" za-rgang - Lr. s
I! Die .^Zadische Poft' crlcheint täglich <auch Sonntagrl »ormittagr. also stebeninal
I wöchsntlich und kiistet frei ins Haus -uaestellt monatlich 1L"Ü Ml, durch die Post
l^wonatlich 1SÜÜ M?. znzüglich 1N.5Ü Ms. Bestelloeld. Einzelnummer SV MI.
Lsi-elberger Zettung
(Gegründet 1868)
UNd
Handelsblatt
Lanisiag, s. Zamar 1S2Z
Anteiaenvreis: die 22 mm breite Nonpareillszeile 10 M!. Familien-, Vcreinr-
«nd Kleine Anzeiaen nach besonderem Tarif Rek^
^rantwortiich für dcn gesamten tcxtlichen Tetl Adoli Kimmtg in Aeidelbcrg. isernrus d:r Redaltion: cheidelöerg 82-
«vrcchsinnde dcr Schrisilcltung vorm. 11^-12 Uhr. Bcrliner Bertretung: Bcrltn 8VV 48. Zimmerstratzs Nr. 9.
skernruf Amt Zentrum Nr. 415. Mlinchener Bertretung: München, G.orgcnstrage Nr. 107. Fernruf Nr. 81667.
Für Anzrtgen, Reklame.i und geschLstltche Beilagen verantwortlich Alfreo SchmiS in Hride-berg. Fernrus 82
Verlag: Heidelberger BerlagSanftalr und Druckerei <S b. m. H Heidelberg, Aa uptstra8e 33. —
Poslsch-ckkonto Karlsruhe Nr. 19Iȟg. - Druck von I. G. Ho ltz w arts Na chf, G. m. b. H., Franksurt am Main
Die neue Lage.
l»g
Eegen Franlreichs Sonderaltio».
Bon unserer Berliner Redaktion.
Berlin, S. Januar.
Die dnrch den Mbrnch der Pariser Aonserrnz cntstandenc Nechts-
k .?stschlaud die am 18. Ianuar sälligeu SW Eoldmillitnen „vor>
'^slich« nicht zahlen, so trclen die Folgen dcs § 18 der Wieder-
«Uliliachuiwsbcstiunnungcn im Versailler Vertrag in Krast, das heigt
wirtschaftliche Bcrgeltungsmatznahmeu. Ob die Repa-
s-wnskommission «ach Maßgabe des Artikels 234 des Versailler
evtrags bci Ler Feststellung unserer Leistungssähigkeit uns vor«
hören wird, hiingt davon ab, ob tzie Repaiationskommission
.,^ Frage Lurch ihre Feststellnng vom November als erledigt
steht. Aus deutscher Srite steht man aus dem Standpunlt, Last
cslais die Frage dcr Leistungsiehigleit uur ganz ueoenbei be-
^uLeli wordcn ist und im wcjentlichen nur über die Siabilisierung
er Mari und die Balancicrung des Budgets beraten wurde. Dic
T'btscheidung dcr RcparaticnslomMisiion vom 31. August war cben-
'Ulls lcine endgültige, sondern schiebt die Entscheidung bis zn dem
Aoitpunlt a«s, an welchsm üer Entwurf einer Noform der deutschen
»^Nanzen vorliege» würde. Diescr sollte umsasieu die Balancierung
veg Budgets, die Währungsresorm, die cvtl. Ermästigung der Lasten
z,xu Anleiheplan. Dos vorlänsige Moratorium wurLe gewährt,
vm iu der Zwischenzeit dirse Ma'znahmen einleiten zu könncn. Die
dkeparationskommission hat jedoch inzwischeu keinerlei Einleitung
lletrokfen nnd auch zu dem deutschen Antrag vom 18. November noch
E °i ucn Beschluh gesagt. Um so mehr müssen wir es bedauern,
uns jetzt iu Paris kein Gehör gcgeben worden ist. So lange
A Vertrag von Versailles noch gilt, hat Deutschland anch weiter
'cht urit einzelnen Mächten, soudcrn allein mit derReparations-
"wulission zu tun. Erst mug die Reparationskommission das
..^ratorium abgelehnt haben, muh Deutschland de« am
Januar sälligeu Bctrag nicht gezahlt haben, muh eine vor-
»U.tiche Verfehluug festgestellt und eine Einigung der
. lliierten Lber die zn ergreisende« Mahnahmen erzielt fein, erst
find Sanktioue» vertragsmähig zulässig. Sogenannte
»»ktionen, die ohne Entscheidung der Reparationslommission oder
einer eiuzelneu Macht ergriffen werden, find vertrags-
kdrig und im völkerrechtlichen Sinne feindliche Handlun-
Führt Frankreich alfo auf eigene Faust einen Ueberfall
Deutfchland aus, dann machte es den Versailler Bertrag zn
. Neur Fetzen Papier. Es würde sich auch feinen Vcrbündeten gegen-
vertragsbrüchig machen, dencn damit die Vcrpflichtung zusällt,
der RechtssphSre, die ihm der Bertrag gelassen hat,
ichütze».
