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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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66. Zarrgang - Lr. ss

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! »BadilLe Poft* erlcheint wöchentl siebenmal. Beilaaen: LidaSkalia lEonnt.1 —

I ^"terdaltnnaSblattMrritaaol - Llteraturblatt — -ochschulbeilagelmonatlichl.
- anverlanate BettrLge o-ne Derantwortnng. Rü<Hend«na nnr, wenn Porto betltegt.

Heidelberger Zeitung

(Gegründet 1858)

««d

Handelsblatt

SaMag, de» 7. April 1S2Z

-auptaeschLitostell« «. SchMselta- dee.Badischen Pvfl'chetdel-erg.Äaavtftr. SS, sfernsv»»

Är 18B. lBerlaaoort! Nranrfurta.Berrtner chertretnngt Barltn dVtS, tztmmer»
ftrak, S, yernlpr.Lentr.glS, MünchnerBertret. München.Seorgenftr.lN?, Nernlvr.iuaak

Boftsche»-«onto: Sraakknrt a. M. »111»

^bril.BezugSvrei» der .Bad.Post" Mt.«WiO - t-nrschl. Sllftellgeliühr,. Celbftabhol. Mk. 8800.-. «lu»land Mk.8000.-
7^>eftell.werd nur bi, zum2. sed.Ml, angenomm:». Aml u.S.noch gelief.Zeitungenstnd nach d.Einzelverkausrvreir ,ub«>
^?6!en.Preird.SinzelnummerMt. 170.-. JftdieZeitung am Trscheinenverhtndert.b-fteht kein Anspruch ausEntschüdigung.

«oftfch,«.«,»«»t Vraukfurt a. M. »111»

Anzeigenvreiset dle««mm brctte Nonparetllezetl, lofteü loral« Stcllengeluch« Ml.SO.-. N.<S,lrg°nh«tt»anz,tg«ii Ml 100.
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Aranzösische Mler.

Der augebliche französtsche Reparatrousplam.

Paris, 6. April.

de, meldet aus London: Der Reparationsplan, den
^ftlis»Telegraph" veroffentlicht hat, ruft lebhaftes Jnterefse in
öftdn ^ diplomatischen und politischen Kreisen hervor. Bon einem
<ly^6ertreter befragt, ob der Jnhalt diefes Reparationsplanes in
tz, Punkten mit seinen Eedanlen übereinstimme, erklärte
kz^.^eur, di« Anfichten, die in diesem Plane vertreten wiirden,
uicht so aufgefatzt werden, als gäben sie genau die
wieder. In amerikanischen Kreifen in London er-
sich nicht fehr befriedigt mit dem in Frage kom-
^zir dlane und man erklärt, in Wafhington werde man nicht

IhiE haben fein, datz England und Frankrsich auf Deutschland

^ie ^^flichtungen gegenüber den Vereinigten Staaten abwälzten.
ih .'""erikanischen Botschafter in den gröhten Hauptstädten hätten
letzten Zeit den aH>'erten Ministern und Diplomaten einen
°" Wink gegeben, datz Washington eine Eeste begrühen
dez. ' ^>ie die Bereitschaft kundgebe, den Rechten und Erwartungen
De,^erikanischen Eläubigers eine ernstliche Erwägung zu schenken.
tftlz ^richterstatter des „Daily Telegraph" weist darauf hin. datz
^ernn ^mcntreffen Loucheurs mit Mitgliedern der britischen Re-
<L>>x,^dcr Annahme widerspreche. datz Loucheurs Besuch In
^hr e itreng privater Natur sei, selbst wenn sein Desuch nicht
einen halboffiziellen Eharakter dadurch gewinne.

