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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0815

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66. Zahrgang - Rr. 132

k>! I ch e Post" erscheint wöchentl. siebenmaü Beilaqen: Didaskalia (Sonnt.) —

Unv„?"^ungsbkatt lMontags! — Literaturbkatt—Sochschulberlagekmonatlichl.

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Heidelverger Zeitimg

(Gegründet 1858)

u«d

Aandelsblatt

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Die enMche md iialiemsche Aniwori.

^ie deutschen Neparationsvorschläge ungenügend. - Nochmalige Erwägung
Erweiterung anheimgestellt. — Baldige Negelung der Fragen erwünscht.

Eigene Drahtmeldung.

.Dic

Loudon, 13. Mai.

Sonntag »ormittag auf der deutschen Botschaft LLer-

° engiischl '

Eusr Exzellenz!

^dglische Note hat folgenden Wortlaut:

H^i«

Se„t^xzellenz mir am 2. Mat mitgeteilt haben, und in dem die

^egterung Seiner Majestät hat dem Memorandum, das

^egierung ihre Vorschläge für eine Regelung der Repara-
ihss^ ^Oe vorlegt, ihre sorgfältige Aufmerksamkeit zuteil werden
^lge - ^ser Schritt der deutschen Regierung ist Lekanntlich die
Krijf7,^"er Anregung gewesen, die ich im Laufe einer Debatte im
^ine/^Varlament am 20. April gegeben habe, und die Regierung
^>n . ^ajestät hat daher an der Antwort, die auf diesen Appell

b^iolgt ist, ein besonderes Jnteresfe.

8ch

^ann Euer Exzellenz nicht verhehlen, datz

Vorschläge Jhrer Regierung eine grohe EnttLuschüng

^ihb" ^nd und datz die deutsche Regierung den ungünstigen
»ls ^uck, den ste sowohl auf die Regierung Seiner Majestät
k Alliierten gemacht hat, nach meiner Anstcht hätte

^ie und ihm daher vorbeugenkönnen und müssen.

i>e>u ^^ichläge entsprschen weder der Form noch dem Jnhalt nach
»>vlt Seiner Masestät Rsgierung vernünftigerweise als Ant-
den Rat hätte erwarten können, den ich bei mehr als
Äkv-/uelegenheit der deutschen Regierung durch Euer Exzellenz
'U der ^ ^u lassen unternommen habe, und auf den direkteren, ihr
uir k; Erwahnten Rede gegebenen Hinweis. Die Zauptgründe
^^rechtigte Enttäuschung sind die folgenden:

^Eutsche Regierung Lietei als gesamte Bezahlung khrer ansr-
Schulden eine Summe an. die weit unter dem mähigen

Etzt,

Iregt.

der d!e Erundlage des der Pariser Konferenz im

^i^ 3anu«rr unterbreiteten Lritischen Zahlungsplanes
^Ud daher von vornherein als für die alliierten Regierungen
h§j^ vSllig unannehmbar

^stl ^annt werden müssen. Weiterhin wird die Zahlung fogar
^uzulänglichen Summe von dem Ergebnis einer Reihe
Id !iiv>"^""uler Anleihen abhängig gemacht, das untsr
Nn y^segeLenen Bedingungen in weitem Umfange ungewitz
tz^ielv^' ^ud zwar in so hohem Grade, detz der vow der deutschen
^ "3 vorgelegte Plan tatsächlich Bestimmungen enthält. dis
^chSfj- ^r Möglichkeit des Nichtzustandekommens der Anlsihsn
Autzerdem schlietzen di« zu diesem Punkte vorgeschla-
^igzl^Egelungen finanzielle Bedingungen ein, die für Deutschland
r ^ keiv °^uckend sind, als wenn die Anleihen erfolgreich wären, so
^ Ä,,:-?^klicher Anreiz für Deutschland gegeben ist. den Versuch
Dgr, ^"6"Ng zu machen.

Eb die deutsche Negierung unterläßt,
d>jj die Art der Earantien

^kesj^^rer Schärfe zu bezeichnen, die Deutschland anzubtetcn
' ist noch ganz besonders zu bedauern. . Statt
I' 'E sz'- iubstantielle Vorschläge in dieser Richtung zu - erhalten,
- 4-r, ^ie alliierten Regierungen unbestimmten Ber-
. ^Ten, Bezugnahmen auf künftige Berhandlungen gegen-
die tn einer geschäftlichen Transaktion dieser Art prak-



^ Die entbehren.

