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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0839

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che Post" erschemt «öchentl lieb enmo l. Beilanen: Didnskali a lSonntl —
y "^rhaltungsblatt IMontagrl - Literaturblatt —Hochschulbeilage Im onatI ich>.
»^?erlangte Beiträge ohne Verantwortung. RüEendnng nur, wcnnPorto beiliegt.

Hekdelverger Zetturrg

(Gegründet 1858)

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Sandelsblatt

Frellag, dea is. mal 1S2Z

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^ Sie aeue drMhe Lole.

keiite Enischeidung, in nrelcher Form die Antwort erfolgen foll.

Don unserer Verlrner Redaktion

Berli», 17. Mai.

nurmebr feststeht, daß die dcutsche Regierung ent-
» ^-.auf die Noten ver Alliierten mit eini-r neuen Note ,iu
^8iig^der die in unserer letzten Notc gemachten VorschlSge
erwcitert werden sollen, setzt natürlich wieder ein all-
n^rij» Rätselraten über Form und Inhalt dieser Note ein. Das
> d ^agebPtt" wollte hcute wissen, datz übsr die Grund-
M e "kr deutschen Aniwort Lereits cln Einverständnis erzislt sei
- ^ler Äi nitt c-ner UeLerreichung dcr Note noch vor Ablauf
?!»tl„ sache rechuen "önne. D'ese Meldung ist auf keinen Fall
»»d due^ Ead. Die Deratungen innerhalb des Reichsiabinetts
Ä T chstus noch nicht so weit nediehen. daß fchon jetzt irgend
° >»>» für d-e ALsendung der Note angsgeben werden könnte.
Üch noch nicht eininal darüber einig zu sein. ob die Ant-
i ^tzen einer gemeinsamen Ro'te an die Allüerten

fistlr'li oder ab an Frankreich und Enqland, an

en Iapan gesonderte Naten vorzubereiten sind. Da

Nljg, a i ischg Noje ygn der französischen in Ton und Anhalt er-
d Mtza .2>eicht, ergeben sich unleuabar Schwierigkeiien für die Ab-
Ä,2 kiner gcmeinsamen Antwort. Zmmerhin solltr inan meinen,
i,Ä An sein sollte. dicse Schiolerigkciten iu übcrwinden und
M Ig! fs. gemcinsamen Note hervorzutrcten. Das wäre politisch
li? die wirkungsvoller. Das Nevarationsproblem geht schlietz-
s^^'n ?o^sarntheit' der allüerten Mächte an und es mutz das Ve-
oer deutsehsn Rsgierung sein, die noch divergisrenden An-
!. 8iur,:Ien der -rnielnen Rcaierunaen auf eine aem->!niame Linie

E">en:

unüberbrückbare Schwierigkciten ergeben. Das ist ja
i- llestern in der Reichstagsdebatte zum Ausdruck gekommen.
,j,rr k>:., d.die Gegensntze bei dem politischen Problem. Da es
!A> °m >ür die deutsche Reaierung nur einen Standpunkt gibt,
cherrückbarkeit allen Mächten !n gleichem Matze darzutun
M-->» -- " Regierung sein mutz. so kann das wirkungsvoller eben
-i>?Ae>i j!"»» gemeinsamenNots nnd nicht in vier Noten ne-
Äs.^^lher Modus auch deshalb üeffer zu vermeiden ist, als er
Viche I?Nd nicht wieder Anlatz gibt zu der Unterstellung. datz die
V hp^^llierung bestrebt sei, iZwietracht unter den Alliierten zu
,Ai dje ">» oine Macht gegen die andere auszusyielen. Gerade
^np°?»l'tischen Seitsn'des Reparationsproblems für uns keine
8k> ^kcr, Hkeiten" sind. müffen ste stärker als bisher in den
u»»d h - ^ gerückt werden. und zwar so qeschickt in dcn Nord.'r-
!«>> iitze - Üe im Ausland nicht als eine Herausforderuna, soudcrn
^dktzi, ^elbstverständlichleit unssres Nationalaefühls nnd unserer
N>ir ? ^echte empfunden werden. E
" itzsrsten Op
Lösung ei

ss^oiat herauskommen aus dem bisherigen Systeni der Haio-

>>iu >«!- ! mechte empsunden weroen. Es gilt oer mieit zu zeigen,
k!^k d tolsächlich zu den äutzersten Opfern bereit sind. aber nnr
h-! lüi Bedingung, datz die Lösung eine endaüttige ist nnd wir
,,/7?Ral herauskommen a>?s dem bishe

^s>^»nd

von dem unerträglichen Druck der llngewitzheit erlöst

Amerika und die Wiierien.

