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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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ZayWng - Ar. 10s

crlcheintwöchentl.st.benma!. BeNaien:DidaskaNa«söiint.)-

lFrettags, - Literaturblatt - So»fch»tb«ilage <monatlich^

^—- -veitrage ohne Derantwortung. Rücksendnna nur. wenn Porto b-iliegt.

Heidelberger Zektung

(Gegründet 1858)

und

Aandelsblatt

Siensiag, den 17. Apnl 1S2Z

Hauptgeschl s .elle u. Echriftleitg, Ler.Badischen > > -"HeideNiera.Hauvtstr. SZ.Fernspr.:
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Familienanzelgen Mk. 80.—, BeschLftsanzelgen Mk. 173 —. Finanz- und Industrieanzcigen Mk. 250.—, mit Platzvorschrtst und
MontagsMk. 10.—mehr. Dle S3 mm breite ReNamezcilc kostet Mk.800.—, Anzcigen und Reklamen von auswärt» 25°/» höher

......- .... .. ' E-S

Lhanlerler.

^!>rs^^,^oincartz hat wieder einmal eine Nede ciehalien, um die
^rrgi^-UNcherlei diplomatische Kreuz- und Quertreibereien erheblich
°"dzöüi» «ituation zu „klären". Die Phraseologie, mit der der
^chtir-p Ministerpräsldent seine gekränkte Unschuld umkleid^t und
r nachgerade zu bekannt, als Lafs sie noch Ueber-

> ^itiaen könnte. Die Skala der Töne, die sranzösische Der-
r^Uier ^tchUigt, um seine Lrutale Ecwaltpolitik der Welt ange-
Mtljch ""„"^achen, ist erschöpft. PoincarS muh fich wiederholen. Jn-

- Ue§ wird man aus dem gallischen Redeschwall nie etwas
uLii». i?h°:en. Das einzige, was wahrhast verblüfft, ist die un-
,'ufc>ch "uerfrorenheit. mit der hier systematisch die Wahrheit
r')ende iL' °en Kopf gestellt wird. Frankreich, das unschuldig
f»'wnfrcich, das durch den Krieg so ungeheuere Opfer hat
k-"ei D/uusien. kann unmöglich auch nur die kleinste Derminderung
,°'t. die ?°rat,onsforderungen zulassen. Nur die deutsche Böswillig-
uutekneh»?b nicht einsehen wolle. habe von Frankreich das Ruhr-

> "sten geradezu erzwunaen. Zwar andere Länder haben auch

iy ' .U"er französische Erofjwannssucht kennt eben nur sich . und
s^lischtz "W. ^rade, datz Herr PoincarS aeschmacklos genug ist, den
-lu>n ej^,„ ''tkämpfern nur ein sehr bedinates Lob auszusprechen.
i.m»e Teil mag hier vielleicht der Aerger LLer Englands
7'srsg^ - uilung mitsvrechen, im wesentlichen liegt aber der Erund
»'ch sxj^ °rr aallischen Ueberhebung, die nickt steht, wie sehr ??rank-
,,„.^'^völkern, aber auch nur dicsen den Ausaang des
gfs^-^u damit seine istkiae Stellung zu danken hat. Wie wenkg
k'?!r Pg!» " eigenen Stärke und Eröste entsprungen ist, das steht
wrn,, nicht. Er ist eben sssranzose — und andrer-

Mep >,ch Lberhaupt mit solch müfsigen Betrachtungen abzu-
Wur« " es gilt, aus der Eegenwart Kapital zu schlagen und

