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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0171

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66- Zchrgang - Ar. zs

lkscheint täglich lauch Soirntagrl vormittagr, also siebenmal

inr Hau, ziig-stE monatlich lSl'0 Mk. durch die Poft
-- lAV Mk. zuzüglich ll1.50 Mk. Beftellre'd. Einz-Inummrr so Mk.

Heidelberger Aettung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

MltwoK Zl. Zaimar 102z

Unzeigenvret»: di« SS mw bieite NonvareillezeU« <11 Mi , Familien-, Verein,» I
und Kleine Snzeigen nach besonderem Tarts. VicHamen: dte!>8mm breite N°nparcille- I
etl« 200 Mk. Bei Wiederholungen und Z-il-nanschlüsscn tac>flicher NachlaS. j

sär den gcsamten tcxtltchen Tcll Ad ols Kimmig

^chtnr dcr Tchrililcitnng vorm. 1l-I2 llhr. Berliuer Bertretung: Berlin 8VV «8. ZtmmcritraS- Nr. 8
^ni^entrum Nr. 4IS. Müucheuer Bertretung: München, Gcorgenstraße Nr. 1Ü7. Fernruf Nr. 8lSS<

i in

Bertretungr

fsernruk d:r Reüaltion: Keidelberg 82.
Berlin 8tV 48. ZimmcrftraS- Nr. g.

Für An»:tgen, Rellamcr unv geschLftliche Betlagcn verantwortlich Alfreo lschmig in Hridelberg. Ferrruf 82
Verlag: Heidelberger Berlag-anftalt und Druileret T. b. ».H Heidelberg, AauvtftraSeSS. —
Poftschecklonto Karlsruhe Nr. lggüü. - Druck von I. G. Holtzwart» Nachs, T. m. b. H., Franlfurt am Mai«

Das Mgen an der Rchr.

Der Kampf um die Leuticheu Bahnen.
Dou unserer Berliner Redaktion.

^ixi^dem Ruhrgebiet werden stündlich

Berliu, 30. Ianuar.

r.'xii?.!.. -"-m utuyrgeoier weroen srunolika neue Eswaltlaten der
c>7 gemeldet. Diensiag vormittag stnd in Lsten der Präsident
chsejsenbahndirektion Essen, Zahn, und sein Stellvertreter,
Pusch, verhaftet woroen. Sie stnd in einem.Auto
N i'eMt worden, und bis zur Stunde weih noch nieniand, wo ste
noch oü es stch um eine Ausweisung handelt. Nach einer
UeiH'u aus Eelsenkirchen stnd im Laufe des Dienstag noch
»7>> ^uhnhöfe oesetzt worden: Blankenstein, Herbede, Bommern-
i>? )u>!""nern und Borhalle. Damit ist die Linie, bie im Norden
jf°"ilriegebiets von Lünen nach Westen über Düsseldors und
üden des Eebiets bis nach Vorhalle um das ganze Jn-
D gezogen ist, geschlossen. Jm Betrieb sind nur

"eu ^inien Hagen-Hengstei üoer Dortmund nach
?,"> ist ^ die Bahnhöis innerhalb des obigen Ringes. Autzer-
K Noch Str - ^ nach Dorsten, die die Verbindung

Uk rij ° s e l mit Holland ausrecht erhält. Da diese eine Linie
den Bedarf mit Holland nicht ausreicht, hat die Königliche
hNdjMesegschast in Amsterdam einon Fluadienst nach Köln
»Ae>l ir ' der ausgenonimen werden soll, sobald die Besatzungsbe-
Cüi lre Zustimmung erteilt haben. Es sollen Passagiere, Post
i>. fZg bcsördert werden.

tz°c,.>udw igshafen wurde Dienstag vormittag gleichfalls
"kzj"aude der Reichseisenbahndirektion von Truppen
8 elt und Eisenbahnpräsident Bieberich verhaftet.