^»cheur sei «us jede« Fall etne Macht, mit der alle ftanzöstschen
^ "fttsuräNUEr »nd aoswärtigen Regierunge« rechne» mühte».

dai^^ugeublickliche Haltung gegenüber Poincard sei eine „Haltung
ess^rischer Neutralität"; und er tzabe stets das Ohr Millerands be-
«eibst'.^er Verichterstatter hebt weiter angestchts der Tatsache, dah
..gemähigte ftanzöstsche Reparationsplan" in Deutschland
vgh^ als ein solcher angesehen werden würde, hervor, es würds
Ztgij'^Mlich Versuch. ohn« die Mitarbeit Erotzbritanniens und
iieleg Belgien garnicht zu sprechenj, eine Regelung zu er-

^eeub-^olft haben. Es würde daher gut sein, wenn Loucheur nach
»l-i^ong seiner Nachsorschungen in England stch zu dem
D- ^Ecke nach Italien begeben würde.

A°ise Loucheurs nach London Leschäfttat in Paris sogar
Mg.iLbgeordneten und der Regierung nahestehende Presse. Der
schreibt: Die Lffentliche Meinung >» Nlranfreikb wird

in Frankreich wird

."kdr.s., uyreibt: Dre onennilyi .. _

Uniali» 151». datz an erster Stelle von Loucheurs Freundender
ANnisterpräsident LloydEeorge steht. der begünstigte
Ktt.V«ter der Blätter von ' ' '

<"ne r.- oer ivlaner von Hearst und Stinn « s. Louchenr
a°T'»°n Aufenthalt in London besonders dem Ministerpräsiden-
U'hh« Er habe auch den Eeschäftsführer des „Daily Tele-

N'nngen und dann sei in diesem Blatte ein französtscher
Mr L'°nsplan erschienen. Wie könnte man daran zweifeln. datz
nicht nur Lloyd Eeorge,

zj^beinandergesetzt worden sei. Loucheur habe zwei Stunden
Mou d Unterredung mit Bonar Law auf einer lleinen Eisenbahn-
,'IHeu London gehabt. Ein Teil der englischen und amerika-
'lgz.^Loe in London nennt Loucheur bcreits jetzt den Nach-

^"incartzs.

Plau des „Dailq Telegraph" sei weit entfernt, den Eedankeu
lranzöstschea Sachverständigen entgegenzuarbeiten; er
sej sogar iu vieleu Punkten mit ihneu überel».

vÄchloÄ Geheimnis. datz Belgien der Anstcht ist, man dürfe
nichi die Initiative Lberlassen, einen Reparationsplan
ift !..^erb»„<; der es berechtige, offiziell an den stch daraus ergeben-
^l'^iein 4!°i"Ngen teilzunehmen. Frankreich und Belgien mützten
übce ^°"blick in der Lage sein zu erklären, welches ihre An-
idülNkrkta»».-'E Reparationen seien. Die Arbeiten der französischen
b» bey. u,"°'klen seien bisher noch nicht von der Regierung geprüft
lei? Es chwisse aber, datz Frankreich einer Herabsetzung der
dku ^Herank Schuld zustimm «. Jn Wirklichkeit sei dies aber
weil die im Londoner Zahlungsplan vorgcsehe-
dj, Zghl « N^ungen auf mehr als 50 Iaffre verteilt worden seien.

bO Milliarden Eoldmark sei ost genannt worden und
1z M?. Regierung werde diese Zahl nicht zurückweisen
>>e,,,Milli.,?6'Ngung, datz der französtsche Anteil nicht geringer als
rhMen Eoldmark sein werde. Die Mobilisierung dieser
Mz ^uld durch inkernationale Anleihen sei ein Plan, der
>6 kä" u u m französtschen Regicrung gebilligt werde. Was
tztt, Nte »Ung der besetzten Gebiete am Rheine betreffe,
"vlln? solö? Fur stattfinden, wenn d<ts Regime, das auf die Okku-
«i>< Mdio! 'a?nankreich volleEarantien gebe, d. h. wenn eine
8?t>n ° i l b» "^>Ut ilitarisierung derRheinlande, denen
?rü"ulen s'^aebietes anzugliedern sei mit einer inter-
Mj?en«»ul'zei, vorgenommen werde. Autzerdem mützten die
^a.i°ibei, deii Händen'der französtschen Truppen für die