^iesjjjj ^itäuschung ist umso grötzer, als die Regierung Seiner
Oern den Elauben aufrechterhalten möchte, datz in dem
^ -Remorandum Anzeichen dafür zu finden ssien, datz
»1«^ ^egierüng die auf ihr liegende Verpflichtung anerkennt,
i>l ^! i ^ ^ te Anftrengung zur Erfüllung ihrer Ver -
e i t e n aus dem Vertrage von Dersailles zu machen
^ ei^T^Eise, Alliierten als billig und aufrichtig (equitable

^ ikZtz. ansehen können. Wenn Deutschland die Abstchst hat,
Ij-Ervs^ einer wirksamen und schnellen Lösung eines Problems
dib iolange es nicht gelöst, die politische und wirtschaft-

'-uropas und tatsächlich der ganzen Welt in ernste Verwir-

es nicht eine klarere und
hat, auf denen allein

7'""^ """ vcc zzuuze»

Ei>le ke yst, 5» icheint es bedauerlich, datz e
E ivljh/EWätzung der Linien bewiesen
^ ^ie z, "iung gesucht werden kann-

i.,


..^^'Erung Ceiner Masestät ist ihrerseits uberzeugt, datz
gxjj. m seinem cigenen Interesse es vorteilhaft finden wird,
^b,^tsiiKj^ E B ere i tw i l l i gk e i t zur Auseinandersetzung mit
^dtij^EN Lage zu entwickeln und unter Ausschaltüng aller


und strittigen Punkte dazu schreitsn wird,

e noch einmal z« erwägen und zu erwettcrn.

hitz5Ewan^.E'"r brauchbare Erundlage für weitere Erörterungen
Ceiv-^^n. An einer solchen Erörterung wird d!e Re-
Atzj^Eite jr.„E Majestät bereit sein, im geeigneten Angonblick an
Ujj^e a« ^ Allüerten teilzunehmen, mit denen ste ein prakt'sches
' wie teilt, das ste ebensowenig aufzugebcn bcab-

üiaK-n«^"^. einer Lage oon internationaler Tesahr e:n
^tzn^i.^atz >, ' ste kann der deutschen Regierung nicht ver-

^>e Ane!-!-- Schritt zur Verwirklichung einer solchen Hoff-
^ennung von seiten Deutschlands sein mutz. datz eine

viel ernsthastere und viel bestimmiere Mitwirkung erforderlich !st,
als ste je bisher in Erscheinung getreten ist.

Jch habe die Ehre usw.

gez.: Turzon of Kedleston.

Die ilalienische Aole

die ebensalls am Sonntag dem deutschen Botschafter rn Rom
LbergeLen wurde, hat folgenden Wortlaut:

Die aufmerksame Prüfung der Denkschrift vom 2. Mai. die die
Vorschläge der Reichsregierung zur Regelung der Reparationsfrags
enthält, Lberzeugt mich, datz die Dorschläge nrcht derart seien,
um für die allrierten Regierungen als Erundlage für eine end-
gültige Erörterung dien-n zu können. Meine wiederholten Bitten,
die dazu üestimmt waren, die deutsche Regierung dazu zu bringen,
vernünftige und praktische Vorschläge vorzulegen, um aus der ge-
fährlichen Lage herauszukommen. die in Mitteleuropa geschaffen
war, geben mir einigen Anlatz zu der Hoffnung, datz der Schritt
der deutschen Regierung einen fssortschritt zu einer friedlichen
Lösung dieser Frage bedeuten würde. Jch mutz aber feststellen,
datz meine

Erwartungen enttäuscht wurden.

