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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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6S, ZaZrganz - Ar, 22

Die .Bsdrlche Poft" lrfcheint täglich laoch Sonntag»! vormittag», also siebcnmal

»>ochentlich und kostet frei in» Hau« -»gcftcllt monatltch 1SW Mk, durch dte Post
?>°natlich 1L<« Mk. »ll,i>gftch INvo MI. B-stell-ed. Einzelnummer 50 Mk.

Seidelberger ZeiLung slenstag, 2Z. zaniiar i»2Z

(Gegründet 1858)

«nd

Handelsblatt

I Snzeiaenpret«: dle 22 w°> breite Nonparetllezeile 40 Mk. Fomilien., Vcrein,.

und Kleine Anzcigen nach besonderem Tartf. Reklamen: die 88 mm breite Nonparcille.
i etle 2M MI. Bei Wiederholungen und Zeilenanschlüsfen tarifllcher olachlaß.

tz.^"iwortlich sür den gcsamte» textlichen Teil Adols Kimmig in Aeidc.berg. tscrnrui d:r Nedaktion: Keidelscrg 82.
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Verlag: Heidelberger PerlagSanstalt und Drärlerei S. b. m. H Heidelberg, KauvtstraSe 23.—
Postschcckkonto Karlrruhe Nr. 1SS0S. - Druck von I. <S. H o Itz w a rr, N a ch f, G. m. b. H, Fra n k sur« am M ai»

Ner deutsche Widerstand.

Die Arbeitseinftellungen in den Aechen. - Nelle Verhaftungen.

Eigene Drahtmeldung-
. Essen. L2. Ianuar.

»L» Abwrhrmatznahmen im Ruhrgebiet gehen programmä'gig
der begrelflichen Erregung in der Arbeitcrschast
"'ilsl überall fest« Disziplin. Die feindliche Zngenieurksm-
bis jetzt noch nicht das geringste ausrichten
Auf den siskalrschen Zechen ruhen die Betriebe voll-
tze^'°"! die Bergarbeiter sind Montag früh zwar aus der Arbeits-
"schiencn und auch eingcsahren, doch wurde weder in den
noch über Tag gearbeitet. Auch bri zahlreichen Priva<t-
e^e» haben die Bergarbciter jetzt die Arbcit eingestcllt. —
»It- """sercnz der Partei- und Eewerkschastssunktionüre aus dem
kn> ""b ncubcsetzten Ecbiet, die am Sonntag auszerhalb der Ve-
tohi' ^^S°ne tagte, trat den Beschlüssen der Berliner Vorsteher-
schich ^ vom 19. Januar einmütig bei. Die Berichte aus den ver-
tk,^"°» Bezjrken legcn Zeugnis ab sür den einmütigen
^pseswillen der gcsamte« Arbeitcrschast.
hmjkriegsgerichtlichen Verhandlungen in Mainz gegen dkr ver-
^Eri, Erotzindu-triellen sind aus Mittwoch fejtgesetzt, während die
"»>ts gegcn dcn Priisidenten des DLsseldorser Landessinanz-

!chob° Schlutius, und gegen Geheimrat Raifseisen ver-
wurden. Znzwischen werden neue Berhastungen ge-
^"lwt Reichsbanlvorstand Rothaus in Neustaüt lPfalz) s,t
l«se>,^S abend verhastet worden, weil er sich weigerte, den Fran«
^dert, , Banlbücher «nd Abschlutzzifsern belannt zu geben. Der
siih , °>»hlshaber der englischen Brsatzungszone am Rhein hat
wrjl'"öwischen zn einer Verordnung veranlatzt gcsehen, datz einst-
keine weiteren Ausweisungeu und Berhaf«
^EHt " höherer deutscher Beamten in der vo» den Sngländern
^diw stattsinden dürften. Das erste Ergebnis dieser Ver-

^""bc » bah dcr Ausweijungsbesehl gegen den PräsidenteN des
^linanzamtcs Köln zurückgenommen wurde.

