aa. Mrgang - m. r
Lie »Badische Post' crfcheint tägltch lauch Sonntag») vorinittagr, also stebenmal
wächentlich nnd koftct trei in» Ha»« zngestellt monatitch I2W Mk. dnrch dle Doft
monatltch 12iiv Mk. zuzüglich IV5V Mk. Bestellce d. Einzelnummer KV Mk.
Heidelberger Zeitttng
(Gegründet 1858)
und
Handelsblatt
Msmerslag, 4, Zanmr lS2Z
Anzeigenprei»: die 22 mm bieite Nonpareillezeile 4U M!, Familien-, Bcrein»»
nnd Kleine Anzeigen nach besonderem Taris. Rcklame i: die >>8mm brelte Nonpareille»
etle 20V Mk. Bsi Wiederholungen und Zeilenanschlüsfen tariflicher Nachlatz,
Berantrvortiich sür den gesamten teMchen Teil Adotf Kimmig in Aetoeiberg. Fernrns der Redaktion: Äeidelecrg 82.
Eprechstnnde der Echrisileitung vorm. 11-12 Uhr. Berliner Bertretung: Berlin 8VV 48. Zimmerstraße Nr. 9.
Fernrnf Amt Zentrnm Nr. 415. Münchener Bertretnng: München, G:orgenstraße Nr. 107. Fernruf Nr. 81687.
Für Anzeigen, Reklame, nnd geschästliche Betlagen vrrantwortlich Arfreo Schmty in Hride.ber,. Fernruf 82
Berlag: Heidelbergsr Berlagsanstalt und Druckeret <S. b. m. H Heidelüerg, Hauptstrasze 2S. —
Po'ischeckkonto Karlsruhe Nr. 19VV9. - Druck von I. <S. HoItzwart, Nachs, IS. m. b. H., Frankfurt am Matn
Sie pariser konserenz.
Der englisch-snmzLfiiche Eegensatz.
Don unserem H-Korrespondenten.
Pari«, 3. Januar.
Die Konserenz trat Mittwoch nachmittaz 3 Uhr zu ihrer zweiten
Sitzung zusammen. Pcincarö legte die Eründe dar, weshalb die
srauzöfische Regierung den englischcn Plan als völlig unannehmbar
ansehen müsse. Er forderte die Zustimmung zu de» sranzöfischen
Borschlägen, welche, wie er Lelauptet, ein Minimum da stellen,
unter welchcs die sranzöfische Negierung nicht he.untergehen lönne»
da sie alle Zugeständnisse gemacht habe, um auch die Zustimmung
Euglands zu erlangen Cs uerlautet weiter, dach salls aus der Kon«
serenz der Standpunlt Poiucares nicht einstimmige Billigung sände,
der Abbruch der Beratungen auszesprochen würde. In englischen
Kreisen wird erllürt, Bonar Law wcrde zustimmen, dag das sranzö-
fischr Programm ersrtert wci/.e, aber nu: unter der Bedingung, Lah
die Konferenz auch das cnglische Programm in Beratung
ztche. Poincarö sprach LX Stunden. Er sagte, wenn Bonar Law
fich aus seine Lssentliche Meinung berufen haLe, so müsse er sclbst au?
dieseinige RüSsicht nehmen, die fich unbedingt gegen die Durch-
sührung der Pläne des englischen Ministerpräsidenten wendcn würde.
Franlreich habe keinerlei imprrialistischs Abfichten und oersolge nur
einen Zweck, niimlich fich die Nechte zu sichern, die ihm der Ver-
sailler Vertrag gegeüeu habe. Zur Stunde dauert dre Srtzung
»och an.
Aus Paris wird Lerlchtet, datz dort DemLhungea im Eange :md.
«ine Annäherung zwischen dem englischen und dem franzosischen
Slandpunlt herbeizuführen, vor allem Belgien gibt stch Ule
Mühe, die Nolle ein s Vermittlers zu spielen. Siach den Berichlen
der französischen Blätter soll Po.ncars beantragt haLen, die sran-
zösischen Pläne als Erundlage sür die Verhandlungen der Konferenz
anzunehmen. Sollte dieser Anirag le.ne Annahme sinden, wurde -r
Len Abbruch der Konferenz Leaniragen. Man halt es in Paris
für wahrscheinlich, datz auch Belgien und Jtalien lieber den
sranzösischen als Len englischen Plan den Erorterungen 2cr
Konferenz zugrunde legen wllrden. Xesonders sich
Millerand für eine Zuruckweisung der englischln Vorschlage aus-
gisprochen LaLen. Man vermutet daher, Latz die Konserenz von
Paris lald auseinander gehen w'.rd, um den einzelnen Kaoinelten
Zeit zur Stellungnahme zu lassen. Die Lage w^rd im allgemeincn
__ __I'tL, sVTl.
iaierven'.eren, wenn die Verhandlungen
b^^Bonar ^Law erllärle in einer Vesprechung mit Presseleuten. dotz
Enoland stch trotz des Eleichaewichtcs in seinem Budget doch >n
einer sehT üblen finanziellen Lage Llfinde. l« es nur
einem autzergewöhnlich starlen Druck das Eleichgewia.t zwischen E.n-
nahmen und Ausgaben in seinem Budget verdanke. Menn nicht e>n
star'er Ausschwung des Welthandels erfolgi, sei die sinanzielle c>u-
kunft Englands sehr unsicher. Die britische Regierung wisse auch
aenau datz ste den gesamten Betrag ihrer Schulden an die W-r-
ein oEn StaaEn, von Deutschland und den Alliiert.n nrcht herem-
bekommrn werde sie miisie aber doch wenigstcns versuchen, emen Teil
einmtreilen. Es bestehe le.ne Möglichleit, eine irgLNLwie Le.racht-
licheSumme von Deutschlcmd zu erhal en. solange es n.cht gelumsen
sei. d " ' ' ^ " ..