'HrWeii. bi'» b«r Friedensvcrtrag von Versailles vorsehe. Die
'berd-' u»b r „Daily Telegraph" den französischen Kreisen zu-
^ehen ^<?°""'utlich "on Louchem stammend angesehen

Baldwin und

sondern auch dem englischen
dem Ministerpräsidenten Bonar

der französtschen Truppen für ^>ie
trag von Vei'

u»b »Daily Telegraph" den sranzöstschen Kreisen zu-
ste8°o'° vermutlich als von Loucheur stammend angesehen
aiso nicht vollkommen im Widerspruch zu der Re-
ir>», c«.?, - Das wenigste, was man unter diesen Vedingun-
^,1?r ^eise Loucheurs nach London sagen könnte, sei, datz es
»,'' ste, ^ o?n, wäre, wenn er es den verantwortlichen
"dtzNem A„ "^lassen hätte, all' diese Dinge zu sagen und zwar

. D?lu» „,k,n,nlicke. der von der franMschen Regierung für

U'e ÄNqel "^ i"dustrielle" schreibt zu dem ganzen Vor.
Li»?° -Nenbeit werde Loucheur und derganzen Welt.

es L/u"dern sehr unangenehm sein. Er be.

»»" l u ^'llkeit „nd" ^lnzelheiten unserer Politik an einer gswissen

»» dvs, ° Orjay hatte ihm diese Reise leicht ausreden,
° iUgeioiien ^ lnkognitozu unternehwcn. Wenn

habc. dag er ossen oone irgenowelche ReserveN

gereist ses. so sei es sehr unangenehm, wenn man setzt die privaten
Lnterredungen Loucheurs mit bedeutenden englischen Persönlichkeiten
in einer Weise desavouiere, durch die man England in den Rucken
falle.

Keine nene Sitnaüon.

Warnuug vor allzu grotzem Optimism«».

Bon unserer Berliner Redaktioa.

Berli», S. April.

Die Reise des ehemaligen Ministers Loucheur nach London
findet in der ausländischen Presse ein so starkes Echo an Kom-
mentierung der verschiedensten Ärt, datz man fast glauben könnte,
wir ständen tatsächlich am Anfang einer neuen politischen Situation,
die einen Ausweg aus den gegenwärtigen Wirrnissen verspricht. In
Wirklichkeit ist das durchaus nicht derFall, und wir in
Deutschland tun gut, uns von vornherern vor Augen zu halten, datz
es sich hier um ein politisches Trommelfeuer handelt, das die andern
anschlagen zu keinem andern Zweck als den, uns mitdeinLärm
zu betäuben. Deshalb ist es dovpelt vonnoten, datz wir uns
durch das Eetöse von drautzen nicht in unserm klaren Denken und
Urteilen beeinslussen lassen.

Es muh darauf hingewiesen werden, datz das, was Herr
Loucheur ein Prvgramm nennt, für uns ein völlig undiskutables
Etwas darstellt, und je mehr von dem sogenannten Plan des Herrn
Loucheur zu uns drinat, um so stärler wird bei uns die Erkennt-
nis, datz es sich bei diesem VorschlaA um einen Dilettantis-
mus handelt, der bei einem Wirtschaftspolitiker vom Erade
Loucheurs verwundern mutz, wie überhaupt die ganze Art, wie man
uns das sogenannte Programm schmackhaft zu machen sucht, höchst
verdächtig wirkt. Alles, was Loucheur vorschlägt, ist Luft-
akrobatik, vor allem, wenn er nach dem heute vorliegenden weiteren
Telegramm des „Daily Telegraph" von der Abschaffung der auqen-
blicklichen Währung spricht, die er aber als Vorbedingung für Ver-
handlungen bezeichnet. Eine Währungsreform kann natürlich nur
dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Verhandlungen. die
voraufgegangen sind, eine solche Eesundung derpolitischen
und wirtschaftlichen Berhältnisse Deutschlands
erwirkt haben, datz man wirklich mit gutem Gewissen an das WSH-
rungsproblem herangehen kann. Experimente ohne diese gesunde
und sichere Basis würden unsere ganze Währung ins llferlose
sinken lassen.

