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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 31 - 58 (1. Februar 1923 - 28. Februar 1923)
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Mgang - «r. 40

I dost' erlcheint wöchentlich iieb.nm-l. Dei -gen: LidaSkalia

^-^^anate «»il^^rhaltnngßblatt lFreitagsl — Litcratnrbiatt lmonatiich).
- -oeltrnne ohnc Derantworlung. Rückienduns nur, wenn Porto bet.iegt.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

nnd

Handelsblatt

Samslag, 10. Aebruar 1S2Z

HanvtaeichL't-itell« u. Schriitl. ber.Badischen P-st'Seldelders. s-uvtst^ss F"ms»L.

Nr. 182. lDerlaarort-Nranlfurt a.M.1 Berliner Vertre ung. Berlin

stratzeF°rn,»r.Zentr.415,MilnchnerM-rtr. Manchen.S°°rg«nstr.1,>7.Fern,vr.8U!87

I

.Kl^'2.^?r^"l>SvrciS der.Bad. Post' MI. 1W0 - (ausichl-SustellgcLühr,. Sclbstabhol, Mk.18Sa.-. Slusland Mk.4000.-
i!i>; zum2. ted.Mir angenommin. Am l ».s.noch gelief.Zeitunaen sind nach d. Cinzelverlaufspreis znbe-
^ > v-Ei»-.,...-m>, 7^.^, JstdleZeitung amCrscheinen verhindert.b-steht keinAnspruch aus Entichädigung.

«nz-igenvreise- die 44 mm brett« N-npareillez-ile kostet-l-kale Stellengesuche Mk.S».- kl. G-leg-nheit-anz-igen^ «0--.
Familienanzeigen Mk 4».—, Seschäftsanzeigen Mk. 8».-,Finanz- und JndustrieanzeigenMk. 10». , mit dlabv"'ziAditt und
MontagsMk.5.-mehr- Die S8mm breite Reklamezeile kostet Ml. 16».—, Anzeigen und Reklamen von auswarts «c> /» HSHer^

Der mißMte Kohlenrallb.


^ ^ Trocquer reist nach Brüffel, begleitet von den
^erin^..Nord- und Staatsbahn und einem Direktor aus dem
^il, "'aus,1"* öffentliche Arbeiten. Die Auswahl der Begleiter
' ichlietzen. datz man Matznahmen erörtern wird, um des
l»r- Herr zu werden. Am Sonntag foll dann der Lel-

ih ^ Su !^ister Iaspar nach Paris kommen, um mit Poin-
X», chrer ^ , ^ren. Die Belgier scheinen nicht geneigt zu sein, sich
^zilgxv^mtzungszone den Befehlen der französischen Behörde«
°"> Und nich
"»nL'issel«

Belgisch-französische Uneinigkeit.
unserem ll-Korrespondenten.

Paris, 9. Februar.

nicht nur das.


-

Regierung ist mit dem gesamten System ihres
> Bundesgenoffen — das gibt man am Ouai

besgj. ^ uun schou ganz osse» zu — »icht einverstanden.

!iir >^erö „^egierung hat mit ihrer Anffcht in Paris nicht hinter
"»!>°'cha,,- dag sie die französtschen Methoden an der Ruhr
V .zvmI "uwirksam halte. Deshalb die neuen Verhand-
"'it Jaspar und Poincars. Jn Paris glaubt man immer
jm Ruhrgebiet Lefindlichen und weiteren 4500
d° ^>»Nd°« .)>n abgehenden Eisenbahnern im Rnhrgebiet einen
Äugvertehr zustande zu Lringen. Vor dem Einbruch

»g^tignA^iet betrug Las monatlichs Lieferungssoll an deutscher
*!ih. 'uhle für die Entente insgesamt 1,6 Millionen Tonnen,

K.. " '