-Mierj wachen. Ehantecler plustert stch auf und sein .Ecist"

t^bochn" E" Farben in dem Augenblick, wo stch sein Krähen
It«v Kron»? Askant steiaert in dem Lewundernswerten Satie: „In-
^ diesen Willen Letont und vor der gamen Welt fest-
r°/^Nsb . es die Heiligkeit s?) der ?sriedensverträge und dsr
>w »„Eklungen vor der Welt respektieren laffen will, ist Frank-
«?.ig der Dölker nicht gesunken (?). im Gegentcil, es steht

n Auaen «11»» sener, die seine Rechtlichkeit und seine Ent-

Hs». " ^ätzen. <!?)-

^nilkrei»Erfahren wkr erst von «irkliL autoritatlver Seite, datz
schl^uf gl-fUor berufene Hüter des Tempels der Humanität, es nur
Z?kke>i. Vt der Eerechtigkeit in dieser Wekt freie Bahn zu
Deschuldigung des Imperialismus, welLe die deutsche
n verbreitet. ist eine Dummheit und eine Kinderei. Kein
^giK^ weist kann im Ernste glauben, dast Frankreich. welches
-.^chgsl vroklamiert, den verrückten Eedanken hätte. seiner

>an,-?2Nlärtige Bevölkerunqen zn unterwerfen." Aber nicht
U'tet'."' ^nfs der so unverdiente Dorwurf des Imperialismus
Lek?ustij^ wird. O. Herr Po'ncarS ist mit seinen rednerisKen
^t nickit so schnell am Ende. Die Elastizität seines Eeistes
nffer M nielmehr. durch einen glänzenden Salto mortale den

>n ein entsetzliches Eelächter ausbricht.

U>!Mbfi^""te es nicht für möglich halten: Ein geschlagenes Volk,
Ags»''?liche m » l os am Boden liegend. durch den Raub, durch die
c> > ,°ffen sp ^'lopfung seiner wirtschaftlichen Lebensguelle des
^egx-^'nenzminimums beraubt, wird von seinem waffen-
»v- n Eegner des Imperialismus beschuldkgt. Und doch ist

Eenl^ kreilich nur uns Deutschen schwer zu fallen, unter
diG, keg ^bwinkel die ganzen Ruhrgreuel zu „verstehen" und zu
? dah-, ?. wutz doch wobl no-b andere Mentalitäten geben, die
'"»st r »ern wenn „im Dienste der Humanität" mitten im

» l'ebe leplündert, oemordet und vergewaltigt wird. Denn

^Nze xg ^ restlos unverständlich^ dak nicht bei solchen Tiraden

.

.....

e,»°'Es diirsen wir uns nicht verhehlen — nicht ohne
2"viu Oekiö?? Schuld. Nicht etwa, datz wir Weltherrschafts-
^rg ^Znide F-, fflitten oder par ietzt vflegten. Im Eegenteil.
^>i,;»?k>ni is, "" liegen dem Deutschen seinem ganzen Wesen nach
w!llpenehmer Eedanke des .,euro"8ischen Eleich-
K»be ^kliK»^^Dahnwitz. die Welt zu beherrschen, ist ein
I-^orrecht des westlichen Eeistes. Aber die Hand-
^en-r* öerrn PoincarS gegeben sür seine LLge vom
?-^ii8r"'8keit^>!" perialismus. weil Par'eihader und politische
wlse^'tby^ »en Vruderzwist im eigenen Hause von neuem auf-
8rot°-,-Nack>»!,i/p°em aus agitatorischen Eründen die unverantwort-
tz.^waften einzelner dazu herhalten mutzten,

?^>tku,^ Wol»^ * ung das Eespenst der Reaktion _..
r*bn,°- vys Ü' Diess traurige Tatsache ist das einzige, wa;

Mt-n babenDllnkirchener Phrasenschwall wirklich ernst zu
u„d uns nun endlich einmal hinter die Ohren schreiben

ki^ark, Die parlser Mrgenpreffe.

n," r ö« 'k«r « lEig.Drahtm.) Die Morgenpreffe ist von der D S n-
o °rd-n s'Hrt ° ° PoincarSs geradezu begeistert. Der ,.Fi.
^Un»-, p>offe „us, man müffe Deutschland fragen, ob es sich selbst
ir?")en ob nicht die Stunde gekommen wäre, Dernunft

