66-Zahrgang Ar. 1S2
»^"d, IchePo!i" crlcheint wöchcntl siebennial. Dellacen: Dldaskalia (Sonnt.) —
l; "'"baliungsblatt IMontags) - Literaturblatt —Sochschulbeilage imonatIlch>.
-—"erlan^le Belträae ohne Derantworiung. Rücklendnng nur, wenn Porto beilicgt.
Heidelberger Zeitung
(Gegründet 1858)
und
Sandelsblatt
Moniag, tm 4. Znnl 1S2Z'
Hauptgeschäitrstelle u. Schristleitg. ver.Badischen Po'i" Z-iüelberg, tzauvtstr. 33, Fernspr. -
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t»K, d». werd. nur bis zum 2. jed. Mts angenpmm: n. Am 1 «.2. noch gelief. Zeitungen slnd nach d. Cinzelverlausrpreis ,u be°
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Anielgenpreise t die ll mm bieite Nonpareillezeile kosteti lokale stellengesuch: Mk.16 > kl.Gelegenheitsanzeigen Mk. 125.-
Familienanzelgen Mk 169.—. Geschäftsanzeigen Mk.299 —, Finanz- und Jndustrieanzeigen Mk. 866.—,mit Platzvorschrift und
Montags Mk. 25.- mchr. Die 98 mm breite Rekiameiciic kostet Mk.756.—. Anzeigen und Reklamen von ansmärts 25°/o höher
ihr^bplan, d'ie endgültige Organisation
t? ^ >n s an Ler Nuhr, dt'S Aufteilung der bes
Tle frasMsch-belgWe Konfere»z.
Neue interalliiertc Versuche in der Reparationsfrage.
Don unserrm lt-Korrespondenten.
Paris, S. Jun-i.
tz.Ä offizieller Weifs aab bisher der englische Minifterprästdent
z„/6win dem fran.iösischen Kabmett seine Alsicht. nach Varis
kgz ninien, nicht belannt, zumal Paris bereits deutlich isu verstehen
sEwj dieser Zeitpunit zuBeit nicht willkommen sei. Einstioc'.len
nian diesseits und jenieits des Kanals abwarten zu wollen.
»«^n Ausgang die französisch-belgische Konferenz am 6. Iuni
wird. Diefe Konferenz wivd nur von kurzer Dauer sein.
hln!.»cars reisi am Mittwoch friih in Begleitung des stfinanz-
Y^sters Dealsteyrie. des Ministers für öffentliche Nrbeiten
^^Zocquer und des Direktor für polttische Angelegenhsitsn am
d'Orsay nach der b>slaischen Hauptstädt, wo auch Gencral
Isll?outte und Oberknmmlssar Tirard sein sollen. UeLrigens
auch der bslgische Oberkommissar in den Rheinlanren und der
ih^al Mangin zur Konferenz ia Brüsiel anwesend scin. Noch
h!« iv'Ee" Nacht, spätestens Donneistag friih, sollen die svranzosen
kj -uückreise antreten. Jn wenigen Stunden soll also
üanz außerordtentlich umfangretches Pro-
^aim erörtert werden. Der belgtsche Repara-
des Joll-
.chlagnahm-
Kohle und der Farbstoffe, die Rechnungs-
^ u ng im Lesctzten Eebiiet, die Lebsnsm ittelzufuhr und
6>iie eingesargte rheinische Währung. all das möchte man
»>em <apet bringen. Die Frwnzossn und Belgier müsiten Heren-
tzjLjfk sein, wenn ihnen in einigen Stunden die Erledigung disser
»I^'den Angelegenheiten gelänge, zumal der bebgische Reparations-
ih ^m neues wicht>ises Kapitel erösfnet, über welches die Ansichten
^üsiel und Paris ausei-nandergehen.
lo.lne Parifer Zeiiung-en behanpten zwar, an den Erundfätzen der
»ll^tigen Aufgabe des pasiiven Widerftand es
^Ut!^ ^iihr und der Näumung des Ruhrgebiets nach Masigabe dcr
Isitö V» Zahlungen sei nichts geändert. da auch d>ie Belgier hieran
M^lten. aber d>ies>e Behauptung ist falsch, Die militärische Be-
soll nämlich nach dem Wunsch der Belgier zu Ende gehen,
>,tzE? , >hr Reparationssystem Eeltnng bekäm«. Pertinax im
^iii, ^ Paris" wirft die Frage anf, wie sich Belaien die Be-
für di« nächsten Iahre vorstelle; ob man sich mit einer
i^uTen Kontrolle in Essen und anderen Jndnstrieorten begnügen
dlx ' lalls auch das nnbesetzt« Deutschland in Zukumt zu den Re-
l^'onen etwas beitrüge. Pertinax g>i-bt dem lebhaftsn Wunsch
«kk,>uck, aris dem eine gewisie Besorgnis herausgulesen ist,
Kg ^' e bisherige'Einigkeit fortdauern möge.
Alunsch hsgt Poincar« sicher auch. Es wird sich nnn in
M^.isel zeig-en, ob er o>der Belgien der Starkere sein wird. Die
wollen nachdrücklich daranf dringen, nicht nur mit blosier
!E, sondern auch mit vositiven Eeaenanträgen zu antworten,
>n Vrüsiel ein gemeinsamer französtsch-felgischer Revarations-
Ihhk Vstandekommen sollte. Wenn die Belgier Poincarä zu
»sicht bekehven sollen, so würden sie einen sch>weren Stand
^ wan mnsi nämlich darauf gefabt sein. dasz Poincarä i n
/nußenpolitik gegenüberDeutschland unnach-
! > g e r denn je sein wivd, weil mfolge d-er royalistischen
"b>s s-eine Stellu-ng in der Kammer schwier:-ger gswordsn ist als
«iner Woche noch war. D:e Debatte über di« Fnnenpolitik des
"s ist noch ni-cht erledigt,' st-e soll am Dienstag wie-d-e-r auf-
1!
