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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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66. Zahr-ang Rr. 147

Die .BadischePosl" erscheint wöchentl. ItebeninaI. Beilaaen: Didaskali a ISonnt.) —
unterhaitungsblatt IMontagsl - Literaturblatt —Sochschuibeilage im onatlichs.
unverlangte Deiträge ohne Verantwortung. RüSsendung nur, wenn Porto beiiiegt.

Heidelverger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Äandelsblatt

Mliwoch, den 30. MI1S2Z

Hauptgeschäitsstelle u. Schristleitg. der.Badischen Post"Heidelberg,Hauvtstr. 28, Fernkpr.
Nr. 182 Berliner Dertretung: Berlin SlV 48. Zimmerstratze 9, Fornkvr. Zentr. 416
Münchner Bertretung: München, Georgonstr. 197, Fernspr. 81667.

s

Bezugsvrcis dcr „Bad. Post" Mk. 4090 - lausschl. Zustellgcbührl. Selbslabhol. Mk. 3900.-. AuSIand Mk. 8000.-
^bbestell.werd.nur bis zuni2. sed.Mts.angenomm-n. Aml u.2.noch gelief.ZeitungenNnd nach d.Einzelvcrkaufspreis znbe-
^6IenPrct«d,EinzelnummerMk.170.-. IstdieZottung am Crscheincn verhindert, besteht kein Anspruch aufEntschädiguna

Anzcigenvreise: die 44 mm breite Nonpareillezeile kostet: lokale Ztellengesuche MI. 80 -, III Gelegenheitsanzeigen MI. 100
Familienanzeigen Mk 80.—. Geschästsanzeigen Mk.176 —.Finanz- und Induftrieanzeigen Mk 250.—,mit Platzvorschrist und
MontagsMk. >0.— mehr. Die 98 mm breite Reklamezeilekostet Mk.600.—, Anzeigen und Reklamen von auswärt» 26°/« böhe

Demokratie «nd histoMe Wahcheil.

Die .^rankfurter Zeitung" glaubt etwas Erotzes bcransgesunden
N ^aben, wenn sre nachträcilich f26. Mai, II. M.-Bl.) fsststellt, datz
Dr. Stresemann sich in seinem in der „Zeit" erschienenen Artikel
die Feier vom 18. Mai nicht s»anz so ausgesprochen babe, wie
e'r das in unserem Artikel: „Nachwort zum 18. Mai" auf Erund
vorlieaenden Berichte mitqeteilt haben: sie meint. wir könntsn
also auf Hsrrn Dr. Stresemann als „Kronzeugen" für dis von
„^2 vertretene Ansicht nicht mehr berufen. Wir bemerksn dazu, daß
diese Feststelluug völlia kalt läht. Wir haben uns nrcht auf
Z^irn Dr. Stresemann „berufen" und bedürsen auch keines „Kron-
zusten». wenrgsten eines Zeu.qen, der nicht w:e wir in der
^ Dinzie aus der Nähe zu beobachten und zu erkennen,
fDo. der 18. Mai der Norwand und das demokratisch-sozialdemo-
p?fMe Barteifest die Hauptsache war. Sie sagt einlsitend, „in
d^'sten Kreisen scheine man doch groste Sorqe zu habsn, daß die
tzfdiokratie in Deutschland Büroerrecht erwerbsn könns". Dis „gc-
doh " Kreise" sollen wir sein, und so mollsn wir dann bsmerken,
yU wir «n stch oeoen die Demokratie nichts habsn, insofern sie
sj'^Uch freie Bahn bedeutet für alles Tüchti-e im Volke. insofsrn
^amit dis Eewähr bietet, dost alls Kräfte, die zum Aufbau eincs
arostcn, dauernden Staates vötia sind, auch wirklich zur
s^^wendünp kommens wir baben es daher stets als bedenklich ange-
dast die Monarchie stch zu sehr nur auf einzelne Kreise des
üdullr' stnll'e und 'amit selbst dis Kluft a"frist. die stch bildste
sz.'>chen Staatserhaltendem und Staatszerstörendsm, aber wir
ff e ?' ^ die Linksdemokratie von heute in denselben
st„ Nler rerfällt. indem ste nämlich stch zvr Schlspvträqerin dsr
t.ntsvsrderberischen internationalsn Sozialdemokra-
h>!° niacht, und vor dieser Demokratie zn warnen, das halten
^ nllerdings für unsere Pflicht.