I, ds»'», Dies»» unkreich könne von Deutschland nicht mehr getäuscht
?»It tz-Daltunn 5">sse nachgeben und ratisizieren. Sehr bezeichnsnd
°«tz Ki-kel^» des „M°tin-.. d-r in der vorigen Woche wic-der-
ö " > e r-d»?'entlicht hatte, die einer Annäherung besonders
e?"»kl°-5ünds» »^unmehr wird behauptet, datz man ketne
i?°Sesn. 1 könn» ""uuche, die die Nnnäherung vollztehen wollten.
e»'A»en Fen k>»/«^ die Erundsätze, dle Poincars in seiner Rede
° °ei ' ,^>e s hulten. Nachdrücklicher die Anschauungen ver-
b°, De,'"^utin« ausgesprochen hatte, kann man wohl nicht, alg

- -

dgk, mit der Dünkirchencr !

um in
an die
wir

ily Tekegraph«
Rede Poincarvs und

l>^°n das, m>i oer Duniirchener Neve Poincargs und

Kt-n ^ n n st j '»>e sowie die framösisch-belgischen Besprechungen
^"teii,.?i° > ndruck in Lond ° n s?) hcrvorgerufen

nngev des sranzöstschen Ministerpräsidenten, sowie die,
r die Parijer Konserenz sesen durchaus mit einer

vernünftigen sik), wenn auch enerqischen Palitik gegenüber
Berlin vereinbar. Auch England wünsche, dah Deutschland
direkte Reparationsvorschläge mache, allerdings nicht
an Frankreich und Belgien, sondern an alle Alliierten. Es
sei sicherlich eine irrtümliche Auslegung der französisch-belgischen
Taktik, wenn man glaube, datz Frankreich und Belgien wünschten,
Vorschläge der Reichsregierung mögen ihnen direkt zukömmen. Wenn
Frankreich und Belgien neuerlich ihre Absicht bekanntgaben, das
Ruhrgebiet nur nach Maßgabe der deutschen Zahlungen zu räumen. so
würde England nur wenig derartige Erundsätze kritisteren. Man
drücke nur einiges Bedauern darüber aus, daß.Poincarä »nd
Theunis für den Augenblick das Problem der fr a n z ö s i s ch - Le l -
gischen Sicherheit in zweiter Reihe erwägen wollen.

SnttSufthung in Sngkand.

Däs englische Echo auf PoincarLs Dünkirchener Nede.

London, 18. Npril.

Die „Westminster Eazette" nimmt als einziges Blatt zu der
Rede Poincares in Dünkirchen in einem Leitartikel Stellung. Das
liberale Blatt schreibt, die Rede des französischen Mini-
sterpräsidenten fördere die Lösung dcr zwischen Frank-
reich und Deutschland strittigen Fragen nicht merlUch. PoincarS
habe die Gelegenheit «rgrifsen, um eine Anzahl von Dingen zu
sagen, die in der augenblicklichen Lage belanglos seien. Er
-habe die einzige Frage u nL e r ü ck s i ch t i g t gelassen. die dringend
aeklärt werden müffe, nämlich den Betrag.den Frankreich
fordert. Mas di« Melt augeniblicklich von Frankreich erwarte,
sei ein Zeichen, datz es die Forderung aufgegeben habe, die Deutsch-
land für immer in Derzug erklären wllrde. DieNeicht sei es zuviel
gewesen, zu erwarten, datz Poincars so vollständig herabklimme.
Es sei jedoch an der Zeit zu erkennen, dah die Welt
diefer dausrnd wiederholten Erklärung sran-
zösischer Entschlossenheit, das Ruhrgebietbesetzt
zuhalten, ohne einenErund dafür anzugeben,
überdxüssig sei. Die „Westminster Gazette" drückt die Ansicht
aus, wenn der Lritische Plan angenommen worden wäre, so würde
die vollständigo Solidarität unter den Alliierten gegenüber einem
aoiderspenstigen Deutschland vorhanden gewesen sein, und sährt fort,
wenn auch Poincares Rede als «ine versäumte Eelegenheit «nge-
sehen werden müffe, so diirfe DeutWland nicht unibeschränkt dieselbe'
Taktik ^purer Halsftarrigkeit" (!) fortsetzen. Deutschland dürfe nicht
seiner Äerant'wortlichbeit zu entgehen fuchen, werl Frankreich eine
von den meisten Leuten verurteilte Aktion unternommen habe.
Eknaufrichtigesvernünftiges deutsches Angebot
würd« eine wesentliche Veränderung der Lage
herbeiführen. Poincars habe die TLr nicht geöffnet, aber
auch nicht geschloffen, und es sei jetzt Zeit, datz Deutschland erkenne,
was von ihm erwartet werde. England stehe nach wie oor
auf dem Standpunkt, daß Deutschland Repara-
tionenleistenmüsse.

