66. Zahrgang Nr. 169
I ,Badt sche Posi' erschcint wöchentl. siebeninal. Betlagen: DtdaSkaNa(Scmnt.) —
I Unterk>altnng»blatt (Montag»! — Llteratvrblatt —Sochschaibellagc <monatltchl.
l. "ltvcrlanate BettrLge ohae Berantworlnng. Rüchsendnn» nnr. wenn Portv betltegt.
Hekdelbergec ^zeitmlg
(Gegründet 1868)
«»d
HandeLsblatt
Vonnerstag, den 21. Ivni 192Z
HauptgcschLktsstelle u. Echrtftleitg. der.Badtschen Post'Hetdelbrrg, Hauvtstr. 23. Fernsvr. ,
Nr. 182 Verliner Pcrtrelnng: Derlin 8V 48. Ztmmerstrahe g, Fernspr gentr. «Id,-
Mttnchner B-rtr-tung: MLnchen, «eorgenstr. 107, Fernkpr. S18S7.
Vatts«rik.«o»to: Sra«kf»rt ».«. vlchl»
> »ravksurt a. M «1«1»
Suui-Bezugspreis Ler.Bad. Post' Ml.ö8iX> - (ausschl. Zuftellgebühr,. Eelbstadhol. Mk. S5(M.-. Ausland Mk. 12000—
Abdestell.werd. nur bis zum 2. jed.Mts. angcnommcn. Am 1 u.2. noch getief.Zeitungen sind nach d. Einzeloerlaufspreis zu be-
»hlen. Preis d.Cinzelnvmmrr Mk.SOO -. Jst dieZeitnng am Erschclncn vcrhindert.beftcht kein Anspruch aufEntschädigung
Anzeigcuprcisc: die44 mm breite Nonpareillezeile kosteti tokale Stellengesuche Mi.SS i . ll.Gelegenhcitsanzcigen Ml 2S0.-,
Familienanzeigen Mk 400.—. Geschästsanzeigen Mk.SOO—, Finanz- unü JnLustrieanzeigen Mk. 600.-,mit Platzvorschrist unö
Piontagr Mk. SO.—mchr. Die98 mm breite Reklamezeile kostet Mk.2000.—, Anzeigen und Reklamcn von auswärtr 2ö°>/° böher
Mk yoliüsche Lage.
Tiefr Klust zwischen Belgien und Frankreich.
Von unserem L-Korrefpondenten.
Paris. 20. Jimi.
Das englischc Kabineit dürfte fich in seiner heutigen
Eitzung nicht mit der Reparationsfrage beschäftigen, da
Am bis jetzt wohl eine Antwort der belgischen Regierung auf die
^inftage wcgen der Einstellung des passiven Widerstandiö im Ruhr-
Sebiet xukam, aber keine des französischen Kabinetts. Alle in den
^tzten Tagen verbreiteten Nachrichten, als ob zwischen Frank-
^ejch und Belgien mit Ausnahme eines Punktes völlige
^ebereinstimmung über die an Deutschland zu stellenden
^bingungen sowie über die daraus folgsnoe Tinschränkung der
^esetzung bestehe, erwiesen sich als unrichtig. Die Kluft, die
Trankreich und Belgien in der Ruhrfrage trennt, ist
°>rf. Frankreich lietz, wie heute Pertinax im „Echo de
svaris" erklärt, nicht einmal Belgien eine schriftliche Mitteilung
°«rüber zugehen, w-.e der englische Fragebogen beantwortet weröen
Me. viclmehr beschränkte sich das Pariser Kabinett darauf, den
^nzösischen Botschafter inBrüssel. Herbette, darübsr zu
^rständigen, wie stch Frankreich di« Bcantwortung der euglischen
"nfrage vorstelle.
Man tonnle bisher rwch nicht erkennen, in wvlchem Punkte
»kanlreich unü Belgien verschiedener Ansicht gewesen wären, weil
^r Pariser Blätter hierüber nichts verlautbart haiten. Aber nach
heutigen Ausführungen von Pertinax sreht man klar und mutz
^iaren, datz dieser Punkt, in dem zwischcn Frankreich und Belgien
Widerspruch Lesteht, von grundlegender Bedeutung
dcnn Frankreich erklärt, datz es stch mit der Zurückziehung
Mer Verorvnungen, die die Reichsregierung seit dem 11. Januar
a^ietz. als äutzeres Leichen für die Einstellung des passiven Wider-
^ndes begnügen wiirde, datz es abcr gleichfalls fordert, datz die
^nltung der deutschen Beamten einen radikalen Umschwung
^sohrx- feEl müsse die Reichsregierung die Gewährung von Kre°
>?len an die Jndustriellen sowie die Zahlung der Löhne an die
! ^ikendcn Arbeiter einstellen, weil nur durch diese Suborntisnen
Fortführung des passtven Widerstandes möglich gewesen wäre.
?^er sxlbst wenn Deutschland diese Bedingungen erfüllte, würde
ic^ankreich eine Einschränkung der Besetzung, wie ste jetzt
I Aeht, nicht durchführen, und dies scheint der Punkt zu sein, in der
^ A die französische Antwort von der belgischen scheidet. Pertinax
?'lart ausdrücklich, datz von einer Wiederherstellung der „unsicht-
^en Besetzung", wie ste am 11. Januar geplant var, keine Nede
«Nd datz französische Truppen in den Bergwerken,
i? brjken und städten bleiben sollten nnd erst dann
I,^^gezogen würden, wenn Deutschland grötzere Reparaüons-
i-RUNacn vci
wäre sehr delikat, umso mehr, als Deutschland dem Völkerbuud
nicht angehört.
Hierauf gelangts der Fall Worowski zur Behandlunz. Der
Nationalrat sxrach der Regierung das Vcrtrauen aus, 'ndem er mit
93 gegen 6 sozialistische und kommunistische Stimmen den Antrag der
)eit, der im Falle Worowjki die Haltung des
Kommissionsmehrl
Bundesrats billigt,
a n n a h m.
wenn
t>Ngcn vollbracht hätte. Die Ruhrpolitik müsse erst
ken vollen materiellen Erfolg haben, der nur
eiue Nicderlage Deutschlands bekundet
r r d e.