Eins
Möalirri, rrrs n.rri, »»»>» ->- v—c
Rerarations-ahlungen lenne, den man von Dcutschland fonern
wer e Man würde den Zweck einss Moraioriums direct Lemmps n.
wenn'man einm Versuch ir.achen wollte. während seiner Damr
gra-ere Bsträge ron Deutschlaud heremzube.ommcn Die Allnertsn
hät-en heute zwei Mcthoden fllr die E-ntreibung vor sich, emmal
die E ntreibung kleinercr Beträge durch Z n, a n g s m a tz n a y-
men, oüer die Einz'ehung des E e s a m tL - t r a g e s dmch die
WieLerherstellung dcs deutschen Kredites. Zm.schen
dies n beiden Methoden hätten die alliierten Machtc hcu.e zu wahlen.
D-e gleichzeitige Anwendung beider Methoren sei jedoch llnmrg-
lichkeit.
Dormittaos hat unter dem Vorsitz Millerands um 11 llhr
«in französischer Ministercat die Lags nach der ersten S-tzung osr
interalliierten Konferenz geprüst. Nach oer oMS-ecken Note ber ch-
tete der M'nisterprästdent ubcr die engl'.schcn Vorfchlage. Nachdem
rr. lt-Nte der M'n'sterrat cinitimmia fe
Pfänder darstellen und einen endgultigcn Vt-rzicht auz
wesentlichen Becingungen des Versaill r Vcr rugs bedeuien. Vor
dem Min-sterrat ha'.t« Poincars ein« Lesprechung mrt dem Frnan;-
minister Lelastevrie. mit dem Minister ,ur die befreit.n v,s-
Liete Reibel und mit dem Präsidenten der Rexarationslommisston
Darthou. Bonar Law hatte eine Besxrechun-> mit den englischsn
Finanzfachverständigen. . „ . . , -
Nach Lchluh Les Ministerrats erklarte Pomcors den Mitarbs^
tern Ler Zeitungen nach einer Mitieilung des „Jvtransigeanl": Zch
boffe datz ich so'ort werde die Eründe darlegen tönnen, aus deuen
der englische Plan auf keinen Fall als Elundlage sur cme
Erörterung dienen kann. Er erregt auch dic Unzufr>eLenheit
unferer belgischen Allüerien, deren Priorüät in die>em
enol'schen Plane nicht anertannt wird, und dcsgleichen die Un-
zufr'eLenhe'.t der Jtalisner. denen das Eeld genommen werden soll,
welches s'e oenau so w!e die Franzosen während des Krieges -n der
Dank ron En"land dexoniert hattcn. um die während des Krieges
erhaltenen Vorschüsse zu dcckcn. Ich s> reche nicht weiter von den Ent-
läuschungen, die der englüchc Plan uns bcreitet hat. Ich werde die
Konfcrenz auffordern. Lem sran?x>üschen Plane zuzustimmen- W-r
sind m!t unf-rcn Forderungen sehr zurückhaltend und mit unfsren
Zuaeständnisien sehr weit gegangen Was wir verlangen. ist em
Min'mum Wir haben alles ge-an, um keine der alliierten Machte
un'usr'edcn zu stimmsn. Wenn unser Projekt n'cht angenommen
«ird. lo kanii nv.r noch festgestellt wevden. dcch eine Einigung
unmöglich ist.— Ueber die Auffasiung der belglschen Ab-
ordnung weitz der „Temps" zu berichten, datz man dort das franzä-
sische Programm als gemätzigt betrachtet- Jnfolgeüessen glaubt das
Vlatt. datz stch die belgische Abordnung ihm anschlietzen wird, zu-
mal es den Anschauv.ngen der belgischen Negierung entspricht:
kein Moratorium ohne Earantien zu geben und den
Pfändern wirischaftlichen Charakter zu verleihen. Das englische
Projekt erscheint auch den Vclgiern unannehmbar.
Sie alliirrten Vvrschiäze.
Dis Stellung der Reichsregierung.
Von unserer Verliner Redaktion.
Dcrli«, 3. Januar.
Mkttwoch vormittag ist än Berliner amtlichcr Stelle der Wort-
läut der Borschliige Cnglands, Frankreichs «nd Z-aliens eingcgangen.
Eine amtliche Stellungnahme liegt bis zur Stunde noch nicht vor.
Jnsbcsondere stellt fich heraus, da'z dcr englische Planin seiner
genauen Fassung autzerordentlich kompliziert ist und nicht un-
wesentlich von der vor einigen Tagen durch dic Presie bclanut gc»
wordenen Jnhaltsangabe abweicht. Das bedingt naturgemä'g auch
eine neue Stellungnahme der deutschrn Negrerung zu diesem Vor-
schlag. Man wird vielleicht mit der Möglichleir rechneu müsien.
datz das Projekt Bonar Laws in Paris in irgend einer Weij« rls
Verhandlungsbasis genommen werden lann. Eine amtliche
Bcsiätigung der Meldung. wonach die Konferenz abgelehnt habc, den
StaatLsekretär a. D. Bergmann zu hören, ist ri- Berlin noch nichi
eingetrosfen, vielmehr heitzt es nach den letzte» Pariser Meldungen,
dah der Beschlutz Lber die Anhörung Vergmann, vorläufig aoch
ausgesetzt wurde. Doch glaubt man, datz noch Durchficht d«r
deutschcn Borschläge eine mündliche Erörterung mit Bergmann sich
nicht vermeiden lasse» wird.
Der devtsche Medensvorschlag.
Eine amerikanische Erläuterung.
Von unserem ll-Korrespondenten.
Paris, 3. Januor.
