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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0735

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66- Zchrgang - Ar. 119

N^."^^iche Post" crlcheinl wöchcnli. sieLennial. Beüagen: DiSaslalia (Sannr.) —

^'"^»itungdblatt kMomagr) - Literaturblatt —Saaislbnlbeilage!monatl >ch>.
-erianqte Bei:räae ohne Verantmortung. Riikkscndung nnr, wenn Porto beiiiegt.

Hei-elberger Aeitung

(Gegründst 1858)

U»d

KandelsblatL

Dienstag, den 1. Wai 1923

Münchnsr Vertretung' München, Seorgenftr. 107, Fernlpr. J18d7.

^b!ft^d»»Ssvreis der .Bad. Poir" MI.10UÜ - iaurschl. Zustellgcbühr). Lclbftabhol. E 3MD.-. AuÄland Mk. 80W.-

Kchlx ?'nur bir ,un, 2. icd.Mts angenomm:n. Nn, 1 U.L.noch gelief. Zeitnngen stnd nach L. Kinzelverrnussprei» zu bc-
>^^^^reisd.Gi»zeInummerM>.17ll.-. Jst diejjeitung am Erscheinen verhindert.beftelit letn Anspruch ausLntschädignng



An ZOMm des MffchasWedens.

Eeh. Regierungsrat Praf. Dr. Andrea-Boigt, Frankfurt a. M.

!eit ^ Mai dieses Jahres ist ein halbes Jal,ryundert vergangen,
ein Deutschland den ersten Bersuch machte, durch ALschlutz

tsri^ ^^trages zwischen Arbeitgsbern und Arbcitnchmern eincn
^ von längerer Dauer zustands zu bringen, und zwar war
^ Buchdruckergcwerbe. fn welchem dieser erste Schritt
Netaein ganzes Eewerbe umfassendcn „Ltandesgenossenschaft"
diar^ Besonderc Organisationcn dcr beiden auf dem Arbeits-

»vrst' Eewerües »usammentreffenden Parteien bestanoen schsn
^uf dem Buchdruckertage in Leipzig vom 20. Lis 22. Mai
^ar die Vereinigung dsr Arbeitnehmer, der „Verband der
dj^^!chen Buchdrucker", gegründet wordcn. Die Lohnkämpfe
^luk ^ sinzelnen Betriebe fiihrte sodann zum Zusammen-

Ein schwerer Kampf
im März 1873 und,

^wis^ >n Mainz am 15. Slugust 1869.

" ^iden Parteicn entspann stch nun . ...

i>i um dicsen ,zu bcenden, sondern auch um ähnliche Kämpfe

'oukunfs ------ !->>-- Prinzipale

am 1. Mai dieses
sür das ganzs deutsche Buch-
zehnstündige Arbeitszeit, einsn

.^hilfen anerkannte Ausdruck dafür, was für die beiderseitigen
und Leistungen im Deutschen Reiche allgemein als

zu vermeiden, traten jctzt Vertreter
Iab> * Eehilfen, zusammen und vereinbarten
Normaltarif

ihl- . der eine einheitliche enten

ll^'^^ilvhn sowie die Alphabetberechnung und Lohnzuschläge für
gx^^^rbeit festsetzte und die beiderseiiigen Kündigungsbedingun-

^Oclte. Der Taris wurdc bezeichnet als „der von Prinzipalen
A Dehi"

g^ungen

^Utli^ billig festzuhalten ist". — Aus diesen AZorten geht
^lchl u in welchem Eeiste die damalige Tarifgemeinschast ab-

llNd " wurde. Man wollte stch vertragcn, nicht stch bckämpsen
der ^ilensejtig schädigen. Darum verdient dcr erste Mai, dieser Tag
llh ^Onung an den Klassenkarnps, zugleich äls Tag der Erinnerung

Su bedeutsamen Tricdensschlutz in dicsrm Kampsc festgehalten
^6l-den.