tz>eg benutzen diese Eelegenheit, um, nicht der „Kronzeugenschaft"
tz,,»bN, sondern nm unsercn Lesern zu dienen. die Betrachtunaen
§ss?°rlugeben. die Kottlob Eaelhaaf, der bekannte Stuttqarter
P„,°/>ker, in Nr. 117 des „Schwäbischen Merkur" der Frankfurter
"iskirchsnfeier widmet. Eqelhaaf schreibt:
stz^'^ck, werde nicht der eiiniae sein, der die Berichte von der Frank-
fftz ^^^eier mit dsm Eefühl des aröstten Erstannens gelesen hat.

den Reden, welche die mit sornfältiastsr Auslese offiziell
^kr,, Redner gehalten habsn, ist mit wirklich bemerkenswerter
^icht st"s'"ksit in der Ilmnehunq der gcschkchtlichen Wahrhsrt auch
^Me Silbe von dem qesprochen worden, was die Hauptsache an
tze>s/v'Eamkeit der Nationalversammkunq oewesen ist: von der
st»p°E"nq des 1866 durch die stsranzosen zerstörten deutschen Kaiser-
Itzgd- Dieser Kedanke schwebte von Anfanq an über der Versamm-
*'chti> anderen LZsunaen worden verworfsn, vor allem die Er-
tz!,^"wfl gjncr deutschen Republik. was den Herren Rednern auch
kgp-.^dzudeuten natürkich bitter schwer fkel dänn der eines mehr-
D'rektqrivms, endlich der eines Wahlkaisertums. und mit
l8gtz/ter Krait trivmphierte am 28. März 1849 der Eedanke, der
ksr >,Wfort erwacht und 1815 wieder ernsthaft erwoqen worden war,
Erbkaisertums: und er triumphierte in dsr Form. dast die
allaemeinen Wablrecht qeborene Bersammlnnq dis Hohen-
E'der cn>" ^st^ern dsr Kaiserkcone berief. Er triumphierte mit
^Mehrbeit von 48 Stimmen, und wenn man bedenkt. dast zu
Mtzff r^^^^Eit von 248 Stimmen foeqen 296f die Oesterreicher zwe!
^khtzm stEllfen, die — nachdem ieftfland, dast das am 7. Märi von
AesL^k'enberq für !>nlösbar verkündete Oesterreich dem dentschen
^srs^-^^lKt anqshören wollts und konnts. qarnicht mehr stimm-
^Stz^'klt waren! — so ist stcher. >-ast die Mehrheit qanz überwäl-

ssllstztz ,in,er. oie :,.,lspri,eii qanz uverwai-

Avrt Wenn d!e republikanischen stsestrs>mer von all dem kein
Dess, '"9ten. so haben ste die qeschichtliche Mahrheit in unsrhörter
Llr llemlscht, und es wäre wahrhaftiq bester qewesen, wsnn ste
Mx^fNllskirche qarnicht qerecht werden wollten, li'eber oar keine
>'e bqlfen als eine sollde, die den Tqtsqchcn ins Eestcht stbläqt.
i^tzno Revublikaner fürchten d!e Macht der historischen Er!n-
^"> offenbar Sroer aks das f?e "er: -s !st wieder so. w!e !ch
Tk"p^raq dicses Frühjahr mit einer Ansvielunq auf ein Wori
-?e tz r>^'klus in der Orestie qslaqt hahe. sie nennen dasEe-
nicht, das in ihrem Hause „mqeht, aus
Ntzi b ast d ! e Toten dieLebendiqen erschlaqen
^ diesx « Wabrhert vor allem — ihr zum Zeugnis schreibe

Em Vorwand zvr Skknpation.

E konnnnniftischen Unruhen aks Anlast znr Bcfitzergreifung.

Eiqene Drahtmcldnnq.