Auien werd-en.
r>es/Uincar« duvfte bereits in nächstsr Zeit nicht nur mit den
NkMfern, sondern auch mit -den Engländern Revarations-
ÄS: uge zu regeln b-aben, Die Lo-ndcner Sonntagsvresig uller
Lstz läßt darük-er keinen Zw»bfek: u. a. schreibt der „OLserrer":
giP^'atz-amt bemiiht sich noch vor Ei-ntritt Mc. Kennas oessen
g ^reits z-u vers-pllven ist, die englische Repar-ations-pollti'k zn
tz;An und mi-t >der dnrch die Ruhrb-efetzunq g-eschaisenen La-re
iNilp 2,-lang zu bringen. Baldwin hält Zwar iveiter an d-em
is^tzu^onar Laws fest und sei überzcugt, daß die Ruhrbesetzung
R s^unds Leistnngssähi-gke-it verm-indere. In >en letzten Togen
^lg ^r ein völlig neuer englischer Reparatians-
>^r!se/^ch Nermittlung des Dire-ktors der Salvavwerke dcm
Kab-i-nett über-a-ebcn worden sein. D-a-rnach würde Englau-d
A j? ?^nen Fordevu-ng-en gegenüber Frankreich u-nd Italien
Milli-arden Eoldm-ark herabsctzen u-nd auch >-einen
?ril,"ku Antzxsl an d-en d-eutfchen Revaratlonszahlunaen vermin-
ch^tiiuus d'ese Mmderfovderun-r Eng-lands dam führte, das Rs-
e^d-l-TUoprob-lem endgültig z-u lös-en. Deuischla nd müßte an
f," im Eanze-n 3l> Milliarden Eoldmark zahlen.
rÄrtz M g, -dagegen nichts anJtalien, Serbien usw„ meil
udern die" Rückzahl-ung ihrer Schulden seinerzei-t n-achge-
PiL g »>>>«. Ab-er an England müßte Deutschland jttbr-
dMiiu 0» Millioncn zahlen. damit Enaland seinen N->r-
s.^ Men gegenüber Amerika nachko-mmen könne. Deutschland
iik^r Lr>l«r 'jene Snmmen entricht-en. die Fra-irkvefch zur Abtragnng
^pj'^uld-en an Amerüka benöt'ae. Baldwin hofft, daß Amerika
«d?»ess« dSs Weltfri-edens anf dee Rück-ahlung -der Schulden
den Kanzler veräraery und zur Nisdcr-
> eines Amtes veranlassen könnten. ^n d-em
iiv.iip ^«Utfchen Eefandtcn in Warsckau den Er-V'en Kcßlcr,
ftrag der Reichsreq-iernng in London weile, glaubt man
o>men außerovdentlichen Eesattdten zu sehen, der genaue
Tj bkiplPen über die Anffasiu-ng im englischen Kab-inett nach Ber-
»on desien Informatiaucn in g-kwisser H'nsicht die
Ver Reichsregierun-g bei der Abfassu-ng ihres Reparati ins-
' abhäng-en würde,
^ E^lNlg in den Laufanner Verhandlungen.
>>h^kte^"0' Ii,ni. Da auch in den hcutigen Deratungen der
l>^Ei„.und türkischcn Beoollmächtigten und Sachverständtgen
" 0 über die Kuponfrage nicht zustande kam und
"icht nicht abzusehen ist, aüf welcher Erundlage sie ver-
«erven kann. beschlossen die alliierten Delegationsführer,
zunächst ihren Regierungen über die Lage Vericht zu
erstatten- Eleichzeitig wird hier bekannt, daß die Verhand-,
Iungen zwischen der türkischen Regierüng und den aus-
ländischen Konzessionaren, die gegenwärtig >'n Angora
stattfinden, eben>'alls einen wenig bcfriedigenden Ber-
lauf nahmen. Die Konzessionsfrage sollte, wenn irgend möglich,
außsrhalb des Friedensverirags gerrgelt werden. Eine ungünstige
Entwicklung der Anaoraverhandlungen müßte jedoch dazu'führcn,
daß die Konferenz sich auch noch mit dieser Angelegenhett Lefaßt,
was naturgemäß die Laufanner Verhandlungen' noch mehr
erschweren werde.
Die öblichen phrasen.
Eine Propagandarede Poincartts an die Adrefse Amerikas.
Von unserem H-Korrespondenten.
Paris, 3. Juni.
Hsute wurde in Ehaumont, wo sich in den Jahren 1917 bis
1919 das Hauptquartier der amerünnischen Trupven in Frankre-ch
befunhen hatte, ein Dcnkmal für die französisch-amertkanische
Freundschaft enthüllt. Der amerikanische Botfchafter in Paris,
Herrick, hielt eine kurze und sehr korrekte Anjxrache, die der
eigentlichen Feier galt, worauf Poincar« eine für Amerika be-
stimmte Propagandarede hielt. Er behauptcte, daß die Amerikanrr
gekämpft hätten, um die zivilisierte Mcnschheit von der doutschen
Tyrannei zr befreicn. Am Tage vor der Ünterzeichnung des Frie-
densvertrages von Versailles habe Poincars Wilson erklärt,
daß Frankreich nicht wolle, daß der Friedensvertrag nur ein bloßes
Stück Papier üleibe, und schon im Jahre 1919 habe man bemerkt,
daß Deutschland nur einen neuen Krieg vorbersiten wolle- Wil-
s o n versprach, daß die Amerikaner auch weiter mit Frankreich
zlisammsnarbeiten werden, aber Frankreich mußtc zu seinem großen
Bedauern feststellen, daß dieses Zusammcnarbeitcn nicht vollständtg
war, denn Amerika hat den Versailler Friedensvertrag nicht mit-
unterzeichnet, cs wollte sich nicht länger in die europäischen Ztreitig-
keiten einmtschen, abcr es sei gegenüber den Anstrsngungen Frank-
reichs nicht gleichgültig geblieben. die darauf hinausliefen, im
Verein mit seinen euroväischen Alliierten die Verwirklichung des
Friedensvertrages von Vürsi.illes durchzusetzen, Amerika habe sich
durch die wilde deütsche Proraganda von ssinen Symxathien für
Frankreich nicht abbringen lassen und es habe tnsbesondere erkannt,
daß alle deutschen Behauptungen über Elsaß-Lothringen unrichtig
seien. Die deutschen Abgesandten in Amerika behaupten immsr
wieder, daß die elsaß-lothringische Frage noch nicht gelöst sei. daß
vielmehr die Vevölkerung in diesen beiden Provinzen dnrch irgend-
welche geheimen Uebel bedrückt sei. Amerika habe alle diese Be-
hauptungen als erbärmliche Legenden (!!) erkannt.