^igci Iahren geschlossene erstc Frrede ist zwar roch keiu

Jghr^ 8riede geworden, doch hat er wcnigstens znnächst achtzehn
Um ^chalten. Erst im Novcmber 1891 kam es zu einem Streit
brj^i^ ^rbeitszeit, dcn man nicht mit Hilfs des Einigungsamtss
Sllu^^n vermochte, nnd deshalb zu einem Streik, der sich Lber das
keeuhxj erstrecktc. Dicscr wurdc zmar dürch eine Vcrständigung

^ki d; die Spannung durch den Kampf so grotz geworücn,

!eit^ d Tarifgemeinschaft nicht wieder zustande kam: sie wurde von
^Üeu ^chilfenmitglieder aufgehoben. Doch war ste non bciden
schon zn sehr als ein Segen erkannt, datz man nicht cine
^ sis> - ^greisen sollte, ste wiedcr zustande zu bringen. Diese
Ueueu ^ 2ahre 1896 und am 1. Iuli dies-s Iahres trat der von der
^igg .^weinschaft geschaffenc Tarif in Kraft. Der sogenannte
^svnsvertrag von 1906 suchtc das Band zwischen den beidcn
^tzrnl - noch sester zu knüpfen, allerdings auf Kosten der

Aih^^ beiden Seiten, die daher gcgen die Monopol-sierung

, - «cihp-, ' - -.>----- »-v— ---

IvtUch ^"Zmarkies seitens der vertragschlietzenden Parteien Ein-
^edj- ^°ben, was auch zu einer Abschwächung dcr ursprünglichen
^».chh h?3en führte. Weitere cinundzwanzig Iahre herrschte nun im
6ste F^geweihx auf Erund der Tarifgemeinschaft Friede, d. h.
^ichj^^ökeiten wurden durch die Organe der Gemeinfchaft ge-
^ichbr - -gegen Ende des Krieges wurde der Tarif mchrfach
^"ihai'u , am 7. Juni 1917, wo die Berlinsr Eehilfen sich
° Tarifs eine Sonderzulage erkämpften, und dann im
^l8, wo eine grötzere Anzahl von Eehilfen fich an einem
Ttrcik beteiligte. Die Prinzipalc verlangten den chnen
-»a>e„^^!Evnsvertrag im Falle des Vertragsbruches zustehenden
die Eehilfenorganisation ablehnte mit der Be-
Mtte ^ki es stch um einen unvorhergesehenen Fall gehandelt

--«L'-

lft

^Me§ nur das Dorspiel eines erst recht nicht norgesshenen

der Revolution, in deren Verlauf so zahlreiche Taris-
. gailisg». datz eine Haftbarmachung ausgeschlossen war. Die
^S, ^ blieb zwar formell bcstehen nnd bcmühte sich, so gut es

, ° Ajg-^bnung im Gewerb« aufrecht zu erhalten, doch hatte sie
^bleu ^ "Erloren und war fortwährend in Gefahr, nollends zu-
> Hrde , ö?. brechen. Denn nicht nur sie, der ganze Arbeitsmarkt
^ ?Kexj^^et, als teils 'aus inneren, teils aus Lutzeren Gründen
^ Eeldes so ins Schwanken geraten war, datz wirtschaft-
^Uu, ba ivst unmöglich wurde. Es konnte sich jetzt nur

einerseits die Arbeitslöhne, andererseits bie Preise

welchem ste keine Haftung übernehmen könnte.

8--' ^tze» . °"^r,eiis oie A.roensioyne, llnoerer>Llls oie Pre
ber Druckereien mit dem Eeldwert einigermatzcn ,n
^ Zam Das war natürlich ohnc Kamps nicht möglich

z ^ stch ^ichen Fällen überhaupt nicht. Aber gerade dabei offen-
Intercssxngemeinschaft Leider Parteien, denn mit den
5 Zeitungen und Druckereicn verschwanden auch Er-

j?^a jhi^?"^iten der Arbeitnehmer, und zahlreiche Buchdrucker
tz^n, bj^" .^eruf für immer aufgeben müssen. Alle diejcnigen Ge-
c^iieb« !" ..zielbewutzt" stnd, datz ste in der Zerstör.mg der

- bl Cta^ Heil erblicken, stehen daher nach mie vor auf

wieder ein Weg zur Gemeinjchaft gefnnden
Ta« kam auch b«im Abschluß des neucn Tarifs von

1921 zum Ausdruck, in welchem Iahre die Eemeinschaft zugleich ihr
25jährigcs Bestehen von 1896 an feiern konnte.

Mögc das 56jähr:gc Iubiläum der ersten -schritte zum Wirt-

schaftsfrieden im Buchdruckgewerbe diefen heilsamen Eedankrn
wieder beleben und er auch auf andere Eeweroe übergreifen zum
Hcile unseres untsr schwerster Not gebeugten Vaterlandes!

Kein VerständiglingSwiile in Arankreich.

Psineares nerrestes Manöver. - Das im voraus abgelehnte deutsche Angebot.

Von unscrem Il-Korrespandenton.

Paris, 30 April.