-- leden Arbeilstag 64 506 Tonnen. Zieht man davon

Kk t lo als italienische Kohle ab, die nach wie vor geliesert
Franzosen und Belgier, um Las Lieferungssoll

s Dezember zu erreichen, täglich nicht wemger als
-ühhÜ!' Äsk,-?'e ausfahren und wegtrausxortieren. Nach Lem bls-
»z ,,'E'lungsschlüffel entsallen davon rund 40 000 To. auf den
Ä l>sk ^ 'und 20 000 To. auf den Wafferweg. Für die Beför-
eU?? Ichw->» 000 To. Kohle auf der Eisenbahn stnd nicht weniger
»i^'l ^ r ausgelastete Eüterzü^e natwendig, d. h. a l l e 28 M i -

a.in langsr Zug mit Reparationskohle Lber die franzö
" n. damit allein das Dezembersoll er-
Umfange müffen aber auch aus der

--ch' "o bpsTrt inngsr ^ug mir
Grenze rollen.

)>s ^'chtli^-^u dem gleichen Uri

'^8 t)7l» 7 c» v n 2.io»s ,


ez^"ch di-k^?r Verkehr jedöch wesentlich gesteigert werden, und
^ucklaui der leeren Wagen rechtzeitig erfolgen, so ist

Ä

- Äk >Uiw't"b vringen wurven. Mr einen ioicyen Aeirieo ,,r eine
"ris^ lap^ gesamten Personals nicht nur in Monaten, sondern

>«I-.^r ^ " u g e r Iahre unbedingt notwrndig. Das scheint in
r»!!.,: Ti°t7"?listenhirnen auch allmählich zu dämmcrn. Statt der
'"5 ?reudc gewinnt trübe Melancholie in den Kriegs-
^lii- So s? dem Düffeldorfer Hauptauartier immer mehr die Ober-
chg, E?U" !uutz soZar Ler Sonderberichterstatter des osfiziösen „Pstit
unfangs ganz begeistert für die Ruhraktion eintrat,
ieh^UkevgAdung brinaen, datz in Weddau etwa 4000 To. Kohlen
<rlge„"racht wurden und stellt fest, datz bisher in ganzen vier-
^ unü schreibe 4000 To. gefördert wurden.

ulso Frankreich uach dem Friedensvertrag üüer eiue
7-u- monatlich bekomme» wiirde, stehe» jetzt die frau-
i,A ^Üscheu Fabriken vor dem Zusammenüruch,

!»„. aekt voi-Ini-on i-üi-pidi der idvanzvie nik

Der Bentezug nach Herne.
Eigene Drahtmeldung

schweben, wird aber vorausstchtlich erreicht werden, datz die Bahnhöfe
Hengstev und Vorhalle, die bisyer für jeden Verkehr durch
die Franzosen gesperrt waren, wieder freigegeben werden. An
diesen Stellen sollen Kontrollstationen errichtet werden. Mit der
Desetzung der Bahnhcsc, Wanne, Unser Fritz, Block Baukan uns
Block Julia, ferner der Dahnhöfe Herne und Eelsenkirchen haben die

^kii»^ "nverseHrt und dennoch sei es unmöglich, auch
"m Tage abgehen zu läffen. Nicht minder kläglich
wi°>!° Srotzen Bsmühungen, die stillgelegte Nhein-
my'» gebaü?^ )" Detrieb zu setzen. Sie haben nur darin einen
eiiw./t ?utz schwere Beschädigungen an den Ma-
tzdijMe, do» °!°u stnd. Das sranzösische Marineversonal ist nicht
>'»e^u tz.us deutsche Mafchinen- und Keffelpcrsonal zu ersetzen.
'»y 5»»ik «Ä'U und Mainz sind alle Verfuche, die auf diesrr Strecke
Megfr tzekäs'^ E"ng zu setzen, mitzlungen. In Mainz sind
ö'kt. vor^Zuugsbehörde eine Reihe von Echleppzügcn zusawmen-
clh ^U y. °"> die aber n-cht fahren können, da keine Maschi-
,st »,'uiikn,!?.? nden find. Die Wohnungen der Mainzer Rbein-
i-'üt ^dank,"-U)>uisten stnd ständig scharf militärisch bewacht. Doch
Masckinisten und Heizer hatte rechtzeitia dasiir ge-
ErhejU/ '"'ne Mitglieder im unbesetzten Geüiete in
' gebracht wurden.