I«h,i^^Utte Beamtenschaft Ler Eisenbahndirektio« Ludwigshafe»,
Vertreter der EisenVahnerverbäade i» Lndwigshafen,
in dem Eebäude zu einer Besprechnng versammelt ware«,
wurdea gleichfalls feftgeaommen.

sHn zur Ver-

? rv,E^ubahnbeamten^den gesamten Eisenbähnverkehr lahmlegen.
Hsti, ^'enstag die Franzosen den Bahnhof Ehrenbreitstein
2 > leaten die Eiienbabner sosort die Ärbeit nieder. Der



ten die Eisenbahner sofort die Ärbeit nieder. Der

i Uhr. Seitdem ruht jeder
as Rheintäl bei Koblenz ist von jedem Zugverkehr ab-

iis^sr^ in Nichtung 'Käln gegen 4 Uhr. Seitdem ruht jeder
Piainz haben die Franzofen Montagnachmittag 4 Uhr

^ nn Mainzer Hauptbahnhof zuübernehmen,
b/r Huuptkahnhof, die Stellwerke usw. UIN 4 Uhr Mllitä-


«d.

c? Ietzt wurden. Auf den Protest der EösenLahnerorganifa-
die mit dem sofortigen Streik aller GisenLahner
?uurde um 7 Uhr aLends nach dreistündiger Befetzung die
> rückgängig gemacht; Dienstagmittag kurz nach 1 Uhr
sj.M e." Hauvtbahnhof und die Betriebsstellen erneut mili-
i I ft «^tzl. Als Antmort darauf erfolgte migesäumt die E!n-
std ?jeglichen Betriebes. Der Eisenbahnverkehr rvht
V "hr nachmittags vollständig. Vor dem Bahnhof hat sich
tzAdt Tausenden zählende Menschenmeng« angefammelt. Es
"ch, ein Autoverkehr in die Umgegend zu >nt-
r«"izi.-^Nzwifchen mühen sich auf dem HauptLahnhof französifche
^8«». 'EnLahner ab, um wenigstens einigen Betrieb in Eang zu
Hp,' Dish^r sind dies« Veksuchs aLer vergeblich gewssen.
8» ^u^setzten Eebiet sind inzwi-schen auch die «r'ien Trupps
u s l a n de angeworbenem Eisenbahnperso-
l>? l e ^rtroffxn, und zwar handelt es sich allermeist um Leute aus
) d^N aus derTschechoslowakei. Sie sind in Lelgifchen
tz8st, 'N der Nähe von DuisLurg uniergeLracht und erhalten dort
tzM>e>xVtionsstunde. Nach einer Meldung aus Boppard
die Mitglieder einer Delegation, »l« dcn
^'tzs"d«n Jndustriellen einen Blumenstrautz über-
^ hntten, verhastet und im Auto abtransportiert. Auch
»«rmeister von Boppard ist verhaftet worden.

^anzöstsche Besatzungsbehövde har bekanntgegeben, datz

I«dj,^"tschrn Beamten, die ihrem Befehl nichi nachkommen,

, " stch widersetzen, sofort verhaftet, jedoch nicht bestrast,

sondern ohne Berzug ausgewiesen werdeu

.der Tat ziehen die Ausweifungen denn auch immer
!os^ So wurde neuerdings der OLerbürgermeister Zar -

8» t j^uisburg ausgewiesen und ohne AngaLs von Eründen
1, !fke ^uto ins unbesetzte Eebiet verLracht. Forstmeister
üj. ^ Lx -» der verhaftet worden war, ist zu vier Wochen Gefäng-
^>kr 8eq,j , lofortigem'Strafantritt verurteilt worden.

wurde fernsr Regierungsrat v. Dombois, srr seit
L,i"u8ft^ 5''unq des Landrats Müser als desfen Stellvertreter die
-.h«ssen ^andratsamtes in Kreuznach führte. Herr v Dom-
tz, bcri,. " »amilie. bestehend aus Frau und einem Söhnchen von
-Ü.Ud« obenfalls ansgewiesen ist. muhte binnen ein

e r

^'ttzxjj° !ein Amt und feine Wohnnng verlaffen und wurde unter
» Bedeckung abbefördert. Er sowohl wie seine Frau sind

