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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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«s. Zchrgang Ar. 1öS Heidslberger ZeitttNg

IGegründet lk»8)

und

Landelsblatt

Die .Alld i is>e Poft' crschemt wöchcntl Nebrnma!. Pet'a.-e»: TtLgKrnlia Sonnt.) —
»^ntcrhaitungSblatt lMon«»gs> Litrraturblatt —VoihstkMlbcilagc lmonat > ichl.
"nverlanl'te Veitrüge ohnc Dsrantworlnng. Nückicndnng nur. wenn Porto beiliegt.

Rontag, hen 18. Iun! 1923.

Hauptgelchälirstelle u. Schriftleitg. der „Badischen Psst"Hsidelberg, gauvtstr. SS. Fsrnspr.
Nr. 182 Berllitcr Vertretung: Bsrlin StV 48, ZimmerstraLs g, Fernlpr Zentr. 416
Münchner Vertretung: München, Georgenstr. 1«>7, Fernlpr. 31887.

Bostsibeck.ttouto« Franksurr a. M. »141»

«ofts-Seck.Sonto: Franksurt a. M. S141»

Suni-Lezugsprris dcr „Bab. Ppsi" Plt. 16»0 - lauslchl. Zustedgctühr«. b--lb!.abhol. Ä.k. bSVU.-. AuSlanb Mc. 12VM.-

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Sie delgWe Krise.

Vor Mittwoch ist eine Lbsung kaum zu erwarten.

Von unserem Pariser li-Korrespondent-rn.

Paris, 17. Iuni.

Di« Lelgische M i n i st e rkr i s e «ird stch all„r Voranssicht
!^>4 noch ein!ge Tage hinziehen. Sis ist a u tz e r o r d e n t l i ch
'chwierig zu lösen untz in politcschen Krecsen Les Landes sind
^>»e Reihe von Kombinaiionen und Koalitionen eröriert worden,
^bei stH alls scheinen dem sicheren Miszerfolge ausgesstzt zu sein,
?? Mischen den einzelnen Parieien gera.e in den wichtigsten Fragsn
grötzten Meinungsveischiedenhsiten bestehen. Dine Koalition aus
'"'beralen, Sozialisten unv Kommunisten wiirde keinen Erfolg haLen,
Md am leichtesten ware vielleicht noch e>n KaLinett aus Libera-
n unid Katholiken herzustellen, a>cer di« vlämifche Frage
^cheid«j djest beiden P-arteien so se-hr, datz sie kaum Neigung ocr-
^iirsn dürsten, gemeinsam ein K-aLine-tt zu bilden. Man fiirchtet sich
dagar, ein E-eschästsministeri-um m>t Theunis an d-er Spitze
>»Su-setzen, da man weitz, -dag Gestl)-ä'sts-ininisierien in L«lz>!«n noch
! ein langes Le-Len gehabt haben, imd Lag austerp-arlalnent-arische
^inifter sich nie lang« im A-mte halten konnten. Eine Lösung der
^ise ist also kaum vor Mittwoch zu erwarten.

Di« sszialisti-sche Partei hielt gestern in Brüssel einen außer-
c^ntlichen Kongreß ab, L-ei welcher Gel-sgenheik namentl-ich
Präsident der belgischen Eewsrlsch-asten lebhaf-t gegen den
n, g von Belgien los-zog, der die Rc-altion dauernd unterstütze,
„ « die Kraft -Ler GewerWaften brechen wolle. VanLeroelde
^ndts sich mit großer Schärse gegen Theunis, der nur im Dienstc
Hochfinanz stehe. D!« Reg-ieru-ng se-i W-ar ges-allen, aber da
^unig noch i-mmer ausrecht stehe, müsse dcr Kampf fortgss-etzt
^nden. Zrgend ein Kompromiß mi-t den bürgcrlichen Parteien
^ ausgesch-lossen, lieber wiirde di-e sozialM-Iche Partei noch weitere
7"Kerfolge auf sich nehmen, als sich m-it Len Bürgerlichen zu kom-
! ^iuittieren.