Aus dem Sinhnich-gebiet.

Der Kampf um die Kohle. — Die Ausplüuderuug der vanke«.

Eigene Drahtmeldung.

Dllsseldorf, 8. April.

Zn der Nacht zum Freitag haben nach einer Meldung aus Essen
die Franzosen im Hafen von Duisburg drei für die Kruppsche
Fabrik in Rheinhausen bestimmte Schleppkähne beschlagnahmt,
weil angeblich die Kohlensteuer nicht bezahlt war. Die Franzosen
drohten mit der Blockierung des Kruppschen Hafens von Rhein-
hausen, falls die Kohlenstcuer auch weiterhin nicht bezahlt werden
sollte. — Aus Buer wird gemeldet, datz die Bergleute der staat-
lichen Zeche „Bergmannsglück", die Donnerstag morgen nach Be-
endigung des zweitägigen Proteststrciks gegen die französtsche Ve-
setzung wieder zur Schicht anfahren wollten, sämtliche Zechentore
von französtschen Posten unter Eewehr besetzt fanden. Die Berg-
leut« iraten daraufhin erneut in Len Streik. Der Betriebsrat
legte Protest ein bei dem Eeneral in Recklinghausen. worauf
dieser einen Zngenieur zu Verhandlungen mit der Belegschaft nach
Buer entsandte. — Zu dem Vorgehen der Franzosen gegen die
Banken in Bochum wird gemeldet. datz die Franzosen nach an-
geblichen Streikgeldern für die Eisenbahner suchten. Bei der
Reichsbank wurden 250Millionen Mark „beschlagnahmt".
Es soll sich hierbei um den Rest der Kassengelder des Vahnhofes
Bochum-Nord handeln. Bei derKommerz. und Privatbank,
wo kein Eeld vorgefunden wurde, wurden zwei Direktoren
und ein Kassierer verhaftet. Sämtliche Banken haben
wegen des Vorgehens der Franzosen geschlossen.

ckl

Der Schriftleiter der Neuwieder Zeitung Maier ist von dem
Militärgericht in Koblenz zu acht Tagen Gefängnis und
50 000 Mark Geldstrafe verurteilt worden, weil er die Vekannt-
machung der Rheinlandkommisston über die Ein- und Ausfuhr-
bewilligungcn in einer redaktionellen Notiz dem Standpunkt der
deutschen Rcgierung gegenüberstellte. Der Staatsanwalt hatte drei
Monate Eefängnis beantragt, wobei er heroorhob, datz wegen der
widerspenstigen Haltung der Preffe ein schärferes Vorgehen ange-
ordnet werden müffe.

Das Mainzer französrsch« Kriegsger'cht oerurteilte den Eastwirt
Johann Liebmann zu einem Monat Eefüngnis und 100 000 Mark
Eeldstrafe, weil er in seinem Lokal die Auszahlung von Gehältern
und Löhnen für die Eisenbahnbediensteten geduldet hat. Lieb-
manns Tochter erhielt 15 Tage Gefängnis und 100 000 Mark
Deldstrafe, weil sie 17 Millionen Mark der zur Auszahlung be-
stimmten Eehälter unter einem Teppich versteckt hatt«.

*

Aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen wurde der früher« natio-
nalliberale Landtagsabgeordnete Rechtsanwalt Eallmann aus
Alzey. Allgemein wird jetzt Lelannt, dah zahlreich« Ausweisungen
infolge der Eegnerschaft der Ausge-wiesenen gegen die „Rheiuische
Republik" erfolgen.

Beschreßung friedlicher Arbeiter.

Bei der Zollstation Herdecke beschossen gestern nach-
mittag französischeSoldaten vser auf dem Wcge von
Herdecke nach Hagen Lefindliche Arbeiter, die bereits die Zoll-
grenze-passiert hatten. Eetötet oder verletzt wurde niemand, da-
gegen drei der Arbeiter verhaftet (I). Die Eründ« sind un-
bclannr.