^ Es begreift stch leicht, Latz Belgien, das in gewisser Hinficht
^ ber Reparationsfrage einen Rückweg zu England sucht,
tz „ solchen Bedingungen nicht einverstandcn sern kann. Dem
^»ssiler Korrespondenten des „Oeuvre" zufolge erklärt die belgische
i Sstrung in ihrer Beantwortung des englischen Fragebogens, datz
passtven Widerstand als eingestellt erklären würde, sobald
H ^ieichsregierung den Auftrag erteilt hätte, datz die Arbeit
aufgenommen werde Selbst wenn diesem Bcfchl keine Folge
^d'-stet würde, würden die Alliierten Deutschland daraus keinen
^krvurf machen, da sie einzelne Sabotageakte nicht als Fortdauer
tz, kassiven Widcrstandes ansehen würden, oder die Fortdaucr des
tz?diks der Eisenlmhner der Reichsregierung zur Last legen wollten.
i? Pelgier wären zufrieden, wenn sie Repara-
^^^zahlungen erhielten, um nicht anter einem nich-
b Vorwand im Ruhrgebiet bleibcn zu müssen.
Frankreich selbst wird heute über die Antwort, die Belgien nach
^ b d g ^ sandte. unterrichtet werden. Der belgische Dots.hafter
i^^arjs wird dem Quai d'Orsay den Wortlant dieser Antwort
^^Seüen.
Sie Schweiz uni» Zrankreich.
Der Rationalrat zur sranzofischen Politik.
Ber», 20. Juni.
^ ^er Nationalrat beschäftigt« sich mit dem Geschäftsbericht
»?tijchen Dspartements. Der Sozialist Erimm führte u. a.
Wenn Deutschland gesiegt hätte, dann hätte die Reaktion noch
ü/dr «ingesetzt. Nun suchr unzweifelhaft Franlreich die Vor-
üt,!chaft zu erlangen. Der srühere italieni,che Ministerpräsident
M,'? hat d«n wahren Ceist der Verträgs aufgedeckt. Die wirt-
K^vchen Znteresten werden durch dcn Militarismus ge-
^t,/lcht und diejes System wird zur Balkanisierung Europas
!dl,, Wcnn man von einer Wiederausrichtung Oesterreichs spricht,
Man nicht vergestcn, wie Oesterrcich nach Lem Zusammenbruch
e plündert wurd« unv wie man jetzt mit der Anlcihe ein
macht, deren esfektive Verzinsung aus 0,S Prozent zu stehen
In der Ruhrsrage hat die Schweiz das unzweifslhaste
Unü die Pflicht, diese Sache beim DLlkcrbund anhängig zu
d^>d,. Der dem Bölkerbund gegenüber an den Tag gelegte Opti-
dst keineswegs derechtigt. Bundesrat Motta erklarte
U- a.: Wir müsten bei der Löiung ver internationalen Auf-
st »-Uritwirken und niemand zu Liev und niemand zu Leide sein.
g,Uhraktion ist für die Schweiz ein Unzlück, abcr man mutz,
^echt zu sein, diese Aktion nicht allein, sondern im Zusammen-
Kl allen Vorgängcn der Kriegs- und Rachkriegszeit betrachten.
»>> ^olkerbund kann unter den jetzigen Umständen fast nur durch
"vralijches Cewichl wirken. Ein Lingrifs tu den RuhrksnjUkt
Sie Angst vor Deutschland.
S-nätor de Zouoenel iiber die dentsche Propagand«».
Paris, 20. Juni.
Jn der Generaldebatte über das Budget des Minisieriums für
Auswärtige Angelegenheiten im Senat ergriss Senator de 2 ou -
oenel, Lhejreeakteur des „Matin", Las Wort, um die Aufmerk-
samkeit auf die Entwicklung der deutschen Propaganda
zu lenken. Deutjchland jei im Begriff, durch jeine Propaganta cin
wahrhaftes Attentat gegen den menjchlichen Geist (!!)
zuunternehmen. Es betrachte dief« Propaganda als di« einzige
Waffe, die ihm augenblicklich bleibe, um seine Revanche vorzu-
bereiten. Die deutjche Propaganda habe Las Ziel, die Völker zu
z hypnotisieron. Nach Professor Plenge suche es gewisse Cedanken,
wie Len res sranMschen MiUiarismus, in Mod« zu bringen.
Deutschland oerleumLe den Gegner (!!!). Es ge-be Lort ral-
sächlich einen offizillen Unterricht in Ler Täuschung ('??). Schulen
für Reisend« Les Cermanismus seien geschaffen woicen, damit im
AuslanLe der deutsche EeLawke und di« Leutschen Lügen unterge-
Lracht werden könnten. Jeder Teil Deutschlands sei für einen
anderen Teil der Welt in Bezug auf Lie Propaganda oricntiert
worden. Ueber allen stehe das Autzenmlnisterium, ein wllrdiges
Mintsterium der Propaganda. Die deutsche PropaganLa
mache die gesamte Auhenpolitik Deutfchlands aus, unL Las jei eine
richtig« Aufsassung. In der modernen Welt müsse die Diplomatie
auf die gesamt« öffentliche Meinung einwirken. Im JuU 1922 hätten
sich 95 Prozent der deutfchen Propagandagefellschaften zu einem
einzigenKartell vereinigt. Das fei eine ungeiheure Kraft für das
natiomrle Werk Deutschlands im Auslande. In Frankreich
fehle es an Propagandisten (??) Die sranzöstfchen Pro-
pagandafilme könnten gegen di« der Deutsäfen nicht ankümpfen. Alle
Deutschland benachbarten Länder bssästen deutfche Minderhsiten, die
von Berlia aus geleitet würden und einen mächtigen Druck cmf die
Rogierunge» ausübten. Welches sei der Plan der üeutschen Propa-
ganda? Ein Schweizer leit« Las Zentralkomitee der deutschen Pro-
pagandagefellfchaften. Diefes Komitee gebe sich fälfchlicherweife den
Anschein Ler Unparteilichteit. Jm Augenblick verjuche die deutsche
ProxaganLa, auf die Presse der alliierten Länder einzuwirken. Wegen
Erhöhung Les WechselLurses habe Lie sranzösische Agentur Havas
ihren Dienst in Amerita einfchränken oder vollkommen aufhcben
müsten, währenddessen Deutfchland überall neue Jnsormatiolisdienste
fchasfe. Eine unter dem englischen Namen segelnde Leutsche Nach-
richlenagentur Ilnited Telegraxh beginne sich ein Monopol des Nach-
richtendienstes in den meiften Ländern Luropas zu sichern. Senator
de Iouvenel oerlangt eineneueOrganijationdes fran-
zösischen Propagandadienstes und hierfür beträchtliche
Kvedite. U.m gegen die deurfche Propaganoa antämpsen zu können,
müsse man Lie franzöftsche Propaganda entwickeln. Äuf eine Zwi-
fchenbemertung erklärt Poincare: Der französtsche Nachrichten-
Lienft verfügt über ungenügende Kredite. Der Senat und der Kam-
merausschutz für Auswärtige Angelegenheiten hätten ihre Aufmerk-
sainkeit bereits Larauf gelenkt. Hierans wird die allgemeine Dis-
kustion Lber Las Budget Les Ministeri-ums für auswärtige Angslegen-
heiken gefchlosten und in di« Beratung Ler Einzeltitel eingetreten.