Hauptzweck seiner Reise ist der, für diejenigen europäischen
schutden an Amsrika, für welche bisher eine Regelung
noch nicht zustande gekommen ist, eine solchs zu finden.

Aushmgrrmis des Ruhrgediets.

Die bewusjt herbeigesührten Folgeu der Berkehrsfperre.

Derliu, 16. Juni-

Aus dem Ruhrgebiet liegen zahlreiche Meldungen über
die Folgen der Lahmlegung des gesamien Eisenbahnver-
kehrs vor, Lie jich besonders auf dem EeLiet der Lebens-
mittelverforgung empfindlich bemerkbar macht. Aus oer-
schleLeneu Orten, wie besonders Bochum, Eelfenkirchen,
Dortmund wcrden Klagen über Mangel an Fleisch, Milch,
Kartoffeln laut. Auch in Herne ist die Versorgung des Lebens-
mittelmarktes kritisch. Aus Hörde weroen außerdem Beshwsrden
der LanLwirte darüber gemeldet, dcch sie infolge der auherorde.it-
lich streng gehandhabten Pahkontrolle ihre Feldarbeiten nicht
ordnungsmähig sorisetzen können- Der Verkehr der Strahen-
bahnen, die jetzt den gesamten Perfonenverkshr zu üewültigen
haben, ist ebenfalls auherorsentlich erschwert durch dis Pah- und
Eepäckkontrolle, die jetzt nicht mehr in den Wagen vorge-
noinmen wird. Die Verzögerung. die durch das von dsn Franzosen
erzwungene Aussteigen der Fahrgäste entsteht, br-ngt es mit sich,
dag man beispielsweise für die Strecke Dortmund-llnna ltatt cin-
sinhalb jetzt drei Stunden braucht. Angesichts der auherordent-
lichsn Erschwerung der Lebensmittelversorgung erinnern die Blätter
daran. dah die jetzt von den Besatzungsbehörden getrossenen Mcch-
nahmen in jeder Beziehung den Zusagen und Versicherun-gen
widersprechen, die seinerzeit Eeneral Degoutts oem Düssel-
dorser Regierungspräsidenten gegeben hat, wonach an eine llniir-
bindung der Leüensmittelzufuhr oder gar eine Aushungerung der
Bevölkerung nicht gedacht sei. Der Sinn der jetzt gewaltsam vor-
genommenen Verkehrseinstellung im Ruhrgebiet kann kem anderer
sein, als die Devölkerung auszuhungern und ste dadurch
zur Kapitulation zu zwingen.

pomcare «nd die Svzialisten.

Die „konsequente" Haltung dcs sranzösijchen Radikalsozkalismus.
Von unjerem U - K o r r e j p o n ü e n t e n.

Paris, 16. Iuni.

k Die letzte K-ammera-Lstim-mung d-ürfte auch auf di-e Zusam-
»°Nsetzung ves Kaüinetts Poincare einioen Cmsluh
(j ^^bsn. Aian erinnert, datz die R a d i k a l s o z i a l i st e n und auch

> u 8 , UM Ler LrnierjiaaiLljH^remr sur olb -po,r ulo n r, Ivi-nci.
^ Mitglieder d-er repu-vliran.-schen Sozialisten, nämlich di« llnter-
Ij?iÄs-Lkr>etäre Rrot und S-idal. Di« Rad i l a l s o z i a -
->jj«u haben sich jetzt entschlosjen.die ihrer
?^tei angehörigen Minister die sich im Ka-
«,/ett befinden, zur Demission aulzuforderu.