Freitaa oormittaa fand «ine Chefbesprechung der zu«
Eichten, auch Staatssekretär Dr. Vergma » n wird in dcr a»er-
"uchstLn Zeit iu Berlin zurückerwartet. Bm lommenden Dienstag
?'rd svdann oorausfichilich der Kanzler dem Auswärtigcn Ausschuh
Rcichsiagcs Lericht erstatten. An eine vorMige Eiilbernsung
Reichstages wird aber uicht gedacht. ^
»> In den Aeuherungen der Berlincr Presie über len Abvruch der
K°kiser Konferenz zeigt srch "ine weitgehende Einheitlichkelt der
Massung tahinaehend, dast für die Leutsche Regierung selbitver-
t.udlich nur ein'absolutes Festhalten an dem bisher versolg-
-U^.Kurse in Frage kommen kann So schreibt heute der Lemo-
im
^utische ALgeordnete Eothein^ im ..Achtuhr-Abendblatt": Da-
s??bin«tt Ciino barf nichts unterschreiten. was bas deutsche Vol
n.' chthalten kann. Muh unssre Antwort ablehnend lau'en. dann
r die Stunde gekommen. wo der ganze Reichstag hinter die Regie-
I^Ug treten. und sich ein K a b i n e t t a u f br e i t e st e r G r u nd -
»5lle bilden sollte. dann ist keine Zeit,und kein Naum mehr für
^»rteigezkinke. Es gibt dann nur noch die eine nationale
!skage der S e l b st b e h a up t u n g. Lie grohe Probe auf dis
!°l!tis»e Reife des deutschtn Nolkes. Bestehen die Parteien diesc
^vhe Probe nicht. dann haben ste ihr Daseinsrecht r erloren. — Jn
ahnlichem Sinne schreibt auch die volksparteiliche ,.Ae i t":
deutsche Volk ist heute uicht mehr so zermürbt wie in den No-
gsllrberiagen des Iahres 1918 und wenn es stch zur Abwehr gegen-
L°°r störkstE Unrcchtc zusammensindet. so hat gerade die von
gegen Deutschland eingegebene französtsche Politik der lehten
, ?re dazu das allcrmeiste beigetraocn. — Auch die Kreuz-
L°'tung" ist der Ansicht. dah Deutschland einsm sranzöstichen Ein-
Mrsch n'cht tatcnlos zusehen dürfe. ein protestierendes Nein freilich
hslluge h!er nicht, man wcrde vielmehr auf Mittel und Wege
stttieu müsien. einer Besetzung des Ruhrgebietes nach Möolichkeit
^.begegnen. — D!e gleiche Aufsasiung, die von den rechisstehcndcn
zp.ustiern geänhert wird. findet stch auch in der links stehenden
Es ist namentl'ch zu begrüh'n, dah auch der „Vor-
b... -
i»rts", der in den ersten Tagen der Pariser Konferenz llch einiqe
tz?°rnkliche Ce!tcns"rünge oeleistet hat. heute wieder auf die not-
r.Mige czemeinsame Linie eingeschwenkt ist,
'"vstygrstgndlich einige Zurückhaltung auserlegt-
er stch dabei
eine Aeuherung
d» 8n diesem Zusammenbange^ verdicnt auch noch
s.k „Vossischen Zeitung" hervorgehoben zu werden, die die
>itu ' - --— - .
uation vor allem unter dem
„^kte beleuchtet. Sie schreibt:
V«Ii
a uh e n v o l i 1 i sch e n Eesichts-
_.... ,Die völli» unbaltbar gewordene
n?.i'tische Situation Frankreichs zwingt die sranzösischen Staats-
r,°»Ner noch im letztcn Augenblick. Fühlung mit Berlin zu
E?n. nm den deutschen Vorschlag wenigstens noch von der Nepa-
r?«onskommission prüien zu lasicn bevor diese ihre letzte ver-
d-'sllnisvolle Entscheidung fällt. Dicse Moglichkeit besteht, und um
x,Ar schwachsn Möglichkeit willen scheint es uns auch falsch, jede
»dstnung aufzugeben. dah doch noch cine gunstigere Wendung dsr
'llge einzutretcn vcrmag." Im übrigen meint das Blatt: „Das
Ende der Konferenz von Paris bcdeutet noch nicht das Ende
der Reparationsverhandlungen. Bis zum 15. Zanuar
ist noch ein viel weitercr Weg, als manche Pesstmisten bereits jetzt
annehmen. Menn heuts ein Pariser Vlatt geschrieben hat, dah der
4. Januar nachmittags die letzte Minute der Entente gebracht habe,
und somit einer der kritischsten Zeitpunkte ^der heutigen E""' 'chte
sei, 'so wird der 15. Ianuar zweifellos em noch viel kritischeres
Datuni von gleicher Bedeutung sein. Wie die auswärtigen Müchte
sich Lis dahin auf eine gemeinsame Linie zusammenfinden können,
liegt heute noch durchaus im Unklaren, der Weg der deutschen Re-
gierung ist aber vollkommsn klar vorgezeichnet.
Seutschlands «.Ierfrhlung".
Frankreichs Kohlenforderungen.
Von unferem Ü-Korrespondenten,
Parks, 8. Jännar.
Poincarö begab stch Freitag vormittag ins Elysee, wo «r etne
Besprechung mit dem Präfidenten Millerand Lber die Lage hatte,
wie sie fich nach dem Abbruch der tnteralliierten Konferenz darstellt.
Nach seiner Rückkehr auf den Quai d'Orsey hatte er eine lange Be-
sprechung mit dem Präsideuten der Reparationskommisston Bar«
thou. Sodarm begab er sich ins Hotel Erillon, um mit Bonar
Law zu rouserieren. Später stattete er Lem italkenischen Dclegier-
ten della Torretta einen Besuch ab. Nachmittags empsing er
den belgischen Ministerpräsidentcn Theunis. Ein französischer
Ministerrat wird Sarnstag unter Lem Borsttz Millrrands stattfinden.
Die Reparationskommisflon hielt Freitag morgen eine ofsizielle
Sitzung ab, welcher der zweite englische Delegirrte bei-
wohnte. Barthou sotderte die KommMoii? aus, eine absicht -
liche Verfehlung Deutschlands für die Kohlen- und Koksliese-
rungen im Jahre 1S22 sestzu-tellen. Nach einigen Bemcrkustgen der
verschiedenen Delegierten beschlotz die Kommission einstimmig, Sams-
tag voryiittag znfammenzntreien, um diese Berfchlung festzustellen.
Man nimmt an, datz Bradbury der Sitzung beiwohnen wird.
*
Ein offizielles französtsches Dokument verbreitet stch über di«
deutschen Kohlen-ünd Koksliescrungen an Frc-nk-
reich in folgender Weise: Die durch Deunchland seit dem Inkcaii-
treten des Fr!e>ensvertrags vollzogenen Kobcenlisfer"N->en waren
imver mangelhaft mii Ausnahme des Monats Oktober 1920. wäh en^
dessen die Liefcrungen Las vorgeschriebene Prozramm leicht :i er-
schritten. Die ungenügenden Lieserungen sind umso weniger enl-
schuldbar, als die Reparationskommission immer der Lag« Deutsch-
lands und seiner KohlenförderuW Rechnung trug. Besonders mutz
die mangelhaste Lieferung im Iahre 1922 hervcrgehoben werden.
