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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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66. Za)mng - Ar. 18 Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

und

Handelsblatt

?rel!ag, is. Zaaiiar isrz

Slnzeiaenpreir: d!r i!2 mm bleite NonpLreillezeile Mk, Fomilien-, Bcrcin«-

und Kleine Anzeiqen noch bcsondcrlm Tarlf. R-Namcn: Lie 88mn> breite Nonparcille-
eile Ll>l> Ml. Bei Wicdcrholungen »nd c 'i'.üffcn tariflichcr Nachlak.

tz» ^"kooiNtich für den gesamten tcxtiichcn Tcil Adols Kimmig tn chcid: bcrg.

tz. °^lt>i»de der Schriiilcitung vorm. Il-IL Uhr. Berliner Bertrctung:

' ^us Amt Uentrnm Nr. 4lb. Münchener Bertretung: München, G.'orgenstraze Nr. 107.

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Für Anziigen, Nellamei und geschäftlich« Bcilagen vcrantwortllch Aisreo Schmig tn Hcideiberg. Fcrnruf 8s
Verlag: Hcidelberger VerlagSanftalt und Druckeret A. b. m. H Heidelberg, AauptstrabeLS.—
Postschickkonto Karlsruhe Nr. IWVg. — Druck von I. G. HoItzwart» N - chf, G. m. b. H., Frankfurt am Mat»

Wie Elsaß-Lothriugen dentt.

hgti?" Els-rfi-Lothrinllen wird die Ruhraktion mi' um so leb-
Inieresse versolgt, als dort immer mehr und melir d's
»'"'b durchdringen mühte, tas; der Imperialismus, Lcm Irank-
klilj ^idigt. in keinem Dcrhciltnis isu seiner wirtschaftlichen und
Energie steht. Noch vor wenigen Tagen Lehauptete e'.ne
keij ^urger Zeituna, dir man wahrlich nicht der Deutschsrsundlich-
te-^lhcn lann, Latz Riickständigkeit auf allen Gebie-
^otku-' Kcnn,'<eichen Lcr fran'vjischcn Derwaltungsrunft in Elsag-
^g'lNgeu ssi. Und so wurLe in dcr Einsicht und in Ler Ucöcr-
tzqkE og, sjch die sran'ösische Machtpolitik durch ihrs eigene
d^ M Drunde richten musf. von einem Teil Ler Prcsse, besonders
srcisinnigen, Hranlreichs Abenteuer an der Ruhr, zum
^ars Ehauvinisten m'cht nur kritisiert, sondern anch mit
stiifAlortcn rerurteilt. Dic elsasf-lothringische Vloürresie blieb
^aii! ^ rcsienicrt. Und Loch kann sogar Ler „Elsässer" in cinem
^rief rom 9. Ianuar fein Unlcehagen nicht verbergen. Der
k>at ^lefcs Briefes, ein sührender elfässifcher Parlamentarier,
la - /lM mchr übermatzig viel Zulrauen '.' "


^ ltii-eLinu»ig NIVI ^ iitiLiien zu Pvinrarös
Zeii Iung. Er fragt: „Wtrd Las Kaöinett Poincare d!e kritische
di^- librrsiehEn? Dek Abbruch Ler Pariscr Konfereng ist einer der
»ach " ÄfenLepuncte in der wechselvollcn Politik der Nachkriegszeit,
^er man Lann mciy findet, Latz nichts sich geändert hat.

die g, linisterpiäfidcnt, Lessen Dewegungssreiheit Legrenzt ist durch
Leri.„ltikcn. Lie er gegen scine Vorgänger geschrieLen hat, steht vor
ÜLe,„ Altcrnatire. vor Ler Driand stand: Loll er zur Äktion

tSL" ' " ...

We, KonimanLo, w:e Herr Briand. wenn er es auch Sewutzt
?eltx. ulLhrcnd !ler letztcre selten sagen konnte, worum es pch han-
-^r ^'E^ln sssalls würen die Tage des Kabinetts Poincarö

" . . : Möglichke-t, für

Englands, so ist

zit L'" -ur mincer gro». aicnn im wefolge diefer Aktion käme
"^ikunruhen im Innern. zu akuten Differenzen Lraugen."