Da Poinca^ö am vergangenen Sonntag keine Gelegenheit hatte,
cine öffentliche Rede zu halten, um die deutschen Reparationsantiäge,
die er noch gar nicht kennt, abzulehnen, bcnutzts er den üiplo-
matischen KorrejpoiidcntLn der „D aily Mai l" dazu, um der Welt
zu verkünden, datz er sich um die deutschen Reparationsanträge nicht
lümmern werde. Von einer der höchstcn politischen Autoritäten,
also sicherlich von Paincara sclbst, ist der genannte Korrespondent
zur Veröffcntlichuug folgender Erklärung ermächtigt:

»Frankrcich hält seiueu Beschiutz absolut ausrccht, nach
Einvernehmen mit Belgien seine gegenwärtige Politik
fortzusetzen. Frankreich und Belgien wollen das Ruyrgebiet
nur schrittweise nach Matzgabe der Reparationszahl'ingen
räumen. Frankreich lehnt es ab, irgendeine dentfche Repara-
tionssumme anzuerkennen, solange nicht die Erundsätze der allmiih-
lichen Räumung dcs Ruhrgebiets anerkanut werden und solange
Deutschland nicht die Berordnungen widerrust, die seit dem
12. Zanuar erlasscn wurden und die bezwecken, den Widerstand im
Rnhrgebiet zu verstärken."

Psr diplomatische Korrespondent der „Darly Mail" fügt dieser
offiziellen Erklärung folgendes hinzu: Der Beschluß, auf Zurück-
ziehung der Verordnungen zu bestehen, die in Deutschland seit Beginn
der Ruhrbesetzung srlasten wurken, ist im französtschcn Ministerrat
feierlich bekräftigt worden. In England hatte man stch auf
die Rede Louchers der Täuschung hingcgeben, datz Frankreich
vielleicht jede Eelegenheit benutzen könnte, um sich aus dem Ruhr-
gebiet zurückziehen zu können, aber solche Vorstellungsn seien — wenn
sie in England herrschten durch nichts degründet.

Frankrcich werde fich weder um die Anschauung von Polititern,
noch um die von Finanziers kümmern, dis ihm dazu ratev
könnten, fich aus dem Ruhrgebict zurückzuziehen.

Jrgendwelches Mitleid für das „unalückliche Deutschland" würde die
französische Regierung nicht empfinden. Dsutschland sei sicher-
lich politisch in sein'er Widerstandskraft angersgt, aber die Völksr
mützten ihren Willen durchsetzen. Dic Anstrengungen der iranzösi-
schen Soldaten und Jngenieure im Ruhrgebiet würden allmählich
zum Ersola führen. Halbe Matznahmcn nnd Kompromisse merden
nicht zugelassen werden. Das französische Programm sei öffentlich
Lekanntgegeben und es solle auch nicht geändert werden. Kein fran-
zösisches Kabinett könne eine andere Politik verfolgen. Wenn >s
versuchen wollte, die Wege zu verlassen, die Poincarö beschritten habe,
so könnte es auch nicht 24 Stunden lang im Amte bleiben.

Auch in der „Chicago Tribune" schüttet eine offizielle Persön-
lichkeit ihr Herz aus und erklärt gleichfalls, datz von einer An-
nahme der deutschen Reparationsanträge keineRede sein könne,
un'o zwar deshalb nicht, weil dic Garantien, die dic Reichsrsgierung
anbieten wllrde, unzureichend seien. Wollte man die Eisenbahneu
und gewisse Steuerergebnisse als Garantie anbieten, so erklärt Frank-
reich schon jetzt, datz es stch damit nicht zufrieden geben
könne. Die E isenbahnen könntcn allerdings eine gewisse mili-
tärische und strategische Earantie abgeben, doch mürde dies zur Folge
haben, datz sranzöstsche Trnppsn längs der deutschen Eisenbahnen
stehen mützten, und man mützte dann auch in allcn deutschen grötzcren
Ei>enbahnstationen grötzere Garnisonen einrichten, wie die Japaner
dies in Schantung gemacht haben. Aber die Anwcsentheit sranzö-
sischer Truppenabteilungen ln Deutschland, die ja ohne jegliche
Autorität sein würden, würde nur zu Ilnzuträglichkeiten und Reibe-
reicn führen, aus diosem Erunde sei auch eine solche Garantie wert -
l o s. Was die Steuern als Garantie fiir eine Anleihe anbe-
lange, so könne diese nicht in Frage kommen, denn man wisse, datz
es in Dcutschland zahlreiche Steuerflüchtlinge gebe, die ihre Steuern
nicht bezahlten. Frankreich mützte also zu militärischon Matz-
nahmen greifen, um die Steuern einziehen zu können. Die Forde-
rung Deutschlands, seine Zahlungsfähigkeit durch eine Kom-
mifsion von internationalen Sachverständigen feststellen zu
lassen, wird Frankreich gleichfalls ablehuen, denn es würde er-
klären, datz eine Erörterung diefer Angelegenheit nur zulässig sei,
wsnn von derselben Kommission auch das ganzs Problom der inter-
alliierten Schulden überprüft würde, und zwar sowohl der Schulden
Fraykreichs in Amerika, wie auch der Schnlden Rutzlands gegenüücr
Frankreich.