Als Frankreich ins Nuhrgebiet ging, habe es keine Erobe-
rungsabsichten gehabt. Amerika wußte auch, daß Frankreich recht
habe, wenn es bei der Durchführung der Friedensverträge znnächst
nur auf sich selber ztthlte, wenn ein Volk wisie, was cs wolle, und
wenn es danach handle, fo set dies die beste Aussicht auf einen
Erfolg. Die Amerikaner würden nicht verstehen, wenn Frankreich,
welches durch den Friedensvertrag nicht jene Zusammenarbeit
erlangen konnte, auf die es gerechnet hatte, innerhalb der Ercnzen
des Friedensvertrages nicht alle notwendigsn Maßnahmen ergriffen
hätte, um Deutschland zu zwingen. soine Verpflichtungen zu erfüllen.
Amerika würde auch nicht vsrstehen, wenn Frankrsich seine Bs-
wohner der zerstörten Gebiete in Not ließe. ohne von Deutschland,
desien Städte und Dörfer unversebrt sind. die notwendigen Repar.r-
tionen zu fordern, die übrigens Deutschland doch selbst versprochsn
habe. 50 000 Amerikaner seien nicht auf den Schlachtfeldern in
Frankreich gefallen. um eine solche Herausforderung der Eerechtig-
keit (!) zu gestatten-
Am Nachmittaa fand dann ein Bankett in Ebaumont statt.
bei welchem auch Millerand svrach, der erklärte, daß Franl-
reich niemals den törichten Eedanken gehabt habe, seine Freiheit
auf eincr Deherrschung der Nachbarvölker zu begründen. Franl-
reich respektiere die Freiheit der anderen, (?!) wie es auch wolle,
daß man feine eigene Frsihoit respektiere. Dsutschland habe 1914
einen lange vorher LLerlenten Angriff vollzogen. man habe sich
viereinhalb Jahre lang geschlagen, um sich zu verteidigen und um
sich zu retten. Seit dem Ende des Krieges habe die ganze Aktion
Frankreichs keinen anderen Zweck, als nur dic Nufrechterhaltung
des Friedensvertrages. Wenn Frankreich das Ruhraebiet betrat. so
war die Illoyalität Deutschlands schuld daran, das seine Verpflich-
tungcn nicht erfüllen wollte, man entstellt die Absichten und die
Handlungen Frankreichs, wenn man vorgibt, daß diese durih Ge-
danken der Nache und der Eroberunq geleitet würden. Die Wahr-
heit sei vielmshr viel einfacher. Frankreich wolle nur, daß der
Besiegte, der den Krieg entfesselte, nachdem sein Ehrgeiz begraben
wurde, seine Verpflichtungen erfülle und .ssine Verbrechen repariere.
Frankreicb wolle und könne nicht nachgeben. weil seine Ansprüche
auf Eerechtigleit gegründct seien, Frankreich habe weder im Iahre
1871 noch 1914 noch aucki 1923 Absichten der Eroberung gehabt. und
auch die russisch-französische Allianz sei soinerzeit nur aus friedlichcn
Absichten geschlosien worden und auch die Entente cordiale. für
welche man Delcasis höchstes Lob zollen müffe, habe nur sriedlicüe
Absichten- Der große Krieg habe die oroßen Er>olge der ^anzö-
sischen Divlomatie und der französischen Waffen verzeichnel.
Frankretch sei auch weder undankbar nocb vergeßlich. es hege
die besten E l ii ck w ii n s ch-> für die Wiedererhebung
Nußlands und für seine Befreiung von cincm Alpdruck, der auf
Rußland seit fünf Iahren lastet., Frankreich erinnere sich dankbar
der Hilfe. die Ruß^and ihm in tragischen Stunden geleistet habe.
Damit war die Nundreise Millerands durch Ostfrankreich
becndet: er wird heute abend zusammen mit Poincars nach
Paris zurückkehren.
Zum deutW-uiederkZndjMeK Sandelsverirag.
Derlin, 3. Juni. Heute fand in Verlin die Untsrzeichnung des
auf den Verkehr zwischen Deutschland und Niederländisch-OstinsiLN
bezllglichen Zusatzvertragcs zum deutsch-niederlän-
dischen Hande'lsvertrag durch Ministerialdirsltor im Aus-
wärtigen Amt v. Stockhammern auf deutscher Seite und dem
niederländischen Eesandten in Berlin Baron Gevers auf nieder-
ländischer Seite statt-
Sas Kri'egD'el der Ruhrakiion.
Jn schaur'-gem Eleichmaß geht seit mehr als neun Iahren
Europa dem Abgrund entgegen. Der zweite Band des Schwarz-
buchs, Las die von den russischen B o I j-h e w i st e n ge»
sammelten Dokumente Lber die Kriezspolitik Frankreichs enthält,
bringt in diesen Tagen wieder eine schier unheimliche Fiille von
Beweisen, wie Poincars langsam den Kricg vorb reitet hat. Wo
er selbst noch bei einem nenen Schritt vorwärts wieder zu zögern
beginnt, stößt ihn sein Freund nnd vertrauter Helfcr, der russische
Botschafter Iswolski einen Schritt weiter zum Ziel. Währcnd des
Balkankrieges schon erklärt der französische Ministerpräsident
dem Vertreter des Zaren feierlichst: „Wenn Rußland Krieg fiihrt,
wird auch Frankreich Krieg führen". Trotzdem er sslbst dabet noch
zugeben mutz, daß „die öffentliche Meinung Frankccichs äußerst pazi-
fistisch sei". Soweit ein Mensch verantwortlich sein kann, verkündet
daher die „Humenits" feierlich, ist Poincarsvcrantwort-
lich fiir das große Blutbad, für die Anhäufung von Toten und
Ruinen. Zugleich gibt das sozialistische Pariser Dlatt offen zu, daß
heute wie damals von denselben Mönnern ein zweiter unge-
heurer Konflikt vorbereitet werde, denn 1914 wte 1923 geht
die Entwicklung nach längst vorbereiteten Eesetzen ihren furchtbaren
Eang.