. ° feii . die elsatz-lothringischenAbgeordneten,
ö Niit ^"'ger Zeit sehr schlecht auf Po ncarS zu sprcchen sino, weil
»^lllei, Linksparteien allmählich WHIung sucht. Poincarös
^athn?-lch'en die religiöse Londerstellung der elsatz-lothringischen
r<lcht,"'en zu gewährleisten, wenn ste an die Vcrsprechungen
«er die er als Präsident Leim Einzug der fran-üsischcn Truppen
"liss^ "'holischen Partei, Leren ausschlaggebendcn Einflutz er nicht
,'onnte, in so feierlicher Weise gcmacht hatte. Heute weih
die konfessionelle Schule in Elsatz-Lothringen
Vr Lesteht. Ein Teil Ler jungen latholischen Eeistlichkeit, die
Mtem°len Dlickcs die Dinge Letrachten, wie ste stnd, mutz folgendcs
x^KeLi,„ ganzen Elsatz, mit Ausnahms von Stratzburg und
ist kein einziges konfesstonclles Schulbuch mehr im Es-
i °llfew„„ < Schul- und Ausstchtspersonal entfpricht nicht mchr Ler
t?Ner ?, ? "r Kirrder, der gesamte Unterricht patzt sich immer mehr
Vause -°'geistigen Richtung an, die in fxrankre'ch seit Eombcs zu
^erii.'?,- Im „Elsässer" vom 5. Iamiar 1933 schlietzt ein mit
Zel Nuntcrzeichneter Artikel, der wegen seiner Offenherzigksit
A°-agi« hat, "Wir lllaubcn, Latz feder, desscn

. in,.r xretrübt ist, mit uns zu Ler f?eststellung iom-

»5?ehöe>' bie konfesstonclle Volksschule im Elsatz der Geichichte
°l>Hs^«' Die Derantwortlichen werdcn einst Rechenschaft ablegen

Feststelli'ngen muffcn da besonders w'rksam sein, wo
kienau so wie in Elsatz-Lothringen Las relig'öse
M ,v, »- zu xolitisSen Zweckcn ausnützen möchte. im Rheinland
.^aargebiet. Man möchte Loch einem jeden Deuischen, der
yst»? -Lrankreichs erhcuckelten Katholizismus bec'nflussen lätzt,
"agenden einfachen Morte des Elsäffers ins Hcrz brenncn.

, Au-behiiuiig der S< asmaßnahmen.

^lllhcikosront der Arbcitgeber und Arbeitnehmer hält feft.

Don unferer Derliner Nedaktit-n.

^ Berliu, 18. Januar.

^Naux^t ^^uzbfische Dormarfch ift hcute über Dortmund
^ tn drx Richtuog aof Hamm'fortgefetzt worden.

?>i, ?^Ern. .Aorrespondcnt Lrahtet uns ferner aus Paris:
?legi,l°anzösische, bclgisch« und die italienische
ii^ baben Len Besehl zur sofortigen Ausbeutung
''an sg glanialforsten am l'.nen Rh.inuser erteilt als Sank-
x°nell., a>c am 28. Dezember durch die Reparationskommiffion iest-
deutschen Verfehlungcn bei den Holzlieferungen. M t
?>»tzer d! bgr Kohlenzüge wird weiter vorgecangen werden.
».»eii,°ian allgemeinen Strafmatznahmen sollen auch indivr-
?t»be^s:.,?°Lsogen werden. Zunächst erhieltcn gestern sechs deuische
, r°l» ^,°.''ser, a. Fritz Thyssen, die Ausforderung, heute "or
e, °runo , 8 ° 6 e r i ch t zu «rscheinen: weiteren 15 wird diese Äus-
^»e B-6 tieute zugesandt werdcn. Man denkt wen gcr h'erbei an
»vge„^»iung als an eine Besch! agnahmung ihres Ver-
8n »»> hiervon die Kohlensteucr deckcn zu lönnen.
n ^ -Ske«!'« ^lb.'int man die Lage durcha -s nicht ruhig nnznfehrn.
Kon«?^°°k H rald" zufolge gcstanden heroorragende Mitglieder

bas, »

uch die Hoffnungen aus Trlangung der Reparationsforde-

zahl von Bahnhöfen französische Büros eingerich-
tet wordcn, die von dcn EisenLahnbehörLen statist'sches Material
aller Art verlangt haben,' das Mater'al konnte jeLoch nicht geliefert
werLen, La die Leuljchen EisrnLahnbehörLen sich beianntlich bishcr
in keiner Weise m!t statistischcn Arüeiten bcsatzt haben.