Mr unb die Welt.

Der Lritlsche Handelsvertroter in Moskau haite am 81. Mitrz
Tschitscherin, dem auswärtigen Mlnister der Sowjetregierung, «i«
Schrsiben überreicht, worin er um Sistierung des Todesurteil« gege«
den Prälaten Butkiewicz (der unterdessen berelts hingerichtet worde»
zu sein scheint) ersuchte und auf di« EmpSrung hlnwies, welch«
Lieses Urteil in der ganzen Welt hervorgerusen hab«. Jm
Auftrag« Tfchitscherins wurde dem Engländer erwidert, Rutzland
könne als unabhängiges Land elnen auswärtigen Eingrisf in di«
Tätigleit seiner Eerlchte nicht dulden, am wenlgsten in dem vor«
liegenden Falle, in dem es sich um «ine Vestrasung. von Splonag«
und Hochverrat handele. Uebrigens könne das Außenkommlffariat
in Anbetracht des Vorgehens der britifchen Regierung gegen lhr«
Feinde in Jrland, Jndien und Aegypten ihr Elntreten sür d!e Sache
der Humanität nicht als hinreichend überzeugend anerlennen.

Wir stnd natürlich weit Lavon entfcrnt, dieft brüsft Zurück-
weisung einer vom Ausland kommenden Ermahnung zur Mensch-
lichkeit verständlich oder auch nur entfchuldbar finden zu wolle»,
allein den Einwand der russifchen Regierung, der der englifche«
die Verechtigung abspricht, im Namen der Menschlichkeit
zu reden, diesen Einwand müffen wir gelten laffen: denn seitdem dle
englische Regierung nicht nur den bisherigen Nhein- und Ruhr-
grcueln tatlos zugesehsn, ihnen zum Teil sogar Veihilfe geleistet
hat, sondern nachdem auch das Efsener Blutbad vom Kar.
samstag hat geschehen können, ohne datz die Dertretnng des eng«
lischen Volkes es für nötig Lefunden hat, fich auch nur mlt einem
armseligen Wörtlvin des Bedauerns zu äutzern, sollte Gngland»
amtliche Vertretung wirklich darauf verzichten, den Scheinzu er«
wecken, als ob es die Einwirkung humaner Geflchtspunkte auf dk«
politischen Entfchlietzungen für felbfdverständlich halte, als oL es a«
fo etwas wie «Ine moralische VerbundenHeit Ler Menfchheit glaube,
sie scllte vielmehr entweder offen bekennen, datz nur der Borte! 1
die Welt regiere und datz es lm Politischen e-inen llnterfch'Ied zwlsche«
Erlaubtem und Unerlaubtem nicht gebe, datz es sich vielmehr nur
darum handele, ob man etwas zu tun die Macht hab« oder nicht,
o d e r aber, es follte wenigstens vorsichtig genug sein, fich mit seine»
Moralpredigten nicht an Leute M wenden, di«, wie di« Sowjet-
ruffen, kein Blatt vor den Mund nehmen und auch im diplomatische«
Verkehr stch nicht fcheuen, unbequeme Wahrheiten auszusprechen.

Jn der Tat, es scheint wirklich fo etwas wie eine moralisch«
Verbundenheit der Welt nicht zu geben. Nicht nur England, auchi
di« andern Alliierten, auch die ganze übrige Welt lätzt die Effcner
Bluttat gefchehen, ohne datz sich das regt, was unfsre Pazifisten und
Demokraten als das „Weltgewissen" entdeckt haben: Dieses Melt-
gewiffen funktioniert nur, wenn es gilt, gegen Deutfchland etwas
zu unternehmen, und so werden denn die zerfetzten und blutige«
Leiber der in Effen ruchlos Gemordeten der Erde Lberge'en werden,
und damit wird die Sache abgetan sein bis zum nächsten Male:
die Welt wird nur allzu gern die Lügen glauben, t>ie die Zentral-
stelle für Weltbetrug, die Agentur Havas, ersonnen und verlrritet
hat, di« Welt wird wenigstens so tun, als ob ste daran glaub«,
und die Franzosen werden daraus die beruhigende Eewißheit ent-
nehmen, datz sie auch in Zukunst machen können, was sie wollen, datz
ihnen niemand in Len Meg treten wird, wenn ste das Ziel zu er-
rcichen streben, das fle sich gesteckt haben.