Wer in alten Iahrgängen maßoebender sranzöjischer Zeitungen
blättert, muß in der Tat dicse Prophezeiung mit unheimlicher
Schärfe nachempfinden. Seit sich vor zwei Iahren aus dem natio-
nalen Block der Pariser Deputicrtenkammer eine neue dcmokratischc
Eruppe (lu Osivocrkltis vorivslls) gebildet hat, zeichnet sich Absicht
und Durchführung des Ruhrabenteuers mit immer steigender Deut-
lichkeit ab. Auf der einen Seite gelingt es den Wortführcrn, im
neuen Präsidenten Millerand einen tatkräftigen' Worthalter
ihrer Pläne an die Svitze des Staatcs zu br>ngen, auf der andern
gewährt die französische Schw-rindustrie mit reichlichen Händen ihre
Unterstützung. Das Programm des künftigen Vormarschos aber i-n-
den wir bercits am 6. Oktober 1921 in der gleichnamigcn Zsitunq
der „Dsmosrutls norivslls". bis ins kleinste vorgezeichnet, so daß
den deutschen Leser Erauen zugleich und Achtung vor der plan -
mäßigen Durchführung ihrer Abstchten packt.
Dreierlei Punkte muß danach eine Vesetzung des Ruhrgebiets
verwirklichen: „1 muß sie ein Druckmittel auf Deutschland sein,
damit dies die unvermeidlichen Opfer für ssine Entschuldung uns
gegenüber bringt: 2. muß sie Frankretch ermöglichen, einen
Teil seines Euthabens unmittelbar zu realisiercn
in einer Form, die für den Aufschwung unserer hauptsächlichsten In-
dustrien am vorieilhaftcsten ist: 3. muß sie unscre Sicherheit
durch Einrichtung einer ständigen Aufsicht der deuischen
Schwerindustrie ermöglichen, bis Deutschland nach Erfüllung
aller ssiner Verpflichtungen darüber hinaus noch für sei.nc friedlichen
Absichten wirkliche und genügende Sicherunq geasben haben wird.
Der letzte Punkt ist für uns der wichtigste. Wir haben das umknttel-
barste Interesse daran, daß er verwirllicht wird". — Das also, iährt
das Blatt fort, sind die Ziele. Die Mittel Lazu aber sind: „1. d:e
Annexion, 2. die mklitärifche Besetzung vhne Ein-
mischung in das Wirtschaftsleben, jedoch begleitet von der Erhebung
einsr hohen Stener auf jede Tonne Kohle, die das Nuhrgebiet nach
einem anderen Lande als Franlreich verläht: 3. dir militärische Be-
setzi ng verLunden mit der Ausbeutung derGrnben untcr der
Aufficht Les französischen Staates und einer Einschränkuna der
schwerindustriellen Erzeugung für Deutfchland: das heißt clso die
Bevormunduna der deutschen Säiwerindustri e". Mit
nackten, nüchternen Worten ist damit das Leitwort Ler aanzen Ruhr-
altion, wie sie mehr als anderthalb Iahre spätsr crst zur Durch-
führung kam, ausgesprochen. Mit Achtung und Eraucn zugleich
sieht auch der Eegner, wie glänzend die Mobilmachungspläne
für diesen Wirtschaftskrieg ausgearbeitrt murden, in dencn
nur Ler Feind, wie so häufig in Eroßen Eencralstäben, jammervoll
unterschätzt wurde! Um so wichtiger aber werden Lci solchem Rück-
blick die Leitsätze für den Frieden, wenn man hier wis sonft das Bild
eines ehrlichen Krieges heranziehen will.
„Die Annexion des westfälischen. Kohlen- und Industriegebiets.
so klingt es uns wciter in der Tat aus dem Programm der „vemo-
aratis nonvellc;" vom 6. Oktober 1921 schon entgegen, ist wcnigstens
dem Anschein nach eine Lösung von großartiger Einfachheit". Sie
ist schlietzlich ebenso leicht zu verwirklichen wie sie schon einmal in
den Jahren 1808 bis 1814 unter der Verwaltung des Eroßherzogtums
Berg unseligen Andenkens verwirkltcht war. Leider aber, so muß
auch dies Blatt scufzend gestehen, haben sich die Zeiten und die An-
schauungey vom Völkerrecht inzwischen gründlich geänderi, „Die
glatte Annexivn würde dem Eedanken des Pfandes den Eedanken
'der Eroberung substituieren und dadurch selbst in Frankreich starken
Widerstand auslösen". Das zweite Mittel, die einsache militärische
Besetzung ohne Eingriffe in das Wirtschaftsleben aber wäre ganz und
gar unwirtschaftlich und müßte uns nur Kosten ohne jeden Ecgen-
wert aufladen. Nur das dritte Mittel läßt Franlreich eine fast
völlige Aktionsfreiheit mit reichlichen Sicherungen. „Es hat dieselben
Bort'eile wie die Annexion. Das Gebiet wird als Pfand
besetzt. Die Kvhlenförderung steht während der ganzen Dauer dcr
Befetzung der französifchen Regierung zur Verfügung. Die Nctto-
einnahmen werden nach Abzug der Verwaliungs- imd Vesetz'.ings-
kosten der deutschen Regierung auf das Neparationskonto
gutgcschrieben. Wcnn die deutsche Rechnung Leglichen ist,
dann erst werden Verhandlungen eingeleitet wegsn der Rückerstat-
tung des Pfandcsü!"
Mit einem Schlage erhellt sich in solchem Riick- nnd Ausblick dos
Dunlel, das die franwüsche Regicrun" sonst gar zn zcrn über die
hinter ihrer Rnhrpolitik stehendcn Eruppen brsitet. Als feder-
siihrcnd tritt die „vöinoorutis nonvslls" und damit zugleich die
Schwerindustrie des ooinite clss kor^ss und des somit6
äss Iionillisrss hervor. Die Kriegsziele Frank-
reichs selbst sind damit bekannt: an uns ist es, uns sorgfäliig auf
»^"d, IchePo!i" crlcheint wöchcntl siebennial. Dellacen: Dldaskalia (Sonnt.) —
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Heidelberger Zeitung
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und
Sandelsblatt
Moniag, tm 4. Znnl 1S2Z'
Hauptgeschäitrstelle u. Schristleitg. ver.Badischen Po'i" Z-iüelberg, tzauvtstr. 33, Fernspr. -
Nr. 182. Berliner Vertretung: Berlin 8V 48. Zimmerstrabe 9, Fernlpr Zentr. 415 !