.^tina

8. Paris, 29. Mai.

behauptet im „Echo de Paris", dast die kommunisti-
d?9ier„^nhen im Ruhrqebiet die belqische und die französis.he
tz-"9 dazu führen müstten, dieses Eebiet zu übernehmen,
>tz> N, h, "nährunq zu orqanisieren, eine neue Währunq herauszu-
s^Ntz dx"'^öffentllche Ordnunq aufrechtzucrhalten und die Ausbeu-
^erqwerke und Fabriken zu übernehmen. Sobald die wirt-
^ Auflösunq. die stch im Ruhrqebiet nollziche, auch zum
tz.'lo deutschen Staatssouveränität führen würde. müßten flsrank-
k» ^ dn "blqien sich mit diesem Problem beschäftiqen Vielleicht
Udtzh?nn ,m Ruhrqebiet eine kommunistische Arbeiter-
Ntz „ö'k vroklamiert, um in England Schieckcn zu erregen.
zz„iich » * Frankreich alle Vorbereitunqen qetroffen hätte, brauche
Tc dieser nicht zu fürchten. Auf der nöchsten belgisch-fran-
V.onferenz mützte darüber gesprochen werden.

^ Die Äuhrhelden.

itz^e^N, 29. Mttj Am 26. Mar nm >416 llhr atzends warf.-n
"i?itzx- Mte. die dem Alkohol allzu reichlich zugesprochen hatten,
'°d st-Ti'lrtschaft in Stoovenberq an der Estener Strasts eine

der Wirt die Abgabe einer Flasche


Oer M'E, die dem Alkohol al.„_ ...

ft ° Tf'rtschaft in Stoppenberq an der Estener Strasts eine
-rk-NlltviÜ-l ^ E i b s ein, da ihnen der Wirt die Abgabe einer Flasche
^i« Ndetz rü. nerweiqert hatte. Jn einem Zimmer der Wirtschaft
H„k.Srisfwährend des Vorfallss 5 bis 6 französische Offiziere.
.rden," 'nsort nach ihren Schustwaffen und schosten auf die Täter.
Nsetz >. wucden aus der nahelieqenden Schule Soldaten herbei-
' u>e die Täter versolgten. Bei dem Vorfall wurde eine bis-

her noch unbekannte Person getötet, ferner ein Arbeiter durch
einen Kopsschust, ein andsrer Arbeiter durch einen Oberschenkelschutz
schwer verletzt. Die beiden Verletzten wurden dem Kranken-
hause in Stoppenberg zugeführt. Von den Franzosen wurde nie-
mand verletzt. Im Anschluf, an diesen Dorfall wurden von der Be-
setzungsbehörde 26 bis 25 Personen festgenommen. Untsrsuchung ist
eingeleitet.

Sak-wiii- AnßknpvM.

Abgestuste Iahreszahlungen statt Anleihen.

Von unserem -Korrespondcntcn.

London, 29. Mai.

Zm „Daily Telegraph" werden heute einige offiziöse An-
deutungen über die Stellunq des neuen englischen Kabi-
netts zur auswärtigen Politik gemacht. Es sei für die
Politik des neuen Kabinetts Leachtenswert, datz die Mitarbeit von
Mac Kenna, der bei den englischen Januarvorschlägen in der
Reparations- und Schuldcnfrage mitqewirkt habe, qesucht worden sei.
Ebenso sei auch die Berufunq von Lord Robert'Lecil eine An-
deutung dafür, auf welchem Wsgc das neus Kabinett die Besricdi-
gung Europas suchen wolle. Baldwin sei offenbar der Msinung, datz
der Augenblick gekommen sei, wo die englische Politik aktiver vor-
gehen müste, als in den letzten fünf Monaten. In welcher Form
dies geschehen werde, sei allerdings noch nicht bestimmt, aber wahr-
scheinlich werde der gegenseitige Gaiantiepakt, der vor
langer Zeit dem Völkerbundsrat von Lord Robert Eecil vorqelegt
wurde, als die Basis für eine Regelung der Sicherheits-
frage betrachtet werden. Der neüe belqische Repara-
tionsplan habe einen Eegenwert von 40 Milliarden Eoldmark,
der englische Januarplan einen solchen von 37.6 Milliarden Goldmark,
die Differenz sei also nur unbedeiitend. Noch grötzer sei aber die
Uebereinstimmung darüber, datz die Lösung durch ein System abge -
stufter Iahreszahlungen und nicht durch die Auflegung
einer grotzen Änleihe qesucht werden müste. Es sei jedoch zu be-
denken, datz die Einnahmen der deutschen Monopole nur in Papier-
mark bestehen würden, so datz ihre Umwandlunq in Eoldmark not-
wendiq würde, und damit von einer vorheriqen Durchführung der
Stabilisierunq der deutschen Mark abhängiq würden. Sei diese ketz-
tere Frage erst einmal geregekt, so könnten die Monopole an die Re-
parationskommisston überwicson, »nd wcun notwendig, von disser an
internationale Syndikate verpachtet werden, die dann die jährlichen
Leistungen der Monopole in Eold an die Rcparationskommission ab-
zuführen hätten. Wenigstens hinsichtlich der Methode der Zahlunaen
sei also die Möglichkeit oorhanden, datz Paris, Berlin und Vriistel
sich etwas näher kommen könnten. D!e englische Auffassung sei aller
dings bisher dahingegangen. datz die deutschen Zölle oder Exporl
abgäben als Einnahmequellen vorzuziehen seien. weil ste
gleich Goldergebniste liefern.