Das Weitze Haus äußert sich nun in eincr ojfiziösen Erklärung
zu dem vom Reichskanzler Dr. Cuno belannlgegebenen deutichen
Vorschlag, einen 30jährigen Vertrag abzufchlietzen, während sem sich
England, Franlreich, Deutschland uni I alien gegenfertig ceinen
Krieg erllüren sollten. Die Mitteilung der amerilanischen Regierung
lautet: Das amerilanische Staatsdexartement teilt mit, datz üer oo.i
Dr. Cuno in seiner Nede vom vergangenen Soaniag angekündigte
Vorschlag der sranzösischen Regierung vom Staaisscttetäi Hughes
deshalb nicht ofsiziell übermittslt wur.e, n,e!l eine vorherigs
offiziöse Untersuchung feststellte, Latz vieser Vorjchlag von Frank-
reich mjcht angenommen werden würde. Das Kommunigvä
des Staatsde-artcmenls fügt hinzu, datz die in dem deutschen Vor-
schlag erwähnten LÜnder Fran-rsich, Tngland, I.taliea und Deui'ch-
land seien. Aus dem amerilanlschen Kommuniqu4 geht fernsr Ler-
vor, datz den Vereinigten Staaten die Rolle einkp Zeugen zugelccht
war, der die von den vier euroxäisch n Völtcrn eingegangenen Ver-
pslichinngen feierlich aufzeichnen soüte. Die Ta fache, daz die ccut-
jchen Vorschläge wenigstens offiziös der Par.ser Negierung über.-
mittelt wurden. beweist, w.e sehr die Vereinigten Staaten an diesen
Vorschlägen interessiert sind.
Wahrer Sozlaljsmus.
Wien, 3. Jan. (Eig. Drahtm.) Der bsrühmte schweizerische
Forscher Forel, der belanntlich Sozialist ist, richtet an die
„Lieüen Eenossen" in Oesterreich e-nen Brief, dessen Mahnungen auch
den reichsdeutschen Soz-aldemolraten nur von Nutzen sein
können. Er schreibt: „Ich bin Ler Ansicht, datz unsere Eenosjen im
allgemeinsn und in atlsn Ländern noch eine viel zu eng-
herzige Parteipolitik treiLen. Der Sozialismüs Lar? leine
„Partev' bleiben, er ist viel zu edel d-azu, er Lezeichnet Menjchlichkeit
im edelsten Sinne des Wortes, im Eegenjatz zum Egoismus. Infolge-
dessen mutz der Sozialismus üLerall und bei allen Menschen das
Eute uno E d l e suchen, statt „Feinde" in anderen Parteien und
Engel in den Reihen seiner eigenen Eenosien zu suchen. „Lieben,
nicht hassen" — ader überall, vor allem beisich s e l bst die mensch-
lichen Fehler und Schwächen belämpfen. Unfer Motto sei leben,
um zu arbeiten, nicht arbeiten, um zu teben, um Eeld zu ver-
dienen, um zu gsnietzen, den in der Arüeit liegt die Kraft des
Lebens, die Freude zum Lebcn und die wahre Freiheit. Nur
durch emsige Arbeit aller kann die Mcnschheit dem gegenwärtigen
Weltchaos entrinnen. Däs lapitalistische Eystem ist leider nicht unser
einziger Feind, suchen wir andere in uns selbst. Wir müssen auf-
hören, Parteihetzerei zu treiben, und zwar überalt, inter-
national. Wir müssen, um eine Lessere Menschheit auf sozialistischsr
Erundlage zu erzielen, gute und sozial sühlende Msnschen in allen
„Parteien" suchen und sie für uns gewinnen. Die Sozialisten mllsien
sich durch Weitherzigkeit sortschreitend veredeln, um ihrer wahren
Mission Ehre zu machen und Lozialisten im echten Sinne des Wortes
zu werden. Folgen wir dem musterhaften Beispiel der ehrwürdigen
Mutter eures Bundespräsidenten, Marianns Hainisch, — für andere
arbeiten, selbst im hohen Alter. Es mag verweaen scheinsn, wenn
sich ein SchweWr Eenosse erlaubt, Jhnen seins AnsichteN zu unter-
Lreiten, aber Wien war mir immer lieb,' ich war oft dort, Las mag
mich eiwas entschuldigen. Mit treuem Genossen"ruh Jhr getreuer
alter Eenosie Dr. A. Fore I."
Die Verbindlichkeitserk ärung der Tarifvertrage.
Berlin, 3. Ian. (Pi'w.-Tel.) Nach eincm rcm Neichsacbeits--
ministerium dem Re'.chstag zugegange-.en Eesetz nlwurf über die
Erklärung der allgemeinen Verbindlichleit von Tarifverträgen soll
bei Abänderungen allgem.in verbindl.cher Tal-svcrträg«, die aus-
schlietzlich eine Anpassung der gelol, chcn Leistungen an
die Teuerungsverhältnisse enthalten, von der vorh-rigen Bckan i t-
machung ünS der Einsttzung einer Linsxruckisfrist a' ge-- >en
w.rden könn.n, wcnn der Antrag von allen Vertragsxarteien gestcllt
bezw. von keiner angefochten wird. .. . <
Die Rede des Rei'chskairzlers.
Am Nachmittage des letzten Tages des soeben von uns geschie»
denen Jahres hat der Reichskanzler Dr. Cuno vor einer nach vielen
Tausenden zählenden Zuhörerschaft die angekündigte Rede gehalten,
in der er die Eesichtspunkte auseinandersetzte, die bei der Ausarbei»
tung der deutschen Vorschläge an die Altiierten matzgeücnd gewesen
sind. llnsere Leser haben den Wortlaut der Nde zum grötzeren Teil
schon in der gestrigen Ausgabe gesrhen und fin-den den Rest heute
an anderer Stelle. Sie werden den Eindruck gewonnen haben, Hatz
w!r es hier mit elner höchst bedeutsamen Kundgebung der neuen
Regierung zu tun haben, einer Kundgebung, von der man stch eigent-
lich kaum vorstellen kann, datz ste an der Stelle, aus die es in erster
Linie ankommt, ohne Eindruck bleiben könne.