Bei Len Krediten für die ftanzöstsche Botschast beim Vatikan oer-
langt, wie angcUndigt, Senator Börard einen sormalen Abstrich
von 1000 Franken, um die Unzuftiedenheit der Finanzkommission
mit Ler Beibehaltung dieses üiplomatischen Postens zum Ausdruck
zu bringen. Ministerpräjident Poincarh stellte darauf die Ver-
trauensfrage, worauf der Senat den Kredit sür die Botsck-ast beim
VatiLan mit 170 gegen 117 Stimmen angenommen hat.
Sie belgische KrW.
Theunis stötzt auf Schwierigkriten der Kaütilettsbildung.
Von unserem tt.Korrespondenten
Pario, 20. Juni.
Die belgische Ministerkrisis schleppt sich sort.
Jrgend ein Lrgebnis hatten die gestrigen Befprechungen zwischen
Theunis und verschiedenen liberaten und katholijchen Fiihrern
nicht. Es gilt als nicht ausgeschlossen, üatz Theunis heute wird dem
Künig mitteilen müssen, er sei nlcht in der Lage, das Kabinett zu
bilden. Vielfach wird davon gejprochen, Latz oer katholische Führer
Carton de Wiart den Auftrag erhalten könnte, das Kabinett
zu bilden, und datz diejer eine Koalltion mit den Liberalen herbeizu-
sühren verjuchen würde. Es versteht sich oon jelbst, datz Lies in
Paris autzerordentliche Bestürzung heroorrust. Datz die Lage in
Velgien ernst ist, beweist der Umstand, datz König Albert, der am
Sonntag nach Frankreich kommen sallte, um einer Verdunseier bei-
zuwohnen, diesen Besuch wegen der Fortdauer der Ministerkrisis
abgejagt hat.
Ein MmaLum an die Türkei?
Lansanne, 20. Juni. Jn türtischen Kreisen der Kon-
ferenz wuroe heule behauptet, datz d>« frauzöstjch« Delegation, die
auf ver Anerkennung Les Dekrets von Mutarem in vollem Um-
sange beharrt, Sie Ueberrcichung einer gemeinsamen alliierten
Note mit ultimativem Eharakler an Lie türkifche Delegation vor-
fchlaze, datz dcr engl i s ch e Delegierte aber seine Zustimmung
verweigert habe. Die ftanzöjtsche Delegation Lementiert dies«
Mitt«ilung und erklärt, datz die VerhanLlun-gen gcgenwärtig zwifchen
den alliierten Staaten gcfiihrt werden, Latz jedoch leine neusn Fn°
struktionen nach Laufanne gefchickt worden seien. Es fcheint sich aber
zu bestätigen, datz die gegenwärtigen Verhanvlungen zwischen
Paris, Lonvon und Rom sich mit dem sranzösischen Vorschlag
der Entsendung einer entscheidenden Note besasten, und datz über die
Zweckmätzigkeit, den Umfang und dcn Tharakter Liejer Demarche be-
trächllich« Meinuiigsverfchiedknheiten bejteheu.
MhrenwSsche.
Herr Sevcring hat im Landlag «inc Verteidignngsred« ge.
.-alten, m der er auf den „ruhigen unv jachlichen Verlau, Ler bm.
hermen Verhanülungcn im Landtag" hinwies, die im strikten Cegen-
jatz stünden M L«r Art, ,gvie drautzen im Lande politifche Meinunoen
ausgeiragen" wiirden. „Von Ler Nervosität der Vevölkerung
unü jonstiger beunruhigender Derhältnisse Lürfen sich Liejenigen, die
zur Fuhrung Les Volkes Lerufen sinü, nich-t anstecken lassen, dazu
gehort auch bie Preste." Wir würden nicht an üer Weisheit dieftr
Worte zweiseln wenn es nicht ausgerechnet Herr Severina wäre.
der sprache. Eerade ihm dürfte doch erinnerlich fein. Lurch welche
llrsachen eigentüch m der letzten Zeit erst im Innern des Neichs
die polltlschen ^.eldeirjch-aft-en «usg-epeiischt rvorden find. Der Keil.
der Lurch die unerhort einxeitige Aktion des Pre-utzifchen 'innen^
mmisters gegen rechts in die entfchlossene Kampffront g«trieben
worden ift, dieser Keik kann Lurch solche Reüen, wi« Herr Severing
eine am Dienstag im Landtaz hielt, leider nicht aus der Welt ae-
lchant werden Zm Gegenteik wird Li« Klufl zwifchen Norden und
^ m sf Re:chs, die, Cott sei's g-eklagt, nicht zum geringsten Teil
^rlms zu danten ist, nur noch verjchärft v-urch Len
Versuch des Herrn severing, Lie Genealogie Ler proletarischen Huu-
Lertf-chaften lebiglich auf die nationaIe Bewegung in Bayern
o"d"ckzusuhren. Es tarm wohl in der Tat politisch nichts llngeschick-
("fb geben, als Lu-f« Bemuhimg, sich reinzuwafchen von dem Ver-
partenscher Emseitigkeit. AÜe Liese Zurückweisungen, mit
oenen Herr Seoermg hier arbeitet, sind viel zu gewunden. als Latz
ge ren Emdruck schlichter, die Cegenpartei mit Taijachen widerlegen-
-er R i ch t > g ste I lu n g e n machen könnten, ganz abaeseben
von der offenilchllichen Einfeitig-leit, mit der hier irotz üer
unle-ng-baren landesverrckterischen Umtriebe von linker soeiiell kom-
munlst'scher Seite alles ledigiich der Rechten in .üe üchuhe g«,-
Herr Severing immer nocb an seine Ob-
lertivftat gianbt, dann musfen wir fragen: Wo bleidi »ach all Liesen
^ Derbot mcht etwa nur L«r proletarifchen Hunvert-
schast«n, ,onüern Ler kommnnistijchen Partei, die mii chren un-
verfrorenen umstArzlerischen Tendenzen ooch dem lüe-jetze zmu Schntze
Ler Repnbtir geradezu ins Cesicht schlägt? Di« De-msch-VölkMcn
stnd auxgelost worden Di« .g>olil„chen KinLer", Li« uns bis heute
^ritt und Tritt im In- und Auslano« ilnabsehdarcn
Schaden Mugen.. werden mit einer Vorsicht ool-anüelr. als yabe
Madchen zu tun. Das jst unü öleiöt eine
^ «"S m*ht im geringsten oaourch yeraLge»-.inv«r.