„Daily Herald" Lberschreiibt seinen Dericht Lber die Rede des
französischen Ministerpräsidenten: „Poincars zerschlägt die
Hofsnung auf eine R uhr rege l u n g". Der Pariser Ve-
richterstatter des Dlattes sagt, Poincarös Rede mache es klar, daß
di« durch die Erörterungen im Anschluß an die Reise Loucheurs
erweckte Hoffnung auf eme baldige Negelung dcr Ruhrfrage illu-
sorisch war. — Der Pariser Verichtcrstatter der „Times" bezeichnet
di'e Rsde PoincarSs als eine äußerst wichtige Erklärung,/die sicher
politisch eine ungeheure Wirkung haben werd«. Sie werde die
Stellung Poincaräs. der das Ziel zahlreicher Angriffe -u werden
begonnen habe, stärken. Die Tatsache, daß Poincarä Loucheur, der
an seiner Eeite saß, ein öffentliches Kompliment gezollt habe, habe
eine beträchtliche Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf das
gestern veröffentlichte Schreiben Loucheurs, in dem er die Leute
zurückweise, die die letzten Ereigniffe als «in Anzeichen zwischen ihm
und Poincar« besteHender Meinungsverschiedcnheiten darzustellen
suchten.

Der diplomatische Berichterstatter dcs „Observer" schreibt, eine
Zustimmung der britischen Negierung zu den nicht offiziell von
Loucheur und Klotz unterbreiteten Dorschlägen der sranzösischen
Regierung komme nicht'in Frage. Die britische Regierung sei von
ihrem Standpunkts. wie er in dem in Paris anfangs Ianuar vor-
gelegten Plan Bonar Laws ausgedrückt ist, nicht abge-
ioichen. Es sei wichtig. daß dies in Frankreich verstanden werde.
Zugleich werde in England voll anerkannt, daß die soeben in Paris
abgehaltene französisch->belgische Konferenz angesichts der Lage, in
die flch die beiden Regierungen im Ruhrgebiet versetzt haben, keine
andere Wahl hatte, als erneut ihre Entschlossenheit zu erklären, die
Angelegenheit bis zum End« durchzuführen.

Saßjustiz lm Ruhrgeblet.

KSln, 18. Avril. Wie die Blätter aus Düffeldorf berichten. ver-
handelte das Düffeldorser Revlsionsgericht gegen den Eisen-
bahnbeamten Gottfried aus Ludwigshafen, der von dem fran-
zösischen Kriegsgericht zu Landau zu 28 Iahren Zwangs«
arbeit verurteilt worden war, weil er den Defehl über die
Führung eines internationalen Zuges nicht weitergegeben und da-
durch den Zug in eine schwere Eefahr gebracht haben sollte. Die
gegen das Urteil eingelegte Revision wurde verworfen.
Der Eisenbahnibeamte Löschner aus Ludwigshafen war vom
Kriegsgericht in Landau zu -ehn Iahren Zwanqsarbeit
verurteilt wordcn wegen angeblicher Beschädigung von Lokomotiven
und Transportgefährdung. Das Revisionsgerlcht hat das Urteil.
saweit die Strafbemeffung in Frage kommt, aufgehoben und die
Verweisung der Sache an ein anderes Kriegsgcricht beschloffen.
Verworfen wurde die vom zweiten Bürgermeister der Stadt Neck-
linghausen Justiztat Niemann eingelegte Reviflan, sowi« die
Revision des Leiters des Besatzungsamts derselben Stadt Gierling.

