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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#1007

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I^E.Badi IchePoft" erscheint wöchentl. siebeumal. Be>la»en: Didaskali«kSonnt.) — I
I »»t«rdalt«ng»blattkMoTrtaa«,-Litrratnrblatt-0ochsch«-lbettageimonatlich). j
^«nverlangt« BettrLg« ohne Berantwortung. Nückienduna nvr, wenn Porto betltegt. I

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Landelsblatt

Voltschech.Monto r Srankfart a. M. V141S

Soiinerstag, deu 14, Zunl 1SA

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Lin unversrorenes Liigenmanöver.

Die Havasdepeschc Lber deu englischen Ministerrat ersunden.

Donunserem 8-Korrespondenten.

Paris, 13- Juni.

. Es stellt stch jetzt heraus, dah di« gestern morgen von der ze-
dtlnten franMischen Presse verössentüchte Havasdepesche edenso
die der Agentur Radio und der franizöstschen Korrespondenten in
«ondon über die angebliche Entscheidung des vorgestrigen englischen
ACblnettsrates, von DeuMIand nicht die Aufcab« des passiven
Viderstandes zu fordern, eine ganz große Mystifikation
M. Damit wären Lann auch alle daran gelniipften höchst alarmieren-
?°n Kommentare der Pariser Zeitungen, so hritzt es heute, eigentüch
dinfLllig.

- Diese ganzs wirklich höchst sonderbare Angelegenheit stellt
jjch heute morgen folgendermatzen heraus: Den ganzen gestrigen
^ienslag hindurch warieie man ans dem Quai d' Qrsay aus eine
?Nitliche Bestätignng des Havastelegramms Dicse büeb aus, und
^olgedesten emvsahlen die gestrigen ALendLIätter ihren Lesern anf
r^effung der Reg.iernng ganz !m Degensatz zur Morgenpresse die
»rützte Zurückhaltung. Endüch, um 4 llhr nachmittags. also
einer Zeit als die Abendblatlcr langst evschienen waren. erfolgte
telesonischer Anruf des Botschasiers St. Äulaire aus London,
xjn formelles Dementi der Havasmeldung seitens
Foreign Office mitieilte, und das Telegrawm der Agentur Havas
eine glatte Erfindung bczeichnete. Bis 8 llhr abends
Mvb dann wiederum je>de weitere Mittsilung aus. Endüch tn später
«bendstunke verbreitete Hanas selbst ein Dementl, datz das eng-
jische Kabinett nöch gar ckeine Entscheidung ge-
>r°ffen habe. also die ganze Ausregung gestern movgen sei umlonst
Nw«stn, die Tür zu V erha nd l u ng e n i st, wie der „Newyorl
Horald" heute morq-en frendiq mitteilt, nicht zugeschlagen
^ord«n, sondern bleibt weiter osfen.

Man sollte tatsachlich diesen Vorgang mckit für möglich halten,
?en>r man die Methoden solck.er Agenturen wie Zavas nicht genau
Unt, und nicht wützte, welch politische Zwecke sie nur zu ost mit
Ahen Manöve<rn beabstchtigen. Es ist allerdings ein aanz autzer-
Aentlich starkes Stück. was sie gestern der Welt aebvt-en haben,
?oer «s ist ebenso unmöglich, die ebenso plumve Erklärung, die
s^rte morgen gegeben wird, gleichfalls leichtglSuibig hinzunehmen.
?^r Eeqensatz zwischen Paris und Lündon kann gar nicht besser
trefsender getennzeichnet werden als durch dieses Havasmanöoer.
^ser andererseits ist es heute moraen mit einem einsachen Dementi
> >cht mehr getan. Angestchts der höchst gespannten internationalen Lag«
!??nte dieses Dementi rmmögüch 24 Stmrden ani sich wartcn lassen,
es tatsächlich der Fall gewesen ist. serner aber ist es nicht nur
N>»as allein gewssen, die die jctzt als Falschmekdnng bezeichnete
»^chricht verbreitet hat, und noch dazu in einer so Lestimmten Form,
M«n d'« gleiche Mcbdnna ist gleichzeitig von einer grotzen
Kih^ a-nderer Stellen weüergegeben worden. nnd schüetzlich ist die
Mastung des heutigen Dementis derart. datz man zwischen den
§°'len antzerordentlich viel lssen kann. Es ist schwer zu erkcnnen,
?°Ich«r vraktisch« dauernde Erfolg m!t diesem Manöver der Havas
anderen Agenturen angestrebt werden sollt«, denn gerade. weil
U . Matin" beute morgen meint. e« babe stck vwlleickt uw. ein ae-
^?>ckt«s Börsanmanöoer gehandelt könnie man geneigt sein, das
rAenteil davon anzunehmen. ein einiaches Pörsenwanöver war diese
»i^iichmeldung ebensowenig w'« e!ne bowutzte Irresührung tcr öfsent-
./oen Meinung. durch Lord d'A bernon . wie das ..Iournal" heute
d^eutet. Iedenfalls lönnte der klafsende Widersvruch Mi-schen Paris
London und di« aasvannte diplamatisck» Lage zwiscken den ein-
»,!»en Eruppen der Alliierten aar nicht aussälliger beleuchtet wer «n.
Dina« li-egen heute in Parie so, datz Ler Starrsinn Poin-
6 s Frankreich in eine schwierige diplomatische Lage
hat, aus welch-er ein Ausweg um so nnbeqnemer erscheint,
der Widersvruch im eigenen Lande iniolg« d«s Erkennens des
^ligen Scheiterns der Ruhraktion immer stärker