Der Reichskanzler stellte gleich in den Anfang seiner Ausführun-
gen ein Wort, das eigentlich entscheidend ist und alles sagt: an-
lnllpfend an die Bezeichnung der Organisation von Erotzlaufleuten,
auf deren Einladung er es unternommen hatte, hier zu reden, an di«
Bezeichnung: „Der ehrbare Kaufmann", erklärke er, datz er die be-
vorstehenden Verhandlungen führen wolle eben im Eeiste eines „ehr-
laren Kaufmanns": Las heitzt, von dem Geiste beseelt, dem Reiche und
unserem Bolke zu dicnen und damit zugleich einen wahren Frie-
den der Völker anzubahnen. -
Der Neichslanzler sagte, dieser wahre Friede könne freilich nur
erreicht wsrden, wenn alle Dölker sich entschlosien auf den Boden
der Wirklichkeit stellten. und sprach, auf sein Thema über-
gehLNo, oen Wunsch aus, daß dies vor allem in dezug auf das Re-
parationsproblem geschehen möge. Er hob als erste Wirl-
lichkeitstatsache hervor, datz diefes Problem an sich der Aufgabe der
Quadratur des Zirkels gleiche, also unlösbar sei, weil zwischen der
Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes und den Erwar-
tungen Ler Eegner ein unausgleichbarer Widersxruch bestehe, und
gab damit von vornherein zu, datz ein Ausgleich, der jeder Kritik
standhalte, nicht zu finden sei. Allein er erinnerte an zwei andere
Wirklichkeiten, die bei jeder Kritik berücksichtigt werden mützten: 1. an
die ausdrückliche Vestimmung des Vertrages von Versailles (Art. 234),
dah „die Wiedergutmachungskommission vom 1. Mai 1921 ab von
Zeit zu Zeit die Hilfsmittel und die Leistungssähigkeit Deutschlands
prüfen werde", die Bestimmung also, datz sich die Leistungen nach der
Fähigkeit Deutschlands zu leisten, richten mützten, und 2. er-
innerte er daran, datz eine Ueberjchreitung der Leistungs-
fähigkeit den Wirtschaftskörxer Deutschlnds zerstören, also letzten
Endes Leistungen unmöglich machen mützte.
Der Reichskanzler rief dann als Zeugnis für das, was in der
Entschädigungssache zu tun sei, das Eutachten des internationalen
Anleihekomitees vom Iuni vorigen Jahres an, das er als das
Weiseste und Mutigste bezeichnete, was über die Re:. arationsfrage
geschrieben sei, und hob hervor, datz dieses Eutachten, ebenso wie die
Eutachten der internationalen Sachverständigen, die im letzten No-
vember in Berlin getagt hatten, eine internationale AnIeihe und
eine Herabminderung der Londoner Schuldsumme auf ein er-
trägliches Matz zusammen mit einer mehrjährigen Zahlungs r u h e»
pause als unerlätzliche Erundbedingungen für jeden Versuch einer
Lösung bezeichnet hätten: er deutete damit an, datz der deulsche Vor-
schlag diese grundsätzlichen Urteile sich zu eigen gemacht und seinen
Anerbietungen künftiger Leistungen zugrunde gelegt habe.
Der Reichskanzler bekannte osfen, datz diese Aneroietungen nür
unter schweren Bedenken crfolgt seien, da unsere Wirlschaft jetzt schon
fast das Dild einer ruinierten Wirlschast darbiete, allein er be-
tonte sehr stark, datz die Anerbietungen in engem Einverständnisse
mit den matzgebenden Personen und Kräften Les Wirtschafts-
lebens erfolgt seien: gewitz werde er gelten Opfer zu bringen,
Oxfer des Besitzes, Opfer der Arbeit, Opfer und Arleit für jeden
nach dem Matze seiner Krast, aber diessr Weg müsie gegangen wer-
den, weil er allein aus Lem Sumpf der gegenwärtigen Wirt-
schast herauszuführcn vermöge: er werde zwar auf einen steini-
gen Boden sühren, dafür aber auf einen festen. Von ihm aus
werde es dann möglich sein, die Mark wieder zu einem festcn Wert-
mesier zu gestalien und das BuLget wieder ins Eleichgewicht zu
bringen.
Es ist ein Riesiges, was hier unternommen werden soll: eine
fast zu Tode gehetzte Wirtschaft wieder gesund zu machen und ihr
gleichzeitig Lasten aufzubürden, die auch für eine nicht lrankc Wirt-
jchast fast zu schwer sein dürften, aber es geht nicht anders, und
am EnLe des Weges, aber nur dieses Meges, steht die Freiheit
des deutschen Volkes: fllr dieses Ziel gilt es, wie Ler Reichs-
kanzler sagt„ „die ganze Kraft der WirLschaft aus der Seite des
Staates zu sammeln".
Wir kennen die Einzelheiten der Vorschläge der deutschen
Negierung noch nicht. Sie sollcn erst in Paris mitgeteilt werden, und
der Neichslanzler durfte daher nichts Näheres darüber sagen, aber
wir müsisn uns in der Tat Larauf gefatzt machen, datz wir Vieles
und Schweres werden auf uns nehmen mllssen, um uns auf jenem
Weg Ler Frsiheit durchzulämpfen. Mr sollen mit dem Mittel der
Arbeit, der Opfer, der Entbehrungen kämpfen und es wird dies
nur möglich sein, wenn sich das ganze Volk in Ler heiligen Ent-
schlietzung einigt, diese Art Les Kampfes auch zu w o l l e n. Das ist
leicht gesagt, aber schwer getan, schwer getan namcntlich von eincm
Volke, das in beispielloser Weise innerlich zerr.sien ist, das unter den
sittlich verheerenden Folgen eines fürchterlichen und eines so noch
nicht lagewesenen Zusammenbruches leidet, das leidet vor allem unter
der Wirl'ung Les Eiftes des Marxismus, das ihm seit vielen Iahren
in alle Adern und Venen gepretzt worden ist. Es wird andcrs bei
uns werden müssen, wenn die Eedanken der deutschen Regierung ver-
wirllicht werden sollen. Es wird eine Art Eottessrieden geschlossen
werden müsien. Der Austrag der zahllosen Eeistesfehden, die auf
Leuischem Vodcn ausgesochten werden, wird vertagt wrrden müssen.