U>,ä°>ubO, Einlönver. Eelegenheit zur Rechtfertigung ist Herrn
^t 8eq-s,b ebenso wie den änderen Lisher ausgewiesenen Beamten
^ i'UIand ^ worden, obwohl die Verordnungen der Jnteralliierten
Eet?'»i c.d^Nlmifsion dies ausdrücklich anordnen. — Jn
^ " wurden am Sonntag früh der Landmeffer Rohne aus
tz-'ug ^ und der Regierungslandmeffer Schmidt am Montag
l>""uii>t ij^Mot. Nach der Verhaftung des Regierungslandmessers
tr». «sk-ii« om Dienstag sämtliche Beamte ünd Angestellt« des
N in einen 24stündigen Proteststreik einge-

" traten sämtliche Schulen wegen der Ausweisungen
"tesis^ ?rs und des Bürgermeisters ebcnfalls in einen Slstllndigen


°^aten^!!en ^rd« das Telegraphenamt von franiösisckien
^we^bl °ufgepfl°nztem S e i t e n g e w/h r bUtz"
' iche Veamtenpersonal wurde vo« den Offiziereu mit
^ Ausi dleitpeitsche aus dem Saal getrieben.

^ch ts bea m te n für den gesamten Postbetrieb des

wurde der französische Beamte Brully ernannt. Als

Sanktion für die deutsche Ablehnung, den Franzosen Fernsprech-
verbindungen herzustellen, lieh er den Betrieb eine Stunde unter-
brechen mit der Destimmung, datz bei jeder nachfolgenden Dienst-
verweigerung die Strafe erhöht würde.

Der Düsseldorfer Eeneralkommissar der französisch-Lel-
gischen Besatzung hat dem Regierungspräsidenten Dr. Erützn.er
auf die Frage, ob an eine Hungerblockade ernsthaft gedacht
sei, «in« schriftliche Mitteilung machen laffen, in der erklärt wird,
es sei nicht daran gedacht, d!e für die deutsche Bevölkerung reser-
vierten Lebensmittel zu beschlagnahmen oder die Lebens-
mittelzusuhr a bz u sch ne i d e n. Wenn in der LeLensmittelver-
sorgung Schiwierigleiten einireten würden, so sei das, wie in Lem
SHreiben Lehauptet wird, die Schuld der Eisenbahner,
die seit einigen Tagen Las Eisenlahnnetz lahmlegten. Dieser Ver-
such, die EisenLahner gegen die Bevölkerung des Ruhrgebiets aus-
zuspielen, wird mitzlingen, da die Bewohner des RuhrLezirks
sehr wohl wiffen, aus welchem Erund« die Eisenlahnerschaft
> assive Resistenz Lken mutz. In Eegensatz zn der schriftlichen Zu-
sicherung, dah d:e LeLensmittelzufuhren nicht aLgeschnitten werden
sollen, steht die Taisache, Latz die Franzosen di« Ruhrtalbahn
nnd die Strecke D u isLurg—O be rh ausen—Lünen für ihre
Transporte beschlagnaymt und jede Benutzung für deutsche
Transporte ausgeschaltet haben. — Nach einer Meldung der
„Deutschen Allgemeinen Zcitung" haben sämtliche 25 durch die Be-
schlagnahme von Fahrzeugen Letroffenen Nhein-Reedereien
an den Ehef der sranzöstschen Jngenieurlommisston im Ruhrbezirk
ein SchreiLen gerichtet, in welchem sie di« Besörderung und
den Umschlag von Vrennstofsen nach Frankreich und Bel-
gien ablehnen und erklären: „Wir laffen uns nicht zur Teilnahme
oder Mitwirkung an Handlungen zwingen, di« sich gegen die
Jnteressen und Eesetz« unseres Vaterlandes sowie
gegen Ehre und Eewrssen richten.

Ser Siegespreis.

Die Erwartungen ker französischen JnLnsirte.

Pari», S«. Ianoar.