Obwohl die Rexarationskommiision Leinahe um ein Drittel tie
Kohlenlieferungen für Frankreich und Luxsmbnrg. welche diese nach
üem Friedeusvertrag erwarten konnten, herabsetzt«, zeigen die voil-
zogcncn Lieferungen ein steigendes Desizit. Für die elf Monate im
Jahre 1922 stellen sich dje Lieferungen folgendermatzen dar: Nach
dem Friedensvertrag sollten 19 584109 Tonnen gelicfert werden D-e
Reparationskommission forderte 18 864100 Tonnen. Eeliefert wurden
11 710 365 Tonnen. Der schlechte Wille Deutschlands ist umso
unbestreitbarsr, als die von der Reparationskommisston gefordrrien
Mengen geringer sind als die Kohlenlieferungen Deutschlanv- an
Frankreich vor dem Kriege. 1913 erhielten Frankreich und Lurem-
durg von Deutschland ungefähr 17 800 000 Tonnen Kohlen, was ciner
Lieferung von 1 480 00t> Tonnen monatlich enispricht. Das Programm
der Rexarationslommission ist gegenllber dieser Zisser um mehr als
800 000 Tonnen geringer. Jnfolge seiner Bedürfnisse lann
Franlreich auch nicht die geringste Verfehlung in der Kohlenlieferung
zulasien. Eegenwärtig produzieren di« sranzösischen Kohlenbergwerle
32 Millionen Tonnen. Die Saarbergwerse k.nnen, sobald die Ve-
dürfnisse des Saargebiets be^rie^igt imd.' 5—6 Millionen Tonnen
liefern, so datz Franlreich !m ganzen übcr 38 Millionen Tonncn vs:-
fllgt, wahrend es 60 Millionen Tonnen braucht. Seine Bedürfnisie
werden noch gesteigert werden, sobald d,e Industriegevi-.ie im
Norden und Osten in der nächsten Zukunft wiedcr dergesteüt und
besonders, sobald die Fabriken oollständig arbeiten werden. Trotz
aller Anstrengungen stnd die franzüstschen Kohlenbergwerke noch nicht
wieder hergestellt, weil ste beinahe vollstänoig zergört waren. Be-
sonders schwer sind die Verfehlungen DeutschlanLs in den Koks-
lieserungen. Wenn amh der Mangel an Kohlenlies:--nzen
durch Ankäufe in England ergänzt werden konnte, so ist dies 'ieirn
Koks nicht möglich, für welchen Franirsich ausichlietzlich auf D-utsch-
land angewicsen ist. Die meiallurgischen Fabriken sind beinahe voll-
kommen wieder hergestellt, sie können aber nicht arbeiten, weil sie
nicht genügend Koks haben.
Elne Konferenz der Zusilzminifler.
Münchcn, 5. Ian. (Eig. Drahtm.) Aus Anlatz des Besuchs des
Reichsjustizministers Heinze bei der bayerischsn Regierung sanden
sich auch auf seine Einladung hin die Iustizminister von Baden,
Hes! en und WürtIemberg in München ein, um mit ihm und
oem baysrischen Iustizmrnister die Frage der Besetzung des 2. Senats
(des süddeutschen)-beim Staatsgerichishof' zum Schutz der Republik
zu besprechen. Die Zusammenkunft diente auch der Erörterung an-
oerer schwebender Justizangelegenheiten. insbesondere der Frage
der En 1 lastung des Äeichsgerichts und der Verein -
fachung der S t r a s r e ch t sp f l e g e. Die Aussprache nahm einen
Aurchaus harmonischen Verlauf und ergab eine erfreuliche Uebsrein-
stimmung der Ansichten.
Die baherischei» Grotzkraftwerke.
München, 5. Ian. (Eig. Drahtnr.) Jn einer Vsrsammlung der
Vorstandschaft des Wirischaftsbeirats der Bayerischen Volkspartei
wuroe zu oer Frage einer Beteiligung der Reichsbahn an
den layerischen Erotzkraftwerken dahin Stellung genommen, datz eine
Deteiligung aus Aktien. verbunden. mit einem Einflutz auf die Ee-
schästslcitung für die Reichsbahn so lanae abgelehnt werden
müsie, als dem bayerischen Staat kein Einflutz aui die Lei-
tuna des bayerischsn Eisenbahnnstzes zusteht. Eine ganze oder teil-
weise Verreichlichung der Erotziraftwerkc mit anderen Mittsln
müsse aus wirischastlichen und politischen Eründen schärlltens be-
kämpft werden.
Sas Scheiterv der Konfereaz.
Ebenso wie die Londoner Konferenz, so ist auch die Pariser
Konferenz schon nach wenigen Tagen gescheitert, Als die alliier-
ten Premierminister am 11. Dezember London verließen, ohne dah
etwas erreicht war, brachte eine offizielle cnglische Depeschsnagentur
die Notiz, die zuständigen politischen britischen Kreise hätten die
Atmosphäre des. guien Willens anerkannt, die die Erörterungen um-
geben habe. Allerdings liege der Hauptgrund für das Nichtzustande-
kommeu darin, datz es nicht möglich gewesen sei, über die Ruhr zu
ciner Einigung zu kommen, aber 'oie Schwierigleiten Poincaräs in
dieser Frage würöen gewürdigt. Man hege die Hofsnung, datz wäh-
rend der Veriagungsperiode die Konserenz in Lausanne greisbare
ErgeLnisse zeitigen möge, was eine günstige Nückwirkung auf die an-
deren Vcrhandlungen ausüben wiirde.