man stch, wie Las m der letzten LanLlagssitzung ge-
darrelrichtungen exiftierenLen Lumpen ge<um-
^'5 teilen nichl die politifche Ansicht Lcr
dennoch ift ihre prinzipiell ausbaucndc
staalsbe,ahende Grunütenbenz nicht zu verkennen im Cegensatz
zur prmzipleüen Umsturzgesmnung der Kommunisten und (das mun
immer wieder betont werden) der nur in der Methode davon
unterjchredenen Sozialdemokratie. Es tlingt gewik harmlos und
versohnend. wenn Herr Severing betont.- ..Nicht auf die Leutschen
o"*beri tvmmt es an, sondern auf das Wohl üer Cesamtheit, und das
uwhl der Cesamtheit iann nur wayrgenommen werden, wenu alle
d>e guten Willens sind, zur Regierung steheu." Abcr warum dann
wenn dem so ist, so ftagt man sich, hat Lie sozialdemokratische Partei.
^ gekonnt yat, die deutschen Farben heruntergeholt und
nach Kraften bespien? Und wie Larf Herr Severing als Sozial-
demokrat vom Wohl der Cesamtheit reden, wenn er nicht dem
Klassenkampf und damit dem Grundgedankcn seiner sozialisti-
sa)en „Weltanschauung" abschwören will? Solche schönen Worte ent-
hüllen sich doch, wenn man nur einigermatzen aus den Cruudcharakter
der politischen Einstellung des Soziaiismus zurückgeht, nur als parla-
mentarische Redensarten, von'denen sich nur wirklich recht Naive
einlullen lassen können. Von dieser Ueberzeugung kann uus auch die
einstimmige Vertrauensbezeugung der Deutschen Volks-
partei an Herrn Seoering nicht abbringen. Der Eiertanz de»
Herrn von Kardorsf, ver durch die,es Votum gebilligt wird,
mag ein bewundernswertes parlamentarijches Kunststück sein,' ein
Ausüruck der S t i m m ung, die in w e i te ste n B ü r g e r kr e i s e n
gegen Herrn Severing herrscht, ist er fedenfalls nicht und für
kommende Wahlen keine Empfehlung. Die Rücksicht auf eine so sehr
sragwürdige Koalition darf in keinem Fall ,o weit gehen, datz die
bllrgerlichen Kreise sich nun alles bieten lassen. Die Sozialdemo-
kraten (ein Blick in den „Vorwärts" oder die „Volksstimme" ist
überzeugend) betrachten nun einmal den Bourgeois als vogelfreies
Objett ihrer Anwürfe und wie wenig gerad« vieje Linksdoktrinäre
neigt sind, ihre Reden und ihr Neryalten in parlameutari-
,er Gesittnug zu zLgeln, zeigt die jkruppellose Frechheit, mit
der hier die energischen Protejte der Rechtspartei gegen die dtktatori-
schen Gebärden Seoerings als „Mordhetze" bezeichnet werden.
Soweit jcheint man sich auf der Linken in den LLrgcrkriegsgedanken
verbissen zu haben, datz man schon gar nicht mehr mit der ftiedkichen
Aköglichkeit eines sich in parlamentarischen Formeu adspielenden
sreiwilligen Abganges des Herrn Severing rechnet. Dic
Drohung des Ministers: „Ich erkläre wiederholt, datz ich auch nicht
einen Schritt von dem Wcge abweichen werde, Leu ich bisher be-
schritten habe", ist wohl nur der äutzere Widerschein der Entfchl»)-
senheit im Dienste des Parteiprogramms.
Hier liegt der Krebsschaden unseres Parlam.en-
tarismus zu Tage- Der an sich unanfechtbare Gedanke der
Volksvertretung wird herabgcwürdigt, da. wo nicht mehr das
Cesamtwohl entscheidend ist, sondern das jeweilige Jnteresse
irgend einer Partei. einer Minderheit also, oder einer Mehrheit
Lbcr Sein oder Nichtsein Aller den Ausjchlag geben soll. Sdlch
eine Verschiebung der natürlichen Blickeinstellung des politilchen
Dcnkens von der Gesamtheit weg auf die Partei hat kein Land tn
jolchem Matze aufzuweisen wie Deutschland. Jn keinem andc-
ren Lande der Welt haben abstrakte, volkssremde Gedankengänge
das gesunde, im Voden, im Vatcrlande wurzclnde Volksempfinden so
erfolgreich zu unterwühlen vermocht, wie bei uns, und in keinem
anderen Lande klafft demzufolge auch ein so ungeheurer Unterschied
zwischen der idealen Form eines wirklichen Volksstaates uad
den Menschen, die von Rechtswegen diese Form verkör^ern sollten,
und die doch ihrer ganzen einseitigen Einstellung nach nie in stx hin-
einwachsen werden. Es ist hier nicht der Ort, bis ins einzelne ven
Gründen nachzuspüren, die gerade uns Deutsche mit dem Fluch diefer
tragijchen Zwiespältigkeit belasten. Cenug, sie sind da, und unsere
sprichwörtliche politische Zerrissenheit gibt täglich, ja
stündlich laut genug von ihnen Kundc. ALcr Las dars nüht heitzen.