Der S«nator Albert er-nnerh imOeuvrs heute BoincarS
Uc.öie Worte des Sallust. datz von den Grotzen in der Welt nur die
^'Unsiung <rn ihre letzten Tag« bleibt.

^ein Ergebm's des enMKen Miisterrat».

Schwierigkeit der Berhältnistc verlangt reifkiche Ucberlegung.
Von unserem -Korrespondenten.

Blätter stell-n

London, 13. Iuni.
datz der gestrige
sse ge-

h in der

^ . 1-^ - - , - -..... die Adtzchi

s^he, di« Entwicklung zu iiberstürzen. In de: Tat sind dre Dinge
,Mar dahin gelang-t, Latz Parts und London stch gegeniseitig
, ^ine NervenProbe stellen. wobei auf englischer «site immer nach
».stille Hossnung bestehen mag, datz die ösfentliche Meinung in
^krcjch endlich doch etnmal zur Vesinnung kommen und a-us die
^Nt-wsrtlichen Pevsönüchkeiten in der einen oder anderen- Weise
Druck ausüben werde. Die heutigen Ansführungen der Lon-
Regierunasblätter stnd untcr d'-esem Gestchtspun»te zu Le-
ichlleg, es wird Mlt sein, ihre sachüche Bedsutung nicht zu

^chätzen Di« „Times" gi-bt zu. datz die Verhältn > sse in

>z"tschland eine schnelle Entscheidung dringend
-^schenswert machen, aber andererseits sei d>e Derani-
tst^ng. bie auf Ler engüschen Regierung last«. so grotz. datz noch
»j.üe Zeit bis zu einem endgültigen Beschlusse vergehen konnte.
m. Tchwierigkeiten tönnten jetzt nicht durch ei-ne überstllrzl« Fest-
scharser MLlNunqs-oerschiedenheiten beseitigt werden.

»„ Sür r>,ie «uglische Oessentlichkeit sei es schw-er, stch über den pas-
st, Widerstand ein Lestimmtes Urteil zu bilden, und überdies
iLst't Ratschläge von außen her über die Berechtig-ung oder Unbe-
-i styung einer Aktion, die in nationalen Eefühlen ihre W ir-
ii!?be, aur wenig Wert. Aus jeden Fall aber könnte die eng-
Reqierung keineswegs zugeben. datz der
-ts»„ verbrecherischer Natur sei.

reichs inGefahrLringe. Unter de« augenblicklichen Ver-
HSltnisten aber handle es stch um die praktische Frage, ob der Kon-
slikt so weit beseitigt wevden könnte, datz eine wirtschastliche Einizung
möglich wäre. Das Schümme sei nur, dah die Meinungcn in Deutsch-
land und in Frankreich gleich stark seien. Das Kabinett Cuno
sei aus den Widerstand festgelegt, und die letzte Rede Cunos scheine
eine neue Bekräftigung siir dieses Prinzip zu enthalten. Ieder
Lerechtigte Mechs-el oder Umschwung in einem der beiden Länder
könnte zur llnstabiütät führen, und unter den gegenwärtigen kon-
fufen Verhältnissen, die in Deutschland Lestehcn, würde dies für
Deutschland weit ernstere Folgen haben als für Frankreich. Aus
diesen vorstchtig formulierten Andeutungen, die in der Hauptsache
zwischen den Zeilen gelesen sein wollen, zieht d-ie „Times" abermals
die Folgerunz, datz die englische Regierung jeden ihrer
Schritte mit grötzter Sorgfalt auf seine möglichen
Konsequenzen prüfen müste, e-benso wic auch im „Daily
Telegraph" Zeitgewinn gesorderi wird, ofsenlar da auch Paris
selbst nicht die geringste Eile zu hacken scheine. In der Frage des
Widerstandes könnte England auf Verlin keinen Druck ausüben,
wenn es nicht gleichzeitig auch für Deutschlan-d einige Vorteile
oder Zugeständnisse airbieten könnte. Andererseits wolle Eng-
land keine separate Politik aufftellen, so lange nicht all« Mögüch-
keiten für eine gememsame Erunidlag« erschöpft seien. Es entstehe
also vorläuifig die Frage, ob d!e englische Regierung ge-
nötigt sein werde, in einer formalen Note an die
Alliierten ihre Auffassung mitzuteilen, wonach das
deutsch« Memorandum einen geeigneten Ausgangspunkt für Verhand-
lungen bilde. Die Diplomatie der Monologe müste nun endüch e'nmal
aufhören und ein entschiedenes Nein von seiten eines
Alliierten sollte England nicht länger abhalten,
mit einem «benso entschiedenen Ia zu antworten.