Eeneralkommando aller sranzöstschen Truppen im Ruhr«
shr«, »ach Herne verlegt werden, weil diese Stadt sich infolge
-.""»»a^Ealen Laze nach Anficht der Franzosen alo Sitz des Ober-
6d,t^ besonders gut eigne. Da das Personal aller Fernsprech-
^!»<b> ^ ">kigert, die Befehle der Besatzungstruppen durchzusühren,
Aop^ letzt die Bcsatzungsbehörde, eigeue Telephon- und Tele»
. Dj°^"ug°n zu lezen.

> ^^iiensmitteloersorgung im Ruhrgebiet gestaltet sich immer
Er. RegierungLpräsident Dr. Erützner hatte cine B?«
wit dem Ecneral Degoutte, dem er ertlärte, datz das
N," iet demnächst vor eincr Erniihrungskatastrophe
^itr» ^ Ausland, und namentlich die ameritanischen Licferanten,
°i». ?«eisnng erteilt, alle Lebensmittelscudungen ins Nuhrgebiet
» Lek- ° ilen oder anzuhalten, so lange die Eefahr bestehe, datz
?»hint ^!?wittelseudungeu durch die sranzcstschen Truppeu beschlag-
^"»o "^i:cn. Besonders gesährdet sei die Versorgung dcr Bevöl»
?°<h p,., E Fett. Es sei jctzt kaum noch Fett auszutreibeu. Die
u tleinen Lager würden zu Preisen verlaust, die sür

^iisib ""erung uuerschwinglich seien. Weiter wies der Reglerungs-
"»r p ' baraus hj^, datz auch die Reichsgetreidestclle mit Eetreide
, Aeiüi ^ ?.""t l5. April versorgt sei.

!"»e m.sb^Enährungsminister Dr. Luther hatte Sonntag in Csien
b " Eew . H""g*u über dir Ernührungslage des Ruhrgebiets mit
°E» Px"?^"^aste», den wirtschastlichen Dereinigungen und Banlen,
,E»einx,,-^ern dcs Lebenomittelhandelv, den Spitzen der Konsum-
^»Iten D Samvtag berieten die landwirtschastlichen Körper»

A»dwi-„""kchlands mit Lem Reichsministerium sür Ernährung und
v "^l z»r üie Matznahmcn Lber die Aufüringung der Lebens-
p"d «indernng der Ernährungsschwierigkeiten im Ruhrgebict
"den p Zutcilung an die gesährdeten Ecbietstcile. Die Dor-
« Uni^E Landwirtschastskammern werdcn ersucht, in ihren Ve-
ll^»t>e» ^ Zuziehung von Vertretcrn der in ihren Bczirken be-
»"^rstjji, '""dmirtschastlichen Organisationen umgehend die sür das
E^""8 vn wert nötigen Matznahmen durchzusühren und die Vr-
»"">»>kkn.^ bam melstellen zu organisieren. Zn den cinzelnen
»i ^ Ue« ü ^üen die Lcbensmittel zu einem unter dem Martt-
lk^ "»e n. " Prcis« angeliesert werden. Soweit ihre Abgabe
" Prvz^. rgcltlich ersolgt, wurde angeregt, dcn Preis auj etwa
. Di« ^ ""^°° dcn örtlichen Marltpreis zu bemessen.

chii^^EN. ^^"^^^"8° Ist im allgemeinen ohne grötzere Störung
, "rr Detriebsrat des Lahnhofs Dortmund - Siid hat

^rin , "gungsbehörde solgende Vereinbarung getrossen:

^ ^ie , ""^stscher Posten dars mehr aus dem Stellwerk sein.
^"lpsa^"^^^r Wache aus Lem Bahnhos wird nur sür den
' Pog N ^ """ Lebensmittel» geduldet.

^ Trpp "^kanzen von Lajonetten ist ontersagt.

^ohle°^*""°p°rte ^jj^^^ nlcht ausgelade» werden.
k Eo p lüge dürsen nicht umgeladen werden.