I ,Badt sche Posi' erschcint wöchentl. siebeninal. Betlagen: DtdaSkaNa(Scmnt.) —
I Unterk>altnng»blatt (Montag»! — Llteratvrblatt —Sochschaibellagc <monatltchl.
l. "ltvcrlanate BettrLge ohae Berantworlnng. Rüchsendnn» nnr. wenn Portv betltegt.
Hekdelbergec ^zeitmlg
(Gegründet 1868)
«»d
HandeLsblatt
Vonnerstag, den 21. Ivni 192Z
HauptgcschLktsstelle u. Echrtftleitg. der.Badtschen Post'Hetdelbrrg, Hauvtstr. 23. Fernsvr. ,
Nr. 182 Verliner Pcrtrelnng: Derlin 8V 48. Ztmmerstrahe g, Fernspr gentr. «Id,-
Mttnchner B-rtr-tung: MLnchen, «eorgenstr. 107, Fernkpr. S18S7.
Vatts«rik.«o»to: Sra«kf»rt ».«. vlchl»
> »ravksurt a. M «1«1»
Suui-Bezugspreis Ler.Bad. Post' Ml.ö8iX> - (ausschl. Zuftellgebühr,. Eelbstadhol. Mk. S5(M.-. Ausland Mk. 12000—
Abdestell.werd. nur bis zum 2. jed.Mts. angcnommcn. Am 1 u.2. noch getief.Zeitungen sind nach d. Einzeloerlaufspreis zu be-
»hlen. Preis d.Cinzelnvmmrr Mk.SOO -. Jst dieZeitnng am Erschclncn vcrhindert.beftcht kein Anspruch aufEntschädigung
Anzeigcuprcisc: die44 mm breite Nonpareillezeile kosteti tokale Stellengesuche Mi.SS i . ll.Gelegenhcitsanzcigen Ml 2S0.-,
Familienanzeigen Mk 400.—. Geschästsanzeigen Mk.SOO—, Finanz- unü JnLustrieanzeigen Mk. 600.-,mit Platzvorschrist unö
Piontagr Mk. SO.—mchr. Die98 mm breite Reklamezeile kostet Mk.2000.—, Anzeigen und Reklamcn von auswärtr 2ö°>/° böher
Mk yoliüsche Lage.
Tiefr Klust zwischen Belgien und Frankreich.
Von unserem L-Korrefpondenten.
Paris. 20. Jimi.
Das englischc Kabineit dürfte fich in seiner heutigen
Eitzung nicht mit der Reparationsfrage beschäftigen, da
Am bis jetzt wohl eine Antwort der belgischen Regierung auf die
^inftage wcgen der Einstellung des passiven Widerstandiö im Ruhr-
Sebiet xukam, aber keine des französischen Kabinetts. Alle in den
^tzten Tagen verbreiteten Nachrichten, als ob zwischen Frank-
^ejch und Belgien mit Ausnahme eines Punktes völlige
^ebereinstimmung über die an Deutschland zu stellenden
^bingungen sowie über die daraus folgsnoe Tinschränkung der
^esetzung bestehe, erwiesen sich als unrichtig. Die Kluft, die
Trankreich und Belgien in der Ruhrfrage trennt, ist
°>rf. Frankreich lietz, wie heute Pertinax im „Echo de
svaris" erklärt, nicht einmal Belgien eine schriftliche Mitteilung
°«rüber zugehen, w-.e der englische Fragebogen beantwortet weröen
Me. viclmehr beschränkte sich das Pariser Kabinett darauf, den
^nzösischen Botschafter inBrüssel. Herbette, darübsr zu
^rständigen, wie stch Frankreich di« Bcantwortung der euglischen
"nfrage vorstelle.
Man tonnle bisher rwch nicht erkennen, in wvlchem Punkte
»kanlreich unü Belgien verschiedener Ansicht gewesen wären, weil
^r Pariser Blätter hierüber nichts verlautbart haiten. Aber nach
heutigen Ausführungen von Pertinax sreht man klar und mutz
^iaren, datz dieser Punkt, in dem zwischcn Frankreich und Belgien
Widerspruch Lesteht, von grundlegender Bedeutung
dcnn Frankreich erklärt, datz es stch mit der Zurückziehung
Mer Verorvnungen, die die Reichsregierung seit dem 11. Januar
a^ietz. als äutzeres Leichen für die Einstellung des passiven Wider-
^ndes begnügen wiirde, datz es abcr gleichfalls fordert, datz die
^nltung der deutschen Beamten einen radikalen Umschwung
^sohrx- feEl müsse die Reichsregierung die Gewährung von Kre°
>?len an die Jndustriellen sowie die Zahlung der Löhne an die
! ^ikendcn Arbeiter einstellen, weil nur durch diese Suborntisnen
Fortführung des passtven Widerstandes möglich gewesen wäre.
?^er sxlbst wenn Deutschland diese Bedingungen erfüllte, würde
ic^ankreich eine Einschränkung der Besetzung, wie ste jetzt
I Aeht, nicht durchführen, und dies scheint der Punkt zu sein, in der
^ A die französische Antwort von der belgischen scheidet. Pertinax
?'lart ausdrücklich, datz von einer Wiederherstellung der „unsicht-
^en Besetzung", wie ste am 11. Januar geplant var, keine Nede
«Nd datz französische Truppen in den Bergwerken,
i? brjken und städten bleiben sollten nnd erst dann
I,^^gezogen würden, wenn Deutschland grötzere Reparaüons-
i-RUNacn vci
wäre sehr delikat, umso mehr, als Deutschland dem Völkerbuud
nicht angehört.
Hierauf gelangts der Fall Worowski zur Behandlunz. Der
Nationalrat sxrach der Regierung das Vcrtrauen aus, 'ndem er mit
93 gegen 6 sozialistische und kommunistische Stimmen den Antrag der
)eit, der im Falle Worowjki die Haltung des
Kommissionsmehrl
Bundesrats billigt,
a n n a h m.
wenn
t>Ngcn vollbracht hätte. Die Ruhrpolitik müsse erst
ken vollen materiellen Erfolg haben, der nur
eiue Nicderlage Deutschlands bekundet
r r d e.