Aaliea geht mit England.

LouLon. 18. Juni. Der römische Verichterstatter der „Times"
schreibt, es sei ihm von einem Mitglied des Auswärtigen Amtes mit-
geteilt worden, datz die Haltung Jtaliens aeaeni'.ber der Er-
örterung der deutschen Note sich der von Erotzbritannien angenom-
menen anschüetzen werde. Dem Berichteistatter zufolge hat die ita-
lienische Regierung sobwohl die französtsche Negierung immer noch
darauf hofft. ste dazu Lberreden zu können), nicht zugestimmt, stch
Frankreich bei dem Verlangen aus forfortige Einstellung des pas-
siven Widerstande« als VorLedingung weiterer Erörterung
anzuschlietzen.

Aeue Mordtaten.

Das Martqrium der Dortmunder Bevölkerung.

Dortmund, 13. Zumi.

Nach den bisherigen Feststellungen haben die Besatzungstruppen
di« Verhängung des Belagerungszustandes zu schweren Ausschrei-
tungen und Rachetaten gegen die friedliche Bevölkerung Lenutzt, di«
an dem Tod der beiden französischen Soldaten oöllig unbe-
teiligt ist. Es ist bisher noch nicht ausgeklärt, auf welche Weise
die beid-en franzöftschen Unteroffiziere erschoften wurden. Es konnte
auch nicht bewiesen werden, datz die Täter ü-berhaupt Deutsch« sind.
Die Stadtverrvaltung tat alles, um den Befehl betreffend die Ver-
hängung der Stratzensperre so schnell wie möglich der Bevölkerung
bekannt zn geben. Nach Lage der Dinge konnte aber derjenige Teil
der Bevölkerung nicht mehr unterrichtet werden, der den Sonntaz
zu einem Erholungsausflug in die Umgebung von Dortmund benutzt
hatte. Die Besatzungstrnppen hatten am Sonntag aber vor allem
die Zligänge zur Stadt durch stärkere Postierungen abg-sfperrt und
jüden, der ohne Ausweis angetroffen wurde, festgehalten. Vei Ler
Festnahme und während der Inhaftierung wurde eine grotze Zahl
Männer und Frauen, wie aus Zeugenaussazen hervorgeht, von
französischen Offizieren und Soldatcn schwer mitz-
handelt. Jnsbesondere spieüe Lei den Mitzhandlungen die
Reitpeitsche der Franzosen wieder eine grotze Rolle. An den
verkehrsreichsten Pun-kten der Stadt trieben die Soldaten die Ein-
wohnrr vor sich her. Dabei kam es ebensalls zu Mitzhandlllngen.
Ein Augenzeuge erklärte. datz ein französischer Offizier

mitzweiRevoloerschüsseneinenaltenManntotete

und auf zwei weitere Pcrsonen schotz.

Der schon vier Taqe andauernde Belagerungszustand, der über
diese Stadt von 5V0VV0 Einwohnern verhängt wurde, hat bereits
aewaltige Störungen des gesamten Wirtschafts-
lebens zur Folge. Alle Mäzlichreiten für einen geregelten
Eeschäftsaang sind unterbunden. Acchlreiche Arbeiter und Angestellte,
die cmtzerhalb der Stadt wohnen, können die Wohnung vor Beginn
der Berkel/rsfperre nicht mehr erreichen. Es besteht ferner keine
Möalichkeit. nach 9 llhr abends einen Arzt an ein Krankenbett zu
rufen Allch d-i« Lebensmittelversorgung gerat :mmer
mehr'ins Stocken, da d!e Verkäilfer wcgen der grotzen llnftcherheit
nichts mehr auf den Markt bringen. Wie nunmehr festgestellt ist,
haben die Franzosen aus der Re - chsbank !n Dortmund
etwa eine Milliarde geraubt. Am Dicnstag wurde ferner
noch e!n deutschcr Polizeibeamter von den Franzosen
e r s ch o s s« n.