Münchner Vertretung: München, Eeorgenstr. 197, Fernlpr. 31667. ;
Bostscheik.«onto: Frankkurt a. M. »141»
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^?u>-vciugsvreis dcr „Bad. Post' MI. 1696 - lauslchl. Znstellgebührl. Sclbstabhol. Mk. 5509.-. Ausland Mk. 12696 -
t»K, d». werd. nur bis zum 2. jed. Mts angenpmm: n. Am 1 «.2. noch gelief. Zeitungen slnd nach d. Cinzelverlausrpreis ,u be°
^^^n.Preisd. Einzelnnrnmer Mk 269.-. Jst dieZeitung am Erscheincn verhindert.besteht kein 2lnsprnch aufEntichödignng
Anielgenpreise t die ll mm bieite Nonpareillezeile kosteti lokale stellengesuch: Mk.16 > kl.Gelegenheitsanzeigen Mk. 125.-
Familienanzelgen Mk 169.—. Geschäftsanzeigen Mk.299 —, Finanz- und Jndustrieanzeigen Mk. 866.—,mit Platzvorschrift und
Montags Mk. 25.- mchr. Die 98 mm breite Rekiameiciic kostet Mk.756.—. Anzeigen und Reklamen von ansmärts 25°/o höher
ihr^bplan, d'ie endgültige Organisation
t? ^ >n s an Ler Nuhr, dt'S Aufteilung der bes
Tle frasMsch-belgWe Konfere»z.
Neue interalliiertc Versuche in der Reparationsfrage.
Don unserrm lt-Korrespondenten.
Paris, S. Jun-i.
tz.Ä offizieller Weifs aab bisher der englische Minifterprästdent
z„/6win dem fran.iösischen Kabmett seine Alsicht. nach Varis
kgz ninien, nicht belannt, zumal Paris bereits deutlich isu verstehen
sEwj dieser Zeitpunit zuBeit nicht willkommen sei. Einstioc'.len
nian diesseits und jenieits des Kanals abwarten zu wollen.
»«^n Ausgang die französisch-belgische Konferenz am 6. Iuni
wird. Diefe Konferenz wivd nur von kurzer Dauer sein.
hln!.»cars reisi am Mittwoch friih in Begleitung des stfinanz-
Y^sters Dealsteyrie. des Ministers für öffentliche Nrbeiten
^^Zocquer und des Direktor für polttische Angelegenhsitsn am
d'Orsay nach der b>slaischen Hauptstädt, wo auch Gencral
Isll?outte und Oberknmmlssar Tirard sein sollen. UeLrigens
auch der bslgische Oberkommissar in den Rheinlanren und der
ih^al Mangin zur Konferenz ia Brüsiel anwesend scin. Noch
h!« iv'Ee" Nacht, spätestens Donneistag friih, sollen die svranzosen
kj -uückreise antreten. Jn wenigen Stunden soll also
üanz außerordtentlich umfangretches Pro-
^aim erörtert werden. Der belgtsche Repara-
des Joll-
.chlagnahm-
Kohle und der Farbstoffe, die Rechnungs-
^ u ng im Lesctzten Eebiiet, die Lebsnsm ittelzufuhr und
6>iie eingesargte rheinische Währung. all das möchte man
»>em <apet bringen. Die Frwnzossn und Belgier müsiten Heren-
tzjLjfk sein, wenn ihnen in einigen Stunden die Erledigung disser
»I^'den Angelegenheiten gelänge, zumal der bebgische Reparations-
ih ^m neues wicht>ises Kapitel erösfnet, über welches die Ansichten
^üsiel und Paris ausei-nandergehen.
lo.lne Parifer Zeiiung-en behanpten zwar, an den Erundfätzen der
»ll^tigen Aufgabe des pasiiven Widerftand es
^Ut!^ ^iihr und der Näumung des Ruhrgebiets nach Masigabe dcr
Isitö V» Zahlungen sei nichts geändert. da auch d>ie Belgier hieran
M^lten. aber d>ies>e Behauptung ist falsch, Die militärische Be-
soll nämlich nach dem Wunsch der Belgier zu Ende gehen,
>,tzE? , >hr Reparationssystem Eeltnng bekäm«. Pertinax im
^iii, ^ Paris" wirft die Frage anf, wie sich Belaien die Be-
für di« nächsten Iahre vorstelle; ob man sich mit einer
i^uTen Kontrolle in Essen und anderen Jndnstrieorten begnügen
dlx ' lalls auch das nnbesetzt« Deutschland in Zukumt zu den Re-
l^'onen etwas beitrüge. Pertinax g>i-bt dem lebhaftsn Wunsch
«kk,>uck, aris dem eine gewisie Besorgnis herausgulesen ist,
Kg ^' e bisherige'Einigkeit fortdauern möge.
Alunsch hsgt Poincar« sicher auch. Es wird sich nnn in
M^.isel zeig-en, ob er o>der Belgien der Starkere sein wird. Die
wollen nachdrücklich daranf dringen, nicht nur mit blosier
!E, sondern auch mit vositiven Eeaenanträgen zu antworten,
>n Vrüsiel ein gemeinsamer französtsch-felgischer Revarations-
Ihhk Vstandekommen sollte. Wenn die Belgier Poincarä zu
»sicht bekehven sollen, so würden sie einen sch>weren Stand
^ wan mnsi nämlich darauf gefabt sein. dasz Poincarä i n
/nußenpolitik gegenüberDeutschland unnach-
! > g e r denn je sein wivd, weil mfolge d-er royalistischen
"b>s s-eine Stellu-ng in der Kammer schwier:-ger gswordsn ist als
«iner Woche noch war. D:e Debatte über di« Fnnenpolitik des
"s ist noch ni-cht erledigt,' st-e soll am Dienstag wie-d-e-r auf-
1!