" ^ kcine Verhastung höherer Beamten ersolgen.

"'"tde"d^^'" ^rese Dereinbarungcn angenommrn worden sind,
. ^N s - ^etrieb wieder ausgenommcn.

Ä»?°Ü der ist es am Sonntag zu erheblichen Verspätungen
dl°i ^-Us. ^"legung des Dortmunder Hauptbahnhoks gekommen.

.>Es Sonnlagnachmittags sind >m Kölner Hauvtbahnhof
..^"sie und ein Personenzug aus der Richtung Dortmund

»i^bchneln^ Connlagnachmittags sind >m Kölner tzauvtbahnhof
Eil,- eina-iM* ""d ein Personenzug aus der Richtung Dortmund
un-7"'ien. Auch wegen Manqels an Wagen konnten drei
ein Personenzug von Köln aus nicht abgehen. Die
Lei>.§'° kom^?' S'ngen bisher pünktlich ab.

?"un<st,schen Versammlungen in Essen waren schlecht
»lben leiuerlei Gindruck gemacht, Neue Truppenirans-

porte sind im Anrollen. Der Defehl des Reichsvertehrsministers, Lei
feindlichen Matznahmen keine Hilfe zu leisten, wird Lberall streng
besolgt. Dagegen sind die Meldungen von einem Eeneral-Protest-
streik der EisenLahner noch verfrüht. Nach Mitteilung unserer Ber-
Iiner Redaktion finden in Berlin ständig Besprechungen mit den Ee-
wcrtschaften und dem Hauptbetriebsrat im Berkehrsministerium
statt. Die Besatzungstruppen haben einzelne mit Kohlen beladene
Züge nach dem Bahnhof Wedau geleitet, die jedoch dort gröhtenteils
nicht angekommen sind. Eegenwärtig wird Nur noch die für
Jtalien Lestimmte Kohle befördert. Die Brennstoffabfuhr in
das unbesetzte Deutschlano ist noch nicht gestört worden. Auch der
Lebensmittelverlehr nach dem Ruhrgebiet ist noch glatt im Eange.
Tas Publikum im besetzteck Eebiet ist gewarnt worden, die Zllge
zu benutzen, die von Franzosen und Velgiern gesührt werden.

Ueber die Ilnterredung, die der französische General Simons
mit den Verlretern der staatlichcn Erubcn am Samstag hatte, er-
sahren wir noch folgende interessante Einzelheiten: Danach befleihigen
sich die Franzosen aus sehr durchsichtigen Eründen den Arbsiterver-
trctern gegenüber der öutzersten Liebenswürdigkeit, während gegen
die leitenden Personen terroristisch vorqegangcn wird. So erklärte
Eeneral Simons u. a.: „Sagen Sie Jhren Arbeitskameraden, datz
ich stets für sie zu sprechen b!n. Es würd« mich ganz besonders
frcuen, wenn auch die Eisenbahner zu mir kämen.

Frankrcich wünscht nichts Sehnlicheres, als die Arbeiter
zusriedenzustcllen".

Der Eeneral fragte die Abordnung, oL ste irgendeinen Einflutz auf
die Eisenbahner hcittcn. Die deutschen Arbeitervertreter blieben
aber den französilchen Schmeicheleien gegenüber äutzerst lalt und ant-
worteten nur: „Wir, wollen gern fördern, wenn unsere Forde-
rungen erfüllt werden. Für die Eisenbahner sind wir nicht
zuständig. Es ist Sache der Franzosen, Lokomotiven, Waggons und
Personal zum Verladen herbeizuschaffen". Die Arbeitervertreter
wurden dann entlasien und ihnen erklärt, datz über ihre Forderungen
zunächst die Ingenieurkommission gehört werden mllsie. Vis zur
endgiiltigen Antwort wollcn die staatlichen Erubenarbeiter von der
Streikparole absehen, so datz am Montag morgen die Morgenschicht
eingef-hren ist.