Diese „Hofsnung" ist nun nicht in Erfüllung gsgangen. „Ereif-
kare Ergebnisse" liegen in Lausanne nicht vor. Im Segenteil. Wenn
es Mitte vorigen Monats so ausjah, als ob man dicht vor dem Ab-
schlusie stände, so spricht man jetzt oon der Möglichkeit eines Vruches,
da die Haltung der Türkei seit einiger Zeit eine aufsallende Ver-
steifung crfahren hat. Da dies kaum anders zu erklären ist, als durch
die Annahmc, Latz Frankreich es unterlassen hat, seinen Einflutz Lei
der Türkci zugunstcn grötzercr Nachgiebigkeit einzusetzcn, so ist dies
kaum anders zu deuten, als datz Frankreich sich so stark sühlt,
datz es glaubt, seine Politik ohne Rücksicht auf die Bedürfivsse
Englands an den Meerengen und zugleich am Rhein durchzu-
führen, datz es weder hier noch dort einen Koyipromitz nötig zu haben
glaubt, datz es aufs Eanze geht.
Datz Frankreich in der Rheinfrage — wir wählen diesen Aus-
druck absichtlich an Stelle des Ausdrucks Reparationssrage, weil die
wirklichsn Verhältnisse so viel klarer bezeichnet werden — einen
Kompromitz hätte haben können, wcnn es gewollt hätte, das heitzt,
wenn es die gegen die Nuhr beabsichtigten Eewaltpläne fallen ge-
lasten hätte, das wurde an dieser Stelle schon nach dem Scheilern dc-r
Londoner Konferenz hervorgehoben In der Tat war die englischr
Regierung bereit, den französischen Wiinschen sehr weit entgegenzu-
kommen, und dies hat auch die nähere Bekanntgabe des englische«
Planes, wis er jetzt in Paris zum Vortrag gebracht worden ist, be-
stätigt. Dieser Plan sieht fiir Deutsckfiand ganz furchtbar schwere
Bedrückungen vor, einc Schuldknechtschast. auf viele Iahre hinaus, ja
eigentlich auf unabsehbare Zeiten, im Zusammenhang damit eine
völlige Zerstörung des geringen Restes von deutscher Souveränität,
der noch übrig ist, und endlich sogar auch d!e MLglichkeit von Pfän-
dern und „Sanktionen", aber 1. erscheinen diese letzteren, militäri-
sche Okkupationen also, in dsm englischen Plane nur als Strafmatz-
nahmen für den Fall, datz Dentschland seinen späteren Verpflich-
stungen nicht nachkommt, auch ist ihre wirkliche Verhüngung an
einen Beschlutz der alliierten Mächte geknüpft, der einstimmig
gcfaht sein mutz, und 2. ist das als Entgelt für die sür später ange-
setzten zwei und mehr Iahresmilliarden gewührte 'vierjährige Mora-
torium einwirkliches Moratorium, eine Zeit, in der Deutschland
wirklich von allen ihm aus dem Vertrage von Versailles auf-
Uegenden Leistungen besreit sein soll,. tn der es also aüfatmen können
soll, in der die deutsche Wirtschaft die Möglichkeit haben soll, wieder
zu gesunden. Allerdings: sie soll nur gesunden, um später fur die
Siegerstaaten um so schwerere Lasten tragen zu können, aüer sie soll
doch gesund werden können, und auf diese Weise soll auch sür dic
Gläubigerstaaten die Möglichkeit geschasfen werden, zu stcheren Ein-
nahmen zu gelangen, eine Möglichkeit. die aus dem Wege der Dis-
kontierung sogar für Frankreich die Aussicht auf sofortige Eeldhilfe
eröffnen würde. Wenn es also Frankreich wirklich darum zu tun
wäre, zu Eelde zu gelangen, und wenn es wirklich Wert darauf
legte, das Einverständnis mit England zu erhalten, so hätte es, nach-
dem Vonar Law in unzweideutiger Weise erklärt hakte, datz er zu
sofortigen Matznahmen gegen das Ruhrgebiet seine Zustimmung
nicht geben lönnc, auf den englischen Plan eingehen. m ü s s e n,
denn dieser Plan ist eben auf die Befriedigung derfinanziellen
Bedürfniste der Eläubigerstaaten abgestellt.
Wenn trotzdem Poincar« den Plan ablehnte, fo ist der unum-
stötzliche Beweis erbracht, datz die finanziellen Bedürfnisse blotzer
Vorwand sind und datz es sich ihm und der Mehrheit der Fran-
zosen um ein politisches Ziel handelt. Dieses politische Ziel,
wir kennen es: es ist die Lostrennung der Rheinlande von Preutzen
und Deutschland als Vorbereitüng ihrer Angliederung an Frankreich,
nicht „Annexion" — das wird immer wicder mit scheinheiliger Miene
versichert — aber ebenso enge wirtschäftliche, militärische, admini-
strative Verbindung, datz Frankreich unumschränkt darüber verfügt,
ohne gleichzeitig der Vevölkerung politische Gleichberechtigung geben
zu müssen, also Verknechtung
Diesem Zwecke sollen 1. die „Pfände r" dienen (Unterstellung
der Kohlenerzeugung im Ruhrgebiet unter eine Jngenieur-Kommis-
fion, Beschlagnahme der Staats- und Kommunalwälder im besetzten
Eebiet, Requisitionstecht im Falle nicht ausreichender Sachlieserun-
gen, Beschlagnahme eines Teils der Devisen von der deutschen Aus-
fuhr im besetzten Eebiete, Veschlagnahme der Zölle im besetzten und
im Ruhrgebiet, Beschlagnahme der Kohlensteuer ebenda) : 2. die
„S a n k t i o n e n". nämlich militärische Besetzung der Dezirke von
Esten und Bochum und cines weiteren oon Marschall Foch zu bestim-
menden Teiles des Ruhrgebietes und Errichtung einer Zollinie öst-
lich des gesamten besetzten Eebietes, — dies beides allerdings nur
füe den Fall einer „Versehlung" der üeuischen Regierung, aber es
ist dafür gesorgt, datz diese Verfehlung nicht ausbleiben kann: schon
eine nicht ganz wortgetreue Befolgung eines Befehles der Jngenieur-
Kommission würde geniigen, und „automatisch" mürden dann die
. Sanktionen" einzutreten haben.