Z« Bonar Laws RücktritlSabsichle«.

London, 18. April. (Reuter.) Amtlich wird von der Downing-
street dementiert, datz Vonar Law alsbald zurücktreten werde.
Reuter ersährt, daß trotz des offiziellen Dementis in politischen

_-_ , .. _ Kreisen die Meinung vorherrscht, daß Bonar Law aus Essund-

sranzöstschen Ministerpräsidenten, sowie die I heitsgründen gezwungen sein wird, sein Amt als Ministerpräsident
""" .. " ' innerhalb weniger Wochen niederzulegen.

Ziim Steuerwmwan.

Von Or. znr. et rer. pol. Konietzko.

Durch den Ruhreinbruch hat unsere Zahlungs- und Handels»
bilanz eine jähe Vcrschlechterung erfahren. Die wirtschaftliche Lage
ist gesahrdrohender denn je. Seit Iayren rust man nach Produktions»
steigerung: aber die Mächte, die an dem Achtstundentag HSngci^
handeln nicht danach. Die gleichen Mächte sind es auch, welche Re»
gierung und Parlament zur verderblichsten Steuerpolitik gedrängt
haben, die ein Staat je getrieben hat. Bisher treten die vernichten»
den Wirkungen des Lberspannt ausgebauten, direkten Steuersystems
noch nicht offen zutage, weil bei fortschreitender Eeldentwertung di«
Steuerschulden mit inzwischen viel wertloser gewordener Mark ge»
zahlt wurden. Das wird nun etwas anders, wenn die Steuerschuld
noch vor Veranlagung bei Abgabe der Erklärung zur Ein»
kommen- und Körperschafts-Steuer gezahlt wervcn
muß. Vollends anders wird es aber, wenn einmal der Zeitpunkt
kommt, in dem die Mark kräftiger wird und damit Einkommen und
Vermögen ziffermäßig sinken. Eefahrdrohende Momente in dieser
Hinsicht dürften sich schon demnächst zeigen, wenn mit der Nach»
zahlung von Einkommen- und Körperschaftssteuer für 1822 di«
Vorauszahlungen für 1923 Hand in Hand gehen. Wenn Ver-
mögenssteuer und Zwangsanleihe zu entri'chtcn sein werden. Dies
alles in einer Zeit schlechter Konjunktur. Zuschläge für nicht rcchk»
zeitige Abgabe der Steuererklärungen und für verspätete Zahlungcn
sieht die neu« Steuergesetzgebung mit ihrem komplizierten Zahlungs»
system, deffen schon heute weder Publikum noch Finanzkassen Hcrr
werden können, in reichlichem Maße vor. Mit Strafverfahren sind
die Finanzämter schneller zur Hand wie ehedem. Und dem geplagtea
Steuerpflichtigen, der in allen seinen sonstigen Nöten des Tages
beim besten Willen aus dem Steuerwirrwarr nicht klug werden kann,
wird vom Fiskus, der selbst regelmäßig mit seinen Bewertungsvor«
schriften, AusführungsLestimmungen, Formularen usw. in heillosem
Rückstand ist und ste alle Augenblicke ändert, zugemutet, daß er sich
in die vielen, neuen Vorschristen so umgehend wie möglich vertiefe,
unklare Bestimmungen richtig auszulegen verstehe und ste pünktlichst
wie fehlerlos beachte. So werden gerade die, auf deren Nervenkraff
es in bewegter Zeit für die Aufrechterhaltung der EeschäftsbetrieU
besonders ankommt, zermürbt und in ihrer volkswirtschaftlicheN
Haupttätigkeit stark beeinträchtigt.