Die Lage!m Kampfgediet.

y"hiy ^ Akti wyen. n. jzevruar.

>">lf° "> errn°^t n'? die Franzosen von Recklinghausen aus untcr-
n'!>lü>?'s zv'>' >'ch als ein r e i n e r B e u t e z u g. Sie haben im
r?' llnr' die «.""»rsiag auf den Bahnhöfen Herne und Waune
dein ?öüge wegzubringen. Das jst ihnen aber bisher
KlinMvten ."duhof Herne gelungen, wo sie 150 beladene Wagen
in"»n° "cht "uch Recklinghausen führten. Die mililärische

n"'' n Hern- . ".ereits Donnerstag wieder ab. Die Stationen
Ab ll°T Dan°„ ""d Eelsenkirchsn sind wieder freigegeben
n »e n 8roi,°n "w" Es den Franzosen nach vier Wochen gelungen,
" ch y ^ ^"Werbahnhaf Weddau die ersten Kohlen-
"> Westen abzulaffen. Diese Züge sind boriits
>"rch ^'ch hab°nE'"st"iroffen, von wo aus ste direkten Anschlutz nach
L'il ^'rsxrg^ "- D» den letzten Tagen bemühen fich die Franzssen,
^eit^r Löyne A r b e i t s k r ä f t e zu finden. Ein

ir Di. Lfte in : "M. gewordenen Obeischlesten angeworüenen
stam' VerxLi >m Nuhrgebiet angekommen.

5." inach°» ^ "n Nuhrrevier scheint sich leicht zu Leffern. Die
^"Ili/-?'eren zwar weitere Schwierigkeiten im Eiiterverkehr.

Sie """d ier Emlauf und Auslauf der Wagen kon-
"hren. )"">»! Wagen aus dem besetzten Eebiet, als

urch die Verhandlungen, die gegenwärtig noch

der Handelskammer ist beim französtschen Kommandanten des Effener
Telegraphenamts wegen Aufhebung der Telegraphen- und
Telephonsperre vorstellig geworben. Der sranzöstsche Kom-
rnandant lehnte die Forderung ab und yerlangte Wiederherstellung
des Zustandes vor dem 20. Januar (Zusammenarbeit mit dsn Fran-
zosen). Er wurde vor allem auf die Gefahren aufmerksam gemacht,
die die Telephonsperre für das Kranrenrettungswesen
mit sich bringe. Obwohl er dies einsah, glanbte er, den Forderun-
gen keine Folge leisten zu können.

Sie Aeuiralen zm Ruhrbefetzimg.

Dir Haltung der Schweiz. — HollSudisch« und schwedische Proteste.

Ver«, S. Februar.

Jm schweizerischen Nationalrat hat der Sozialist
Erimm folgende Jnterpellation eingebracht: Der Bundesrat wird
aufgefordert, mitzuteilen, wie er die aus der sich stets verschär-
fenden Wirtschaftslage Europas für die Schweiz ent-
stchenden Folgen zu bekämpfen gedenkt. Der Bundesrat wird ins-
besondere ersucht, die Eriinde dekanntzugeben, die ihn veranlatzt
haben, trotz Ler die europäische Wirtschaft und den Weltfrieden in
unheilvoller Weise bedrohenoen Ruhrbesetzung auf die An-
rufung der Bestimmungen des Völkerbundspakts und der von der
Lritten Völkerbundsversammlung gefatzten Beschlüffe und damit auch
aus die Erfüllung des aus Anlatz der Völkerüundsversaminlung im
Jahre 1920 dem Schweizcr Volke gegebencn Versprechens zu verzich-
ten. — Bundesrat Motta, Vorlitzender des Politischen Dcparie-
mcnts, führte in Beantwortung der Intervellatwn aus: Der Bun-
dc-srat hat von sich aus und ohne erst eine Anregung abzuwarten,
die Frage der Jntervention geprüft. Die Resolution der
Völkerbundsversanimlung, auf die der Jnterpellant Bezug nimmt,
hat ausdräcklich zur Voraussetzung, datz. die Jnterpellation aus
Wunsch der direkt Beteiligten stattfinden soll. Im vorliegenden Fall
trifft dies nicht zu. Unter diesen llmständen laa für die Schweiz
keine Veranlassung zu einem Vorgehen vor, um so weniger, als sie
von anderer Seite nicht auf Unterftützung habe rechncn können. Man
wützte autzerdem, datz Branting einen ähnlichen Eedanken auf-
gegeben hatte. Jnnerhalb der Schweiz wären die Meinungen über
die Opvortunität eines solchen Schrittes geteilt.