Alle diese ganz sürchterlichen Zugriffe follen erfolgen dürfen als
Entgelt für das Moratorium. das abcr nur zwei Iahre dauern soll
und während desten — es ist der reine Hohn — Deutschland weiter
die Kosten für die Vefatzung, die Kosten für die Komm(ssionen ukd
I! Die .^Zadische Poft' crlcheint täglich <auch Sonntagrl »ormittagr. also stebeninal
I wöchsntlich und kiistet frei ins Haus -uaestellt monatlich 1L"Ü Ml, durch die Post
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Anteiaenvreis: die 22 mm breite Nonpareillszeile 10 M!. Familien-, Vcreinr-
«nd Kleine Anzeiaen nach besonderem Tarif Rek^
^rantwortiich für dcn gesamten tcxtlichen Tetl Adoli Kimmtg in Aeidelbcrg. isernrus d:r Redaltion: cheidelöerg 82-
«vrcchsinnde dcr Schrisilcltung vorm. 11^-12 Uhr. Bcrliner Bertretung: Bcrltn 8VV 48. Zimmerstratzs Nr. 9.
skernruf Amt Zentrum Nr. 415. Mlinchener Bertretung: München, G.orgcnstrage Nr. 107. Fernruf Nr. 81667.
Für Anzrtgen, Reklame.i und geschLstltche Beilagen verantwortlich Alfreo SchmiS in Hride-berg. Fernrus 82
Verlag: Heidelberger BerlagSanftalr und Druckerei <S b. m. H Heidelberg, Aa uptstra8e 33. —
Poslsch-ckkonto Karlsruhe Nr. 19Iȟg. - Druck von I. G. Ho ltz w arts Na chf, G. m. b. H., Franksurt am Main
Die neue Lage.
l»g
Eegen Franlreichs Sonderaltio».
Bon unserer Berliner Redaktion.
Berlin, S. Januar.
Die dnrch den Mbrnch der Pariser Aonserrnz cntstandenc Nechts-
k .?stschlaud die am 18. Ianuar sälligeu SW Eoldmillitnen „vor>
'^slich« nicht zahlen, so trclen die Folgen dcs § 18 der Wieder-
«Uliliachuiwsbcstiunnungcn im Versailler Vertrag in Krast, das heigt
wirtschaftliche Bcrgeltungsmatznahmeu. Ob die Repa-
s-wnskommission «ach Maßgabe des Artikels 234 des Versailler
evtrags bci Ler Feststellung unserer Leistungssähigkeit uns vor«
hören wird, hiingt davon ab, ob tzie Repaiationskommission
.,^ Frage Lurch ihre Feststellnng vom November als erledigt
steht. Aus deutscher Srite steht man aus dem Standpunlt, Last
cslais die Frage dcr Leistungsiehigleit uur ganz ueoenbei be-
^uLeli wordcn ist und im wcjentlichen nur über die Siabilisierung
er Mari und die Balancicrung des Budgets beraten wurde. Dic
T'btscheidung dcr RcparaticnslomMisiion vom 31. August war cben-
'Ulls lcine endgültige, sondern schiebt die Entscheidung bis zn dem
Aoitpunlt a«s, an welchsm üer Entwurf einer Noform der deutschen
»^Nanzen vorliege» würde. Diescr sollte umsasieu die Balancierung
veg Budgets, die Währungsresorm, die cvtl. Ermästigung der Lasten
z,xu Anleiheplan. Dos vorlänsige Moratorium wurLe gewährt,
vm iu der Zwischenzeit dirse Ma'znahmen einleiten zu könncn. Die
dkeparationskommission hat jedoch inzwischeu keinerlei Einleitung
lletrokfen nnd auch zu dem deutschen Antrag vom 18. November noch
E °i ucn Beschluh gesagt. Um so mehr müssen wir es bedauern,
uns jetzt iu Paris kein Gehör gcgeben worden ist. So lange
A Vertrag von Versailles noch gilt, hat Deutschland anch weiter
'cht urit einzelnen Mächten, soudcrn allein mit derReparations-
"wulission zu tun. Erst mug die Reparationskommission das
..^ratorium abgelehnt haben, muh Deutschland de« am
Januar sälligeu Bctrag nicht gezahlt haben, muh eine vor-
»U.tiche Verfehluug festgestellt und eine Einigung der
. lliierten Lber die zn ergreisende« Mahnahmen erzielt fein, erst
find Sanktioue» vertragsmähig zulässig. Sogenannte
»»ktionen, die ohne Entscheidung der Reparationslommission oder
einer eiuzelneu Macht ergriffen werden, find vertrags-
kdrig und im völkerrechtlichen Sinne feindliche Handlun-
Führt Frankreich alfo auf eigene Faust einen Ueberfall
Deutfchland aus, dann machte es den Versailler Bertrag zn
. Neur Fetzen Papier. Es würde sich auch feinen Vcrbündeten gegen-
vertragsbrüchig machen, dencn damit die Vcrpflichtung zusällt,
der RechtssphSre, die ihm der Bertrag gelassen hat,
ichütze».
