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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0665

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es. Wrgang - M. 10s Zeidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Sandelsblatt

.Badische Post' erschcrnt wöchentl- stebenmal. Beilaaen: Didaskalia<Sonnb> —

^«rhaltuugdblatt sMontagr» - Literaturblatt—Sochschulbeilage imonatltch).
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Reichsregiemng vnd Soklarhanffe.

Fortkühruug der StützungSLMo». — Neue Regierungscrlasie.
Vo« uuserer Lerltner Redaktton.

Berlin, 19. Aprtl.

i. Dte Dollarhausse ander Berliner Börse hat in poli -
^lchen Kreisen eine grotze Bewegung hervorgerufen.
A. den WanLelgängen des Neichstags ist rnan allgemein der Auf-
s.°^ung, Latz ein abschlietzendes Urtsil übcr die politischen und die
oikswirtlchaftlichen Auswirkungen der Aufwärtsbewcgung der
evisen sich erst dann ermöglicht, wenn man durch die Weiterent-
lckelung Klarheit darüber bekommen hat, ob es fich nur um eine
i ^bergehsnde Erscheinung handelt. Auch dos Reichskabinett
slch Mittwoch abend mit den Vorgängen am Devisenmarkte
.Efchäftigt haben. Die van einigen Berliner Blättern ausge-
i?^chene Ansicht, datz die Dollarhausie auf eine veränderte
^."terventionstaktik der Reichsbank zurückzuführen ist,
bestätigt. Die Lisherige Taktik, die Devisenkurse ständig unter
- zu halten, habe nämlich dahrn geführt, datz die Reichsbank

Tltf °en gesamten an den Markt kommenden Devisenbedarf zu den
^lNziellen Kursen aus ihren Beständen Lefriedigen mutzte. Da

kast den
NfzicllLn

z-^^^ank wegen des
Wrfes an Deoisen
Cv»,' .^abe ste jetzt die
soll.

die

angeschwollenen

in der letzten IZeit stark
> L I

Taktik dahin gewechselt, dah der

iK

m^arfes an Devisen sehr tief "in ihre Bestände Hat eingreifen

Tn' yave sie setzt die -taiin vayrn gewekyfeir, oag oer
son '^tation zunächst einmal freie Vahn gegeben werden
datz aber im gegebenen Moment stark eingegriffen
solle, um der Speknlation alsdann

s°tle, um dcr" Speknlation alsdann Verluste zuzufügen
t - lhr damit die Lust zu nehmen, sich neuerdings unvorsich -
lyk- ^arzuwagen. D!e Warnungen der Blätter vor kops-
bavü ?Evisenaufkäufen und überstürzten Einkäufcn von Waren, die
lpäter eventuell nach einem Eingreifen der Reichsbank nur
doh -^°^n Verlustcn wieder abgesetzt werden könnten. werden
ariederholt. — Nach den neuesten Meldungen hat das Reichs-
d ^tt im Einvernehmen mit dcm Rsichsbankdirektorium bereits
».lchlossen, die Stützungsaktion für die Maik mit

s»lle Nachdruck weiterzuführen. Zu diesen^ Zweck

fiir vxn Besitz an Deoisen nach dem Stande des
^algez^" ^lll die hierzu erfordcrliche Notverordnung erlassen wird,

»srsA'E plötzliche Aufwärtsbewegung der Dcvisen ist bereits von
Kaufleutcn und Händlcrn in unverantwortlichcr Weise
^öh°»?lltzt worden, um Waren zurllckzuhalten und später wieder zu
d>e»L «dreisen auf den Markt zu werfen. So erschien am Mltt-
Le u ^> dem BerlinerViehmarkt das fogenannte flie -
Marktgericht und stellie fest. datz schon in früher
techt^llstunde Erotzhändler und Kommissionäre eincn
MteeE^heblichen Preisaufschlag verabredet hatten.
MiL° lairkfamer Unterstützung eines verstärkten Aufgebots der
'd -f^alizei griff das Marktgericht ein und üeschlagnahmte
§>lrd° ? Zanzen Rcihe von Fällen das Schlachtvieh. Ein Handlsr
Mller, '°lort mit 50 000 Mark in Strafe g. nommen. Jn anderen
lvurden dis Strafen noch gesteigert. Bis in die Nachmittags-
>-n har^ ^ Lericht Aburteilungcn vcrzunehmen. Verhand-

e'ingeführt werden, üm die seit Jahren besonders
^"olittelhandel eingerisienen Mitzstände zu bekämpfen.
^ei^s".Reichskanzlei fan-d am Donnerstag nachmittag eine