Eine interestante Ergänzung erhalten dies« Andeutunqen durch
einen Pariser Vericht der „Times". Es wird dort nämlich festqe-
stellt, datz man in Frankreich von der neuen enqlischen Reaierunq Vor-
schläge für die Regelung der interalliisrten Schulden-
fra'qe erwartet, die ziinächst gereaelt werden müsse, wenn weitere
Verhandlunqen Erfolq haben sollten. Die Haltung Frankreichs
werde also vor allen Dingen von den Zuqeständn'sten abbänqen. zu
denen England bereit sei. Sei erst einmal eine Verstnndiqunq mit
Enqland erfolqt, so könnten dann die europäischen Alliierten qe-
meinsam an Ämerika herantreten. Jn der Annahme, datz stch
die Dinge in dieser Richtunq entwickeln werden. lätzt sich bei den
matzqebenden Stellen eine gewisse Mätziqunq ihrec AnsprLche
erkennsn: so wllrde Belqien wahrscheinlich mit fünf Milliarden Eold-
mark zufrieden sein, und Fiankreich mit etwa 36 Milliarden Eold-
mark. Im übrigen sshe dieser Bericht für die Franzosen die Auf-
nahme kleinerer jähclicher Anleihen von etwa 1,5 Milliarden Gold-
mark vor. Dieses Svstem sollte eine Reihe von Iabren hsibehalten
werden. bis der deutsche Krsdit sich befestiqt haben würde. Erst dann
wäre eine endqültiqe Rsqelunq mögliK die auch e!ne Ver-
ständiqunq mit Amerika einsKlietzen mützte. Nach diessm Berichts
der „Times" scheint es also. datz man in Parrser Kreisen stch wie-
derum mit dem Eedanken einer nur provisorischen Lösung
beschäftigt.

Frankeich muß Koks vom Ausland beziehen

ErNSrungen eknes französtschen Znduftriellen zur Nuhrpolitik.

Paris, 29. Mai.

Ein Redakteur des „Oeuvre" hatte eine Unterredunq mit einem
der qrötzten fran.zöstschen Jndustriellen, llber die er folqen-
des berichtet: Er habe ihn darauf hinqewiesen. datz nach dem oifi-
zi'ellen Communiquö über die Erklärunqen Poincares vor den Ver-
einiqten Kammerausschüsten die Kokseinfuhr aus dem Ruhrqebiet
qenüqe, um den Vedarf der französischen Metallindustrie zu decken.
Der Industrielle habe ihm auseinander qesetzt. was Poincarö den
Kommistionen vorqetraqen habe. sei zur „Unterstützunq der Moral
im Lande, wie man stch während des Krieqes ausgedrllckt habe,
bestimmt,,. In Wirklichkeit sei die französische
Industrie selbst um ihre 56 bis 66.Prozent der normalen Pro-
duktionsfähiqkeit beiraqenden Tätiqkeit aufrecht zu erhalten qe-
zwunqen. annähernd Zweidrittel ihres Bedarfes
an Koksaus dem Auslande zu beziehen. Ein Wahn -
sinn wäre es, im Ruhrqebiet Eisen zu beschlaqnahmen, um es in
Frankreich zu verkaufen, wo man rnit MLhe die Preise zu halten
imstande sei. Aber im Ministerium für öffentliche Arbeiten ver-
sicherte man. datz es stch bei der kürzlich srfolqten Beschlaqnahme
von 6666 Tonnen verschiedener Eiscnsorten um eine einiache Ein-
schüchterunqsmatznahme s!?1 qehandelt habe, die dazu bestimmt iei,
qewiste deutsche Metallindustrielle zur Bezahlunq der Kohlensteuer
zu zwingen- _

Gin nener Mord.