Auf die bisher Lbliche riicksichlsloss Eeltendmachung der Standes«
interesisn und Eivzelvorteile, auf leich.tsinnige Störung des Wirt»
Lie »Badische Post' crfcheint tägltch lauch Sonntag») vorinittagr, also stebenmal
wächentlich nnd koftct trei in» Ha»« zngestellt monatitch I2W Mk. dnrch dle Doft
monatltch 12iiv Mk. zuzüglich IV5V Mk. Bestellce d. Einzelnummer KV Mk.
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(Gegründet 1858)
und
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nnd Kleine Anzeigen nach besonderem Taris. Rcklame i: die >>8mm brelte Nonpareille»
etle 20V Mk. Bsi Wiederholungen und Zeilenanschlüsfen tariflicher Nachlatz,
Berantrvortiich sür den gesamten teMchen Teil Adotf Kimmig in Aetoeiberg. Fernrns der Redaktion: Äeidelecrg 82.
Eprechstnnde der Echrisileitung vorm. 11-12 Uhr. Berliner Bertretung: Berlin 8VV 48. Zimmerstraße Nr. 9.
Fernrnf Amt Zentrnm Nr. 415. Münchener Bertretnng: München, G:orgenstraße Nr. 107. Fernruf Nr. 81687.
Für Anzeigen, Reklame, nnd geschästliche Betlagen vrrantwortlich Arfreo Schmty in Hride.ber,. Fernruf 82
Berlag: Heidelbergsr Berlagsanstalt und Druckeret <S. b. m. H Heidelüerg, Hauptstrasze 2S. —
Po'ischeckkonto Karlsruhe Nr. 19VV9. - Druck von I. <S. HoItzwart, Nachs, IS. m. b. H., Frankfurt am Matn
Sie pariser konserenz.
Der englisch-snmzLfiiche Eegensatz.
Don unserem H-Korrespondenten.
Pari«, 3. Januar.
Die Konserenz trat Mittwoch nachmittaz 3 Uhr zu ihrer zweiten
Sitzung zusammen. Pcincarö legte die Eründe dar, weshalb die
srauzöfische Regierung den englischcn Plan als völlig unannehmbar
ansehen müsse. Er forderte die Zustimmung zu de» sranzöfischen
Borschlägen, welche, wie er Lelauptet, ein Minimum da stellen,
unter welchcs die sranzöfische Negierung nicht he.untergehen lönne»
da sie alle Zugeständnisse gemacht habe, um auch die Zustimmung
Euglands zu erlangen Cs uerlautet weiter, dach salls aus der Kon«
serenz der Standpunlt Poiucares nicht einstimmige Billigung sände,
der Abbruch der Beratungen auszesprochen würde. In englischen
Kreisen wird erllürt, Bonar Law wcrde zustimmen, dag das sranzö-
fischr Programm ersrtert wci/.e, aber nu: unter der Bedingung, Lah
die Konferenz auch das cnglische Programm in Beratung
ztche. Poincarö sprach LX Stunden. Er sagte, wenn Bonar Law
fich aus seine Lssentliche Meinung berufen haLe, so müsse er sclbst au?
dieseinige RüSsicht nehmen, die fich unbedingt gegen die Durch-
sührung der Pläne des englischen Ministerpräsidenten wendcn würde.
Franlreich habe keinerlei imprrialistischs Abfichten und oersolge nur
einen Zweck, niimlich fich die Nechte zu sichern, die ihm der Ver-
sailler Vertrag gegeüeu habe. Zur Stunde dauert dre Srtzung
»och an.
Aus Paris wird Lerlchtet, datz dort DemLhungea im Eange :md.
«ine Annäherung zwischen dem englischen und dem franzosischen
Slandpunlt herbeizuführen, vor allem Belgien gibt stch Ule
Mühe, die Nolle ein s Vermittlers zu spielen. Siach den Berichlen
der französischen Blätter soll Po.ncars beantragt haLen, die sran-
zösischen Pläne als Erundlage sür die Verhandlungen der Konferenz
anzunehmen. Sollte dieser Anirag le.ne Annahme sinden, wurde -r
Len Abbruch der Konferenz Leaniragen. Man halt es in Paris
für wahrscheinlich, datz auch Belgien und Jtalien lieber den
sranzösischen als Len englischen Plan den Erorterungen 2cr
Konferenz zugrunde legen wllrden. Xesonders sich
Millerand für eine Zuruckweisung der englischln Vorschlage aus-
gisprochen LaLen. Man vermutet daher, Latz die Konserenz von
Paris lald auseinander gehen w'.rd, um den einzelnen Kaoinelten
Zeit zur Stellungnahme zu lassen. Die Lage w^rd im allgemeincn
__ __I'tL, sVTl.
iaierven'.eren, wenn die Verhandlungen
b^^Bonar ^Law erllärle in einer Vesprechung mit Presseleuten. dotz
Enoland stch trotz des Eleichaewichtcs in seinem Budget doch >n
einer sehT üblen finanziellen Lage Llfinde. l« es nur
einem autzergewöhnlich starlen Druck das Eleichgewia.t zwischen E.n-
nahmen und Ausgaben in seinem Budget verdanke. Menn nicht e>n
star'er Ausschwung des Welthandels erfolgi, sei die sinanzielle c>u-
kunft Englands sehr unsicher. Die britische Regierung wisse auch
aenau datz ste den gesamten Betrag ihrer Schulden an die W-r-
ein oEn StaaEn, von Deutschland und den Alliiert.n nrcht herem-
bekommrn werde sie miisie aber doch wenigstcns versuchen, emen Teil
einmtreilen. Es bestehe le.ne Möglichleit, eine irgLNLwie Le.racht-
licheSumme von Deutschlcmd zu erhal en. solange es n.cht gelumsen
sei. d " ' ' ^ " ..