Man kennt den Standpunkt der italienischen Regierung in dieser
Angelegenheit, wie dieser aus den Vorschlägen hervorgeht, die von
der italienischen Regierung auf den beiden Konferenzen von London
und Paris vorgelegt wurden. Jtalien ist wegen seiner wirtschaft-
Iichen und finanziellen Lage verpflichtet, das Problem der Repara-
tionen als immer einheitlich an das Problem der interalliierten
Schulden gebunden anzusehen, und Jtalien muß auch darauf dringen,
datz diese beiden Probleme sobald als möglich gelöst werden, wobei
auf die Ausgaben Jtaliens für den Wiederaufbau seiner zerstörten
Eebiete Rücksicht genommen werden rnutz. Diese Notwendigkeit
erklärt in klarer Weise die Haltung Jtaltens in dieser s?rage, und
zwar sowohl mit Bezug auf die Frage der Reparationen, wie auch
hinsichtlich aller Ereignisse, die nrch der letzten Pariser Konferenz
erngetreten stnd, wobei stch von selbst versteht, datz die Interessen
und die Forderungen Italiens bei der Lösung einer so schwierigen
Frage nicht geringer sein dürfen als die irgendeines anderen
alliierten Staates. Aus verschiedenen offiziellen Kundgebungen und
Handlungen der königlichen Regierung geht hervor, datz Jtalien
geneigt ist, ebenso Anteil an den Opfern zu nehmen, um zu einer
allgemeinen wirtschgitlichen Lö-ung zu gelou"err, abcr Itnlien kann
nicht -i'V">mcn, datz ihm grötzere Opfer auferlegt wersen, als zu
ertragen ihm feine eigsne Kraft gestattet. Man darf nicht vergessen,
datz die fforderungen Italiens bei der Verteilung der deutschen
Rexarationssumme sich darauf stützen, datz es selbst gegenüber den
kleineren Staaten grötzcre Forderungen aufzustellen hat, denen
gsgenüber Italien in einer Anwandlung von Edelmut und Mätzr-
gung und mit Rückstcht auf die schwere Lage der kleineren Staaten
beträchtliche Zugeständnüfe machte, ohne Lisher die Derantwortlrch-
keits Deutschlands anzurufen, wie dies Lurch die Friedensverträge
sanktioniert wurde. Uebrigens weitz die deutsche Regierung, datz dis
italienische Regierung zu ihrem Bedauern gezwunaen war, nicht
an dem Broiekt tciliunehmen, das von dcr englischen Regierung
auf der Parrser Konferenz für dre Lösunq der Revarationen vor-
gelegt worden war, weil die Denkschrift von Vonar Law,
obwohl ste einen höheren Zwsck verfolgte, nicht in genügender
Weise den unabänderlichen Forderungen Jtaliens
Nechnung zu tragen schien.

Mit Rücksicht auf d!cs« Vorfälle mutz dre italienische Regiermrg
m!t berechtigtem Erstaunen erklären, datz die deutsche Denkschrift
vom 2. Mai tief unter Len Borschlägen steht, die in dem Projekte
der englischen Regierung enthalten waren. Die für die Rcpara-
tionen bestimmte Summe ist offenkundig viel gerfnger. als
irgendeine noch so annehmbare Summe, die man in vernünftiger
Weise erwarten könne. Die internationale Anleihe, durch dis die
vollstSndige Bezahlung dieser Summe erfolgen soll, ist ohne die
notwendigen bestimmten Mitteilunaen angedeutet, und auch ohne
datz gesagt worden wäre, welche Bestimmungen getroffen werden
sollen, um Liese Anleihe mit Erfolg zu begeben. Alle konkreten
Mitteilungen fehlen, und auch d!e Frage der Garantien und Pfänder,
eberrso d!e Zustcheruna, datz diese wirklich bereitgestellt werden sollcn.
Die deutschen Dorschläae stellen also kernen methodischen und
vollkommenen Plan dar, wie dieser notwendrg wäre, um
auch mir zu einer prinzipiellen Erörierung zu kommen. D!e
deutschen Vorschläge enthalten nur nnvollkommene nnd
ungeiraue Andeutungen, die um so weniger Wert besitzen,
als die Fragen bedeutcnd sind, auf die stch diese Vorschläge für
eine allgemeiire Regelung der Neparationsfraqe beziehen. Derari
ungcnügende Dorschläge rufen bei der königlichen Regierung ein
Gefübl des Vedauerns hervor, weil zum Cchaden aller der Weg
zur Lösung des Neparationsvroblemes verzögert wird und weil
durch solche Vorschläge eine Meinung verstärkt werden kann, die
behauptet, datz Deutschland unter Einflutz innerpolitischer Strömun-
gen versuche. sich seinen Vervflichtungen zu entziehen. Unter diescn
Umständen stellt die italienische Regierung fest, datz

die deutschen Vorschliige keine wesentliche Aenderung in der
Situation herbeiführten,

und die Erwariungen der italienischen Regierung enttSusch^n
mutzten. Sie spricht neuerlich die Anstcht aus, Latz im Interesse
Deutschlands sowis im Intereste des allgemeinen Frisdens und des
euroxäischen Wirtschaftslebens eine neue demnächstige Ent-
scheidung der deutschen Negierung zu Dorschlägen führen
sollte, die durch ihren Jnhalt und durch ihre genauen Angaüen
geeignet wären, um vvn der königlichen Regierung in nützlichcr
Weise im Einvernehmen mit den anderen Alliierten geprüst zu
werden.