^ Es begreift stch leicht, Latz Belgien, das in gewisser Hinficht
^ ber Reparationsfrage einen Rückweg zu England sucht,
tz „ solchen Bedingungen nicht einverstandcn sern kann. Dem
^»ssiler Korrespondenten des „Oeuvre" zufolge erklärt die belgische
i Sstrung in ihrer Beantwortung des englischen Fragebogens, datz
passtven Widerstand als eingestellt erklären würde, sobald
H ^ieichsregierung den Auftrag erteilt hätte, datz die Arbeit
aufgenommen werde Selbst wenn diesem Bcfchl keine Folge
^d'-stet würde, würden die Alliierten Deutschland daraus keinen
^krvurf machen, da sie einzelne Sabotageakte nicht als Fortdauer
tz, kassiven Widcrstandes ansehen würden, oder die Fortdaucr des
tz?diks der Eisenlmhner der Reichsregierung zur Last legen wollten.
i? Pelgier wären zufrieden, wenn sie Repara-
^^^zahlungen erhielten, um nicht anter einem nich-
b Vorwand im Ruhrgebiet bleibcn zu müssen.
Frankreich selbst wird heute über die Antwort, die Belgien nach
^ b d g ^ sandte. unterrichtet werden. Der belgische Dots.hafter
i^^arjs wird dem Quai d'Orsay den Wortlant dieser Antwort
^^Seüen.
Sie Schweiz uni» Zrankreich.
Der Rationalrat zur sranzofischen Politik.
Ber», 20. Juni.
^ ^er Nationalrat beschäftigt« sich mit dem Geschäftsbericht
»?tijchen Dspartements. Der Sozialist Erimm führte u. a.
Wenn Deutschland gesiegt hätte, dann hätte die Reaktion noch
ü/dr «ingesetzt. Nun suchr unzweifelhaft Franlreich die Vor-
üt,!chaft zu erlangen. Der srühere italieni,che Ministerpräsident
M,'? hat d«n wahren Ceist der Verträgs aufgedeckt. Die wirt-
K^vchen Znteresten werden durch dcn Militarismus ge-
^t,/lcht und diejes System wird zur Balkanisierung Europas
!dl,, Wcnn man von einer Wiederausrichtung Oesterreichs spricht,
Man nicht vergestcn, wie Oesterrcich nach Lem Zusammenbruch
e plündert wurd« unv wie man jetzt mit der Anlcihe ein
macht, deren esfektive Verzinsung aus 0,S Prozent zu stehen
In der Ruhrsrage hat die Schweiz das unzweifslhaste
Unü die Pflicht, diese Sache beim DLlkcrbund anhängig zu
d^>d,. Der dem Bölkerbund gegenüber an den Tag gelegte Opti-
dst keineswegs derechtigt. Bundesrat Motta erklarte
U- a.: Wir müsten bei der Löiung ver internationalen Auf-
st »-Uritwirken und niemand zu Liev und niemand zu Leide sein.
g,Uhraktion ist für die Schweiz ein Unzlück, abcr man mutz,
^echt zu sein, diese Aktion nicht allein, sondern im Zusammen-
Kl allen Vorgängcn der Kriegs- und Rachkriegszeit betrachten.
»>> ^olkerbund kann unter den jetzigen Umständen fast nur durch
"vralijches Cewichl wirken. Ein Lingrifs tu den RuhrksnjUkt
Sie Angst vor Deutschland.
S-nätor de Zouoenel iiber die dentsche Propagand«».
Paris, 20. Juni.
Jn der Generaldebatte über das Budget des Minisieriums für
Auswärtige Angelegenheiten im Senat ergriss Senator de 2 ou -
oenel, Lhejreeakteur des „Matin", Las Wort, um die Aufmerk-
samkeit auf die Entwicklung der deutschen Propaganda
zu lenken. Deutjchland jei im Begriff, durch jeine Propaganta cin
wahrhaftes Attentat gegen den menjchlichen Geist (!!)
zuunternehmen. Es betrachte dief« Propaganda als di« einzige
Waffe, die ihm augenblicklich bleibe, um seine Revanche vorzu-
bereiten. Die deutjche Propaganda habe Las Ziel, die Völker zu
z hypnotisieron. Nach Professor Plenge suche es gewisse Cedanken,
wie Len res sranMschen MiUiarismus, in Mod« zu bringen.
Deutschland oerleumLe den Gegner (!!!). Es ge-be Lort ral-
sächlich einen offizillen Unterricht in Ler Täuschung ('??). Schulen
für Reisend« Les Cermanismus seien geschaffen woicen, damit im
AuslanLe der deutsche EeLawke und di« Leutschen Lügen unterge-
Lracht werden könnten. Jeder Teil Deutschlands sei für einen
anderen Teil der Welt in Bezug auf Lie Propaganda oricntiert
worden. Ueber allen stehe das Autzenmlnisterium, ein wllrdiges
Mintsterium der Propaganda. Die deutsche PropaganLa
mache die gesamte Auhenpolitik Deutfchlands aus, unL Las jei eine
richtig« Aufsassung. In der modernen Welt müsse die Diplomatie
auf die gesamt« öffentliche Meinung einwirken. Im JuU 1922 hätten
sich 95 Prozent der deutfchen Propagandagefellschaften zu einem
einzigenKartell vereinigt. Das fei eine ungeiheure Kraft für das
natiomrle Werk Deutschlands im Auslande. In Frankreich
fehle es an Propagandisten (??) Die sranzöstfchen Pro-
pagandafilme könnten gegen di« der Deutsäfen nicht ankümpfen. Alle
Deutschland benachbarten Länder bssästen deutfche Minderhsiten, die
von Berlia aus geleitet würden und einen mächtigen Druck cmf die
Rogierunge» ausübten. Welches sei der Plan der üeutschen Propa-
ganda? Ein Schweizer leit« Las Zentralkomitee der deutschen Pro-
pagandagefellfchaften. Diefes Komitee gebe sich fälfchlicherweife den
Anschein Ler Unparteilichteit. Jm Augenblick verjuche die deutsche
ProxaganLa, auf die Presse der alliierten Länder einzuwirken. Wegen
Erhöhung Les WechselLurses habe Lie sranzösische Agentur Havas
ihren Dienst in Amerita einfchränken oder vollkommen aufhcben
müsten, währenddessen Deutfchland überall neue Jnsormatiolisdienste
fchasfe. Eine unter dem englischen Namen segelnde Leutsche Nach-
richlenagentur Ilnited Telegraxh beginne sich ein Monopol des Nach-
richtendienstes in den meiften Ländern Luropas zu sichern. Senator
de Iouvenel oerlangt eineneueOrganijationdes fran-
zösischen Propagandadienstes und hierfür beträchtliche
Kvedite. U.m gegen die deurfche Propaganoa antämpsen zu können,
müsse man Lie franzöftsche Propaganda entwickeln. Äuf eine Zwi-
fchenbemertung erklärt Poincare: Der französtsche Nachrichten-
Lienft verfügt über ungenügende Kredite. Der Senat und der Kam-
merausschutz für Auswärtige Angelegenheiten hätten ihre Aufmerk-
sainkeit bereits Larauf gelenkt. Hierans wird die allgemeine Dis-
kustion Lber Las Budget Les Ministeri-ums für auswärtige Angslegen-
heiken gefchlosten und in di« Beratung Ler Einzeltitel eingetreten.