Eins
Möalirri, rrrs n.rri, »»»>» ->- v—c
Rerarations-ahlungen lenne, den man von Dcutschland fonern
wer e Man würde den Zweck einss Moraioriums direct Lemmps n.
wenn'man einm Versuch ir.achen wollte. während seiner Damr
gra-ere Bsträge ron Deutschlaud heremzube.ommcn Die Allnertsn
hät-en heute zwei Mcthoden fllr die E-ntreibung vor sich, emmal
die E ntreibung kleinercr Beträge durch Z n, a n g s m a tz n a y-
men, oüer die Einz'ehung des E e s a m tL - t r a g e s dmch die
WieLerherstellung dcs deutschen Kredites. Zm.schen
dies n beiden Methoden hätten die alliierten Machtc hcu.e zu wahlen.
D-e gleichzeitige Anwendung beider Methoren sei jedoch llnmrg-
lichkeit.
Dormittaos hat unter dem Vorsitz Millerands um 11 llhr
«in französischer Ministercat die Lags nach der ersten S-tzung osr
interalliierten Konferenz geprüst. Nach oer oMS-ecken Note ber ch-
tete der M'nisterprästdent ubcr die engl'.schcn Vorfchlage. Nachdem
rr. lt-Nte der M'n'sterrat cinitimmia fe
Pfänder darstellen und einen endgultigcn Vt-rzicht auz
wesentlichen Becingungen des Versaill r Vcr rugs bedeuien. Vor
dem Min-sterrat ha'.t« Poincars ein« Lesprechung mrt dem Frnan;-
minister Lelastevrie. mit dem Minister ,ur die befreit.n v,s-
Liete Reibel und mit dem Präsidenten der Rexarationslommisston
Darthou. Bonar Law hatte eine Besxrechun-> mit den englischsn
Finanzfachverständigen. . „ . . , -
Nach Lchluh Les Ministerrats erklarte Pomcors den Mitarbs^
tern Ler Zeitungen nach einer Mitieilung des „Jvtransigeanl": Zch
boffe datz ich so'ort werde die Eründe darlegen tönnen, aus deuen
der englische Plan auf keinen Fall als Elundlage sur cme
Erörterung dienen kann. Er erregt auch dic Unzufr>eLenheit
unferer belgischen Allüerien, deren Priorüät in die>em
enol'schen Plane nicht anertannt wird, und dcsgleichen die Un-
zufr'eLenhe'.t der Jtalisner. denen das Eeld genommen werden soll,
welches s'e oenau so w!e die Franzosen während des Krieges -n der
Dank ron En"land dexoniert hattcn. um die während des Krieges
erhaltenen Vorschüsse zu dcckcn. Ich s> reche nicht weiter von den Ent-
läuschungen, die der englüchc Plan uns bcreitet hat. Ich werde die
Konfcrenz auffordern. Lem sran?x>üschen Plane zuzustimmen- W-r
sind m!t unf-rcn Forderungen sehr zurückhaltend und mit unfsren
Zuaeständnisien sehr weit gegangen Was wir verlangen. ist em
Min'mum Wir haben alles ge-an, um keine der alliierten Machte
un'usr'edcn zu stimmsn. Wenn unser Projekt n'cht angenommen
«ird. lo kanii nv.r noch festgestellt wevden. dcch eine Einigung
unmöglich ist.— Ueber die Auffasiung der belglschen Ab-
ordnung weitz der „Temps" zu berichten, datz man dort das franzä-
sische Programm als gemätzigt betrachtet- Jnfolgeüessen glaubt das
Vlatt. datz stch die belgische Abordnung ihm anschlietzen wird, zu-
mal es den Anschauv.ngen der belgischen Negierung entspricht:
kein Moratorium ohne Earantien zu geben und den
Pfändern wirischaftlichen Charakter zu verleihen. Das englische
Projekt erscheint auch den Vclgiern unannehmbar.
Sie alliirrten Vvrschiäze.
Dis Stellung der Reichsregierung.
Von unserer Verliner Redaktion.
Dcrli«, 3. Januar.
Mkttwoch vormittag ist än Berliner amtlichcr Stelle der Wort-
läut der Borschliige Cnglands, Frankreichs «nd Z-aliens eingcgangen.
Eine amtliche Stellungnahme liegt bis zur Stunde noch nicht vor.
Jnsbcsondere stellt fich heraus, da'z dcr englische Planin seiner
genauen Fassung autzerordentlich kompliziert ist und nicht un-
wesentlich von der vor einigen Tagen durch dic Presie bclanut gc»
wordenen Jnhaltsangabe abweicht. Das bedingt naturgemä'g auch
eine neue Stellungnahme der deutschrn Negrerung zu diesem Vor-
schlag. Man wird vielleicht mit der Möglichleir rechneu müsien.
datz das Projekt Bonar Laws in Paris in irgend einer Weij« rls
Verhandlungsbasis genommen werden lann. Eine amtliche
Bcsiätigung der Meldung. wonach die Konferenz abgelehnt habc, den
StaatLsekretär a. D. Bergmann zu hören, ist ri- Berlin noch nichi
eingetrosfen, vielmehr heitzt es nach den letzte» Pariser Meldungen,
dah der Beschlutz Lber die Anhörung Vergmann, vorläufig aoch
ausgesetzt wurde. Doch glaubt man, datz noch Durchficht d«r
deutschcn Borschläge eine mündliche Erörterung mit Bergmann sich
nicht vermeiden lasse» wird.
Der devtsche Medensvorschlag.
Eine amerikanische Erläuterung.
Von unserem ll-Korrespondenten.
Paris, 3. Januor.