Man fieht, datz Frankreich alle Anstrengungen macht und
alles tut, «m das Reparationsproblem so sehr wie »ur irgend-
« möglich zu komplizieren.

Frankreich wäre auch nur dann bereit, einem ein- bks zweijährigen
Moratorium zuzustimmen, wenn alle anderen Fragen vorher geregelt
würden, und wenn Frankreich entjprechende Garantien bckommen
roürde. Es jei aber nach dem Scheitern der deutschen Dollaranleihe
bereits mit Sicherheit seft g c st e l l t, datz Deutschland auf eine rnter-
uationals Anleihe nicht mehr rechnen könne. (?)

Aus diesen beiden Erklärungen erfährt man, was Frankreich alles
nicht will, man wäre daher sehr gespannt, cndlich auch einmal
zu hören, mas dennFrankreich eigentlich will und
worin der Reparationsplan bestehen soll, den auszuarbeiten franzö-
sische und belgische Delegierte in der Reparationskommisston vor
uunmehr 10 Tagen beauftragt wo:den sind. Bisher ersuhr man
oon Zusam.menkünften zwischen Barthou und Delacroix
nichts, aus de-rn ch o de Paris" geht .jedoch hervor, datz sie

einzelne Besprechungen abhalten wollen, dabei sollen jedoch keiner-
lei schriftliche Aufzeichnungen über einen Reparationsplan gemacht
werden. Dies ist sogar dem „Echo de Paris" zuviel, das sich da-
gegen wcndet, nur mündliche Vereinbarungen zu tressen, die gar
leinen Wert hätten, denn wenn man sich nicht schon vorher auf schrift-
liche Erundlagen geeinigt haben würde, so könnten nur sehr schwan-
kende Beschlüsse zustande kommen und bei Verhandlungen mit dem
engtijchen Kabinett würde man in diesem Falle jeden Augsnblick in
dic Hrötzten Verlegenheiten goraten. Allerdings erklärt man, datz
die Festlegung eines bestimmten Reparationspr'ogramms die sranzö-
sische Nuhraktion entneroen könnte, und datz durch die Aufstellung
eines bestimmten Programmes Streitigkeiten entstehen könnten, aus
denen dann Deutschland den Schlutz ziehen würde, datz Frankreich an
seiner Haltung nicht mehr festhaste. Um der Welt vorzutäuschcn,

aus welchen ErünLeu Frankreich ein deutjches Reparations-
angebot nicht annehmrn könne,

sucht das „Echo de Paris" an eincr anderen Stelle zu deweisen, datz
Frankreich bis jctzt bereits 97,6 Milliarden für seinen WlederausLllu
ausgegeben habe, und zwar für personelle Entschädigungen 31,6 Mil-
liarden und für Sachschäden 53,6 Milliarden, für Zinsen 12,4 Mil-
liarden Franken, dagegen habe Peutschland bis jetzt nur 1,7 Milliar-
den Goldmark bezahlt, und zwar in Eold 144 Millionen Mark, und
in Papiermark, die beschlagnahmt wurden, 343 Millionen, in Natural-
lieferungen 1,39 Milliarden. Davon mützten jedoch vorweg die in
Spaa bewilligten 239 Millionen Eoldmark für die deutschen Kohlen-
lieserungen abgezogen werden, so datz Deutschland bis zum 31. De-
zember 1922 in Wirklichkeit nur 1,541 Milliarden Ealdmark dczahlt
habe. Diese Summe sei aber nicht einmal für die Besatzungskosteu
ausreichend, die allein eine Summe von 1,602 Milliarden ausmachten.