Die Vesatzungsbehörds hatte für g:stern nachm ttag auch die
Organisatiouen und Eewerlschasten Ler Reichseisenbahn zu
einer Vesprechuug nach Essen eingeladen. Ein französischer. Oücrst
sorderte d:e Eisenlahner auf, ruhig w!e bisher ihrer Ärbeit nach-
zugehen. Auf Lie EinwenLungeu Lejreücnd die nt e ch t l i ch: e: t
Lss sranzösischen Vorgehens erkiärte Ler OLerst, Lag er Larauf nicht
antworien könne. Als Lann von deutscher Seite die Frage ves
Streikrechts angeschnitten wurde, erllärten die Fran osen, vatz
ste einsn Streik um keinen Preis dulden wiirdcn. Zm
übrigen waren die Franzosen erstauntüberdie Einheits-
front der deutsch^n Beamten und Arbeiter. Der
sranzöstsche Oberst Houille. ber für die Zwischenfälle in Bochum
verantwortlich ist, ist jetzt von seinem Posten abberufen wor-
Len: Las Regiment, Las die Zwischenfälls verursachte, ist gleichfalls
durch e!n anderes ersetzt worben. Die Neichsregierung wird
gegcu die Erschietzung Les deutschen Arbeiters, der in die Zw.schen-
sälle verwickelt war, formell Protest einlegen. Wie weiter
veriautet, wird der V ö l k e r b u nd s r a t am 25. Januar zu-
z sammentreten, um über die Anwesenheit dcr französischen Truppen
I im Nuhrg? biet zu verhandeln.

Klglanßs KM-ig.

Der französische Botschaftcr bei Bonar Law.

London, 18. Januar.

Der französische Votschafter hatte gestern mittaA eine
Unterredung mit Bonar Law, die eine halbe Stunee
Lauerte. Es wird rermutet, Latz Labei die Frage der Ruhrbeietzung
zur Sprache' gebracht und dem britischen Prem:erminister Mutei-

V -- ,.. — —^ ---

Lg ^ Ausbeutung der Erubcn nicht erfülleu wcrdcn,

KvlllxE^r tzen gegenwärtigen Umständen kaum gcnügend Eeld und
»Ur Lcm Ruhrgebiet herausgezogen werdcn kann, um auch
Dcr Kosten Ler stündl'ch steigenden Vesatzung zu decken.

! "gllckif» . T rulb groge AUsivurivKciv:-!,»»;,

svruck V "Eunruhlgt die Franzosen. nämlick ein evtl. Schievs-
-°°aus° Engländer und Amerikaner. Doch wüese
"»ch d>» antwortcn. Latz die Besetzuna verschärft und

^lirLe^° Zwangsmatznahmcn gegenüber Deuischtand verstärkt

üud'mr Franzofcn sind jetzt besonders Lam't k
1» ^°se zu suchen, um einc Kontrolle
"be, vornehmrn zu konn^n. <o>

beschästigt, nene Mittel
e des Kohlenver-
So sind auf einer An-

wachsenden Kosten ..