D e v'sf e n n o 't v e r o r d n u n g soll fchon in der nächsten
^wft treten.

heutigx Beschluh der Reichsbank.der im engsten
^kt °"°HNlen mit der Reichsregierung zustande gekommen ist. er-
N nrM eindeutig, Latz die S t ü tz u n g s a k t i o n fur die Mark
N »ll° -Rachdruck weitergeführt wird. Damit erübrigen
wsrüchte, die davon wisien wollen, datz die Energie der
Sr°°? "n Abwehrkamps gegen den Nuhreinbruch erfchüttert sei.

jst sich bewutzt. dah -ine neue Erschütterung unseres
.5» e>..llslebens durch ein Ncuaufleben der verteuernden Preis-

llNer .st°",N)elle eine allgemeine Unsicherheit bringen mützte, die
i>v °lllu^°hung gleich'ustellen wäre. Ueber die beabsichtigte Ein-
Uü^iond d" Einfuhr gehen zwar dis Meinungen sehr auseinander,
viil« iioer^^ darauf hingewielen wird, datz heute schon die Einfuhr
deL^arenmcngen infolge der mangelnden Kaufkraft der Ve-
silü >n diel illll in Betracht komme, es ist aber Nlcht ausgeschlosien,
>>Ntz Paraaravü nickt nur an eine Einschränkung der Ein-

^V°reÜd-an einc


rationcllere Zusammenfasiung der zu

°!?.lts!en°^''ll EÜter gedacht wird derart, dätz z. V. eine Dcvisen-
- allxin sür den Jmport von Koylen Legründet wird.

?'rg 7' handelt
^ M°n, d°"


- es sich hierbei bis jetzt nur um unverüindliche Ver-
doch jst . aus jxd°n Fall erfreulich, zu konstatiercn. üah
un- '-.xrgie nach allen Seiten hin beweift, u/.i den

Der ^.^ruszuhalten.

Punkt

-u»,«. nnin-r^ 7—" Regierungserklärung. der auf die allge-
iag^'Ugz ,v°apflicht sür den Besitz an Devisen hinweist, wird
i>N Ulichen on. skeptischer betrachtet, da der moralische Druck zur
reg^llignd» ,7^anntgabe solcher Vesiände lediglich die Euthaben
I?Nd°">r ausläirdischer Währung praktisch trefsen würde, wäh-

L'e »r über die deutschen Neichsangehörigen im Aus-

Dalutaguthabcn natürlich um vieles schwerer ist.
H?N >^anr d'e Jndustrie entscheidend auf die neue Taktik der
s°r lk^saKx^^'-rkt habe, entfpricht wohl in diescr Form nicht
^hindnn,.,-» .h°i stch dabei um Vesprechungen weniger mit
'"^horum mit der Mittelindustrie gehandclt, wobei es

«amentlich um die Erleichterung in der Kreditgewäh-

rung handelt«. Jm übrigen stnd die heute Lekanntgewordenen
Matznahmcn auf die Beratungen zwischen den Regicrungsstellen und
der Reichsbank mit den Vertretern der Privatbanken zurllckzuführen.
Es ist kein Eehcimnis, dah sich die Regierung noch weitere Mah-
nahmen vorbehalten hat. Ü. a. ist auch daran gedacht, Veleihungen
von Devisen und Effekten in Zukunft ausschlietzlich von der Geneh-
migung der Reichsbank abhängig zu machen. Für sachgemätze Durch-
führung der Verordnung der Reichsbank bürgt u. a. auch die Be-
rufung des namhaften Dr. Mannheimer von der Firma
Mendelsfohn L Cie.; das Ansehen dieses bekannten Sach-
verständigen und seine internationalen Beziehungen sind fo aner-
kannt, datz schon allein diese Nachricht eine gewisse Beruhigung
in den Finanzlreisen hervorrufen wird.

Die deiitsche VMparte! zii Severing.

Der Verbot der „Fraukfurter Nachrichten" vor dem Landtag.

Von unserer Berliner Redaktion.

Berliu. 19. April.