(gez.) Mustolrnü

Kirnst ond Valerland.

Von H. Th. WLst.

Bei der TheaterdeLaite im Hesstschen Landtag, dic nach verschie-
denen Richtungen von erhöhter Vedcutung sein mützte für deutsche
Kunst- und Kulturverhältnisse inmitten etner tragischen Schicksals-
periode des deutschen Volkes, sprach der Abgeordnete Dingeldey»
Darmstadt die lapidaren Sätze aus: „Jn einer Zeit völliger Zeristen-
heit mutz unsere ganze Kraft darauf gerichtet sein, datz n'icht unserem
äußeren Zusammcnbruch auch ein rnnerer folgt. Da hat die Kunst
die hohe AufgaLe, das Auseinanderstrebende 'zusammenzufassen, das
sittlich Verwilderte wieder -zu erziehen," Man denkt unwillkurlich
an Schiller, an das Theater als moralische Erziehungsanstalt, man
denkt an dis Aufgabe, die schon die Alten der Kunst züwiesen, nnd in
einem weit-en Blick üLerfliegt man die Summe dessen, was heute
auf öffentlichen Märkten als Kunst ausqeboten wird, um den ge-
radezu erschüttcrnden Tiefstand unseres Kulturlebens zu begieifen.
aus dem die Worte Dingeldeys als Anklage und Mahnung ertönen,
Es steht nicht gut aus auf dem deutschen Parnatz, und wenn man
nicht Llotz d!e geistige. vielmehr in gerechterer Dsurtcilung die see-
lische Verfassung eines Volkes nach Kraft und Fähig'eit leines
schöpferischen Willens imd Jntellekts beurteilen darf, so rst derheutigL
Zustand der deutschen dramatischen Dichtung und des dent.schen Thca-
ters doch ein derartiger, datz man stch mit ihm unbedingt ausein-
awdersetzen mutz, Dcnn es handelt sich nicht darum, llnterbaltung zu
schkffen, das Theater mutz gerade in diesen Zeiten mehr sein als
nur Kulturinstrurnent — was es heute höchstens in negativem Sinne
ist! —, es mutz auch etwas anderes sein als die geistige Palästra
des Dolkes — und auch hier mutz man den Vergleich schon wieder
einschränken — es mutz vielmehr Ausdruck und Organ sittlicher Kräst'e
sein, dcren Ziel Ler wieder modern gewordene Cchiller mit seinen
zeitlosen Idealen festgelegt hat. „Nicht einen Spiegel dieser zer-
rissenen Zeit W geben" — so sagte Dingcldey im Hessischen Land-
tage — „soudern die grotzen, unvergänglichen Kräfte der deutschen
Kunst, sern von aller Politik und Parteipolrtik, uns und vor allem
der Jugend lebendig zu erhalten, das ist die Aufgabc des Theaters".,

Was Dingeldey hier in wenigen Worten treffend formuliert^
gilt in noch höherem Matze von der Aufgabe des Dichters. Und
wcnn die deutsche Schaubühne in Zeiten, wo man sie nötigcr hat als
je, ihre nationals, rhre vatsrlänüische Äufgabe nicht erfüllen kann,
wenn sie, statt das Höhensteuer einzustellen, in die Niederungen der
Tagesinteressen, der Kulturlofigkeit, der Eeschmacksverderbnis und —
was das Schlimmste ist — der pvlitischen Interessenwirtschaft ver-
stnkt, so ist daran auch der Mangel an grotzen Kunftwerkcn schuld.
di« stch wie ein Wall gegen die dvamatisch-theatralischen Verfalls-

er^ '.-^en stemmen könnten. Man kann ein bekanntes Wort

dahin variieren, datz jedes Volk das Theater hat, das es verdient.
Wenn du Eeift und Seele trennst, sagt Erillparz-er, fa ble.bt nur
Leib und ein Eefpenst! Es ist etwas Gespenstiges um unferc Kunit,
es fehlt ihr der frifche Tatendrang des Lebens, ste leidet an Blut-
leere und Wahnvorstellungen, und dieser krankhafte Zuftand ist an-
steckend. Denn was aus de'n Sackgaffen politifcher Konventikel dringt,
was in experimenteller Problematik ffch als d!e neue grotze Kunst
einer neuen Zeit gebärdet, das ist entweder jämmerliches sterilcs
Epigonentum oder Tendenzdichtung, die mit dcr Unbecinflutzbarkcit
des Eeni-es nichts zu tun hat, Die Niederungen des Tagcsstreits
werden in der dramatischen Dichtung und auf der Bühne dcs dcut-
schen Volkes mit den gewaltigen Problem-en verwechselt, die uns eine
Kunst bringen mützte, die das Unaussprechliche empfindet und iu
Worte und Bilder fatzh die das Sittlich-Erhaben« und das Seelisch-
Ergreifende Lehandelt und von der eine aufrichtende, sammelnde und,
im Unglück tröstende Kraft ausgeht.