Freitaa oormittaa fand «ine Chefbesprechung der zu«
Eichten, auch Staatssekretär Dr. Vergma » n wird in dcr a»er-
"uchstLn Zeit iu Berlin zurückerwartet. Bm lommenden Dienstag
?'rd svdann oorausfichilich der Kanzler dem Auswärtigcn Ausschuh
Rcichsiagcs Lericht erstatten. An eine vorMige Eiilbernsung
Reichstages wird aber uicht gedacht. ^
»> In den Aeuherungen der Berlincr Presie über len Abvruch der
K°kiser Konferenz zeigt srch "ine weitgehende Einheitlichkelt der
Massung tahinaehend, dast für die Leutsche Regierung selbitver-
t.udlich nur ein'absolutes Festhalten an dem bisher versolg-
-U^.Kurse in Frage kommen kann So schreibt heute der Lemo-
im
^utische ALgeordnete Eothein^ im ..Achtuhr-Abendblatt": Da-
s??bin«tt Ciino barf nichts unterschreiten. was bas deutsche Vol
n.' chthalten kann. Muh unssre Antwort ablehnend lau'en. dann
r die Stunde gekommen. wo der ganze Reichstag hinter die Regie-
I^Ug treten. und sich ein K a b i n e t t a u f br e i t e st e r G r u nd -
»5lle bilden sollte. dann ist keine Zeit,und kein Naum mehr für
^»rteigezkinke. Es gibt dann nur noch die eine nationale
!skage der S e l b st b e h a up t u n g. Lie grohe Probe auf dis
!°l!tis»e Reife des deutschtn Nolkes. Bestehen die Parteien diesc
^vhe Probe nicht. dann haben ste ihr Daseinsrecht r erloren. — Jn
ahnlichem Sinne schreibt auch die volksparteiliche ,.Ae i t":
deutsche Volk ist heute uicht mehr so zermürbt wie in den No-
gsllrberiagen des Iahres 1918 und wenn es stch zur Abwehr gegen-
L°°r störkstE Unrcchtc zusammensindet. so hat gerade die von
gegen Deutschland eingegebene französtsche Politik der lehten
, ?re dazu das allcrmeiste beigetraocn. — Auch die Kreuz-
L°'tung" ist der Ansicht. dah Deutschland einsm sranzöstichen Ein-
Mrsch n'cht tatcnlos zusehen dürfe. ein protestierendes Nein freilich
hslluge h!er nicht, man wcrde vielmehr auf Mittel und Wege
stttieu müsien. einer Besetzung des Ruhrgebietes nach Möolichkeit
^.begegnen. — D!e gleiche Aufsasiung, die von den rechisstehcndcn
zp.ustiern geänhert wird. findet stch auch in der links stehenden
Es ist namentl'ch zu begrüh'n, dah auch der „Vor-
b... -
i»rts", der in den ersten Tagen der Pariser Konferenz llch einiqe
tz?°rnkliche Ce!tcns"rünge oeleistet hat. heute wieder auf die not-
r.Mige czemeinsame Linie eingeschwenkt ist,
'"vstygrstgndlich einige Zurückhaltung auserlegt-
er stch dabei
eine Aeuherung
d» 8n diesem Zusammenbange^ verdicnt auch noch
s.k „Vossischen Zeitung" hervorgehoben zu werden, die die
>itu ' - --— - .
uation vor allem unter dem
„^kte beleuchtet. Sie schreibt:
V«Ii
a uh e n v o l i 1 i sch e n Eesichts-
_.... ,Die völli» unbaltbar gewordene
n?.i'tische Situation Frankreichs zwingt die sranzösischen Staats-
r,°»Ner noch im letztcn Augenblick. Fühlung mit Berlin zu
E?n. nm den deutschen Vorschlag wenigstens noch von der Nepa-
r?«onskommission prüien zu lasicn bevor diese ihre letzte ver-
d-'sllnisvolle Entscheidung fällt. Dicse Moglichkeit besteht, und um
x,Ar schwachsn Möglichkeit willen scheint es uns auch falsch, jede
»dstnung aufzugeben. dah doch noch cine gunstigere Wendung dsr
'llge einzutretcn vcrmag." Im übrigen meint das Blatt: „Das
Ende der Konferenz von Paris bcdeutet noch nicht das Ende
der Reparationsverhandlungen. Bis zum 15. Zanuar
ist noch ein viel weitercr Weg, als manche Pesstmisten bereits jetzt
annehmen. Menn heuts ein Pariser Vlatt geschrieben hat, dah der
4. Januar nachmittags die letzte Minute der Entente gebracht habe,
und somit einer der kritischsten Zeitpunkte ^der heutigen E""' 'chte
sei, 'so wird der 15. Ianuar zweifellos em noch viel kritischeres
Datuni von gleicher Bedeutung sein. Wie die auswärtigen Müchte
sich Lis dahin auf eine gemeinsame Linie zusammenfinden können,
liegt heute noch durchaus im Unklaren, der Weg der deutschen Re-
gierung ist aber vollkommsn klar vorgezeichnet.
Seutschlands «.Ierfrhlung".
Frankreichs Kohlenforderungen.
Von unferem Ü-Korrespondenten,
Parks, 8. Jännar.
Poincarö begab stch Freitag vormittag ins Elysee, wo «r etne
Besprechung mit dem Präfidenten Millerand Lber die Lage hatte,
wie sie fich nach dem Abbruch der tnteralliierten Konferenz darstellt.
Nach seiner Rückkehr auf den Quai d'Orsey hatte er eine lange Be-
sprechung mit dem Präsideuten der Reparationskommisston Bar«
thou. Sodarm begab er sich ins Hotel Erillon, um mit Bonar
Law zu rouserieren. Später stattete er Lem italkenischen Dclegier-
ten della Torretta einen Besuch ab. Nachmittags empsing er
den belgischen Ministerpräsidentcn Theunis. Ein französischer
Ministerrat wird Sarnstag unter Lem Borsttz Millrrands stattfinden.
Die Reparationskommisflon hielt Freitag morgen eine ofsizielle
Sitzung ab, welcher der zweite englische Delegirrte bei-
wohnte. Barthou sotderte die KommMoii? aus, eine absicht -
liche Verfehlung Deutschlands für die Kohlen- und Koksliese-
rungen im Jahre 1S22 sestzu-tellen. Nach einigen Bemcrkustgen der
verschiedenen Delegierten beschlotz die Kommission einstimmig, Sams-
tag voryiittag znfammenzntreien, um diese Berfchlung festzustellen.
Man nimmt an, datz Bradbury der Sitzung beiwohnen wird.
*
Ein offizielles französtsches Dokument verbreitet stch über di«
deutschen Kohlen-ünd Koksliescrungen an Frc-nk-
reich in folgender Weise: Die durch Deunchland seit dem Inkcaii-
treten des Fr!e>ensvertrags vollzogenen Kobcenlisfer"N->en waren
imver mangelhaft mii Ausnahme des Monats Oktober 1920. wäh en^
dessen die Liefcrungen Las vorgeschriebene Prozramm leicht :i er-
schritten. Die ungenügenden Lieserungen sind umso weniger enl-
schuldbar, als die Reparationskommission immer der Lag« Deutsch-
lands und seiner KohlenförderuW Rechnung trug. Besonders mutz
die mangelhaste Lieferung im Iahre 1922 hervcrgehoben werden.