Auien werd-en.
r>es/Uincar« duvfte bereits in nächstsr Zeit nicht nur mit den
NkMfern, sondern auch mit -den Engländern Revarations-
ÄS: uge zu regeln b-aben, Die Lo-ndcner Sonntagsvresig uller
Lstz läßt darük-er keinen Zw»bfek: u. a. schreibt der „OLserrer":
giP^'atz-amt bemiiht sich noch vor Ei-ntritt Mc. Kennas oessen
g ^reits z-u vers-pllven ist, die englische Repar-ations-pollti'k zn
tz;An und mi-t >der dnrch die Ruhrb-efetzunq g-eschaisenen La-re
iNilp 2,-lang zu bringen. Baldwin hält Zwar iveiter an d-em
is^tzu^onar Laws fest und sei überzcugt, daß die Ruhrbesetzung
R s^unds Leistnngssähi-gke-it verm-indere. In >en letzten Togen
^lg ^r ein völlig neuer englischer Reparatians-
>^r!se/^ch Nermittlung des Dire-ktors der Salvavwerke dcm
Kab-i-nett über-a-ebcn worden sein. D-a-rnach würde Englau-d
A j? ?^nen Fordevu-ng-en gegenüber Frankreich u-nd Italien
Milli-arden Eoldm-ark herabsctzen u-nd auch >-einen
?ril,"ku Antzxsl an d-en d-eutfchen Revaratlonszahlunaen vermin-
ch^tiiuus d'ese Mmderfovderun-r Eng-lands dam führte, das Rs-
e^d-l-TUoprob-lem endgültig z-u lös-en. Deuischla nd müßte an
f," im Eanze-n 3l> Milliarden Eoldmark zahlen.
rÄrtz M g, -dagegen nichts anJtalien, Serbien usw„ meil
udern die" Rückzahl-ung ihrer Schulden seinerzei-t n-achge-
PiL g »>>>«. Ab-er an England müßte Deutschland jttbr-
dMiiu 0» Millioncn zahlen. damit Enaland seinen N->r-
s.^ Men gegenüber Amerika nachko-mmen könne. Deutschland
iik^r Lr>l«r 'jene Snmmen entricht-en. die Fra-irkvefch zur Abtragnng
^pj'^uld-en an Amerüka benöt'ae. Baldwin hofft, daß Amerika
«d?»ess« dSs Weltfri-edens anf dee Rück-ahlung -der Schulden
den Kanzler veräraery und zur Nisdcr-
> eines Amtes veranlassen könnten. ^n d-em
iiv.iip ^«Utfchen Eefandtcn in Warsckau den Er-V'en Kcßlcr,
ftrag der Reichsreq-iernng in London weile, glaubt man
o>men außerovdentlichen Eesattdten zu sehen, der genaue
Tj bkiplPen über die Anffasiu-ng im englischen Kab-inett nach Ber-
»on desien Informatiaucn in g-kwisser H'nsicht die
Ver Reichsregierun-g bei der Abfassu-ng ihres Reparati ins-
' abhäng-en würde,
^ E^lNlg in den Laufanner Verhandlungen.
>>h^kte^"0' Ii,ni. Da auch in den hcutigen Deratungen der
l>^Ei„.und türkischcn Beoollmächtigten und Sachverständtgen
" 0 über die Kuponfrage nicht zustande kam und
"icht nicht abzusehen ist, aüf welcher Erundlage sie ver-
«erven kann. beschlossen die alliierten Delegationsführer,
zunächst ihren Regierungen über die Lage Vericht zu
erstatten- Eleichzeitig wird hier bekannt, daß die Verhand-,
Iungen zwischen der türkischen Regierüng und den aus-
ländischen Konzessionaren, die gegenwärtig >'n Angora
stattfinden, eben>'alls einen wenig bcfriedigenden Ber-
lauf nahmen. Die Konzessionsfrage sollte, wenn irgend möglich,
außsrhalb des Friedensverirags gerrgelt werden. Eine ungünstige
Entwicklung der Anaoraverhandlungen müßte jedoch dazu'führcn,
daß die Konferenz sich auch noch mit dieser Angelegenhett Lefaßt,
was naturgemäß die Laufanner Verhandlungen' noch mehr
erschweren werde.
Die öblichen phrasen.
Eine Propagandarede Poincartts an die Adrefse Amerikas.
Von unserem H-Korrespondenten.
Paris, 3. Juni.
Hsute wurde in Ehaumont, wo sich in den Jahren 1917 bis
1919 das Hauptquartier der amerünnischen Trupven in Frankre-ch
befunhen hatte, ein Dcnkmal für die französisch-amertkanische
Freundschaft enthüllt. Der amerikanische Botfchafter in Paris,
Herrick, hielt eine kurze und sehr korrekte Anjxrache, die der
eigentlichen Feier galt, worauf Poincar« eine für Amerika be-
stimmte Propagandarede hielt. Er behauptcte, daß die Amerikanrr
gekämpft hätten, um die zivilisierte Mcnschheit von der doutschen
Tyrannei zr befreicn. Am Tage vor der Ünterzeichnung des Frie-
densvertrages von Versailles habe Poincars Wilson erklärt,
daß Frankreich nicht wolle, daß der Friedensvertrag nur ein bloßes
Stück Papier üleibe, und schon im Jahre 1919 habe man bemerkt,
daß Deutschland nur einen neuen Krieg vorbersiten wolle- Wil-
s o n versprach, daß die Amerikaner auch weiter mit Frankreich
zlisammsnarbeiten werden, aber Frankreich mußtc zu seinem großen
Bedauern feststellen, daß dieses Zusammcnarbeitcn nicht vollständtg
war, denn Amerika hat den Versailler Friedensvertrag nicht mit-
unterzeichnet, cs wollte sich nicht länger in die europäischen Ztreitig-
keiten einmtschen, abcr es sei gegenüber den Anstrsngungen Frank-
reichs nicht gleichgültig geblieben. die darauf hinausliefen, im
Verein mit seinen euroväischen Alliierten die Verwirklichung des
Friedensvertrages von Vürsi.illes durchzusetzen, Amerika habe sich
durch die wilde deütsche Proraganda von ssinen Symxathien für
Frankreich nicht abbringen lassen und es habe tnsbesondere erkannt,
daß alle deutschen Behauptungen über Elsaß-Lothringen unrichtig
seien. Die deutschen Abgesandten in Amerika behaupten immsr
wieder, daß die elsaß-lothringische Frage noch nicht gelöst sei. daß
vielmehr die Vevölkerung in diesen beiden Provinzen dnrch irgend-
welche geheimen Uebel bedrückt sei. Amerika habe alle diese Be-
hauptungen als erbärmliche Legenden (!!) erkannt.