Bei Len Krediten für die ftanzöstsche Botschast beim Vatikan oer-
langt, wie angcUndigt, Senator Börard einen sormalen Abstrich
von 1000 Franken, um die Unzuftiedenheit der Finanzkommission
mit Ler Beibehaltung dieses üiplomatischen Postens zum Ausdruck
zu bringen. Ministerpräjident Poincarh stellte darauf die Ver-
trauensfrage, worauf der Senat den Kredit sür die Botsck-ast beim
VatiLan mit 170 gegen 117 Stimmen angenommen hat.
Sie belgische KrW.
Theunis stötzt auf Schwierigkriten der Kaütilettsbildung.
Von unserem tt.Korrespondenten
Pario, 20. Juni.
Die belgische Ministerkrisis schleppt sich sort.
Jrgend ein Lrgebnis hatten die gestrigen Befprechungen zwischen
Theunis und verschiedenen liberaten und katholijchen Fiihrern
nicht. Es gilt als nicht ausgeschlossen, üatz Theunis heute wird dem
Künig mitteilen müssen, er sei nlcht in der Lage, das Kabinett zu
bilden. Vielfach wird davon gejprochen, Latz oer katholische Führer
Carton de Wiart den Auftrag erhalten könnte, das Kabinett
zu bilden, und datz diejer eine Koalltion mit den Liberalen herbeizu-
sühren verjuchen würde. Es versteht sich oon jelbst, datz Lies in
Paris autzerordentliche Bestürzung heroorrust. Datz die Lage in
Velgien ernst ist, beweist der Umstand, datz König Albert, der am
Sonntag nach Frankreich kommen sallte, um einer Verdunseier bei-
zuwohnen, diesen Besuch wegen der Fortdauer der Ministerkrisis
abgejagt hat.
Ein MmaLum an die Türkei?
Lansanne, 20. Juni. Jn türtischen Kreisen der Kon-
ferenz wuroe heule behauptet, datz d>« frauzöstjch« Delegation, die
auf ver Anerkennung Les Dekrets von Mutarem in vollem Um-
sange beharrt, Sie Ueberrcichung einer gemeinsamen alliierten
Note mit ultimativem Eharakler an Lie türkifche Delegation vor-
fchlaze, datz dcr engl i s ch e Delegierte aber seine Zustimmung
verweigert habe. Die ftanzöjtsche Delegation Lementiert dies«
Mitt«ilung und erklärt, datz die VerhanLlun-gen gcgenwärtig zwifchen
den alliierten Staaten gcfiihrt werden, Latz jedoch leine neusn Fn°
struktionen nach Laufanne gefchickt worden seien. Es fcheint sich aber
zu bestätigen, datz die gegenwärtigen Verhanvlungen zwischen
Paris, Lonvon und Rom sich mit dem sranzösischen Vorschlag
der Entsendung einer entscheidenden Note besasten, und datz über die
Zweckmätzigkeit, den Umfang und dcn Tharakter Liejer Demarche be-
trächllich« Meinuiigsverfchiedknheiten bejteheu.
MhrenwSsche.
Herr Sevcring hat im Landlag «inc Verteidignngsred« ge.
.-alten, m der er auf den „ruhigen unv jachlichen Verlau, Ler bm.
hermen Verhanülungcn im Landtag" hinwies, die im strikten Cegen-
jatz stünden M L«r Art, ,gvie drautzen im Lande politifche Meinunoen
ausgeiragen" wiirden. „Von Ler Nervosität der Vevölkerung
unü jonstiger beunruhigender Derhältnisse Lürfen sich Liejenigen, die
zur Fuhrung Les Volkes Lerufen sinü, nich-t anstecken lassen, dazu
gehort auch bie Preste." Wir würden nicht an üer Weisheit dieftr
Worte zweiseln wenn es nicht ausgerechnet Herr Severina wäre.
der sprache. Eerade ihm dürfte doch erinnerlich fein. Lurch welche
llrsachen eigentüch m der letzten Zeit erst im Innern des Neichs
die polltlschen ^.eldeirjch-aft-en «usg-epeiischt rvorden find. Der Keil.
der Lurch die unerhort einxeitige Aktion des Pre-utzifchen 'innen^
mmisters gegen rechts in die entfchlossene Kampffront g«trieben
worden ift, dieser Keik kann Lurch solche Reüen, wi« Herr Severing
eine am Dienstag im Landtaz hielt, leider nicht aus der Welt ae-
lchant werden Zm Gegenteik wird Li« Klufl zwifchen Norden und
^ m sf Re:chs, die, Cott sei's g-eklagt, nicht zum geringsten Teil
^rlms zu danten ist, nur noch verjchärft v-urch Len
Versuch des Herrn severing, Lie Genealogie Ler proletarischen Huu-
Lertf-chaften lebiglich auf die nationaIe Bewegung in Bayern
o"d"ckzusuhren. Es tarm wohl in der Tat politisch nichts llngeschick-
("fb geben, als Lu-f« Bemuhimg, sich reinzuwafchen von dem Ver-
partenscher Emseitigkeit. AÜe Liese Zurückweisungen, mit
oenen Herr Seoermg hier arbeitet, sind viel zu gewunden. als Latz
ge ren Emdruck schlichter, die Cegenpartei mit Taijachen widerlegen-
-er R i ch t > g ste I lu n g e n machen könnten, ganz abaeseben
von der offenilchllichen Einfeitig-leit, mit der hier irotz üer
unle-ng-baren landesverrckterischen Umtriebe von linker soeiiell kom-
munlst'scher Seite alles ledigiich der Rechten in .üe üchuhe g«,-
Herr Severing immer nocb an seine Ob-
lertivftat gianbt, dann musfen wir fragen: Wo bleidi »ach all Liesen
^ Derbot mcht etwa nur L«r proletarifchen Hunvert-
schast«n, ,onüern Ler kommnnistijchen Partei, die mii chren un-
verfrorenen umstArzlerischen Tendenzen ooch dem lüe-jetze zmu Schntze
Ler Repnbtir geradezu ins Cesicht schlägt? Di« De-msch-VölkMcn
stnd auxgelost worden Di« .g>olil„chen KinLer", Li« uns bis heute
^ritt und Tritt im In- und Auslano« ilnabsehdarcn
Schaden Mugen.. werden mit einer Vorsicht ool-anüelr. als yabe
Madchen zu tun. Das jst unü öleiöt eine
^ «"S m*ht im geringsten oaourch yeraLge»-.inv«r.