Obwohl die Rexarationskommiision Leinahe um ein Drittel tie
Kohlenlieferungen für Frankreich und Luxsmbnrg. welche diese nach
üem Friedeusvertrag erwarten konnten, herabsetzt«, zeigen die voil-
zogcncn Lieferungen ein steigendes Desizit. Für die elf Monate im
Jahre 1922 stellen sich dje Lieferungen folgendermatzen dar: Nach
dem Friedensvertrag sollten 19 584109 Tonnen gelicfert werden D-e
Reparationskommission forderte 18 864100 Tonnen. Eeliefert wurden
11 710 365 Tonnen. Der schlechte Wille Deutschlands ist umso
unbestreitbarsr, als die von der Reparationskommisston gefordrrien
Mengen geringer sind als die Kohlenlieferungen Deutschlanv- an
Frankreich vor dem Kriege. 1913 erhielten Frankreich und Lurem-
durg von Deutschland ungefähr 17 800 000 Tonnen Kohlen, was ciner
Lieferung von 1 480 00t> Tonnen monatlich enispricht. Das Programm
der Rexarationslommission ist gegenllber dieser Zisser um mehr als
800 000 Tonnen geringer. Jnfolge seiner Bedürfnisse lann
Franlreich auch nicht die geringste Verfehlung in der Kohlenlieferung
zulasien. Eegenwärtig produzieren di« sranzösischen Kohlenbergwerle
32 Millionen Tonnen. Die Saarbergwerse k.nnen, sobald die Ve-
dürfnisse des Saargebiets be^rie^igt imd.' 5—6 Millionen Tonnen
liefern, so datz Franlreich !m ganzen übcr 38 Millionen Tonncn vs:-
fllgt, wahrend es 60 Millionen Tonnen braucht. Seine Bedürfnisie
werden noch gesteigert werden, sobald d,e Industriegevi-.ie im
Norden und Osten in der nächsten Zukunft wiedcr dergesteüt und
besonders, sobald die Fabriken oollständig arbeiten werden. Trotz
aller Anstrengungen stnd die franzüstschen Kohlenbergwerke noch nicht
wieder hergestellt, weil ste beinahe vollstänoig zergört waren. Be-
sonders schwer sind die Verfehlungen DeutschlanLs in den Koks-
lieserungen. Wenn amh der Mangel an Kohlenlies:--nzen
durch Ankäufe in England ergänzt werden konnte, so ist dies 'ieirn
Koks nicht möglich, für welchen Franirsich ausichlietzlich auf D-utsch-
land angewicsen ist. Die meiallurgischen Fabriken sind beinahe voll-
kommen wieder hergestellt, sie können aber nicht arbeiten, weil sie
nicht genügend Koks haben.
Elne Konferenz der Zusilzminifler.
Münchcn, 5. Ian. (Eig. Drahtm.) Aus Anlatz des Besuchs des
Reichsjustizministers Heinze bei der bayerischsn Regierung sanden
sich auch auf seine Einladung hin die Iustizminister von Baden,
Hes! en und WürtIemberg in München ein, um mit ihm und
oem baysrischen Iustizmrnister die Frage der Besetzung des 2. Senats
(des süddeutschen)-beim Staatsgerichishof' zum Schutz der Republik
zu besprechen. Die Zusammenkunft diente auch der Erörterung an-
oerer schwebender Justizangelegenheiten. insbesondere der Frage
der En 1 lastung des Äeichsgerichts und der Verein -
fachung der S t r a s r e ch t sp f l e g e. Die Aussprache nahm einen
Aurchaus harmonischen Verlauf und ergab eine erfreuliche Uebsrein-
stimmung der Ansichten.
Die baherischei» Grotzkraftwerke.
München, 5. Ian. (Eig. Drahtnr.) Jn einer Vsrsammlung der
Vorstandschaft des Wirischaftsbeirats der Bayerischen Volkspartei
wuroe zu oer Frage einer Beteiligung der Reichsbahn an
den layerischen Erotzkraftwerken dahin Stellung genommen, datz eine
Deteiligung aus Aktien. verbunden. mit einem Einflutz auf die Ee-
schästslcitung für die Reichsbahn so lanae abgelehnt werden
müsie, als dem bayerischen Staat kein Einflutz aui die Lei-
tuna des bayerischsn Eisenbahnnstzes zusteht. Eine ganze oder teil-
weise Verreichlichung der Erotziraftwerkc mit anderen Mittsln
müsse aus wirischastlichen und politischen Eründen schärlltens be-
kämpft werden.
Sas Scheiterv der Konfereaz.
Ebenso wie die Londoner Konferenz, so ist auch die Pariser
Konferenz schon nach wenigen Tagen gescheitert, Als die alliier-
ten Premierminister am 11. Dezember London verließen, ohne dah
etwas erreicht war, brachte eine offizielle cnglische Depeschsnagentur
die Notiz, die zuständigen politischen britischen Kreise hätten die
Atmosphäre des. guien Willens anerkannt, die die Erörterungen um-
geben habe. Allerdings liege der Hauptgrund für das Nichtzustande-
kommeu darin, datz es nicht möglich gewesen sei, über die Ruhr zu
ciner Einigung zu kommen, aber 'oie Schwierigleiten Poincaräs in
dieser Frage würöen gewürdigt. Man hege die Hofsnung, datz wäh-
rend der Veriagungsperiode die Konserenz in Lausanne greisbare
ErgeLnisse zeitigen möge, was eine günstige Nückwirkung auf die an-
deren Vcrhandlungen ausüben wiirde.