Kraq,'29. Mai. Jn der vorletzten Nacht wurds in der Nühe Ser
Zeche „Bonifacius" eine Zivilperson von eincm sranzöiisch-n
Postcn erschossen. Soweit bisher ermittelt wurde. handelt es
sich um den Bergmann Friedrich Tzichowski aus Kray. Einzel-
heiteu fehlen.

Dl'e Skütke nach dem Sflen.

Die Handels- und Wirtschaftsentwicklunz
Deutschlands wird in der Zukunft sich zu «inem wefentRch
stärkeren Teile als bisher in der Eroberunq und Sicherunq des O st-
marktes betätigen müsten, zumat, wenn erst durch die Erstarkun'Z
der Geldmarktverhältnisse der ALfatz der deutschen Waren nach dem
Westen immer mehr Schwievigkeiten vorfindet. Diese Tatsach« ist
:n der Wirtschaftspolitik Deutschlands schon seit langem erkannt; d»
Wirtschastsverhandlungen mit Nutzland und den östlichen Nand,
staaten haben immer wieder zu erkennen gegeben, datz man sich
deutscherseits mit allen Kräften bemüht, besonders den östkichen Ab-
satzmarkt für die Zukunft bereitzuhalten.

Die vom deutschen Mutterlande durch ldie Widernatur ves soge-
nannten polnischen Korridors abqetrennte Prvvinz Ostpreutzen
hat damit für die Zukun-st des deutschen Handels und der deutschen
Wirtschaft eine Vermittlerrolle von besonderer Bedeutung erlangy
Ostprcutzen bildet schon jetzt und noch mehr für die Zukunft siir
Deutschland die Brücke nach dem Osten. Aiit dieser Wufgahe ist füi
die Pravinz ein wirtschaftlicher Ausschwung qcqeben, der sich umso
deutlicher kenu-eichnet, als bis zum Kriege Östpreutzen in der Haupt-
sache eine mehr agrarische Provinz war und erst in den letzten Iahrcn
eine Entwicklung von Handel uud Judustrie in bemepkenswertem
Umfang gezeitigt hat. Wenn bisher der HaNdel nach dE grötzten
Absatz- und Austauschlawdc des Ostens, nach Rutzland stch immerhin
niir in verhciltnismätzig geringen ErenZen bsweqte, so lag das einer-
se ts an den dort vielfach zu starren Handelsmonopolen der Sowjet-
regierung. andererseits auch an der rechtlichen uird w-irischaftlicheu
llnsicherheit des Landes überhaupt. Jn mehr als oiner Hrnstchi ist
in,zwischen das vielfach als zu starr empfundene ruMsche Handrls-
system wesentlichen VeräNderungen unterzogen worden, auch das Vsr-
traucn zu der Geschäftswelt drüben hat stch infolge Festigung der
wirtschaftlichen untz juristischen Erundlagen wesentlich qebestert, so»
datz die Wi>rkungen des vorbereitenden Rapallovertrages
sich fi'ir die Zukunst durchsetzen werden. Alg Notwsndiqkeit ist jedochl
in deutschen Kretsen eine Einleitung von rechtzoitigen Voribereituugen
empfunden worden, um im Handelsleben des Östens stch die
bührend« Stellung sichern zu köunen, zumal sowohl von England,
nls auch von Polen-Frankreich in den Randstaaten und auch
in Rußland selbst alle Anstrenqunqezi gemacht werden, um dem
deutschen Warenabsatz jetzt und späterhWl als Konkurrent entgegcn-
treten zu könneu. Nicht nur mit wirtschastlichen Matznahmen will
man von den Westläudern diesen Plan fördern, auch politische Mittel
siud hiermit in Dcrbindung zu bringens der von den Polen gewaltsam
aufgerichtete Wilna-Korridor soll eine weiter« Barrier« sein, um
deutscherseits den wirischastlichen Einslutz in Rußland zu crschweren.