^"chsender Unwille iiver die Haltung dcr Vntente.
Eigene Drahtmeldung.

Paris. 17. Mäi.
des stellvertietenden Schatzsekretärs Lber dic letzte
,Besatzungskostenkommission veranlatzte das
^ii^vium ^Eent zu der Erklärung. datz Amerika alles Ent-
hz!) i d 1*?» 'bewiesen habe, um e!n Abkommen herbeizuführcn. Die
„ " hätten auch 'oie amer anischen Fordernngen als be-
N°a>mt, ste scheinen jedoch gewillt zu sein, jeden -.meri-
">1i' d«u abzulehuen. Wenn es dayer nicht gelingen

* D?" Dertrag abzuschlietzen, so wevde Amerika dirckt
^ T verhandeln.

^E^^^rctär Huzhes hielt eine Rede. dfe wezen ihrer
N^^Nerikanischen Kreisen ziemliches Aufsehen erregt- In
Ä>>'Fii)> ^ Ipvach «r sich lebhaft gegen den Bölkerbund
unter anderem. datz dieser in seinen Bestrebungen,
»lit stchern, Schiffbruch erlitien habe. Dcr Friede
^ewalt nicht aufrecht erhalten werden, wenn absr die
»tz Friedensstifter untsreinander selbst streiten, so müffe
ivm-Ü sov-? ttagen, wer nun eigentlich die Friedenswächte: be-
»su d Anr^ Durch diese Erklärung ist auch die allgemein ver-
* Miderlegt, als ob er für ein Eingrcifcn Amerikas

opai-schen Angelegenheiien eintreten wolle.

DeuWe FMer in 5ondon.

-^'.Mai. sEig. Drahtm.) Der deutsche Bat-
London hätte zestern im .Foreign Office" eine
»^t°.»ii u,ip.rechung mit Lem Staatssekretär Trowe, über
t?>vü' ^öuLiscr Prcffe ziemlich hestürzt ist. Der .Ganlois" be-
s!»s E '» Deutschlaud vielle-icht stch Sondsrvorschläoe Vonar
»Zv ^»n tz?* Reparationskommisston zu eigen machen könnte, wo-
1i *>i »1slf>m keine E'nwendungen ceaen die nächsten deut-

!lt,°» °^»d »>ehr erheben könnte. Abcr Frankreich, Bel-
»>io.^»u-^talien würven all« deutschen Repara-
i ^ ue h g j » « b leh n e n, selbst wenn ste sich mit den Vor-
"ir Laws setbst decken würden. lü)

Nariser Echo zur AetchstagsdedatSe.

stü e°Ü^ikh^^l (E'ä- Drahtm.) Dte heutigen MorgenblZtter
» Ag» Auszüge aus der gestrigen Rsichstags -

l i j» Z-:?-. Hermann MülIer. Nach Berliner Jnformationen
werde die dsutsche Rsgierung den
Laufe der nächsten Woche eine Note
>n welcher besonders die Earantiefrage aus-

führlich behandelt wird. Hinsichtlrch der gesamten Reparations-
summe, so heitzt es, würde man dabei auf den früheren Plan der
Festsetzung durch ein Schiedsgericht zurückkomillen. Ferner
heitzt es, daß der deutsche Botscbafter in London beauffragt sei, bei
der englifchen Regierung sorgfältig wegen des genauen englischen
Standpunktes zu sondieren.

Vanzig Mgen pslen.

Eine Crkläcung des Tanzigkr Senats zum Zollstrcit.

Danzig, 17. Mai.

Von der Preffestelle des Danzrger Senats wird zu deu
Ausführungen des Pressebnrcaus der polnischen divlomatischen Vsr-
tretung in Danzig vom 12. Mcri folgcndes mitgcteilt:

Es ist nnrichtig, datz der Widerstand Danzigs sich gegen
d!e Anerkennung der Rechte Polsns richtet. Er richtet sich ledig-
lich gegen die polnischen Forderungen, die über die Verträge. welche
die Erundlage des Verhältniffes zwischen Danzig und Polen
Lilden, hinausgehen uud gegen die Schmälerung der
Rechte Danzigs. Der Streit über die Zolloerr"ltuug worauf
sich das Pressebureau in erster Linie für seine Auffaffung bezreht,
brldet dsn augenfällrgen Beweis für dre Richtigkeit obiger Bchaup-
tung. Die polnrsche Negierung forderte, datz die Danzigsr Zollver-
waltung einen rntegrierendcn Teil der allgemeinsn yolnischsn Staats-
zollverwaltung bilden soll. Die Danziger Zollverwaltung
soll verpflich-tet sein, allen Anordnungenrrnd Weisungen
der polnischen Zentralzollverwaltung nachzu-
kommen, ohns datz rhr das Recht zustehe, nachzuprüfen, ob diese
Anordnungen und Weisungen im Widersvruch zu den abgeschlossenen
Verträgen und den Danziger Gesetzen stehen. Dre polnische Regie-
rung iordert wsrter, datz sie e'nen matzgechlichen Einflutz auf
die Z u sa m m e n fc tz .1 ng, Zahl und Quakisikation der
Beamten der Dänziger Zollverwaltung habsn müffe,
indem die Einstellung der Beamten, insbesondere der leitsnden Be-
amten, ihrer Bestätigung unterliege und die Stadt Danzrg verpflichtet
sein solle, auf Antrag des polnischen Zollinsvektors Beamte zu
suspendieren und sie auf Vsrlangen der polnischen Zentrrlverwal-
tung ihres Umtcs zu entheben. Endlich wird gsfordert, datz die
Danziger Zollbeamten die für die polnischen Zollbcamten vorge-
schriebenen Uniformen mrt dem polnisch-danzrger Wappen tragen.

Die Forderungon stehen in offensichtlichem Wider-
spruch mit den Bestimmungen der Parise? Konven-
tion und dem Oktober-Abkommen. Nech Nrtttel r4 der Konoen-
tion bildet das Gebiet der Freien Stadt Danzrg binsichtlich der
Zölle eine Verwaltunaseinhert, welche den Beamtsn der Freien Stadt
Danzig anvertraut ist. Die Organisation des Danziger
Zolldienstes steht nach Artikel 199 des Oktober-Nbkommeus
der Danzrger Regisrung zu. Nach vem glerchen Artikcl
unterstehen die Bcamten der Danziger Zolloerwaltung oen im Ee-
biet der Freien Stadt Danzig geltenden beamtsnrechtlichen Lestim-
mnngen und Weisunqen, sowie der Drenstaufsrcht der ihnen vor-
gcsetz-en Danziger Behörden.

Mit der Ablehnung der obigen polnischen Forde-
rungen tut der Senat absr nichts weiter, als datz er die in
den Vertränen fiir die Freie Siadt Danzig festgelegten Rschte und
ihre Selbständrgkeit wahrt. Es liegt deshalb kein Grund vor. ffe
dcshalb als böswillrg und unversöhnlich hinzustsllen. Wenn das
Polnische Preffebureau wsrter zum Veweise ssirrer Nnsichten auf dre
Frage dsr Zollstatistik, die Warenstatrstrken, die Errichtung dcr pol-
nischen Handelsakademie und den Umiang der po-nijKsu Staats-
bahnoirektion hinweist. so bilden diese Fraaen den Gegeirstand eines
Berfahrens vor den Instanzen des Wlkerbundrs. Danzig begrün-
dete rn dissen Fragen seinen Standpunkt wohl: Polen steht °.s frei,
seinen Standpnnkt'in dem Verfahren ebenfalls zu uertreten. Srnst
wird Danzia die in den Verträoen überuoMmenui VerüslrhtunglN
gegenüber Polen loyal und gewissenhaft ersüllen, aber ebenso über-
triebene und v e r t r a g s w i d r i g e Forderungcn Po-
lens fest, entschieden. mitSachlichkeit undRuhe
abwehren.

Die Laufanner Ksnferenz.

Anatolische Eisenbahnen. — Eriechisch-türkrschcs Reparationsproblem.

Don unserem ti-Korrespondenten.

Parrs, 16 Mai.

lleber die deuischen und englischen Verhanidlunzen wegen dcr
anatolischen Eisenbahnen meldet heute der Lausanner Vertreter der
„Jnformation", Latz der Gcneraldirektor der Züricher Dank für die
anatolischen Eisenbahnen GLnther gegenwürtig in Laufanne
weile und erklärte, datz ein rein englisches Konsortium
zum Ankauf der Aktien der anatolischen Bahnen g-ebüüet wurde, mtt.
>dem die ldeiiischen Vanken leinerlei Beziehungen unterhalten. Auf
türkischer Seite wuvde dem Vertreter der „Jnformation" erklärt,
"atz das Konsortium ein Programm ausarbeite, das bisher den
Türken unbekannt se.i. Erwste B-esprechungen Über Anleihen, welche
di« Türken erhalten sollen, um die anatolischen Eisenbahnen an-
lausen zu können, hatten nüch nrcht stattgefunden. Der Korreipoudent
des „Intransigeant" glaubt, datz man eventuell auf den cnglisch-
italienisch-franzSsischen Dreiervertrag zurückgreifen und Jtalien
und Frankreich gewiffs Rechte einräumen werde. Eine eng-
lische Regierungserklärung llber die Angclegsicheit liegt noch nicht
vor, weshalb noch nicht bekannt ist, ob die Eruppe Schröder mit
Wissen de.r englischen Regierung ihre Verhandlungen pflog oder nicht.