*

Recklinahausen. 13. Iuni. Der 21jährige Kalkfmann MSll« rs.
der von einer Gefchaftstour nach Dortmund zurückkehvte und ohn«
Kenntnis der Berkehrssperre durch di« Stratzen ging, wurde, wie
bereits gemeldet, ohne Anrus angeschossen. Er lag brei Stunden
schwerverletzt an einer Stratzenecke. ohne dah ihm ärztliche oder geist-
liche Hilfe, wonach er verlangte. zuteil wnrde. Er verstarb auch
fo auf der Straße.

Eii, iieiies Todesmteil.

Von unserem N-Korrespondenten

Paris, 13. Juni. Ein Zngenieur der Badischen
lnilinfabrik. namcns Sorge. welcher bet einem Sabotage-
kt betrofsen wurde nnd in deften Besttz Explofivftosse gesunden wur-
en, ist von dem Mainzer Kriegsgericht zumTod-
erurteilt wordcn. Er soll ein Eeftändnis abgelegt haben.

Sie sranzösischen Zchisten.

Von unserem Pariser U-Korrespondent«,.

Paris, lden 12. Iuni 1923.

Um bie Narrheiten zu verstehen, di« im der letzten Woche d«l
Eesprächsstoff in Paris LilLLten, mutz man in das Zahr 1917
zurllckgreisen. Die militärffche urkd die innerpolitisch« Lag« Franck»
reichs war verAweise-lt. Die Regimenter weigerten sich, den mörderisch
breinschlagenden deutschen Eeschossen nutzlos geopsert zu werden.
Man mutzte eine Anzahl von Auswieglern hinrichten, and«s
in die afrikanischrn Strafiolonien abischieben, unzuverlässig« Kampf.
einheiten zurückziehen. Jn Paris hervscht« Unriche: das Kabinett
Painlevö war einem royalistischen Komplott auf die Spur gekomme«
und schickte sich an, die Rädelsführer, den jetzigen ALgeordneten Leon
Daudet uiÄ> den Ehe-fredakteur der „Action Francaffe" ThaiK»
Maurras verhaften zu laften. Man hatt« geheime Waffenlagsr
und Listen der.^uverlWgen" Regimenter entdeckt, dte den royali.
sti-schen Puisch mitzumachen bere-it waren. Aber aus Deutschlan-d lam
den Royalisten unzeitgemätze Hilfe («s wird noch in anderem Zu-
sammenhang gegeigt werden, wie ungeschickt ein Teil einer gewiften
deut-schen Ppefte in Berlin und Frankfurt manöverierte). Eine
mächtige Hand vechindert« Painlevö. mit den Roya-
l i st e n fertig zu wevden, und ein paar Tage später war er gestürzt
und durch Clemenceau ersetzt, der sofort mit den Leuten der
„Action Francaise" Hand in Hand ging und seinen einstigen Partei-
genoften von der radikalen Linken, Maloy Taillaux, d«n
Prryetz machte, weil sie angebüch Frarrkieich an Deutschland ver-
raten und die pazffistische Bewegung, wi« ste sich in den Soldaten-
meutereien .kumdgaü, Legünstigt hätten.

Von dieser Zeit an fühlten sich die Royaüsten. Clemenceau
war die Asfär« Dreyfutz und sein gegen di« Kirche gerichteter
Kampf verziehen. es war der Eott. zu dem di« Klerikalen beteten.
Für Poincar 4 hatten fi« besonders stavke Danlbarkeitszefühl«,
di« noch immer vorhalten — feine getreuesten Stlltzen in der Kammer
befitzt er bei den royalistischen Abgeordneten, di« War nur em
Dutzend Sitze innchaben, aber in Leon Daudet einen lungckräf-
tigen Führer besttzen, der jeden Gsgner med-.rbrüllt und der di«
patriotisch« Trommel stets so stark zu rühren weitz, datz stch autzer den
Kommunisten und Sozialfften schwerüch jemand seiner Führerschaft
zu enlziehen wagt. (Höchstens noch B r i a nd, den Da ud e t leiden-
schastlich Lekänrpft und beschimpft.) Di« Tyrannei, di« di« „Action
franyaise" und deren Anhang ausübt, fft ungeheuer. Si« hat den
Vorzug, in Daudet einen Polemiker von geradezu nervenauf-
peiffchender Frechheit und in Maurras einen Stiüsten von un.
heimlicher Eewalt zu besttzen, dem in der heutigen fvanzösifche«
Zeitungsliteratur stcherüch niemand gleichkommt. Das ist kein vnbe.
dingtes Lob, weil die Pariser Joilrnaü-stik von heute aus «inen im-
glaublich niedrigen Siand geriet. Aber nicht nur relativ, son>dern
auch absolut fft Maurras ein Meister des Stils, deften llnver-
srorenheit freilich von keinerlei Bed-enken angekränkelt ist.