Die französische Besatzungsbehörde in Esien hat den Vertretern
der Reichsbank, der Pri'vatbanken und der Stadtverwaltung zum
Ausdruck gsbracht, dah der Verkehr in den Banken vollkommen frei
bleiben soll und datz auch keineswegs das Eeld in den Banken be-
schlagnahmt sei. Es werde seitens der Besatzungsbehörde das
grötzte Eewicht darauf gelegt, datz das wirtschaftliche Leben nicht ge-
stört werde. Die Wache im Reichsbankgebäude wurde zurückge-
zogen. ^

Der deotsche Eeschäftsträger in Paris, Botschafisrat v. Hoesch,
ist angewiesen wordcn, bei der Pariser Regierung wegeu der ln den
letzte» Tagen rechtswidrkg vorgenommcnen Berhaftungen von
deutschen Zechcndirektoren und Bramten formell Protest zu er-
hcben, die sofortige Freilasiung aller Verhaftetcn zu fordern. und
zu crkliiren, datz sich die deutsche Regierung sämtliche Ansprüche auf
Genugtuung vorbehält.

Ser sranzöflsche Raubzug im Taunur.

Beschlagnahme der Staats- und Eemeindesorfteu kn de» Rheinlande«.

Eigene Drahtmeldung.

Wiesbadeu, L2. Zauuär.

Die französtsche Besahungsbehörde beschlagnahmt sämtliche Ein-
nahmen aus den Eemeindewaldungen der im besetzten Eebiet gc-
lcgenen Taunusorte. Zn den Waldungcn mutzten sämtliche Holz»
schlagarbeiten eingepellt werde». Ferner wurden die Ab-
transporte der bereits bei den Verstcigerungen gelausten und be-
-ahlten Holzmengen gesperrt. Zur Durchsührung der durch die
Nheinlandkommijston vcrsügten Beschlagnahme der Staats- und
Eemeindesorsten im besehten Gebiet wollen die Franzosen eigene
Forstämter einrichtcn. Von der sranzostschen Besatzungshehörde
sind aus der sogenannten Dom-Dekanei in Speyer mehrere Räume
sür die Einrichtung eincs französtschen Forstamts bcschlagnahmt
worden. Dcr prentzische Landwirtschastsminister hat wegcn der Be«
schlagnahmc der Wälder im linksrheinischen Eebiet einen Besehl an
die ihm unterstellten Bcamten crlassen, wsrin er die Mitwirkung
bei jedcr als Reparationsleistung angej crderteu Holzlieserung ver«
b r e t e t.

Der englische Vertreter in dcr interalliierten Rheinland»
kommisston hat gegcn die von den Franzosen und Belgiern versügte
Durchsührung der Sanltionen im Rheinland teine Einwendungen
crhoben. Die Vcrordnung wird dahcr durch die Franzoscn und Bel-
gier alsbald auch in der englischen Zone durchgesührt wcrden.

G

Nach siner Drahtuna unserer Münchener Redaktion
vcrdient geglnüber der Meidrng. der RtgierungspräsiLent drr Psalz,
Klingenücrg, habs mit jeincm P r n t est gegen die Be-
schlagnahme dcr Staats- und Eemeindejorsten
instruk!ionswidri.z gehandelt, hcsvorgehoden zu werden, datz der
R.'gierungspräsident sick genau an die Vorjchriften gehal-
Icn hat. Nur maren ihm die ai's euier Konserenz in Koblenz, an
dcr teilzunehmen er verbindert war. besprochenen neuen Znstruk-
tionsn nicht bekannt gewrsen. Die der Verordnung der Reichsregie-
rung enisvrechcnden neuen Znstruktionen der bayerischen Regierung
gingen deM Negierungsxrästdcnten der Pialz erst am Samstag zu,
woraur diefer seine srühere Verfiigung zurückgenommen hat. Nun
ailt also auch für die Psalz die Bestimmung, für die sranzösische
Desatzungsbehörde keinen Finger zu rühren und lediglich das
zu tun, was die bayerisme Regierung verfügt und anor'net.
Die tayerische Regierung wird selbstverständlich alles tun, um dcn
bayerischen Beamten in der Pfalz ihre Lage zu erleichtern.