Diese „Hofsnung" ist nun nicht in Erfüllung gsgangen. „Ereif-
kare Ergebnisse" liegen in Lausanne nicht vor. Im Segenteil. Wenn
es Mitte vorigen Monats so ausjah, als ob man dicht vor dem Ab-
schlusie stände, so spricht man jetzt oon der Möglichkeit eines Vruches,
da die Haltung der Türkei seit einiger Zeit eine aufsallende Ver-
steifung crfahren hat. Da dies kaum anders zu erklären ist, als durch
die Annahmc, Latz Frankreich es unterlassen hat, seinen Einflutz Lei
der Türkci zugunstcn grötzercr Nachgiebigkeit einzusetzcn, so ist dies
kaum anders zu deuten, als datz Frankreich sich so stark sühlt,
datz es glaubt, seine Politik ohne Rücksicht auf die Bedürfivsse
Englands an den Meerengen und zugleich am Rhein durchzu-
führen, datz es weder hier noch dort einen Koyipromitz nötig zu haben
glaubt, datz es aufs Eanze geht.
Datz Frankreich in der Rheinfrage — wir wählen diesen Aus-
druck absichtlich an Stelle des Ausdrucks Reparationssrage, weil die
wirklichsn Verhältnisse so viel klarer bezeichnet werden — einen
Kompromitz hätte haben können, wcnn es gewollt hätte, das heitzt,
wenn es die gegen die Nuhr beabsichtigten Eewaltpläne fallen ge-
lasten hätte, das wurde an dieser Stelle schon nach dem Scheilern dc-r
Londoner Konferenz hervorgehoben In der Tat war die englischr
Regierung bereit, den französischen Wiinschen sehr weit entgegenzu-
kommen, und dies hat auch die nähere Bekanntgabe des englische«
Planes, wis er jetzt in Paris zum Vortrag gebracht worden ist, be-
stätigt. Dieser Plan sieht fiir Deutsckfiand ganz furchtbar schwere
Bedrückungen vor, einc Schuldknechtschast. auf viele Iahre hinaus, ja
eigentlich auf unabsehbare Zeiten, im Zusammenhang damit eine
völlige Zerstörung des geringen Restes von deutscher Souveränität,
der noch übrig ist, und endlich sogar auch d!e MLglichkeit von Pfän-
dern und „Sanktionen", aber 1. erscheinen diese letzteren, militäri-
sche Okkupationen also, in dsm englischen Plane nur als Strafmatz-
nahmen für den Fall, datz Dentschland seinen späteren Verpflich-
stungen nicht nachkommt, auch ist ihre wirkliche Verhüngung an
einen Beschlutz der alliierten Mächte geknüpft, der einstimmig
gcfaht sein mutz, und 2. ist das als Entgelt für die sür später ange-
setzten zwei und mehr Iahresmilliarden gewührte 'vierjährige Mora-
torium einwirkliches Moratorium, eine Zeit, in der Deutschland
wirklich von allen ihm aus dem Vertrage von Versailles auf-
Uegenden Leistungen besreit sein soll,. tn der es also aüfatmen können
soll, in der die deutsche Wirtschaft die Möglichkeit haben soll, wieder
zu gesunden. Allerdings: sie soll nur gesunden, um später fur die
Siegerstaaten um so schwerere Lasten tragen zu können, aüer sie soll
doch gesund werden können, und auf diese Weise soll auch sür dic
Gläubigerstaaten die Möglichkeit geschasfen werden, zu stcheren Ein-
nahmen zu gelangen, eine Möglichkeit. die aus dem Wege der Dis-
kontierung sogar für Frankreich die Aussicht auf sofortige Eeldhilfe
eröffnen würde. Wenn es also Frankreich wirklich darum zu tun
wäre, zu Eelde zu gelangen, und wenn es wirklich Wert darauf
legte, das Einverständnis mit England zu erhalten, so hätte es, nach-
dem Vonar Law in unzweideutiger Weise erklärt hakte, datz er zu
sofortigen Matznahmen gegen das Ruhrgebiet seine Zustimmung
nicht geben lönnc, auf den englischen Plan eingehen. m ü s s e n,
denn dieser Plan ist eben auf die Befriedigung derfinanziellen
Bedürfniste der Eläubigerstaaten abgestellt.
Wenn trotzdem Poincar« den Plan ablehnte, fo ist der unum-
stötzliche Beweis erbracht, datz die finanziellen Bedürfnisse blotzer
Vorwand sind und datz es sich ihm und der Mehrheit der Fran-
zosen um ein politisches Ziel handelt. Dieses politische Ziel,
wir kennen es: es ist die Lostrennung der Rheinlande von Preutzen
und Deutschland als Vorbereitüng ihrer Angliederung an Frankreich,
nicht „Annexion" — das wird immer wicder mit scheinheiliger Miene
versichert — aber ebenso enge wirtschäftliche, militärische, admini-
strative Verbindung, datz Frankreich unumschränkt darüber verfügt,
ohne gleichzeitig der Vevölkerung politische Gleichberechtigung geben
zu müssen, also Verknechtung
Diesem Zwecke sollen 1. die „Pfände r" dienen (Unterstellung
der Kohlenerzeugung im Ruhrgebiet unter eine Jngenieur-Kommis-
fion, Beschlagnahme der Staats- und Kommunalwälder im besetzten
Eebiet, Requisitionstecht im Falle nicht ausreichender Sachlieserun-
gen, Beschlagnahme eines Teils der Devisen von der deutschen Aus-
fuhr im besetzten Eebiete, Veschlagnahme der Zölle im besetzten und
im Ruhrgebiet, Beschlagnahme der Kohlensteuer ebenda) : 2. die
„S a n k t i o n e n". nämlich militärische Besetzung der Dezirke von
Esten und Bochum und cines weiteren oon Marschall Foch zu bestim-
menden Teiles des Ruhrgebietes und Errichtung einer Zollinie öst-
lich des gesamten besetzten Eebietes, — dies beides allerdings nur
füe den Fall einer „Versehlung" der üeuischen Regierung, aber es
ist dafür gesorgt, datz diese Verfehlung nicht ausbleiben kann: schon
eine nicht ganz wortgetreue Befolgung eines Befehles der Jngenieur-
Kommission würde geniigen, und „automatisch" mürden dann die
. Sanktionen" einzutreten haben.
Alle diese ganz sürchterlichen Zugriffe follen erfolgen dürfen als
Entgelt für das Moratorium. das abcr nur zwei Iahre dauern soll
und während desten — es ist der reine Hohn — Deutschland weiter
die Kosten für die Vefatzung, die Kosten für die Komm(ssionen ukd