Wre aus Amsterdam gemeldet wird, wurden in 26 Städten
Hollands Protestversammlungen gegen die Besetzung
dcs Ruhrgebiets abgehalten, die von der sozialdemolratischen
Arbeiterpartei und dem Niederländischen Eewerkschaftsbund einbe-
rufen waren. An der Versammlung in Amsterdam waren 3000 Per-
sonen beteiligt. U. a. sprachen der Fiihrer der holländischen Sozial-
demokratie Troelstra, der hervorhob, datz Holland in dem Streit
zwischen Deutschland und den anderen Ländern nicht Partei
nehme, aber auf dem Siandpunkt stehe, datz derartige Fragen nicht
mit Eewalt, iondern durch internationale Vereinbarung gelöst
werden mützten. Auch Ler belgische Sozialdemolrat Eckelaers
wandte sich gegcn die Ruhrpolitik der französtschen und belgischen
Negicrung und erllärte, die belgischen Sozialdemokraten wünschten
eine Lösung durch den Völkerbund. Breitscheid (Deutschland)
danlte naniens der Ruhrbevölkerung für die finanzielle Unterstützung
durch die holländischen Arbeiter. Zum Schluh wurde eine Ent-
schlietzung angenommen, in der der Wunsch ausgedrückt wird, die
niederiändische Regierunq möge als Mitglied des Völkerbundes keine
Eclegenheit zur Hrrbeisührung einer internationalen Vermittlung
zur Beendigung des Nuhrlonsliktes vorübergehen laffen. Die Ver-
sammlung schlietzt sich Len Arbeitern von Frankreich und Velgien
in der Verwerfung der Politik Ler Eewalt an.

Nach Meldungen aus Stockholm fand in Boras eine Pro-
tcstversammiung gegen die Besetzung an der Ruhr statt, die folgende
Enischlietzung angenommen hat: 500 Mitglieder von Doras pro-
tcstieren gegen die unglückliche sranzösische Politik, die den euro-
paischen Erdteil in einen neuen Krieg zu stürzen droht. — Erfolg-
vcrsprechende Vorbereitungen sür umfassende Protestver-
sammlungen sind von zahlreichen humanitären Vereinen Stock-
holms in Angriff genommen.

Wer'iere ZuröSHMng in England.

London, 9. Febrnar. (Eia. Drahtm.) Der deutsche Boischafter
in London hat dem Forcign Öffice den Protest der Reichsrsgierung
gegeii die Vesetzung von Offenburg und Ävpenwsi-er überreicht. Das
englische Kabin--tt hält angestchts der gcsxannten politischen Lage
fetzt täglich Sitzungcn ab. Die Mehrhsit der Negicrung Vonar
i Law steht auf dem Siandpunkt, datz d 'r bevorstel>ende Zusam-
mentritt des Parlaments abgewartet werden müffe, be-
vor bestimmte Deschliiffe über die Ruhraktion gefatzt werden. Es
hand-elt stch besonders um die Frage der Zurllckziehung der
englifchen Truppen aus deni Rheinland. In Londoner poli-
tifchcn Kreiscn erwartct man mit Bestimmtheit, datz von allen Par-
teien die Zurückziehung der englischen Truppen gefordert werden
wivd.

Sine ernste Mahnung!