Statt deffen-! Was geht LLer urrsere Bühnen? Wo ist

der rreue Kleist? Wo sind d!e Dichter, oder sagen wir weniger an-
spruchsvoll, wo sind die Schriftsteller, die ihre künstlerisch-e Sendung
imSimre jenes großen Dorbildes empfänden, das von der Nation gc-
svrochen. die nichtswürdig ist, wcnn sie nicht ihr Alles setzt an ihre
Ehre! Auch der Kampf der Eeister hat nichts weniger als sort-
schrittsmätzige Formen angenommeni oder soll das — Hand anss
Herz! — wirklich Fortschritt sern, wenn man Psychovathen, Krimi-
nelle, Amoralische und Anormale als Typen der Gcfellschaft und
als Rormalfiguren zu Trägern dramatischer Konflikte macht? Sind
wir denn allc blind, datz wir bei einer gewiffen Sorte Literatur,
zu der die politisch-radikalen Revolutionsstücke gehören, um die
stch ein gewiffes Publikum in verlogener Begeisterung drängt. nicht
merken, rvelche Prostituierung der Kunst und des Theaters da eigent-
lich vor sich geht, w!e das Theater politisch mitzbraucht wird! Was
ist in Wirklichkeit dre heute herrschende Rrchtung? Vorspanndienst
für die Propagierung einer Weltanschauung, die mit den Vegriffcri
des deutschen Volkstums rrichts zu tun hat; man denke nur an eins
ganze Reihe von Stücken, die wie Tollers „Wandlung" die Auf-
gabe verfolgen, das Auseinanderstrebende vollends zu Voden zri
rsitzen, die dann Lberleiten zu den sogenanntcn Väter- und Söhne-
Stücken, gekrönt durch Bronnens „Vatermord", dieses Sprcng-
bomben-Attentat auf die elcmentarische Beschaffenbeit ethischer De-
ziehungen zwischcn Kindern und Eltern: man lasse in seiner Er-
innerung alle die brünstigen Manifestationen. die ekstatischen Zu,
stände, die Elorifizierung des sogenannten Triebhaften aus üeri
verschiedensten Gebietsn als da sind Sexüalleben, Cesellschasts-
moral, Nechtsbewutztsein, Kriminalistik usw. nochmals Revu«
paffieren, und wird man von ganz wenigem abgesehen. vor einem
Trümmerfeld stehen, das ffch hinter den angeblich neuzeitliche«
Ausdrucksformen des Expreffionismus und der Formenlosigkeit ver<
birgt, denn es gibt ja heute ern neues Publikum, dem man mk!
diesen Surrogaten für echte Kunst glänzend imponiert! Im übiia.m
aber — was stch sonst rwch als Kulturerscheinung aus den deutschcu
Bühnen der Nachkriegszeit anspielt, davon war anlätzlich der Reigeni
Aufsützrungen hinlänglich dis Rede. Ueber diese Vlüteperiods :>es
Eeschäftstheaters und der Afterkunst kann man zur Tagesordüuiij,
Lbergeheü, denn selbst das Parterre von Schiebcrn Lekommt heut«
moralische Anwandlungen gegenüber einer Kunst, dic an Hstllcm
und ZLgellostgkeit, gleichzeitig aber auch an iniernationaler V-rt
urteilslosigkeit — st.ehe den Leim Ruhreinbruch zum Stillstanl
gekommenen Siegeszug anscheinend unentbehrlicher französtsch?,
Schwänke Lber deutsche Dühnen — nicht mehr zu überbieten ist.

Haben wir heuts eine rrationale Kunst? Im Sinue dcr ErfM
lung und der schöpferisiben Bejahung einer grotzen Volksleidenschafti
einer starken Reaung. dic von üen Schicksalen der Zcit entfesseli wiri
und die den höheren stttlichcn Gefühlen, nicht nur de.nen Ler V u r:
 
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