Der französtsche Metalltndustrielle Pinot, der im Tomitg des
Forges eine sllhrendc Rollc spielt nnd als Äandidat fllr den Poften
des Oberrommissariats im Ruhrgebiet genannt wurde, hat
nach der „Zournve industrielle" erklärt: Die Operation im Ruhr-
gebiet besitzr eine Bedrutung, die weit llber die Znteressen der fran-
zöfischen Metallindustrie hinausgehe. Sie sei die Erundlage
ver endgültigcn Negelung der Reparationvfrag,
und werde in letzter Linie dasür entscheidend sein, ob Frankreich im
Znteresse Deutschlands ruiniert werde und werder Sieaer im
Kricge gewesen sei. Pinot stellte sest, dah infolge iWrs Be«
darss an Schmelzkoks die franzöfische Zndustrie heute die
einzige set, die bis zur Stunds noch nicht thre
volle Unabhängigkeit hinsichtlich ihrer Berssrgnng mit
Nohstoffen wiederaewonnen habc. Dre Verfehlung Deutschlands. die
zur VcsetzuAg des Rnhrgebiets gesührt habe, sei von der Repara»
tionskommisston auf Erund der Kohlenlieferungcn scstgeftellt worden.
Es müsse daraus hingewiesen werden, datz der Koks, den die sran-
zösische Metallirldu'trie »on Deutschland erhalte, etwa vier Millio«
,-en Tonnen im Zahre 1922, der Menoa nach nur iu einem ganz
schwachen Verhältliis stehe zu den 199 Millionen Touuen Kohlen,
die das Ruhrgebiet jöhrlich zu sördern imstande sei. Zm Hinblick
auf die Zulunst erklärte der französtsche Erotzindustrielle: Wir wer,
de» bie nötigen Anlagen von Hochösen ausblasen und dann
warten, bis Franlreich Deutschland zum Nachqeben gezwungen
hat. Hser handelt esstch umdieZuIunftunseresLandes.
Wenn der Stand der Dinge wiedev normal ist, werden wir die
Millionen bercchnen können, die die Versehlungen Deutschlands auf
dcm Eebiete der Kolslicserunge.l die französtsche Mctallindustrie
gekostet haben. Noch einmal wird diese danu grotzzllgig ihre Pslicht
getan haben. ^

Es ist gut, daß Hsrr Pinot über dke Bedeutung der Ruhraktion
für Franlreich der Welt reinen Wein einschenkt. Die Unabhängiakeit
der französtschsn Jndustrie gilt es sicherzustellen auf Kosten ses
deutschen Volkes. Damit wird endlich der heuchlerischr Mantel
des Rechts, mit der der Advolat Poincarg reine Politik zu dra-
pieren pflegt, gelüftet. Die nackten materiellen Ziele der französtschen
Ruhrpolitik werden vor aller Welt blotzgestellt. Nach dies-n Erklä-
rungen Pinots w!rd kein Mensch mehr das Märchen glauben wollen,
Frankreich dächte an keine Annexion des Ruhrgebieies und
der Rheinlande. An Ruhr und Rhein soll sich enlscheiden, wer im
Kriege Sieger Lleibt. Das ist Frankreichs Wille, das muh auch
unser Wille sein!

Die bntische Schuld.

Bakdwine Bertchtcrstattnng llber die Washingtoner Berhandlvnge«.

London, 80. Ianuar.

Der britische Schatzlanzler Valdw u, der aus Washington zu-
rlickgckehrt ist, hatte eine löngere Unterredung mit Bonar Law, dem
er über die Fortschritte der Derhandlungen über die Fundierung
der britischen Schulden Bericht erstattete. Auch das britische
Kabinett wird sich dann m!t dem Bericht Les Schatzlanzlers über
seine Wash ngtoner Verhandlungen befaffen. Die Atmosphäre in
politischen Kreisen deutet darauf hin, datz der Schatzkanzler es nicht
leicht haben wird, das Kabinett davon zu überzeugcn. datz der ameri-
lanische Vorschlag angenommen werden soll. Jm Kabinett Lestehen
nach den „Daily News" zwei verschiedcne Strömungen, die Mit-
glieder, die an den amcrikanischen Bedingungen Kritik üben, sollen
in der Mchrzahl sein. Bonar Law gehört zu den Ministern, die bis-
hcr nicht in der Lage waren, der Auffassung zuzustimmen. datz das
Nngebot Amerikas angenommen werden sollte.