Die Reichstagsfraktion und die Landtagssraktion der Deut«
schen Volkspartei find heute mittag zusammengetreten, um
Lbcr die Haltung der Partei zu dem Verbot der Deutschvölkischc»
Frciheitspartei, das heute im preuhischen Landtag zur Sprache kom-
mcn soll, Stellung zu nehmen. Wie wir erfahren, wurde volle Ein»
mütigkeit erzielt in der Auffasiung, datz das Verbot nach den Be«
stimmungen des Eesetzes znm Schutz der Republik juristisch wohl
haltbar sei, datz aber das Vorgehen des Ministers Seve»
riug Lesonders im gegcnwärtigeii Zeitpunkt als politisch un»
klug angesehcn werden müsie «nd nicht gebilligt werden könne.
Dicse Aussassung vertreten auch die beiden volksparteilichen Mi-
»istcr des preuhische» Kabiuetts. Wenn vou Herrn Severing
im Prentzische» Pressedienst verbreitet wurde, datz stch das Kabi.
nett, also auch die Veiden volksparteilichen Minister, einmütig hin-
ter das Borgehen des Jnncnministcis gestellt hätten. so ist das ekne
trrefllhrende Behauptung. Die Zuftimmuuq der beiden
volksparteilichen Minister bezag stch uur auf die formal-juristisch«
Seite des Vorgehens, nicht aus die politische. Bei der heu»
tige» Auosprache im Landtag wird auch das Verbot der «Frank»
sorter Nachrichten" vou dem volksparteilichen Redner zur Sprache
gebracht werde».

Lin Sieg wie isi«!

Der Reisebericht der sranzöfischen Minister über das Ruhrgebiet.

Don unserem L-Korrespondenten.

Paris, 1g. April.

Die beiden französischen Minlster Delasteyrie und Le
Trocquer, die heute morgen nach Paris zurückkehrten, beeilten
sich, den Zeitungen ausführliche Erklärungen über die bedeutfameu
„Erfolge", Lie si« im Ruhrgebiet festistellen konnteni zu Lbergcben.
Delasteyrie führte aus, datz man ansänglich im R'uhrgebiet keine
Einnahmen hatte, weil die Deutschen die Einrichtung der Ausfuhr-
erlaubnisschcine nicht in Anspruch nahmen. Vom 7. dis 20. Februar
erzielte man an Ausfuhrabgaben 2640 Fr., vom 20. Lis 28. Februar
schon 94 016 Fr., vom 1. bis 10. März 213 635 Fr., vom 10. üis
20. März 304 385 Fr., vom 20. bis 31. März 432 335 Fr. Ausführ-
licher als auf die Erfolge, die Frankreich erzielt haben will, ginz
Delasteyrie, was er anischeinend auch als einen Erfolg seiner
Reise hinstellen möchte, auf die Ausgaben ein, die Deutschland zu
tragen hat sowie aus die Erhö-hung der Reichsschuld seit dem
1. Fanuar. Sodann verbreitete er sich ausführlich über das Mitz-
lingen Ler Dollaranleihe und zog aus all dem den Schlutz, Latz
Deutschland nicht endlos lange wevde WiLerstand leisten können.
Die Mark könne in einigen Tagen zusammenbrechen und Deutschland
mützte Lann gestehen, datz es endgültig besiegt sei. Franzofen und
Belgier seien entschlossen, den „Sieg" so wie im Iahre 1918 zu er-
langen. (!) LeTrocquer ftellte in seinen Erklärungen gegen-
über den Zeitungsvertretern fest, datz sich der ALtransport von
Kohlen und KoLs täglich vermehre. Eestern seien es 8650 Tonnen
gewesen, in acht Tagen werden es 10 000 Tonnen sein. Man werde
sogar auf 12 000 Tonnen gelangen können. Die Transportverhält-
nifse hätten sich sehr verbessert und auch die Deutischen benutztcn
bererts di« Eisenbahn. Jn Esien habe man in der letzten Woche
etwa 60 Fahrkarten verkauft. (Le Trocquer unterlätzt zu sagen,
wieviel cs vor dei Nuhrbesetzung waren.) Vorgestern verkaufte man
233 und gestern in Trier 1500.