Auf W Tat!

Dke Dinge im Ruhrgebiet mögen verlaufen wie fle wollen:
bas eine ist sicher, datz mit der verräterischen Verhaftung Fritz
Thysiens und der Oberbeamten seiner Werke Frankreich für ewige
Zeiten gebrandmarkt rst. Frankreich hat hier endgültig seine
Ehre verloren. Der Verrat von Bredeney nimmt ihm Las
Recht jemals wieder im Namen der Zivilisation das Wort zu führen,
denn das, was hier geschehen ist, ist der Beweis, datz Frankreich
den Begrisf dafür, datz Zivilisation verpflichtet, verloren hat.

Als Zulius Cäsar einst in schwieriger Lage einen ähnlichen
Bruch ausführte, die Oberhäupter germanischer Rheinstämme zu
einer Besprechung aufsorderte, die Erschienenen greifen ltetz und
dann iiber die führerlos Eewordenen herfiel; da erhob im römi«
schen Senate Cato die Stimme, um dieses Versahren auf Las
schärfste zu verurteilen: im heutigen Frankreich aber erhebt sich auch
nicht einmal im Volke, geschweige denn in den Kreisen der Regie-
renden, ein Wort Les Tadels, im Eegenteil, die feige Tat wird als
ein „Sieg" gepriesen, den man sogar schon nach den Klängen der
Marseillaise, in zeitgemätzer Ümgestaltung ihres Texles feiern hören
kann: „Vernehmt ihr nicht, so singt man, im Ruhrgebiet das
Brüllen unserer wilden Krieger? Sie lommen, sie kommen, eure
Söhne, eure Weiber in euren Armen zu crdrosieln!"

W!r haben hier den Umschlag des Ueherpalriotismus in Bar-
barei vor uns. Und ist es nicht Barbarei, nur weil die wilden
RauLgelüste nicht länger zu zähmen sind. die Kriegsmaske auf-
zufetz-n und in ein friedliches Nachbarland einzubrechen, um Eeld
Kohle und Weiber gewaltsam in Besitz zu nehmen? Barüarei wäre
das selbst im Kriege, denn selbst der Krieg hat sein Recht. Las von
gesitteten Nationen anerkannt ist und das vor allem das Privat-
eigentum gegen Zugrisfc des Feindes schützt, das den Unbewaffneten
vox der Zumutung bewahrt, den Kriegszwecken des Eegners durch
seine Arbeit sich dienstbar zu machen, d-as also die freie Arbeit vor
dem Schicksal behütet, Sklavenarbeit zu werden: dieses Recht des
Krieges ist in der Leidenschaft des Kämpfcns wohl oft übertreten
worden, das geschah aber eben im Kriege, wir aber lebten im
Frieden, und im Frieden ist der Feind in unser Land gekommen
und er haust hier in einer Weise, die selbst ipr Kriege ein Ver«
brechen wäre.

Mit welcher Ruhe lascn wir bisher in unseren Eefchichtsbüchern
von jenen weit zurückliegenden Zeiten, in denen der Kriegszustand
ein dauernder war, in denen die Völker wie wilde Tiere einanüer
gegenüber lagen, nur so lange sich ruhig verhaltend, wie die Beute
des letzten Raubzuges reichte, dann aber sosort auss neue zu den
Waffen greifend, — roir lasen von diesen Zuständen stets mit dem
Eedanken im llnterbewuhtsein: Das ist nun alles vorübcr, diese wil-
den Zeitcn der Völkerwanderung sind ein überwundener Zustand,
wir leben jetzt in einem, Zeitalter der Kultur, es gibt heute eine
Kulturmenjchheit, die sich bis zu eiueni gewisien Erade als eins
fühlk; die ein Völkerrecht geschaffen hat, ja einen Völkcrüuud und
einen Weltgerichtshos im Haag! —, aber seit dem Ruhreinsall wisien
wir's besier: Das Reden von Kulturmenschheit und Völkerversöh-
nung war ein leeres Eeschwätz, Spielzeug sür politische Kinder! Za
Wahrheit leben wir noch in einer Zeit, die an die diisterste«
Partien des Mittelalters erinnert, in einer Zeit des Faustrechts, —
oder vielmehr: wir sind in diese Zeit wieder zurückverfallen, seitdem
durch die deutsche Waffenstreckung der Frieden Euroxas rettungslos
zerstört und die Raubinstinkte sesiellos geworden sind.