Der amerilanische Votschafter in London, Harvey. der eben-
lalls aus Mashington zurückgekehrt ist, lehnte es ab. eine Erklärung
über d!e Frage der Schuldcn abzugeLen. sagte aber. Baldwin
habe in Amerika einen guten Eindruck gemacht. Er begreife
die Eefühle der Amerilaner und mit einem dcrartigen Unterhändler
konne man bestimmt einen guten Ausgang der englisch-ameri-
kanischen Verhandlungeu erwarten. ______

Sll Weg ins Llilgeiviffe.

Lange nicht haben die öffentlichen Dinge so ans Herz gegrkffe«
wie in diesen Tagen. Eine geraume Zeit hindurch war über viel«
unserer Dolksgenoffen den grotzen Angelegenheiten unserer Natio»
gsgenüber so etwas wie Stumpfheit gelommen. Es erschien alles
so trostlos, daß man abstchilich das Auge schlotz, sich lieber den Einzel-
aufgaben zuwandte, um hier — vielleicht — das Allgemeine zu ver-
gcffen. Das ist jetzt nicht mehr möglich: unwiderstehlich reitzt das
ungeheure Eeschehen, das mit dem 11. Ianuar begonnen hat, auch
den zunächst UnLeteiligten in seinen Wirbel, mit zitternder Erregung
greift man jetzt wieder zn dem Zeitungsblatt, das von dem Fortgang
des grotzsn Volksverbrechens meldet, das an Ruhr und Rhein be-
gangen wird, liest mit Jngrimm, mit Abscheu, mit Empörung die
Reihe der neuen Eewalttaten, die verübt, die Namen der neuen
Märiyrer der Pflicht, die mit ihren Familien aus der Heimat ver-
stotzen werden, nimmt mit freudiger Zustimmung Kenntnis von den
Aeutzerungen der Teilnahme, die ihnen gespendet werden und von
den Kundgebungen aller Art, in denen in seurigen Worten die Ee-
sinnungsgemeinschaft und die Vereitschaft zur Hilfe verkündet werden.

Es hat stch etwas geändert in dem Empfindungsleben unseres
Volkes. Wir fühlen uns wieder mehr als Volk, als ein Eanzes,
d-ffen Teile so zu einander gehören, Latz ein Teil nicht leidcn kann,
ohne datz alle anderen mit leiden, und wir merlen jetzt, datz die
Weltlage, wie sie sich durch den Frieden von Versailles gestaltet hat,
so ist, datz wir in unserem Dasein als Volk beständig bedroht
sind, datz der Zustand, wie er jetzt ist, dieser Zustand, der uns alle,
unser Hab und Eut, unsere persönliche Freiheit, unsere Ehre schutzlos
xreisgibt unfern grimmigsten Feinden, ein durchaus unmöglicher
Zustand ist. Die Erkenntnis dieser Tatsache, sie dämmert jetzt auch
denjenigen unserer Volksgenoffen aus, die bisher durch ihre Partei-
doktrinen Lber diese elementarste aller Tatsachen hinweggetäuscht
wurden und die das Gerede von dem Zusammengehörigleitsgefühl
der Proletarier aller Länder ernst genommen haben. Wo ist dieses
Eefühl heute?! Wo regt sich Hilfsbereitschaft? Was schallt uns
heute aus der T'elt wider als Echo auf unser Rufen? Nichts als
dte grausame Lehre, die die Eeschichte der Menschheit auf jeder Seite
verkündet: „Hilf dir selbst, dann wird Eott dir helfen!" Und in
grimmiger Entschloffenheit hat das deutsche Volk diese Lehre, soweit
es sie noch nötig hatte, aufgenommen und scheint bereit, darnach zu
handeln. „Eine Erenze hat Tyrannenmacht", -» dieses Aufschreien
gequälter Hertzen, dem Schiller in seinem Tell unsterblichen Ausdruck
gegeben hat, — es klingt uns aus all den tapferen Entschlietzungen
des Widerstandes entgegen, von denen wir jetzt aus dem heimge-
suchten Eebiet vernehmen, so noch gestern aus der Versicherung dkt
Eewerlschaftssührer, sie würden wie bisher ihr Möglichstes tun, dah
die Franzosen an der Ruhr ihr Ziel nicht erreichen, — und wir
sind Lereit, dieser Versicherung mehr zu glauLen als dem ruhmredigen
Eerede der französischen Blätter, die jeden Tag von neuen Erfolgen
verkünden und die kllnlich behaupten, der Widerstand werde binnen
kurzem erlahmen und es werde bald alles so getzen, wie man gewollt
habe. Wir glauben diesen Prahlereien nicht, trotz der bangen
Zn-eifel, dle sich nur gar zu leicht zu Worte melden, denn auch aus
unstrem Innern tönt uns immer wieder das Schiller-Wort entgegen:
„N-'in, eine Erenze hat Tyrannenmacht".