Wenigcr rostg als die beiden Minister sieht der Berichterstatter
dcr „Information" in Düsseldorf die Lage an. Er behauptet, datz
man erst gewisie Einnahmen in Aussicht habe. Da man im Ruhr-
gebiet nationale Zwecke verfolge (was nachdrücklich fest-
zuhalten ist), so könnte man nach den anfänglichen „Jrrtümern"
trachten, zu Lesseren Verhältnisien zu gelangen. Wenn man die
Kohlentransporte fortsetzen wolle, müsie man die Truppenbestände
vcrjtärken. Wenn man die Durchschmuggelung von Waren durch
das Ruhrgebiet verhindern wolle, müsie man die Zahl der Zoll-
beamten erhöhen. Nachdrücklich wendet sich der Berichterstatter
gegen die schrittweise Räumung desRnhrgebiets.
Entweder man halte dieses in Händen oder man halte dieses nicht
in Händen. Zonenweise könne das Ruhrgebiet nicht au-fgegeben
werden, vielmehr müsie die Räumung in der Weise erfolgen, datz
zuerst die Bergwerke, sodann die Zollposten und in letzter Linie die
Eisenbahnen aufgegeben werden.

Wahnwihrge Ttrafen.

KölU, 19. April. Nach einer Meldung der „Kölnischen Zeitung"
aus Eochem standen drei Steinbrucharbeiter vor dem
französischen Kriegsgericht unter der Anklage, Len Wasicr-
turm, den die Franzosen besetzt hatten, mitSteinen beworfen
zu haben. Sie sagten aus, ein Stein sei ihnen entglitten und fort-
gerollt. Das Urteil lautete gegen den einen nicht erschienenen
Arbeiter auf lebenslängliche Zwangsarbeit und gegen
zwei aufjelOIahreZwaygsarbeit,

Sie Lage ist ernst.

Während man sich in Paris über die Politik des verschärste«
Druckes unterhält und aus immer neue Cewaltakte sinnt, um Deutsch-
lands entschlossenen Abwehrwillcn zu Boden zu zwingen, hat stch
der Reichstag mit einer Ruhe und Sachlichkeit, die nicht hoch genug
anzuerkennen ist, in einer grotzen und grotzzügigen dreitägigen
Debatt« um die LLsung der unhaltbaren Zustände demüht, die durch
das Vorgshen der Franzosen an der Ruhr herausbeschworen wordep
find. Das Ausland ist, wie sich aus den vorliegendcn ausländischen
Pressestimmen erkennen ILtzt, mit dem Ergebnis der autzenpolitischer
Ausisprache nicht sonderlich zufrieden, wir unsererfeits haben nm sa
mehr Anlatz zur Zufriedenheit. Es ist nicht oft vorgekommen, daf
eins grotze politlsche Aussprach« auf «inem geistig so hohen Niveau
stch bewegte« wie dies der Reichstag in den letzten drei Tagen ge»
zeigt hat. Es ist für die parlamentarische Selbstdisziplin, an der
cs uns leider in der ganzen letzten Zeit in so bedauerlichem Matze
gefehlt hat, ein schönes Zeugnis, datz die Debatte ohne einen Mitz».
ton verlaufen konnte, ohne die Men Tumultfzenen, ohne das pein»?
liche Schauspiel von fonst zu Lieten, das uns im Auslande so un,
endlich geschadet hat, und das den Elauben an die deutsche Eini"^
keit und Entschlossenheit nie so recht hat aufkommen lasien. Das
Ausland mag enttäuscht sein, datz die überspannten Erwartungen,?
die man in Lezug auf die Reparationen hegte, nicht in Erfüllung
gegangen sind. Darüber, datz alle Parteien des Reichstages und
das ganze deutsche Volk eine geschlosiene Front bilden gegenüber
den politischen Vergewaltigungsversuchen von autzen, datz es in bezug
auf die Ruhr, den Rhein und den ganzen Westen, wie auch den
Südwesten und Südosten wie den Osten Deutschlands keine Deute«
lcien und kein Kompromisieln gibt, kann man im Auslande
nach dem Verlaufe der Reichstagsde-batte auch nicht mehr einen
einzigen Augenblick im Zweifel sein. Meinungsvetschiedenheiten,
wie sie früher zum Ausdruck gekommen sind, sind verstummt, die Not
der Zeit hat auch die erbittertsten Eegncr auf eine zemeinsame
Linie zusammengeführt. Es ist von keinem Redner der Rechten
schärfer und unzweildeutiger zum Ausdruck gebracht worden, datz die
Rheinlande deutsch Lleiben und vor der französischen Hinterhalts«
politik goschützt bleiben müsien, als von dem Links-Sozialdemokraten
Vreitscheid, und es ist noch nie vorgekommen, datz ein Redner
von der ansgesprochenen Eigenart Helfferichs stch auf die sozial»
demokratischen Sprecher Müller und Breitscheid Lerufe«
konnte, als Zeugen dafür, datz der xasstve Widerstand Lis zum End-
zlel wekde durchgeführt werden müssen, dem Ziele der Befreiung
des Ruhrgebietes und Ker Sicherheit unferer Rheinlande.