Jn,zwisch«n hat sich jedoch bereits erwiesen, wie sehr Ostpreutzeu
stine Mission. als Brücke nach dom Osten zu dienen, mit praktischen
Mitteln zu ersüllen trachtet. Die Hafenanlagen Königbergs werden
mit autzerordentlich hohen staatlichen Mitteln iu einer grotzzügigen
Weise ausgestaltet. um der stch verstärkenden Konkurrcnz der nun-
mehrtqen „Auslandshäfen" Danzig und Memel wirksam -nt-
qeqentreten zu könneu. Die Einrichtung der deutschen Ostmcste in
Königskerg hat in ihren bisherigen Veranstaltimqen dcn Boweis
dafür erbracht, datz von den Oststaaten gerade Köniqsberg als Ver-
binduuqsstelle zum Deutschen Reich bevorzugt wirid uud stch in dieser
Eigenschaft bereits gesichert hat. Di« hiermit in Derbiudung stehen-
den Wirtschaftsinstitute und Nuskunftsstsllen versolgen in erster
Lini« dcn Plan, fllr den Handelsaustausch Deutschlanids mit Rntz-
land zu wirken und die Uuklarhoiien im Verkehr mit den Rand-
staaten fetzt und fürderhin im Iutereste der deutschen Wirischaft zu
beseitigen. Hiuzu kommt die Tatsach«, datz die Einrichtung neuer
Handelsuniernehmungen in Ostpreußen, die llnterbringung von
Fil-'alen re'chsdeuischer Firmen, die Errichtung von Kommisstons-
qeschäften und endlich die Erstehung neuer Jndustrien in der Provinz
selbst sich !n den letzten Jahren in eiuer derartigen Weise entwickelte,
datz stch bereits zeitweise in etnzelnen landwirtschastlichen Gegenden
ein bemerkenswerter Abzug der Arbeitskräfte ergab. Auch in dor
Zukunft steht zu erwarten. datz di« reichsdeutsche Faibrikation in
Östpreutzen selkst Zweiqstätten der verschiedensten Art errichten wird,
um die dnrch den polnischen Korridor entstehenden vielfachen Schwie-
rigkeiten zu vermeiden und Fracht und Spesen im östlichen A-bsatz-
markt zu verringern.

Nicht nur in Vezug ans Handel und Jnd-ustrie sucht Ostpreutzen
seine Aufgabe als Verbindungsland nach dem Osten zn crsüllen,
auch in kultureller Hinstcht bestehen bereits zahlreiche Berührungs-
pu 'kt«. Schon in der Vorkriegszeit waren di« wiflenschastlichen In-
stituie Köuiqsberqs besonders lebhaft vom Oieu in Anspruch qe-
nommen: di« in Derbindunq mit der Königsberqer Albertina ke-
son-ders zahlreich vertretene Aerzteschaft wukd« stark von den Be-
wohnern der Ostlänider in Ansprnch genommen, die Schulen und
Lehrstätten hatten zahlreichen Zuspruch aus dem einst mit deu
heutiqen Randstaaten verein-iqtcn Rutzland. Wenn der Zustrom in
den letzten Iahren in dieser Hiustcht sich etwas verrinqerte, so lag das
einerse-its an den politischen und wirtschastlichen Derhältn>isten der
heutigen Zeit, andererseits aber auch an L-en Reis-eschwierigkiiten,
bosonders in der Beschaffung von Ausreise- und Einreiseerlaubn-isten.
Mit der Sicherung der allgemeinen Lage dllrften jedoch für die Zu-
kunft auch nach dieser Richtung hin wesentlich« Erleichterungen wie-üer
Platz greisen, um den Bewo-Hneru der Ostländer die Möglichkeit zu
geben, die deuischen Kultureinrichtunqen, w!e ste besonders in Ost»
preutzen in so günstiger Weise beste-hen, fü-r sich in Anspruch zu
ushmen. Hinzu kommt weiter, datz auch das ostpreutzische KunsUeben
in der Zwischenzeit in einer Weise vorwärtsgebracht worden ist, .
die in den Ostländern heute mehr denn je lebhaftes Jntereste er-
weckt hat.

Die Dorpostenstellung Ostpreußens Lvingt eiue bedeutsrme
MUion mit stch. wie st« obeu jchon gekeunzeichnet ist. An-gestcht»
 
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