kann m-an schon jetzt mit all-r Sicherheit an-
jjMen, ratz Sariaut, üafont uwd Strauh n-cht demis-
>L5-«ren werden. Die Partoi w>U sie dann aus chren Rechen ans-
tzj'^Sen, aber es ist vorauszusehen, dah nicht cinmat das gesche-i)en
Lenn di-e Siati-stic irr«r ü-i-e A-vstimniung in der Kcunmer
tz,>«hr bemerkeitswort. Die Rad-ik-absoz.-ali-stijche Partei hatte Lie
k^ie ausgegeben, gegen'die Regieru: g zu stimmen, und doch ha-ben
!ij^ chr nur 14 MitgUeoer gegen oie Reg>erung, 10 sogar sür sie ge-
Mt, und 7 sich der Sti-mme enthaUen, rar-unt-er Br «an

rr> s-elVst.

Die Ssiiung Amerikas.

^«tikanische Geschästskreije sür eine internationale Konferenz.
Von unserem U-Korrespondenten.

Paris, 17. Juni.

Der Regierung in Washington sollen nach einer Meldung
>»N°,"^rchange Teiegraj-H". d,e allerdings mit groger Vorsicht auf-
ijt, zwei englische R e p a r a t > o n s p l ä n e zu-
,„^>nen sein. In dem erslen ver Leiden Plüne beanrragt Eng-
Nedie Einberusung e.ner internationalen Konserenz, zu der
H^läubiger und Vie Schutünerstaaten zugezogsn wsrüen sollen.
!>>E Konzerenz joll jich mit der Frage der Re^arationeu und ver
kt.onaten SchuU-en bejchäsLigen. Nach dem zweit.n eng-
Vorschtage jolien diese de«den Probleme dem Völker-
zur Euijcheiüung vorgelegt weroen. Nach e.ner Meldung
s-k-n^ichen Bureaus will jeooch die a m e r i r a u i s ch e Regie-
!>t„k! nach w«e vor nicht aus ihrer neutralen Hal-
h e r a u s t r e t e n und will an keiner internationalen Er-

'übör' die' R'epLrat.onssrage^ teilnehmen. Demgegenüoer

>°^»" „Picw-Vorr Heraid", Lag man in weschäftscreisen Ameri-
so^den Plan, üer die Einbernsung einer internationalen
Axs.lerenz zur Erun»lage hal-e, warm begrühe. Die
s^n Eejchüiiskreise Amerilas stehen augevlich noch iminer zu
M.^anx res Staaisselretärs Hughes, dah nämiich eine Kom-
Nihjd von Sachverjtündigen einoerufen werden jolle, die eine
iM°!?al- und eine Atin ma-jumine sür die deutschen Reparationen
Är^»>> müsse- Frantreich uno Deutschland soll es dann noch über-
Ren öleiben. die Einzelheiten für die Zahlungsmo.alitäten fejt-
'Xn - iobatd eininal durch Schiedsspruch Vie Hohe der Repara-
«äügültig sestgejetzt sei.

17. Juni- (Eig. Drahtm.) Der amerikanische Schatz-
Vkalone trisft Vordereitungen sür eine Reise nach
^ da. aiird diejo Reije noch Ende dieses Monats anireten,
>>,> >»l^ europäische wirtschaftliche Lage zu studieren.
^<7- auf dieser seiner Reise auch zahlreiche Bei.-rschungen mit
uchen Staatsmäuneru unv Fiuauzleuien tzaoen, uud der

Sesen die sranzvsische Gewalt.

Energijcher Einspruch gegen die Verurteilung Kellermanns.

