstimme" ein Wort steht wie dieses:

„Es gibt für uns keinen Helden Schlageter, dessen einziges
Verdienst ein Vergehen war, das auch nach deutschcm Recht mit
Zuchthaus bestraft werden mützte, nnd das der Bevölkerung der
besetzten Gebiete nur schwere Schüdigungen bringt. Nach Schlageter
Stratzen benennen, ihm Denkmäler errichten, heitzt, Lem Natio-
nalismus Denksteine bauen, wobei es sür ihn allerdings typisch
ist, datz er zu jeinen Schutzheiligen nur Schädlinge und Lerbrecher
macht."

So sind diese Dinge nicht abzutun So leicht sind auch die rcchts-
stehenden, bis in die äutzerste Rechte hinein organisierten Leute nicht
abzutun. Wir sind der Meinung, datz unrer d-iesen sogcnannten
Rechtsradikalen eine ganze Menge von Elementcn ist, die heuie
noch nicht den Weg zu einem geordneten, ruhigen und in sich aus-
geglichenen bürgerlichen Leben haben zurückfinden lönnen. Das er-
kennen wir durchaus an. Aber man mutz doch daran denken — man
mag es eventl. bedauern —, datz diesen Anschauungen ein erheblicher
Teil der deutichen Jugend zuneigt, die ersüllt ist mit glühender
Vaterlandslieb«. Das sind Leute, die die Schmach des Vaterlandes
als ihre eigene fühlen und empfinden, denen es gar nicht in erster
Linie um Monarchie oder Republik zu tun ist, sondern die nur eins
srsehnen: Wieder ein Vaterland zu haben, grotz und
mächtig, ein Deutschland hoch in Ehren. Diese wert-
volle nationale Iugend sür den neuen Staat zu gewinnen, halte ich
allerdings für eine sehr wichtige Aufgabe. Datz diese Jugend heute
noch nicht gewonnen ist, hat, wenn ich recht verstrnden habe, auch
Herr Dr. Schreiber angedeutet, und Herr Kollege Haenisch
hat in verschiedenen Artikeln und Broschüren zugegeben, datz es dem
neuen Staat noch nicht gelungen ist, das geistige Deutschland, vor
allem auch die akademische Jugend für sich zu gewinnen. Da schei«
es uns eine recht wesentliche Aufgabe des neuen Staates zu sein,
darüber nachzudenken: wie gewinnen wir dicse Iugend. die später
einmal die geistigen Führer unseres Volkes stellen soll?

Jch glaube, datz der neue Staat dazu bertragen
könnte, wenn er vicl mehr als bisher jich alg den
Hort des nationalen Gedankens zerge» wurde. Dn
 
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