Aber freilich, wo diese Erenze liegt, wie bald sie erreicht wird.
das ist im Dunleln. Denn es ist doch nur schwer denkbar, dah
Pvincars vor den Schwierigkeiien, die sich vor ihm auftürmen, um-
kchrt. Dah er sie ziemlich empfindet, ist gewitz., Nichts ist bezeich-
nender für die Lage, als die Meldung, dah die französische Regierung
in London die Zumuiung stellen wolle, die englischen Kohlenlieferun«
gen nach Deutschland einstellen zu laffen. Ob die Meldung zutrifft,
konnen wir nicht beurteilen, sie legt aber jedenfalls den Finger aus
den schwächsten Punkt des französischen Planes, auf die Absicht,
Deutschland durch Kohlenhunger auf die Knie zu zwingen.
Diese Absicht wird schwerlich zur Durchführung kommen, denn in
dem Notfalle werden uns die Engländer gewitz weiter gern ihre
Kehlen verkaufen, — was dieser Notfall aber für unsere Finan-
zen Ledeutet, das ist kaum auszudenken, und was der finanziell«
Verfall, der sich in einem Dollarpreise von über 40 000 ausdrückt,
für die Erncihrung und überhaupt für unser materielles Dasein an
Fc-lgen zeitigen wird, sür das wird es ein anderes Wort als:
völliger Ruin laum geben; aber trotzdem: wir nehmen das alles
auf uns, denn wir wiffen, es ist ein Kamps, der uns unter keinen
Umständen ersxart bleiben konnte, seitdem wir die Wahnsinnstat
von 1018 Legangen haben, und der durchgekämpft werden muh.
Frankreichs Politik hat sich durch den Einmarsch in die Nuhr und
durch das Uebermatz gewalttätiger Willlür, das es seitdem bekundet
hat, in ihren Zielen so klar enthüllt, datz es Zweifel nicht mehr gebe»
kann. Das Ziel ist der grohe Völlermord, den Clemenceaus zynisches
Wort von den „Zwanzig Millionen Deutscher zuvicl" enthüllt hat:
Ieder Deutsche weih jetzt, um was es sick> handelt. Er beiht die
Zähne zusammen und geht den schweren Weg, den das Schicksal ihm
zugi wiesen hat, aber jedenfalls entschlyffen, ntcht den Weg zu gehen,
der in die freiwillige Knechtschaft führt.

Sächsische Ka»!neWlrIse.

Don unserer Berliner Redaktton.

«eelin 39 lan Wie aus Dresden berichtet wirv, h-t
der sächsische Landt'ag mit 54 Lllrg-rirch-« uud k°mmun^tlschen St'M-

Edeut B^ck deu «Lckt.itt des gejamten sächsijche» Kabinett»
 
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