- Diese fürchtcrliche Tatsstche ist jetzt erst in ihrer geradezu tragi»
schen Bedeutung völlig ossenbar geworden, uns Deutschen vor allem:
W i r waren die politischen Kinder, für die diess pazisistischen Nebel-
bilder ganz besonders bestimml waren, und wie viele von uns hatten
ihre ehrliche Freude daran! Wir Deutsche sind nun einmal ein bitz-
chen träumerisch veranlagt, wir haben etwas von Parsifal, dem
„reinen Toren". Wie oft haben wir uns schon von Zdeologen, die
in Mahrheib nur Jdiotismen waren, hinnehmcn lasien und haben
die Wirklichkeiten darllber vergessen! Die Wirklichkeitcn lassen
sich aber nicht vergesien, sie drängen sich zu mit grausamster Deut-
lichkeit, sie zwingen sich uns auf, sie zwingen uns, ihnen gerade
ins Antlitz zu schauen!

So ist es jetzt wieder einmal. Der Ruhreinsall, der Verrat
von Vredeney ist solche grausamste Wirklichkeit: und diese lehrt uns,
datz wir als Deutsche rettungslos oerloren sind, wenn wir uns
jetzt nicht endlich zu einem Granitblock des Widerstandes zusammen-
schlietzen, des Widerstandes mit den Mitteln, die uns überhaupt zur
Verfügung sind, also Les Widerstandes, den das Recht dcm Unrecht
gegenüberstellt, indem es sich weigert, das Unrecht gutzuheitzen,
Unsere Regierung hat hier bereits den Weg gewiesen: es ist Sache
des Volkes. diesen Weg zu beschreiten, denn ohne das Volk ift dir
Regierung heute nichts. Die Regierung hat keine Machtmittet zur
Versügung, die sie von sich aus einsetzen kann, sie kann nur sagen,
was sie gesagt hat, datz sie niemals sich dazu bereitsinden werde,
den rauberischen Uebersall hinzunehmen. Jhr Wort hat einen herr-
lichen Widerhall gefunden im ganzen Reiche und hat klärend und
einigend gewirkt.

D!e Haltung der Regierung ist frei von jeder nationalistischen
Eeste. Die Regierung denkt nicht daran, das Volk zu kriegerijchen
Unternehmungen aufzurusen. Ein solcher Wahnsinn liegt ihr völlig
fern. Sie ist aber geiragen von der Zuversicht, Latz dcr entschlossene
Wille eines ganzen Volkes. sich der Ecwalt nicht zu unterwersen,
schlietzlich, allem llebermut des Gewalttäters zum Trotz, doch eine
Macht werden kann.

D!e unglückliche Vevölkerung des Ruhrgebiets hat bisher durch
ihre Haltung den erl>ebenden Beweis gegeben, Latz ein starker
Wille, auch ohne Maschinengewehrc und Panzerautos, etwas aus-
richten kann: es ist jetzt an der Bevölkerungdes gan-
zen übrigen Deutschlands. die Ruhrbevölkerung zu unter-
stützen, ihr die Miitel zur Verfügung zu stellcn. um physisch diesen
Abwehrlampj gegen fremde Willtür uuü jremde Ruuhgier bis zum
 
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