Darmstadt, 9. Febr. (Priv.-Tel.) Zur Besehung des Ruhr-
gebietes nahmen in einer stark Lefuchten Verfammlung cie Eisen-
bahner Darmstadts r.ach leLhafter Ausfprache einftimmig eine
Entfchlietzung an, Lurch die mit aller Euergie gegen den widerrecht-
lichen Elnbruch der Franzosen in weiteres deutsches Eebiet Pro-
test erhoLen und gegenüLer der hierdurch ver.rsachten enormen
Pre'ssteigerung aller zum Leben noiwendigen Artikel unverzüg-
lich eine Preisfenkung verlangt wird. Die EisenLahner
sind Lcreit, in jedcr Beziehung Lie grötzten Opfer für das Recht und
di« Ehre unseres deuischen Vaterlandes zu bringen, verlangen aLer
diegleichenOpserauch von den übrigenVolks-
schichten, insbesondere von der Eeschäftswelt und der
Landwirtschaft. Dem Wucher miisse mit allen verfiigLaren
Mitteln entgegengcarbeitet werden. Es wurde weiter auch gegen
die Verhaftung und Ausweijung von EisenLahnern Protest erhoben

Ruhreilibruch und britische Zudustrie.

Verschiedene britische Minister und besonders Zeitungen, die der
Regierung nahe stehen, haben dem englischen Publikum vorgeredet,
es sei unbedingt notwendig, den Franzosen an der Ruhr ftere h-au»
zu laffen, Lamit auch ihr Plan ausprobiert werde, etwas au»
Deutschland herauszupreffen, denn wenn man das verhindert hätte,
dann würd« das französische Volk geglaubt haben, es sei nur deshalb
um fe:n Eeld gekommen, weil man Poincars nicht gewähren lietz,
und dann würde es mit der Entente «in für allemal zu End« ge.
wesen sein. Ueberdies schade deiVersuchGrotzbritannie« >
nicht, im Eegenteil, die Vergwerke und die Schiffahrt würden -
schwsr verdienen, und viele andere Jndustrien würden die deut-sche ^
Konkurrenz vorläufig los werden. — Gegen diese Behauptung wehren
stch jedoch die leitenden Persönlichkeiten der britijchen Jndustrie und
des Ausfuhrhandels mit wachsender Entschiedenheit und Deutlichkeit.
Die Zeitungen veröffentlichen unzählige Zuschriften, Erklärungen und
Unterredungen, die fast alle das Eegenteil von dem behaupten,
roas die Regierung sagte. Es wird naturlich zugegeben, datz die !
vielen Aufträg« für Kohlen, die von dem Kontinent kommen, für di«
EruLenbesitzer, die Bergleute und die Reeder eine gute Sache sind,
aber es wird ebenso entschieden in Abrede gestellt, datz andere
Jndustrien Vorteile dabei haben. Die grötzere Nachfrage nach Kohlen
hat sofcrt die Preise in die Höhe getrieben, sowohl fiir den Privat-
verbrauch wie für die Zndustrien. Die Preise sür Eisen und Stahl
folgten Len Kohlenpreisen, und dadurch wurden fast alle Jndustrien,
die oelanntlich meist einen schweren Kampf um das Dasein führen. .
mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen. Es wird erklärt, datz
Deutkchland jetzt nicht nur Kohlen in England gekauft habe, sondern
auch Roheisen. Autzerdem habe der Ankauf von schwedischen und i
-spanischen Eisenerzen auch seine Auswirkung aus die britische
Andustrie gehabt. Es unterliege keinem Zweifel, datz der britische
Eisen- und Stahlhandel und alles, was von diesen
Jndustrien abhänge, zu l«iden haben werde. Jn der Eisen- uns
Stahl'ndustrie ist man absolut davon LLerzeugt, datz, wenn der
gegenwärtige Zustand äuch nur eine kurze Zeit anhält, es nrit dem
Wiederaafblühen, von dem Vonar Law wiederholt ge-
sprochcn hat, und das auch tatsächlich zu kommen schien, vorbei
sekn miiffe. Datz im letzten Herbst eine Besserung eingetreten war,
kanil nicht geleugnet werden. Jm vorigen Jahr waren von de»
338 Hochöfen, die 1912 in Betrieb waren, all« bis auf 77 aus-
geblasen. Jm vorigen November waren wieder 162 im Eanzr,
und faft täglich wurde gemeldet, Latz ein weiterer angeblasen wurde.
Das har nun aber aufgehört, und es wird erklärt, datz nur diejeuigen
Werle, die grotze Vorräte an Kohlen und Rohmaterialien haben,
noch einige Zeit Eisen zu einem konkurrenzfähigen Preis anfertigen
könne.r Aufträge in der Maschinenbauindustrie kommen nicht mehr
ein, und die Reeder sowi« andere rnachen sich die grötzten Sorgen.