Wie wenig ergiebig z. B. die Kapitalertragssteuer wi^
und die E rb sch a f ts ste u e r ist, zeigt stch bereits, wenn man nur
die hohen Veranlagungs- und Erhebungskosten, die dem Fiskus-en»
stehen, berückstchtigt. FLr die Ergiebigkeit von Steuern darf ma<
aber nicht allein das Verhältnis der dem Fiskus entstehenden Ver«
waltungskosten zu dem Ertrage der Steuern veranschlagen, sondery
man muß sich auch einmal sehr ernstlich vergegenwärtigen, welch«
Unsumme von zeitverschwendender, unproduktiver Tätigkeit die den
Steuerpflichtigen zur Last fallende vorbereitende Arbeit — nämlich
die rechtzeitige und ordnungsmähige Abgabe der Steuererklärungen —,
verursacht.

Im folgcnden soll nur in aller Kürz« beleuchtet werden, welch«
unproduktiven, zeitraubenden Arbeiten den Steuerpflichtigen,
die Einkommen und Vermögen auf Erund von Bilanzen zu berech«
nen haben, bevorstehen. Zunächst ist di« handelsrechtliche, die rcin
kaufmännische Eestchtspunkte Lerücksichtigende Dilanz aufzustellsn.
Das Steuerrecht enthält von ihr jedoch so viel Abweichungen, dag
diese Bilanz nur die Erundlage bildet, auf welcher die Steuer»
bilanzen aufgebaut werden. Bei der Einkommen- bezw. Körper»
schafts-Steuerbilanz muß der steuerrechtlich maßgebende Eewinn
unter hauptsächlichster Beachtung von § 13 Ib und 33a R.-E.-St,
festgestellt werden. Nun kommt aber die Hauptarbeit. An Stell«
des § 5Sa ist § 33b eingefügt worden. Die hiernach zulässigen A b<
setzungen mlt RLcksicht auf die Ersatzbeschaffungen müffen er<
rechnet werden. Hierfür muß die Buchhaltung zunächst ermitteln,
welche Eegenstände des Betriebsvermögens vor dem 1. Januar 1817
angeschafft worden sind und auf wie hoch flch ihr damaliger An«
schaffungspreis belief; desgleichen für die Dermögensgegenstände,
die nach dem 31. Dezember 1916, aber »or dem 1. Januar 1929 an-
geschasft sind, usw. für in den Iahren 1920 und 1921 angeschasst«
Eegenstände.

Die Bewertung der Waren ist zwar nicht so zeitraubend, immer-
hin nlcht so einfach wie in dem Beispiel des Ausschußberichtes, wo
man lediglich mit Baumwolle, noch dazu mit unrichtiger Preisan-
gabe für Ende 1922, operiert.

Für die Vermögenssteuerbilanz gelten wiedenim
andere Dewertungsgrundsätze, deren schwierige Handhabung im ein-
zelnen zu schildern hier der Raum fehlt. Die praktische Durch-
führung wird jedenfalls crweisen, ob die Erledigung bis 30. April
übcrhaupt erfolgen kann, ob die vorhandenen fachkundigen Arbeits-
kräfte yllein die Bilanzarbeiten bewältigen werden könncn nnd wie-
viel Kosten für diese Arbeiten dem Steuerpflichtigen noch besonders
entstehen.

Betrachtet man diese Fragen in ihrer Gesamtwirkung auf die
volkswirtschaftlich nutzbringende Produktion. so kann man wchl
sagen, daß ein Volk mit einer solchen Art von Steuergesetzgebung
seine produktiven Kräste verzettelt und stch immer mehr in cine
Sackgasse verrennt. aus der «s stch nicht mehr herausfindet. So
lange agitatorische Schlag^rörter tonangebend für
unsere Steuerpolitik stnd, so lange arbeiten wir selbst weiter an der
Unterhöhlung unserer Finanzen, der Volkswirtschaft und des Wohles
der Eesamtheit.

Wenn man die intensive, volkstümliche Aufklärungsarbeit, die
in der Schweiz anlätzlich der schlicßlich abgelehnten Vermögenssteuer
von den volkswirtschastlich einsichtigen und maßgebenden Kreijen
 
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