Als Frankreich ins Nuhrgebiet ging, habe es keine Erobe-
rungsabsichten gehabt. Amerika wußte auch, daß Frankreich recht
habe, wenn es bei der Durchführung der Friedensverträge znnächst
nur auf sich selber ztthlte, wenn ein Volk wisie, was cs wolle, und
wenn es danach handle, fo set dies die beste Aussicht auf einen
Erfolg. Die Amerikaner würden nicht verstehen, wenn Frankreich,
welches durch den Friedensvertrag nicht jene Zusammenarbeit
erlangen konnte, auf die es gerechnet hatte, innerhalb der Ercnzen
des Friedensvertrages nicht alle notwendigsn Maßnahmen ergriffen
hätte, um Deutschland zu zwingen. soine Verpflichtungen zu erfüllen.
Amerika würde auch nicht vsrstehen, wenn Frankrsich seine Bs-
wohner der zerstörten Gebiete in Not ließe. ohne von Deutschland,
desien Städte und Dörfer unversebrt sind. die notwendigen Repar.r-
tionen zu fordern, die übrigens Deutschland doch selbst versprochsn
habe. 50 000 Amerikaner seien nicht auf den Schlachtfeldern in
Frankreich gefallen. um eine solche Herausforderung der Eerechtig-
keit (!) zu gestatten-
Am Nachmittaa fand dann ein Bankett in Ebaumont statt.
bei welchem auch Millerand svrach, der erklärte, daß Franl-
reich niemals den törichten Eedanken gehabt habe, seine Freiheit
auf eincr Deherrschung der Nachbarvölker zu begründen. Franl-
reich respektiere die Freiheit der anderen, (?!) wie es auch wolle,
daß man feine eigene Frsihoit respektiere. Dsutschland habe 1914
einen lange vorher LLerlenten Angriff vollzogen. man habe sich
viereinhalb Jahre lang geschlagen, um sich zu verteidigen und um
sich zu retten. Seit dem Ende des Krieges habe die ganze Aktion
Frankreichs keinen anderen Zweck, als nur dic Nufrechterhaltung
des Friedensvertrages. Wenn Frankreich das Ruhraebiet betrat. so
war die Illoyalität Deutschlands schuld daran, das seine Verpflich-
tungcn nicht erfüllen wollte, man entstellt die Absichten und die
Handlungen Frankreichs, wenn man vorgibt, daß diese durih Ge-
danken der Nache und der Eroberunq geleitet würden. Die Wahr-
heit sei vielmshr viel einfacher. Frankreich wolle nur, daß der
Besiegte, der den Krieg entfesselte, nachdem sein Ehrgeiz begraben
wurde, seine Verpflichtungen erfülle und .ssine Verbrechen repariere.
Frankreicb wolle und könne nicht nachgeben. weil seine Ansprüche
auf Eerechtigleit gegründct seien, Frankreich habe weder im Iahre
1871 noch 1914 noch aucki 1923 Absichten der Eroberung gehabt. und
auch die russisch-französische Allianz sei soinerzeit nur aus friedlichcn
Absichten geschlosien worden und auch die Entente cordiale. für
welche man Delcasis höchstes Lob zollen müffe, habe nur sriedlicüe
Absichten- Der große Krieg habe die oroßen Er>olge der ^anzö-
sischen Divlomatie und der französischen Waffen verzeichnel.
Frankretch sei auch weder undankbar nocb vergeßlich. es hege
die besten E l ii ck w ii n s ch-> für die Wiedererhebung
Nußlands und für seine Befreiung von cincm Alpdruck, der auf
Rußland seit fünf Iahren lastet., Frankreich erinnere sich dankbar
der Hilfe. die Ruß^and ihm in tragischen Stunden geleistet habe.
Damit war die Nundreise Millerands durch Ostfrankreich
becndet: er wird heute abend zusammen mit Poincars nach
Paris zurückkehren.
Zum deutW-uiederkZndjMeK Sandelsverirag.
Derlin, 3. Juni. Heute fand in Verlin die Untsrzeichnung des
auf den Verkehr zwischen Deutschland und Niederländisch-OstinsiLN
bezllglichen Zusatzvertragcs zum deutsch-niederlän-
dischen Hande'lsvertrag durch Ministerialdirsltor im Aus-
wärtigen Amt v. Stockhammern auf deutscher Seite und dem
niederländischen Eesandten in Berlin Baron Gevers auf nieder-
ländischer Seite statt-
Sas Kri'egD'el der Ruhrakiion.
Jn schaur'-gem Eleichmaß geht seit mehr als neun Iahren
Europa dem Abgrund entgegen. Der zweite Band des Schwarz-
buchs, Las die von den russischen B o I j-h e w i st e n ge»
sammelten Dokumente Lber die Kriezspolitik Frankreichs enthält,
bringt in diesen Tagen wieder eine schier unheimliche Fiille von
Beweisen, wie Poincars langsam den Kricg vorb reitet hat. Wo
er selbst noch bei einem nenen Schritt vorwärts wieder zu zögern
beginnt, stößt ihn sein Freund nnd vertrauter Helfcr, der russische
Botschafter Iswolski einen Schritt weiter zum Ziel. Währcnd des
Balkankrieges schon erklärt der französische Ministerpräsident
dem Vertreter des Zaren feierlichst: „Wenn Rußland Krieg fiihrt,
wird auch Frankreich Krieg führen". Trotzdem er sslbst dabet noch
zugeben mutz, daß „die öffentliche Meinung Frankccichs äußerst pazi-
fistisch sei". Soweit ein Mensch verantwortlich sein kann, verkündet
daher die „Humenits" feierlich, ist Poincarsvcrantwort-
lich fiir das große Blutbad, für die Anhäufung von Toten und
Ruinen. Zugleich gibt das sozialistische Pariser Dlatt offen zu, daß
heute wie damals von denselben Mönnern ein zweiter unge-
heurer Konflikt vorbereitet werde, denn 1914 wte 1923 geht
die Entwicklung nach längst vorbereiteten Eesetzen ihren furchtbaren
Eang.