«-

In der Frag« der von E r! e ch e n l a nd an die Türkei zu
zahlenden Reparationen wuvde heute in Lausanne kein:r-
lei Fortfchritt erzielt. Die für morge-n angesagten Befprechungen
zwischen Veniselos und Jsmed Pascha wurden auf Freitag
verschol»en. Wahrscheinlich wivd an diesem Tag ein Schiedsgericht
angerufen werden und zwar entweder der Völterbunh oder das
international« Schiedsgericht im Haag.

Zm 18. Mai.

D!e führenden Kreise der Linksdemokraiie haben den Eedanke»,
gehabt, den 18. Mai, Len Tag, an dem vor fünfundsiebzig Jahren
die Verfassunggebende deutsche Nationalversammlung in der Pauls-
kirche in Frankfurt a. M. zusammentrat. zu einsr grotzen Eedenk ^
feier zu gestalten, für die auch der Präsident der Repuolik, Herr,
o"er, wie die Frankfurter „Volksstimme" zu sagen liebt, „Eenosse"
Fritz ELert, hierherbemüht worden ist. Es ist aljo nicht nur Frank--
furt, es ist auch nicht nur die „Frankfnrter Zeitung", «s ist die
Republik, die heute ein Fest begeht.

Ob es heute, in dieser Zeit äutzerster Bedrängnis, in dieser Zeitz'-
da uns der Gedanke an Lie Millionen vergewaltigter deutscher Volks-
genossen, an die Hunderte llnschuldiger, die hinter Kerkermauerir
schmachten, nicht mehr schlafen lätzt, ob es heute erlaubt ist, Feste
zu seiern, das ist eine Sache der Stimmung und des Geschmacks,
die wir nicht mehr rechtcn wollen.

Eine andeve Frage ist es, ob gerade der 18. Mai 1848 heut«.
gefeiert werden dars und ob er von denen gefeiert werden darf,
die dabei in erster Reihe stehen.

Auch wir erkennen die grotze geschichtliche Dsdeutung disses
Tages an. Der Tag war zunächst natürlich ein Ereignis srsten
Ranges für jeden Frankfurter, aber was er in sich schlotz, war etwas,
was ganz Deutschland anging.

Der 18. Mai war ein Tag, der jedem Deutschen jener Tage das
Herz höher jchlaaen machen konnte, brachte er doch Die Verwirklichunxs
deffen, was seit dem grotzen Schsitern der deutschen Hoffnungsn im
Iahre 181S das Ziel der Bestrebungen der Besten unseres Volkes,
gewesen war: brachte er doch die endliche Verwirklichung des Gedan-
kens «iner allgemeinen Vertretung des deutschen Volkes. Datz >815
das deutsche Volk auf dem Wiener Kongreffe keinen berufenen Ver«
treter gehabt hatte, datz auf diesem Diplomaten-Kongreffe überhaupt'
niemand daran gedacht hatte, das deutsche Volk als solches und seine'
WLnsche zu berücksichtigen, ja datz die eigentlich Matzgebenden in
Wien den deutschen nationalenGedanken als ernen hoch-j
gefährlichen GeLanken in dre Acht getan hatten, das hatte-,
uns das Elend des deutschen Bundes eingetragen, deffen einzige
Aufgabe es ja war, die Sicherheit der deutschen Re g i e r u n g e n
— nicht etwa des deutschen Volkes! — nach innen und nach autzenj
zu gerr-ähren und deffen Organ. d-er Vundestag in der Eschen-
heimer Eaffe in Frankfurt a. M., rn der Ausübung und Beförderung,
einer poliizeilichen Aeberwachung des deutschen Denkens und Fühlens;
seine Hauptaufgabe hatte, Ler die von den deutschen Regierungen be-s
liebten Ausnahmebestimmunzen gegen dieses de>utsche Denken und'
Fühlen, die sogenannten Karlsüader Beschlüsse, Lenn auch
gchorsamst als Bundesgesetze vevkündete und damit jene Versolgung
der Patrioten ins Werk jetzte, die so Vielen derer, die im Sinne
der Freiheitskriegsbegeisterung auch werter für deutsche Freiheit.
und Wiederherstellung der Linheit eintraten, langjährige Kerkerhaft
brachte, di« das deutsche Geistesleben in verhängnisvoller Weise
vergiftete. ,!