Es ist wohl noch zu früh, um genauer die Wirlungen deg Ruhr-
abenieuers aus die britische Industrie zu kennzeichnen, aber es lann
wohl chne weiteres als richtig zugegeben werden, wenn Lie englischen
Jndustriellen sagen. datz einWiederaufblühennnrmöglich
war, solange eine ruhige, stetige und sichere
Atmosphäre vorhanden war, und datz die gegenwärtige nervös«
Spannung, dieses panikartige Kaufen und Verkaufen, wie es dem
Einbruch an der Ruhr folgte, an und für sich schon die schlimmsten
Folgen haSen mutzte. Das Vertrauen, das langsam zurück-
zukehren Legann, ist wieder vertrieben worden. Man befindet stch
von neuem in derselben Atmosphäre, unter der man drei schwer«
Iahre lang gelitten hat.

Diese Entwicklung muß naiürlich auch ihrc störende Wirkunz
auf deu Autzenhandel ausLLen, der seit langer Zeit erklärt hat,
datz, wcnn die Lage in Europa so unsicher blieL« und die Schwan-
kungen der Valuten nicht aufhörten, er sich anderweitig einen Ersatz
für d»e kontinentalen Märkte suchen mützte. Die letzten Wochen haben
in dicser Richtung scharf gewirkt, und Lekanntlich ist es auch Bonar
Lawc Traum, Grotzbritannien auf den europäischen Märlten mäg-
lichst zu d e s i n t e ress i e re n und das britische Weltreich immer
mehr zu einem von der Autzenwelt fast gänz unabhängigen Eanzen
zu gestalten. Aber das lätzt sich nicht so leicht ausführen, wie man
wohl gern möchte. Jn Ausfuhrhandelskreisen Leginnt man den Ee-
danlcn als einen unausführbaren politischen Traum an-
zusehcn, der für die Zndustrie und den Handel jedensalls keine Vor-
teile bringen würde. Man weitz auch zu genau, datz die gerinzste
Erhöhung der Preise den britischen Handel in der ganzen Welt einer
amer'kanischen Konkurrenz gegenüLerstellt, vor der er die Fahne
streichm mutz. Der Einbruch in das RuhrLecken hat nicht. wie viele
dachien, die britische Jndustrie von einer billigen deutschen Kon-
lurrenz befreit, sondern er hat die P r e i se in die H öh e getrieben
und macht Erotzbritannien noch minder konkurrenzfähig
anderen Ländern gegenüber, als es bisher war, insbesondere den
Vereinigten Staaten und Japan gegenüber.

Das grotze Publikum merkt davon vorläufig wenig und lätzt sich
noch willig von den Lekannten Redensartrn der Northcliffepreffe
und der lonservativen Hetzorgane täuschen, die täglich wiederholen,
dah d,° Franzosen ganz recht tun, wenn sie den „betrügerischen
Bankerctteur" bei der Kehle fassen und ihm die Taschen auskehren.
Es roird wohl noch einige Zeit Lauern, bis man erkennt, datz es mit
dem Taschenauslehren auch nicht getan ist, sondern datz es vielmehr
darauf ankommt, klingende Münze zu finden. Lloyd
Eeorges „Daily Chronlcle" fragte dieser Tage: Was verdienen
wir bei der Ruhrafsäre? Soll Erotzbritannien für die sranzösische
Ruhmsucht zahlen? Das Blatt erinnert seine Leser daran, datz man
jetzt dreitzig Millionen Pfund Sterling jährlich an Amerika zahlen
müffe, Geld, das man sich eigentlich von Deutschland zurückzahlen
laffen sollte. Wäre der britischs Plan durchgefiihrt worden, dann
hättc man wenigstens in vier Jahren etwas belommen. So wsrde
man garnichts erhalten, und da die Franzosen nun einmal die Ver-

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