man stch, wie Las m der letzten LanLlagssitzung ge-
darrelrichtungen exiftierenLen Lumpen ge<um-
^'5 teilen nichl die politifche Ansicht Lcr
dennoch ift ihre prinzipiell ausbaucndc
staalsbe,ahende Grunütenbenz nicht zu verkennen im Cegensatz
zur prmzipleüen Umsturzgesmnung der Kommunisten und (das mun
immer wieder betont werden) der nur in der Methode davon
unterjchredenen Sozialdemokratie. Es tlingt gewik harmlos und
versohnend. wenn Herr Severing betont.- ..Nicht auf die Leutschen
o"*beri tvmmt es an, sondern auf das Wohl üer Cesamtheit, und das
uwhl der Cesamtheit iann nur wayrgenommen werden, wenu alle
d>e guten Willens sind, zur Regierung steheu." Abcr warum dann
wenn dem so ist, so ftagt man sich, hat Lie sozialdemokratische Partei.
^ gekonnt yat, die deutschen Farben heruntergeholt und
nach Kraften bespien? Und wie Larf Herr Severing als Sozial-
demokrat vom Wohl der Cesamtheit reden, wenn er nicht dem
Klassenkampf und damit dem Grundgedankcn seiner sozialisti-
sa)en „Weltanschauung" abschwören will? Solche schönen Worte ent-
hüllen sich doch, wenn man nur einigermatzen aus den Cruudcharakter
der politischen Einstellung des Soziaiismus zurückgeht, nur als parla-
mentarische Redensarten, von'denen sich nur wirklich recht Naive
einlullen lassen können. Von dieser Ueberzeugung kann uus auch die
einstimmige Vertrauensbezeugung der Deutschen Volks-
partei an Herrn Seoering nicht abbringen. Der Eiertanz de»
Herrn von Kardorsf, ver durch die,es Votum gebilligt wird,
mag ein bewundernswertes parlamentarijches Kunststück sein,' ein
Ausüruck der S t i m m ung, die in w e i te ste n B ü r g e r kr e i s e n
gegen Herrn Severing herrscht, ist er fedenfalls nicht und für
kommende Wahlen keine Empfehlung. Die Rücksicht auf eine so sehr
sragwürdige Koalition darf in keinem Fall ,o weit gehen, datz die
bllrgerlichen Kreise sich nun alles bieten lassen. Die Sozialdemo-
kraten (ein Blick in den „Vorwärts" oder die „Volksstimme" ist
überzeugend) betrachten nun einmal den Bourgeois als vogelfreies
Objett ihrer Anwürfe und wie wenig gerad« vieje Linksdoktrinäre
neigt sind, ihre Reden und ihr Neryalten in parlameutari-
,er Gesittnug zu zLgeln, zeigt die jkruppellose Frechheit, mit
der hier die energischen Protejte der Rechtspartei gegen die dtktatori-
schen Gebärden Seoerings als „Mordhetze" bezeichnet werden.
Soweit jcheint man sich auf der Linken in den LLrgcrkriegsgedanken
verbissen zu haben, datz man schon gar nicht mehr mit der ftiedkichen
Aköglichkeit eines sich in parlamentarischen Formeu adspielenden
sreiwilligen Abganges des Herrn Severing rechnet. Dic
Drohung des Ministers: „Ich erkläre wiederholt, datz ich auch nicht
einen Schritt von dem Wcge abweichen werde, Leu ich bisher be-
schritten habe", ist wohl nur der äutzere Widerschein der Entfchl»)-
senheit im Dienste des Parteiprogramms.
Hier liegt der Krebsschaden unseres Parlam.en-
tarismus zu Tage- Der an sich unanfechtbare Gedanke der
Volksvertretung wird herabgcwürdigt, da. wo nicht mehr das
Cesamtwohl entscheidend ist, sondern das jeweilige Jnteresse
irgend einer Partei. einer Minderheit also, oder einer Mehrheit
Lbcr Sein oder Nichtsein Aller den Ausjchlag geben soll. Sdlch
eine Verschiebung der natürlichen Blickeinstellung des politilchen
Dcnkens von der Gesamtheit weg auf die Partei hat kein Land tn
jolchem Matze aufzuweisen wie Deutschland. Jn keinem andc-
ren Lande der Welt haben abstrakte, volkssremde Gedankengänge
das gesunde, im Voden, im Vatcrlande wurzclnde Volksempfinden so
erfolgreich zu unterwühlen vermocht, wie bei uns, und in keinem
anderen Lande klafft demzufolge auch ein so ungeheurer Unterschied
zwischen der idealen Form eines wirklichen Volksstaates uad
den Menschen, die von Rechtswegen diese Form verkör^ern sollten,
und die doch ihrer ganzen einseitigen Einstellung nach nie in stx hin-
einwachsen werden. Es ist hier nicht der Ort, bis ins einzelne ven
Gründen nachzuspüren, die gerade uns Deutsche mit dem Fluch diefer
tragijchen Zwiespältigkeit belasten. Cenug, sie sind da, und unsere
sprichwörtliche politische Zerrissenheit gibt täglich, ja
stündlich laut genug von ihnen Kundc. ALcr Las dars nüht heitzen.