seüung des Ruhrgeoiets, die Franzo,en versuchten, durch Droyungen
die Kohlenbergwerisbcsitzer von ihrem Eehorsam gegen die Ber-
liner Negierung abzudr.ngen. Die Zeitcn seien aber vorbei, wo
eine zivilisierte Ncgierung aus einem reichen Mann
Neichtllmer mit der Folter herauspressen könne.
Nach wclchem von den Nationen an.'rkannten Eesetze könnten
autzerdem die Franzosen grgen dcn Privatbesitz und Privat -
personen vorgeizen? Welche Besugnis hättcn die sranzösischen Mili-
tärbehörden, "P r i v a t p e rso ne n zu verha t.n uns. Las Eigen-
tum Leutscher Bürger mit Beschlag zu belegen? Dies seien Fragen,
von Lenen Ler künftige Friede uns die Sicherheit der
Zivilisation abhänge. „Daily Ehronicle" drückt die Hoif-
nung aus, Latz die Franzosen die guten Dienste Englands annehmen
und sich znrückziehen. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily
Chronicle" besatzt sich ferner mit Len französtschsn Zielen im Ruhr-
gebiet und fragt, ob die Neparationcn nicht nur ein Vor-
wand der Franzosen seien. Franlreich hade zwei Ziele im Aug«,
ckstcns die Lauerndc Zerstückelung und Schwächung
Deutschlands durch die Loslösung des Nheinlandes unü des
Ruhrgebiets, zweitens die industrielle Vorherrschaft in
Europa, mit anderen Worten dcs direkte Herausforderung
der i n d ust ri e l l e n Stellung Englands. Der Eisenerz-
reicktum Frankreichs se! wertlos, wertlos ohne die deuische Nkit-
wircung, und Franlreich sei heute Laran, diese deutsche Mitwirkung
zu erzw.ngeu und versprechr stch davon die Erreichung feines Zieles.

Repington sthrsibt im ,Daily Telegraph". er habs
am Rhein mit vielen franzostschen Eeneralen, Kommissaren nnd
desgleichen mit sührenden sranzösischen Staatsmännern über Las
Ruhrproblcm gesvrochen. Seltsamcrwsiss hätten dicse Franzosen
hurchweg gesagt. Latz die Deut>chcn mit ihnen zusammenwirken und
kcine Schwierigkeiten verursachen würden. — Niemand habe ossenen
WiLerj'tand erwartet. Repington kommr zu Lem Schlutz, datz, falls
die augcnblickliche sraN'-ösische Politit scheitere, die Franzoien viel-
leicht sehr froh sein wllrden. dcn abgehnLerten Bonar Law-Plan
m!t mehr Ausmerisamkeit zu prllscn, als ste Lcm ursprünglichen Plan
Les engliichen Premierministers in Paris zuteil werden lietzen. Es
müsse vcn seiten Englands der Versuch gem.acht werden, »incn
Mittelwsg zu finLen. der dic Entente wiederher-
stelle, bevor ste in Stücke Lreche-

Ein Gutachien der brilischen Sandelskammern.

Lsndon. 18. Ian. Auf Ler gestern stattgefundenen Vierteljahrs-
rcrsammlung des Lerbandcs britischer Handelskam-
mern ist Ler Bericht Ler Leitung über die'Reparationsfrage mit
sämtlichen Stimmen angenommcn worden- In dem Vcricht wird er-
tlärt, Latz Deutschland sür eine gewiffe Zahl von Jahren un-
bedingt ein Moratorium gewährt werden müffe. Der
Ecsamtbeirag Lcr Enischädigungcn, Len Deutschland bezahlen kann,
ohne den HänLel der Akliierten zu beeinträchtigen. müffe unverzüg-
l:ch festgesetzt wer'cen. Wenn aus Deutschland cin Druck ausgellbt
werden müffe. um Reparationcn zu crzwingcn, Lann müsse über die
Form dieses Druckes Uebereinstimmung zwischen den
AlIiier 1 en herrschen, Um der hcullgen unsichcren Lage ein Ende
zu machen, sei es wünschen--wert. Latz Deutschland eine inter-
nationale Anleihe vcrschafst werde. Endlich spricht ver Bc-
richt die Ansicht aus. Latz Ler militörischen Besetzung so schnell wie
möglich ein EnLe gemacht werLcn mllsse. Zu einer Besprechung kam
es nicht, Loch Ler Vorsiand erklärte, man wolle die Fühlung auf-
^echt erhalten: die Lage sei höchst gesährlich.

„Scharfster Kampf allen franzSstschsn ErzeugnUen."