Wer in alten Iahrgängen maßoebender sranzöjischer Zeitungen
blättert, muß in der Tat dicse Prophezeiung mit unheimlicher
Schärfe nachempfinden. Seit sich vor zwei Iahren aus dem natio-
nalen Block der Pariser Deputicrtenkammer eine neue dcmokratischc
Eruppe (lu Osivocrkltis vorivslls) gebildet hat, zeichnet sich Absicht
und Durchführung des Ruhrabenteuers mit immer steigender Deut-
lichkeit ab. Auf der einen Seite gelingt es den Wortführcrn, im
neuen Präsidenten Millerand einen tatkräftigen' Worthalter
ihrer Pläne an die Svitze des Staatcs zu br>ngen, auf der andern
gewährt die französische Schw-rindustrie mit reichlichen Händen ihre
Unterstützung. Das Programm des künftigen Vormarschos aber i-n-
den wir bercits am 6. Oktober 1921 in der gleichnamigcn Zsitunq
der „Dsmosrutls norivslls". bis ins kleinste vorgezeichnet, so daß
den deutschen Leser Erauen zugleich und Achtung vor der plan -
mäßigen Durchführung ihrer Abstchten packt.
Dreierlei Punkte muß danach eine Vesetzung des Ruhrgebiets
verwirklichen: „1 muß sie ein Druckmittel auf Deutschland sein,
damit dies die unvermeidlichen Opfer für ssine Entschuldung uns
gegenüber bringt: 2. muß sie Frankretch ermöglichen, einen
Teil seines Euthabens unmittelbar zu realisiercn
in einer Form, die für den Aufschwung unserer hauptsächlichsten In-
dustrien am vorieilhaftcsten ist: 3. muß sie unscre Sicherheit
durch Einrichtung einer ständigen Aufsicht der deuischen
Schwerindustrie ermöglichen, bis Deutschland nach Erfüllung
aller ssiner Verpflichtungen darüber hinaus noch für sei.nc friedlichen
Absichten wirkliche und genügende Sicherunq geasben haben wird.
Der letzte Punkt ist für uns der wichtigste. Wir haben das umknttel-
barste Interesse daran, daß er verwirllicht wird". — Das also, iährt
das Blatt fort, sind die Ziele. Die Mittel Lazu aber sind: „1. d:e
Annexion, 2. die mklitärifche Besetzung vhne Ein-
mischung in das Wirtschaftsleben, jedoch begleitet von der Erhebung
einsr hohen Stener auf jede Tonne Kohle, die das Nuhrgebiet nach
einem anderen Lande als Franlreich verläht: 3. dir militärische Be-
setzi ng verLunden mit der Ausbeutung derGrnben untcr der
Aufficht Les französischen Staates und einer Einschränkuna der
schwerindustriellen Erzeugung für Deutfchland: das heißt clso die
Bevormunduna der deutschen Säiwerindustri e". Mit
nackten, nüchternen Worten ist damit das Leitwort Ler aanzen Ruhr-
altion, wie sie mehr als anderthalb Iahre spätsr crst zur Durch-
führung kam, ausgesprochen. Mit Achtung und Eraucn zugleich
sieht auch der Eegner, wie glänzend die Mobilmachungspläne
für diesen Wirtschaftskrieg ausgearbeitrt murden, in dencn
nur Ler Feind, wie so häufig in Eroßen Eencralstäben, jammervoll
unterschätzt wurde! Um so wichtiger aber werden Lci solchem Rück-
blick die Leitsätze für den Frieden, wenn man hier wis sonft das Bild
eines ehrlichen Krieges heranziehen will.
„Die Annexion des westfälischen. Kohlen- und Industriegebiets.
so klingt es uns wciter in der Tat aus dem Programm der „vemo-
aratis nonvellc;" vom 6. Oktober 1921 schon entgegen, ist wcnigstens
dem Anschein nach eine Lösung von großartiger Einfachheit". Sie
ist schlietzlich ebenso leicht zu verwirklichen wie sie schon einmal in
den Jahren 1808 bis 1814 unter der Verwaltung des Eroßherzogtums
Berg unseligen Andenkens verwirkltcht war. Leider aber, so muß
auch dies Blatt scufzend gestehen, haben sich die Zeiten und die An-
schauungey vom Völkerrecht inzwischen gründlich geänderi, „Die
glatte Annexivn würde dem Eedanken des Pfandes den Eedanken
'der Eroberung substituieren und dadurch selbst in Frankreich starken
Widerstand auslösen". Das zweite Mittel, die einsache militärische
Besetzung ohne Eingriffe in das Wirtschaftsleben aber wäre ganz und
gar unwirtschaftlich und müßte uns nur Kosten ohne jeden Ecgen-
wert aufladen. Nur das dritte Mittel läßt Franlreich eine fast
völlige Aktionsfreiheit mit reichlichen Sicherungen. „Es hat dieselben
Bort'eile wie die Annexion. Das Gebiet wird als Pfand
besetzt. Die Kvhlenförderung steht während der ganzen Dauer dcr
Befetzung der französifchen Regierung zur Verfügung. Die Nctto-
einnahmen werden nach Abzug der Verwaliungs- imd Vesetz'.ings-
kosten der deutschen Regierung auf das Neparationskonto
gutgcschrieben. Wcnn die deutsche Rechnung Leglichen ist,
dann erst werden Verhandlungen eingeleitet wegsn der Rückerstat-
tung des Pfandcsü!"
Mit einem Schlage erhellt sich in solchem Riick- nnd Ausblick dos
Dunlel, das die franwüsche Regicrun" sonst gar zn zcrn über die
hinter ihrer Rnhrpolitik stehendcn Eruppen brsitet. Als feder-
siihrcnd tritt die „vöinoorutis nonvslls" und damit zugleich die
Schwerindustrie des ooinite clss kor^ss und des somit6
äss Iionillisrss hervor. Die Kriegsziele Frank-
reichs selbst sind damit bekannt: an uns ist es, uns sorgfäliig auf