Zu diefer französischen Aufstellung ist oar alleni eininal zu be-
lyerken, datz bei.deu 53 Milliarocn Franken, die für die Sachschäden
bezahlt worden stnd, die grotzsn Mitzgriffe nnd Betrüge-
reien nicht abgerechnet worden sind, wegen deren cine grotze An-
zahl von Personen gesetzlich verfolgt wird, währeNd Tausende von
anüeren Fällen einfach unberührt blieben, in der Hoffnung: „Deutsch-
land bezählt ja doch alles". Ungeheuer ist auch die Summe von zwöls
Milliarden, die Frankreich an Zinsen für seine Anleihezeichner
bezahlt. Lsian mutz sich hier vor Augen halten, datz Frankreich vn-
entwegt 6 Prozent Zinsen seinen Anleihezeichnern üezahlt, während
Englanh für dcn gleichen Zweck nur drei Prozent gibt. Wenn
endlich Frankreich glaubt, bis jetzt von den degtschen Reparations-
zahlungen zu wenig erhalten zu habeu, jo liegt dies zu einem grotzell
Leile anch an seinen eigenen Alliierten, die grotze Summcn
davon für sich in Anjpruch nahmen. Die neuerlich betonte unna ch-
giebige Haltung Frankreichs mutz natürlich unerklärlich
erscheinen, weil darüber kein Zwcifel bestehen kann, datz das Ruhr-
abenteuer einen politischen und militärischen wie auch wirtschaftlicheu
Mitzerfolg bedeutet. Es sei hier nur darauf hingewiesen, datz
sogar die offiziösen Ruhmredigkeiten jeit einiger Zeit voll-
kommcn eingestellt werden mutzten, da ste znletzt von niemand
mehr geglaubt worden stnd. Hente wird man jedoch Lber die.
Stellungnahme Poincares dnrch zwei politisch so sehr verschiedene
Zeitungen aufgeklärt, wie das „Echo de Päris" und dns „Oenvre".
die übereinstimmend Lchaupten, datz Poincare und der bloc- inition-l
von eincr Liguidation der Ruhrfrage nichts wisscn wollen, weil sie
auf die Wählerschaft Rücksicht nehmen müsien. Das „Oeuvre"
erklärt ausdrücklich, datz man bei der Wahlbcwcgung im nächsten
Jahre darauf hiudeuren wolle, datz man an der Ruhr sei und dies
sei weitaus bedeutungsvoller als ,alle K o st e n. vie das
Ruhraüenteuer verursacht. (?) Es sei oollkommen gleichgültig, was
man zu bezahlen haben werde, das Wichtigste sei, datz man Sei den
Wählern auf einen angeblichen Trfolg hinwcisHi lönne.

Fochs Znspektionsmse.

Die militärischen PlLne Frankreichs. — Ei« Druck aus die Türkeft.

Von unserem 8-Korrespondenten.

Paris, 30. April.

Der „Gaulois" stcllt ausorücklicki fest, daß man in deu
Reisen des Marschalls Foch nach Polen und der Tschechei
nicht nur einfache Höflichkeitsbesuche zu sehen habe, sondern Foch
wolle stch davon überzeugen, welche Fortschritte dic pol-
nische und tschechische Armee in der letzten Zeit gemacht
habe und ob ihre militärische Erziehung sie befähigt erscheinen
lassen könne, kriegerisch einzugreifen. Man könne sich
nicht verhehlen, datz die Luzt mit Elektrizität geladen sei und dag
man kriegerische Verwicklungen befürchten müsse. Die Schuld dafür,
so schreibt der „Eaulois", liege natürlich beim Kabinett Luno.
bei der Sowje tregierung und bei der türkischen Re-
gierung in Angora, die überall „Verschwörungen" stifteten. Aber
natürlich sei Deutschland das Haupt der Brandstifter sowohl im
Orient wie auch im Okzident. Wenn ein Krieg ausbrechne solltc,
so mützts Franireich ihn einzuschränken versuchen und dazu würde
nian sich der Tschechei und Polens bedienen. Aoer anch dem G.-neral
Weygand ist in Syrien eine wichtige Rolle zugefallen, denn
er müffe die Tllrken in Schach halten. Auf die Türken soll, wie die
Pariser Presie jetzt zugibt, tatsächlich ein Druck ausgeübt werden.
Eeneral Nollet hatte am Sonntag eine lange Besprechung mit
Potncare, Millerand und dem Eeneral Wcygand, dsr)
zum Obe 'lommisiar in Syrien ernannt wurde. Eine Folge diescr
Unterredung ist die Verkündigung des Beschlusies, datz zwei D i v i»
sionen bertzit find, nach Syrien abznreisen. Man hat selbstver-
ständlich den Eindruck, datz Frankreich oeabsichtigt, durch diese Drsh-
 
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