Hamburg, 18. Ian. DieHamburgerDetaillistenkam.
mer vcröftent'-icht eincn Äufruf. in Lem angesichts des rnube-
rischen Einbruchs Frankreichs iu La- wertvollste d-utsche Industr.e-
nebiet es als eine ForLerung Lcr WürLe und dcr Ehre jeLes,Dcut-
scben bezeichnct wird. allen sranzöI! schen E r z e u g n i, I e n
! chärfsten K amvf anzusagen. Der gesamts deutsche E-nzel-
handel und sämtliche Lcutsche Vcrbrancher werLen aufgesordert. kein
! Ktück >ic-.nzösischer Wars mehr nach Deutschland einzuführen. in den
' Handel zu briugen und zu lausei^

Me Schi'cksalsfrage.

Das Verbrechen der Besetzung des Ruhrgebietes wirkt sich immer
weiter aus. Immer neue Truppenzüge rollen heran. Auf eine An-
srage, ob wirklich 190 000 Mann in Bewegung gesetzt seien, erwidert«
Poincarö, es handle sich nur (!) um 15 000 Mann. Von der Fiktion,
diese Truppen seicn nur eine militärische Vegleitung dcr Jngenieur«
kommission, die die Reparationskohlcnlieserung kontrollieren solle,
ist heute schon keine Rede mehr. Auch die „Jngenieure" sind in de»
Hintergrund getreten, im Bordergrund steht der Eeneral mit
seinen Soldaten, die sich Unterkunft erzwingen, die mit ihren
Massenbedürfnissen ein fürchtcrliches Ansteigen der Preise und damit
jctzt schon ernste Lebensmittelnot hervorrusen, und die im übrigen
Lurch ihr blotzes Dasein wie Sand im Estriebe wirken. Sie sind
gngeblich gekommen, um grätzere Kohlenlieferungen herbeizusühren.
Die Förderung ist aber in den letzten Tagen bereits gewaltig zurück-
gegangen und geliesert worden ist an die vertragsbrllchigen
Mächts übcrhaupt nichts, La die Berghcrren Laran sesthalten, die
Lleferungen zu vcrweigern, die ihnen von der deutschcn Regierung
verboten sind, und da sie erklärt haben,'sie würden sich auch durch
dcn äutzersten Zwang nicht Lazu bringen laffen, eine gegen ihr
Vaterland gerichtete und Lamit also ehrlose Handlung zu bcgehen.

Es liegen noch keine bestimmten Nachrichten Larüber vor, ob die
Franzosen wirllich so weit vorschreiten werdcn, diesen äutzersten
Zwang anzuwenden, um den Widerstand zu brechen: sollten sie wirk-
lich zu riickstchtsloser Anwendung brutaler Eewalt entschloffen sein, so
können -Folgen von unausdenkbarer Furchtbarkeit eintreten, denn
ivenn dieser aufs äutzerste komplizierte Wirtschaftsmechanismus, den
Las Ruhrgebiet darstellt, erst einmal an ciner Stelle in llnordnung
gerät, Lann wird Hemmung und Stillstand Lald allgemein werden,
und kann Las Ergebnis nur eine Katastroxhe sein.

Oä dies aber eintritl oder nicht, das hängt heute — und da»
ist Las Ouälende der Lage — durchaus nicht mchr von uns ab,
Was bisher von unserer Seite, von der Reichsregierung. von de«
Vehörden in dem betrofsenen Eebiete, von den O« iriebsleitern ge»
schehen ist, Las mutzte alles gcschehen. Der Deweis Lasür ist dir
fast einmütige Kundgebung vom letztcn Sonntag, die sast einmütige
Haltung der deutschen Preffe, auch der soziatdcmvkratischen. Eo
schreibl am 16. der „Vorwärts":