Mussolinis Vorbild stieg Maurras zu Kopf«. Wa: dieser
seiner Eegner durch Amvend-ung von Rizinusöl Herr geworLen, so
glaubte Maurras, datz er dasselb« wagen könn«. Er vergitzt nur,
datz der Jtaüen-or sprachgewaltig fft, während er nur schriftgewalt>ig
ist, da vollkommene Taubhe-it ihn zum politischen Agitator zrotzem
Stils uiigeeignet erscheinen lätzt. Aber durch seine Artibel übte er
di« Macht über seine Anhänger in weitgehendem Matze aus, und
jeder Befehl, den er erteilt, wird blimd Lefolgt. Zunächst bearbeiteien
die ,/Laufburschen des Königs" (Camelots du Roy) ihrs Gegner mit
Stöcken. dreimal drangen ste in d!e Druckereien feiädüch-er Dlätter
(„Oeuvre". „Ere Nouvelle", „Populaire") ei-n und zerstörlen cinen
Teil Ler Setzmaschinen. Die Zustiz sch-eint ftch milde erwiesen zu
l-aben und dies ermutigie Maurras zu weiterem Vorgehen Al»
vorige Woche ein paar radikalsoziali-sti-sche und soziaüstffch« Abge-
ordnete in Paris eine Versammlung abhalten sollten, um gegen das
immer mehr um fich zreifende Treiben der Royalisten zu protestieren,
lauerten ihnen „Camelots du Roy" vor ihren Wohnungen aus, be.
zoften den einen mit Pech, Len anderen mit violetter Tinte («r heitzt
Violette), dem dritten flöh-ten fie Rizinusöl ein und alle drei wnrden
autzerdem durch Stockhiebe verletzt. In der Kammer riescn d,«<fe
Nachrichten ungeheure Anfrogung hervor, die man aber nur sch-wer
begreffen kann. Denn seit ihrem Bcsiand« hatte ste stch an alle«
royalistischen Riipe-leieil so sehr vevguüot, hatte stc dem Austrete«
Daudet so begeistert Beifall ge-klatscht, daß ihr plötzlicher Um-fall
Daudet am meisten Merraschte, der sich plötzüch vereinsamt sah,
als alles mit Keulenhieben aus ihn einhieb nnd jedermann betonen
zu müssen glanbte, datz ein treues repub-ükanisches Herz in seiner
Brnst schlage. Und in d!e republikanisch« Hymne stimmte auch ein
Mitgüed des Kabinetts Poincars ein, obwohl dieses von Sym-
pathien für die Royalisten ntzht gerade frei ist. Man hätte an eine
reinliche Scheidung der Geister glauben können — hi« Repub-übaner,
-da Royalisten. ^ .

An dem Frei-tag. da diese Debatte stattfand, war Poincar«
von Paris abwesend, La er gerade im Effatz ein« Rede hi-elt. Eo
blisb es ihm erspart, Erklävungen ab.zugeben, di« des:Jnnenminister
Maunour» in streng repu-bü-kanischem Eeiste machte, wobei er
sogar ailMhrt«. datz d>« Polizei einem über ganzFrankreich
ausaedehnten royalistischen Komplott aus dic Spur
qekommen sei. Aber sofort nach Poincarss Rückkehr nach Par!»
scheint der Wind umgeschlagen zu haben. Im stenogvaphischen Proto-
koll las man nichts mehr von einem royaüstffchen Komplott, sondern
von einer „Organisation". was wirklich kein« Enthüllung war, da
jedermann in Frankreich weitz. datz «ine „Ligue de l'Aciion srrnyailse
überall Ortsverei-n« besitzt. Das famose Komplott bosteht affo inchl
mehr; wer es zum Verschwin-den bmchte — sicherlich nicht di« Leute
der „Action franyai-se" ist ein unergründliches E-Heimnis. All
zu ernst braucht «s übrigens nicht genommen zu werden. Warum
sollten di« Royalisten auch mit dieser Republjik unzuzrieden sem?
Sie ist so nationalistffch wie mir möglich, uud wenn Poincaro
 
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