Dtese Leruhigende Eewißheit werden sie übrigens vlelleicht auch
schon aus der Bereitschaft geschöpft haben, mit der die englische
Oeffentltchleit den Taschenspielerstreich hingenommen hat, durch de»
plötzlich neben die Frage der „Reparationen", um die es sich angeb-
lich bei dem Ruhreinmarsch allein handelt, di« Frage Ler „Sicher -
heit Franlreichs" gestellt und diefe als die eigentliche Haupt»
frage zurechtgemacht worden ist. Allerdings, nicht die ganz«
englische Oeffentlichkeit ist auf diesen Trick hrneingesallen; das freut
uns, Lei dieser Gelegenheit aussprechen zu können: E. D. Morel,
der fchon oft von uns angeführt« unbestechlich« Wahrheitsfreund,
geht in seiner Zeitschrift „Foreign Affairs" diefem Schwindel mit
kräftigen Worten zu Leibe. Er sagt, wenn der Zweck der Beherrscher
Frankreichs wirklich „Sicherheit" gewesen wäre, so hätten sie in den
letzten vier Jahren genau das Eegenteil von dem tun müffen,
was sie in Wahrheit getan haben. Sie hätten versuchen müffen,
das Krkegsbeil zu begraben, der blutigen Fehde ein Ende zu machen.
Statt dessen hätten ste auf «iner politischen Regelung Lestanlen,
die bei den Deutschen nur uttstillbares Nachegefühl erzeugen mützte.
Die Herrscher Frankreichs hätten auch, wenn «s ihnen um „Sicher-
heit" zu tun gewesen wäre, nicht die wiederholten Anerbietnngen
Deutschlands, dte zerstörten Gebiete wieder aufzubauen, ablehnen
dllrsen, sie hätten nicht afrikanische Truppen an ben Rhein
Lringen dürfen. Morel bespricht dann wetter die beliebte Vehaup-
tung der Franzosen, ste feien beständig bedroht, da Deutschlands
Bevölkerung auch nach allen Eebietsverlusten um 20 Millionen
stärker sei als die sranzösische, und da sie sich danernd rafcher ver-
mehre. Er sagt, wenn dieser Schlutz richtig sei, Lann würde nat-
wendig jede Nation, die einen Nachbarn mit stärkerer Vevölke-
rung Lesitzt, deffen politische Unterjochung erstreben müffen! Er
weist aber noch auf etwas anderes hin. Er erinnert daran, datz es
gar nicht wahr sei, datz Franlreich für militärische Zwecke nur über
40 M-Ilionen gegenüber 60 deutschen Millionen Menschen verfüge,
Franlreich habe für diese Zwecke mindestens 100 Millionen zu seiner
Verfügung. „Franlreich hat," so schreibt er, „unter seiner Hsrrschaft
43,5 Millionen in Afrika und 22,5 Dlillionen in Asien. Und es hat
nun auf alle diese Völkerschaften fein Aushebungsgesetz zur
Anwendung gebracht. Frankreich rechnet darauf, datz es innerhalb
der nächsten fünf Jahre ein stehendes Heer oon 800 000 Afrtlanern,
wenn nötig, in Europa zur Verfügung hat. Die Leute, die
jetzt für Frankreich stimmen wegen seines Vor-
gehens gegen Deutschland, haben nicht den leise-
sten Schimmer von der Bedeutung der Aushebung
tn Af r i ka i n nah e r Z ulu ust. Sie Letrisst die Ausl<c der
 
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