Ein ungeheurer Druck lastete seit diesen Vevfolgungen äuf uw-
serem Volke, die Zensuv machte eine öfsentliche Erörterung der grotzen
Angelegenherten des Volkes beinahe unmöglich. wie natürlich auch
von einer freien Vereins- und Versammlungsbetätigung keine Rede>
war, — und so sammelte sich denn allmählich ern Niesenzorn an,
der dann zur Entladung kam, als durch die Februar-Nevolution
erneut Las grotze Beispiel der Selbsthilse des Volkes gegeüen warZ
Diese Febvuar-Revolution, die in Paris mit der Vevkündung Ler!
Republik endete, erinnerte zugleich än die äutzeren Eefahrcn
des Augenblicks. Man gedachte der ersten französischen Republik uud
ibr-es Angriffsgeistes, man gedachte der Kriegsgefahr im Aahre 184V,
man mutz'te fürchten, datz die zweite französische Republik auch wievc-r
Händel suchen werde, und so sah man denn auch von der Serte der,
äußeren Politik her dringenden Anlatz, die Frage einer Refor M,
des Bundes endlich und ernstlich zur Erörtevung zu bringen,'
denn die bestehende Bundesverfaffung mutzte für den Fäll eines Krie-
ges die ernstesten Befllrchtungen erwecken. Dcr Bund, als solcher-,--
war in jeder Veziehung ein Eegenstand drr Geringschätzung, der Vev-7
achtung, des Spottes, des Zornes geworden, und der Augenblick
schien gekommen, dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit endlich!
eine andere und würdigerc Verfaffnng zu gebey und W«r dadurch, datz
nun endlich das deutsche Volk auch Eelegenheit erhielt. Larüüsr mitzu-^
reden. Eine deutsche Nationalnersammlung, das war
dr« Forderung. die auf allen Petitionen der Märzhewegung voran-
stand: natürlich wurde auch anderes gesordert, vor allsm Bsseitiguugj
oer Zensur, Volksbewaffnung, Volksgerichte, aber das alles wariz
doch nur Voraussetzung für das letzte und das höchste, die National-e
»ersammlung, nnd a-uf den Fittichen der Märzstürm« kam die Be--
wegung rasch ans Ziel: die eirschreckten Regierungen bewilligtenft
alles, die Versammlung des Frankfurler Vorparlaments glaubte rn
ihrer Siegerfreud« sogar schon das Diktat verkünden zu dürfen. die
Naiionalversammlung habe die deutsche Derfaffung einzig' unb
allern festzusetzen, und so traten denn wirklich am 18. Mai. zum
ersten Male in der deutschen EesHichte, Erwählte des deutschen Volkes
zusammen, üm dre Geschicke dieses -deutschen Volkes durch einsn Ve-
schlntz über die deutsche Derfaffu-ng endqültig. wie man meinte. z»
bestimmen.

Diese Versammlung war eine Offenbävung des demokratischen
Eddankens und des Eedankens der Volkssouveränitüt. Dcr derno-
lratische Gedanks, wie er sich in Deutschland herausgebildet hat,
wollte nicht etwa He-rrschaft des Demos, also der Masse. Er wollte
nur Starksein deg Volkes. Er vichtete sich gegen den Fllrsten-
absolutismus in jeder Form, auch gegen d-en aufgeklärten Kürsten-
absolutismus. Er verlangte Liberalismus in der Zuteilung der
politischen Rechte, verlangte, datz die Regierervi von oben her, die
im Volke nur Unwürdige sah. durchaus aMören müffe, richtets stch
aber nicht gegen das Fürstentum, gegen die Monarchie überhaupt.
Er verlangte eine Bind-ung des Monarchen durch einen Vertrag,
durch eine Konstitution, aber er verlangte nicht die Republik. Ke-
witz gab es unter den Stürmern und Drängern von 1848 auch solche,
die vom demokratischen Gedanlen zur Forderung der Republik ge-
kommen waren, aber si« bildeten die entschiedene Minderheit. Dre
grotze Mehrzahl konnte und wollte sich ein einiges Deutschland nur
ünter Wiederherstellung Ler Kaiserwüvde dcnken und dcshalb tat
sie Ende Juni den ersten entscheidenden Schritt. indem sie sinen
Reichsverweser erkor und zwar den Erzherzog Iohann von Oestcr-
reich zu dieser Würde erhob- Die Gegnerschaft gegen die bisherige
Ordnung der Dinge, di« ,ja im wesentlichen von den Fürsten
 
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