„Die Vcsetzung des Ruhrreviers durch die Franzosen und Beltzier
ist nicht' ein blotzer Zwischenfatt in der leidcnsvollcn Eeschichte der
Nachkriegszeit, sondern e!n weltgeschichtliches Ereignis, Lessen Riick-
wirkungen auf die äutzere und innere'Politik ganz unberechenbar
sind. War einmal ausgesprochen, Latz cin Veriragsbruch vorliegt
und Latz die bewaffneten EinLringlinge w'iderrechtlich aus deutschem
Boden stehen — und welcher Mensch, auch welchcr gerecht denkende
Franzose wollte das bestreiten! —, dann ergab sich Laraus von selbst,
datz die Deutsche Nepublik diesen Schlag auf ihre wirtschastliche
Lebensader nicht ohne Eegenwehr hinnehmcn konnte. Der Eewalt
mit Eewalt zu begegnen, war so unmöglich, datz kein ernstcr Politikcr
aus dcn EeLanken der militärischen Abwehr vcrfiel. So blieb nur
eines übrig: dem Eegner die Einsicht beizubringen, datz widerrechtlich«
Eewalt kein geeignetes Mittel ist, finanzielle Probleme zu lösen.
Don einem klugen Franzosen stammt Las Wort. mit Tajonetten könne
man alles, man könne aber auf ihnen nicht sitzen., Ietzt soll gezeigt
werden, datz man mit Tajonetten auch keine Kohlen graüen, keine
Kohlenziige fördern, keine Wirtschastsorganisationen regulieren,
keine Staatssinanzen verbeffern kann.

Die widerrechtliche Eewalt stötzt im Ruhrrevier nicht auf be»
waffnete Abwehr, aber auf Widcrwillen und seelischen Widerstand.
Datz fle Ladurch veranlaht wird, ihren Druck zu verstärken, ist selbst»
verständlich. Hcitten die Arbeiter wciter Ueberschichten verfahren,
wäre das Kohlensyndikat ,n Essen geblieben und hätte es sich ge«
horsam den neuen Machthabern unterstellt, so wären dicse vielleicht
in ctwas gnädigerer Laune, als ste es jetzt stnd. Aber ihr Erfolg
wäre dann leicht und vollkommen gcwesen, glatt und reibungslos
hätten sie Lber die deutschen Kohlenschätze versügt. Konnte Lann
der Sitz des WiderstanLes weiter nach innen verlegt werden? Nein,
die Widerstandslosig'eit des Ruhrreviers hätte die Widerstands-
losigkeit des übrigcn Deutschland zur Folge gehabt. und wir hätte»
alle Bedingungen des Siegers über uns «rgehen lassen mllffcn."

Diese Aussührungen des matzgebenden sozialdemokratischen
Organs zeigen. Latz man wirklich hicr einmal oon einer ungcsähren
Einheitsfront redrn lann, aber, täuschen wir uns nicht, sie ist im
wesentlichen negativer Natur und sie wird ihre Probe erst noch
zu bestehen hc-ben.

Schon allein di« Tatsache, datz die Reichsregierung im wesent-
lichen auf Las Mittel des passiven WidcrstanLes angewiesen ist,
bringt eine Schwierigkeit mit sich, denn sie enthält einen Wider-
szruch in, sich. Die Regierung ist ebcn zum regieren da, und ge-
rade in Zeiten solcher Heimsuchungen richtet sich der Dllck mit be-
scnderer Dringlichkeit auf sie: es ist natürlich, Latz man von ihr
irgcnd etwas erwartet und Latz, sobald diese Erwartung ent-
täuscht wird, die Kritik und Ler Zweisel einsetzen.

Dieses Stadium scheint, wenn wir eincr Berliner Korrespondenz
der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" trauen dürsen, in gewiffen
Kreiscn der Sozialdemo'.ratie und des Zentrums bereits eingetreten
,zu sein: man hört, dah über zu grotze Cchweigsamkeit der Regierung
in bezug auf das, was sie eigentlich vor hat, geklagt werde, auch über
Len Mangel an innerpolitischer Initiative. W.r selber teilen diese
Auffaffungen 'nicht: wir finden, datz die Regierung sehr recht
Laran tut, mit ihren Plänen zurückzuhalten, wir schen aber allerdings
die Möglichkeit von Krisen sür den Augenblick voraus. in dem die
Rcgierung zu irgcndwelchen positi'vcn Entschlietzungen gelangcn
wird, dcnn in nur neoativer Haltung iann sie nicht verharrcn. Jn
diesem Augenblick wird sich zu zeigen baben, ob die Deutschen aus
dem Leiden, das jetzt über uns gekommen ist, wirklich gelernt haben.
und ob die Barteien begrifsen haben, Latz Deutschland nur erhalcen
bleiben lann, wenn die Deutschen wirklich ein einiges Bolk sind.
 
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