Das Weitze Haus äußert sich nun in eincr ojfiziösen Erklärung
zu dem vom Reichskanzler Dr. Cuno belannlgegebenen deutichen
Vorschlag, einen 30jährigen Vertrag abzufchlietzen, während sem sich
England, Franlreich, Deutschland uni I alien gegenfertig ceinen
Krieg erllüren sollten. Die Mitteilung der amerilanischen Regierung
lautet: Das amerilanische Staatsdexartement teilt mit, datz üer oo.i
Dr. Cuno in seiner Nede vom vergangenen Soaniag angekündigte
Vorschlag der sranzösischen Regierung vom Staaisscttetäi Hughes
deshalb nicht ofsiziell übermittslt wur.e, n,e!l eine vorherigs
offiziöse Untersuchung feststellte, Latz vieser Vorjchlag von Frank-
reich mjcht angenommen werden würde. Das Kommunigvä
des Staatsde-artcmenls fügt hinzu, datz die in dem deutschen Vor-
schlag erwähnten LÜnder Fran-rsich, Tngland, I.taliea und Deui'ch-
land seien. Aus dem amerilanlschen Kommuniqu4 geht fernsr Ler-
vor, datz den Vereinigten Staaten die Rolle einkp Zeugen zugelccht
war, der die von den vier euroxäisch n Völtcrn eingegangenen Ver-
pslichinngen feierlich aufzeichnen soüte. Die Ta fache, daz die ccut-
jchen Vorschläge wenigstens offiziös der Par.ser Negierung über.-
mittelt wurden. beweist, w.e sehr die Vereinigten Staaten an diesen
Vorschlägen interessiert sind.
Wahrer Sozlaljsmus.
Wien, 3. Jan. (Eig. Drahtm.) Der bsrühmte schweizerische
Forscher Forel, der belanntlich Sozialist ist, richtet an die
„Lieüen Eenossen" in Oesterreich e-nen Brief, dessen Mahnungen auch
den reichsdeutschen Soz-aldemolraten nur von Nutzen sein
können. Er schreibt: „Ich bin Ler Ansicht, datz unsere Eenosjen im
allgemeinsn und in atlsn Ländern noch eine viel zu eng-
herzige Parteipolitik treiLen. Der Sozialismüs Lar? leine
„Partev' bleiben, er ist viel zu edel d-azu, er Lezeichnet Menjchlichkeit
im edelsten Sinne des Wortes, im Eegenjatz zum Egoismus. Infolge-
dessen mutz der Sozialismus üLerall und bei allen Menschen das
Eute uno E d l e suchen, statt „Feinde" in anderen Parteien und
Engel in den Reihen seiner eigenen Eenosien zu suchen. „Lieben,
nicht hassen" — ader überall, vor allem beisich s e l bst die mensch-
lichen Fehler und Schwächen belämpfen. Unfer Motto sei leben,
um zu arbeiten, nicht arbeiten, um zu teben, um Eeld zu ver-
dienen, um zu gsnietzen, den in der Arüeit liegt die Kraft des
Lebens, die Freude zum Lebcn und die wahre Freiheit. Nur
durch emsige Arbeit aller kann die Mcnschheit dem gegenwärtigen
Weltchaos entrinnen. Däs lapitalistische Eystem ist leider nicht unser
einziger Feind, suchen wir andere in uns selbst. Wir müssen auf-
hören, Parteihetzerei zu treiben, und zwar überalt, inter-
national. Wir müssen, um eine Lessere Menschheit auf sozialistischsr
Erundlage zu erzielen, gute und sozial sühlende Msnschen in allen
„Parteien" suchen und sie für uns gewinnen. Die Sozialisten mllsien
sich durch Weitherzigkeit sortschreitend veredeln, um ihrer wahren
Mission Ehre zu machen und Lozialisten im echten Sinne des Wortes
zu werden. Folgen wir dem musterhaften Beispiel der ehrwürdigen
Mutter eures Bundespräsidenten, Marianns Hainisch, — für andere
arbeiten, selbst im hohen Alter. Es mag verweaen scheinsn, wenn
sich ein SchweWr Eenosse erlaubt, Jhnen seins AnsichteN zu unter-
Lreiten, aber Wien war mir immer lieb,' ich war oft dort, Las mag
mich eiwas entschuldigen. Mit treuem Genossen"ruh Jhr getreuer
alter Eenosie Dr. A. Fore I."
Die Verbindlichkeitserk ärung der Tarifvertrage.
Berlin, 3. Ian. (Pi'w.-Tel.) Nach eincm rcm Neichsacbeits--
ministerium dem Re'.chstag zugegange-.en Eesetz nlwurf über die
Erklärung der allgemeinen Verbindlichleit von Tarifverträgen soll
bei Abänderungen allgem.in verbindl.cher Tal-svcrträg«, die aus-
schlietzlich eine Anpassung der gelol, chcn Leistungen an
die Teuerungsverhältnisse enthalten, von der vorh-rigen Bckan i t-
machung ünS der Einsttzung einer Linsxruckisfrist a' ge-- >en
w.rden könn.n, wcnn der Antrag von allen Vertragsxarteien gestcllt
bezw. von keiner angefochten wird. .. . <
Die Rede des Rei'chskairzlers.
Am Nachmittage des letzten Tages des soeben von uns geschie»
denen Jahres hat der Reichskanzler Dr. Cuno vor einer nach vielen
Tausenden zählenden Zuhörerschaft die angekündigte Rede gehalten,
in der er die Eesichtspunkte auseinandersetzte, die bei der Ausarbei»
tung der deutschen Vorschläge an die Altiierten matzgeücnd gewesen
sind. llnsere Leser haben den Wortlaut der Nde zum grötzeren Teil
schon in der gestrigen Ausgabe gesrhen und fin-den den Rest heute
an anderer Stelle. Sie werden den Eindruck gewonnen haben, Hatz
w!r es hier mit elner höchst bedeutsamen Kundgebung der neuen
Regierung zu tun haben, einer Kundgebung, von der man stch eigent-
lich kaum vorstellen kann, datz ste an der Stelle, aus die es in erster
Linie ankommt, ohne Eindruck bleiben könne.