Eegenüber diesem erfreulichen und wirklich positiven ErgeLnis
verschlägt es nichts, datz Lber die Ziele unserer ausmärtiaen Politik
oder Lesier über den Erad der Aktivität unserer Autzenpolitik
die Meinungen innerhalb der Parteien etwas auseinandergingen,
das sind Dinge von sekundärer Bedeutung: Hauptsache ist auch hier,
datz über die Frage der Bsreitwilligkeit von deutscher Seite ehrlich
und mit bestem Willen alle Kräfte fllr eine Lösung des Reparations-
konfliktes einzusetzen, vollständige Einmütigkeit bei allen Parteien
bestand- Der Erfüllungswille ist 'da, aber die Erfüllungspolitik,
die wir in Zukunft betreiben wollen, ist doch von ei.ier so ganz
anderen Struktur, als die unter der Aera Wirth. Es ist kein«
Erfüllungspolitik ins Uferlofe, kein Stimmen in wcltenferne Un-
gründe^ es ist eine Erfüllungspolitik, die an ganz bestimmte Voraus-
setzungen geknüpft ist, Lie auf festem Erund und Bodcn steht, ein«
Politik, die der Autzenwelt von vornherein Ziel und Grenze zeigt,
ihr «in „Vis hierher und nicht weiter" zuruft. GeraLe weil man
im Auslande sich der' Hoffnung hingegeben hat, man könne durch
Entgegenkommen an die franMschen Aspirationen auf di« Rhein-
lande vielleicht einen Ausweg aus den Schwierigkeiten finden, ist
die entfchlossene Einmütigkeit, die der Reichstag diefen Bestrebungen
entgegengesetzt hat, doppelt zu begrlltzen. Der Reichstag bekennt
sich heute fester als je zu dem Erundsatz, >den der foztaldemokratische
Abgeordnete Dr. David im Januar, als der Reichstag zum ersten
Male zum Ruhreinbruch der Franzosen Stellung zu nehmen h-atte,
in die Formel kleidete: „Will man Reparationen, die kann man
haben, will man die Rheinlande, dann gibt es nur ein entschie-
denes Nein."

So klar unsere Stellung in der erneuten Bekräftigung des
Abwehrwillens zum Ausdruck gekommen ist, so klar ist sie aber auch
in der Fraze der Rcparationen. Wir sind zum Entgegenkommen
bis an die Erenze des Möglichen bereit; das klang immer wieder
aus allen Reden aller Parteiführer, das war Las Echo dessen, was
dcr Autzenminister bereits in seiner Erklärung zum Aus-druck ge-
bracht hatte. Man kann dem Ausland vernünftigerweis« nicht weiter
entgegenkommey, als es vom deutschen Parlament, insbesondere
auch in der Rede des volksparteilichen Führers Dr. Stresemann
gcschehen ist. Dr. Stresemann fatzte das ganze Reparationsproblem
da an. wo es einzig und allein angefatzt werden mutz, vom wirt-
schaftlichen Standpunkt aus, und rief die Wirlfchaftler der ganzen
Welt, auch di« Frankreichs, auf gegen die hirnmatte Temperaments-
politik Poincarss. Er wies nach, datz alles Eerede über die deut-
schen Reparationsverpflichtungen eitel Eeschwätz sei und blei-ben
müsse, solange nicht über die Erundfrage, die deutsche Leistungs-
fähtgkeit sekbst, eine Einigung crzielt sei. Er warnte vor allem
Experimentieren in der Lust uwd suchte die Diskussion wieder auf
den Boden der praktischen Wirklichkeit und der realen Tatsachen
zurückzuführen, von denen die Politiker des Auslandes sich immer
mehr entsernen, je mehr sie sich um eine gewaltlose Lösung des
Reparattonsproblems bemü-hen. Er spielte sehr wirkungsvoll
Vonar Law gegen Potncare aus, indem er darauf hinwies.
dah auf der letzten Pariscr Kynferenz der englische Premierminister
selber die Ansicht vertreten habe, datz die erste Frage nicht die sc^
was Frankreich fordere, sondern was Deutschland leisten kön»
Wenn di« heutige englisch« Politil so konsequent HOndeltez wi« do
 
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