Der Reichskanzler stellte gleich in den Anfang seiner Ausführun-
gen ein Wort, das eigentlich entscheidend ist und alles sagt: an-
lnllpfend an die Bezeichnung der Organisation von Erotzlaufleuten,
auf deren Einladung er es unternommen hatte, hier zu reden, an di«
Bezeichnung: „Der ehrbare Kaufmann", erklärke er, datz er die be-
vorstehenden Verhandlungen führen wolle eben im Eeiste eines „ehr-
laren Kaufmanns": Las heitzt, von dem Geiste beseelt, dem Reiche und
unserem Bolke zu dicnen und damit zugleich einen wahren Frie-
den der Völker anzubahnen. -
Der Neichslanzler sagte, dieser wahre Friede könne freilich nur
erreicht wsrden, wenn alle Dölker sich entschlosien auf den Boden
der Wirklichkeit stellten. und sprach, auf sein Thema über-
gehLNo, oen Wunsch aus, daß dies vor allem in dezug auf das Re-
parationsproblem geschehen möge. Er hob als erste Wirl-
lichkeitstatsache hervor, datz diefes Problem an sich der Aufgabe der
Quadratur des Zirkels gleiche, also unlösbar sei, weil zwischen der
Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes und den Erwar-
tungen Ler Eegner ein unausgleichbarer Widersxruch bestehe, und
gab damit von vornherein zu, datz ein Ausgleich, der jeder Kritik
standhalte, nicht zu finden sei. Allein er erinnerte an zwei andere
Wirklichkeiten, die bei jeder Kritik berücksichtigt werden mützten: 1. an
die ausdrückliche Vestimmung des Vertrages von Versailles (Art. 234),
dah „die Wiedergutmachungskommission vom 1. Mai 1921 ab von
Zeit zu Zeit die Hilfsmittel und die Leistungssähigkeit Deutschlands
prüfen werde", die Bestimmung also, datz sich die Leistungen nach der
Fähigkeit Deutschlands zu leisten, richten mützten, und 2. er-
innerte er daran, datz eine Ueberjchreitung der Leistungs-
fähigkeit den Wirtschaftskörxer Deutschlnds zerstören, also letzten
Endes Leistungen unmöglich machen mützte.
Der Reichskanzler rief dann als Zeugnis für das, was in der
Entschädigungssache zu tun sei, das Eutachten des internationalen
Anleihekomitees vom Iuni vorigen Jahres an, das er als das
Weiseste und Mutigste bezeichnete, was über die Re:. arationsfrage
geschrieben sei, und hob hervor, datz dieses Eutachten, ebenso wie die
Eutachten der internationalen Sachverständigen, die im letzten No-
vember in Berlin getagt hatten, eine internationale AnIeihe und
eine Herabminderung der Londoner Schuldsumme auf ein er-
trägliches Matz zusammen mit einer mehrjährigen Zahlungs r u h e»
pause als unerlätzliche Erundbedingungen für jeden Versuch einer
Lösung bezeichnet hätten: er deutete damit an, datz der deulsche Vor-
schlag diese grundsätzlichen Urteile sich zu eigen gemacht und seinen
Anerbietungen künftiger Leistungen zugrunde gelegt habe.
Der Reichskanzler bekannte osfen, datz diese Aneroietungen nür
unter schweren Bedenken crfolgt seien, da unsere Wirlschaft jetzt schon
fast das Dild einer ruinierten Wirlschast darbiete, allein er be-
tonte sehr stark, datz die Anerbietungen in engem Einverständnisse
mit den matzgebenden Personen und Kräften Les Wirtschafts-
lebens erfolgt seien: gewitz werde er gelten Opfer zu bringen,
Oxfer des Besitzes, Opfer der Arbeit, Opfer und Arleit für jeden
nach dem Matze seiner Krast, aber diessr Weg müsie gegangen wer-
den, weil er allein aus Lem Sumpf der gegenwärtigen Wirt-
schast herauszuführcn vermöge: er werde zwar auf einen steini-
gen Boden sühren, dafür aber auf einen festen. Von ihm aus
werde es dann möglich sein, die Mark wieder zu einem festcn Wert-
mesier zu gestalien und das BuLget wieder ins Eleichgewicht zu
bringen.
Es ist ein Riesiges, was hier unternommen werden soll: eine
fast zu Tode gehetzte Wirtschaft wieder gesund zu machen und ihr
gleichzeitig Lasten aufzubürden, die auch für eine nicht lrankc Wirt-
jchast fast zu schwer sein dürften, aber es geht nicht anders, und
am EnLe des Weges, aber nur dieses Meges, steht die Freiheit
des deutschen Volkes: fllr dieses Ziel gilt es, wie Ler Reichs-
kanzler sagt„ „die ganze Kraft der WirLschaft aus der Seite des
Staates zu sammeln".
Wir kennen die Einzelheiten der Vorschläge der deutschen
Negierung noch nicht. Sie sollcn erst in Paris mitgeteilt werden, und
der Neichslanzler durfte daher nichts Näheres darüber sagen, aber
wir müsisn uns in der Tat Larauf gefatzt machen, datz wir Vieles
und Schweres werden auf uns nehmen mllssen, um uns auf jenem
Weg Ler Frsiheit durchzulämpfen. Mr sollen mit dem Mittel der
Arbeit, der Opfer, der Entbehrungen kämpfen und es wird dies
nur möglich sein, wenn sich das ganze Volk in Ler heiligen Ent-
schlietzung einigt, diese Art Les Kampfes auch zu w o l l e n. Das ist
leicht gesagt, aber schwer getan, schwer getan namcntlich von eincm
Volke, das in beispielloser Weise innerlich zerr.sien ist, das unter den
sittlich verheerenden Folgen eines fürchterlichen und eines so noch
nicht lagewesenen Zusammenbruches leidet, das leidet vor allem unter
der Wirl'ung Les Eiftes des Marxismus, das ihm seit vielen Iahren
in alle Adern und Venen gepretzt worden ist. Es wird andcrs bei
uns werden müssen, wenn die Eedanken der deutschen Regierung ver-
wirllicht werden sollen. Es wird eine Art Eottessrieden geschlossen
werden müsien. Der Austrag der zahllosen Eeistesfehden, die auf
Leuischem Vodcn ausgesochten werden, wird vertagt wrrden müssen.
Auf die bisher Lbliche riicksichlsloss Eeltendmachung der Standes«
interesisn und Eivzelvorteile, auf leich.tsinnige Störung des Wirt»