Essen. 17. Juni-

Eegen dieVerurteilung des Direkiors Keller-
mann von der Eutenhossnungshütte erlassen die Vertreter des
gejamien Betriedsrates der Bergbauabteilung der Eutenh issnungs-
hütte einen Protest. in dem die gejamre Arbe-tsr- und Be-
amtenschast der Eutenhoffnungshütte oyne Unterschied der "eariei-
richtung ihrem Direktor Kellermann sur sein einwandfreics, -'cht
deutsches Verhalien gegenüber dem sranzöjischen Bessht auf Liefe-
rung von Neparcttionsrohle ihre ehrlichste Anerkennung
ausorückt und in dem mit laurer Stimme gegen die Verurt-nlung
und Einkerlerung des Direktors Kellermann, üer nichts anderes be-
gangen habe, als dah er Befehle seiner Regierung üesolgre vnd
nicht zum Verräter an jeinem Vaterland werden wollis, vor
aller Welt feierltchst Einjpruch erhoben wiro. Wrr
erllären — so heiht es weiter in dem ProLest — dah keine Aus-
weijungen, Eeiüngnis-, Zuchthaus- oder TadLsstrrlen imstmee
waren uno sein werden, uns zu Reparationsleistungen zu zwmgen.
Würüe jlch ein Direktor dazu hergeven. einen sranzösischen
Befehl an jeine llntergeoenen weiterzugeden, so tönnie er
der Avleynung seitens aller Beamten und Arbeiter
sicherssin. Die Repaiationsieistungen lönnen unserer Ueber-
zeugung nach erft dann wieoer ausgenommen werüen, wenn in Ber-
yanolungen zw.jchen sämtlichen am Friedensvertrag bereiligt'.n
Nationen, an denen Deutschland alsgleichberechtigter
Staat teilzunehmen hat, das Mah dessen. was Deutjcklano zu
leisten imsiande ist, sejtgelegt wird. Zum sichtbaren Zcichen des
unverbrüchlichen Willens der Arbeiter- und Bsamteni-Hnft
üurchzuhatten in dem begonnonen Abwehrkampfe und ;um
Protejt gegsn d>e Verurteilung des von uns hochgeschätzten Direk-
iors Kellermann bejchloh der gesamte Betriebsrat, am Lamstuz,
den 16- Iuni, auf allen iZechen der Eutenhosfnungshiitte sie
Arbeit ruhen zu lassen.

Gemelne VerdäOü'gung der deuWen VoLe.

Paris, 17. Juni. Der „Temps" besprrcht die NoLe der deut -
jchen Regierung, die an die europäijchen Kabinette mrt Aus-
nadme derer von Lelgien und Franrreich gerichtet wurde. Man
dürse niemals derartige deutjche Ntitteilungen überjehen, sie jeien
manchmal dazu da. um ein Alibi zu sch-rsfen. (!) Elaube die
Leutsche Regierung, dah „jponiane" llnruhen sich im Ruyrgebiet
entwickeln tönnten uttd will ste jich vorbetzalten, alsdann die Per-
autwortung dafür den Franzosen in die -schuhe zu jchieben? Das
Biatt will dieje Mögttchteit aussprechen,. ader auch die Porrus-
jetzung zum Ausdruck vringen, dah vieueicht die deutjche Regierung
stw jchmeichle, jie könne e-ne englische Demarche in Paris provo-
zieren und einen englijchen Druck aus Francreich oeranlrjsen. Das
yalvamtliche Blatt br>ngt diese Möglichkeit mit dem heutigen
Artikel der „Sunday T>mes" in Vero>ndung, der Deutschland bei
diesem Llkanöver nur ermutigen könne.

Stauung im Telegrammverkehr.

Berlm, 16. Juni- Jnfolge des durch die Markentwertung r-er-
ursachten kebhasten Bank- und Börsenbetriebes und des Ausfalls
einer Reihe von wicht.gen Besörderungsmöglichkeiten infolge ües
Ruhreinbruchs ist der Telegrammverkehr in den letzten
Tagen jo stark a n g e s ch w o l l e n, dah er mit dem verfügvaren
Perjonal uno den Betrieosmitteln nicht üoerall ohne Verzögmung
abgewickelt werden lann. Wesentlich trägt dazu bei, Lah oiele Ab-
senver ihre Telegramnie in Lkengen bis zu vielen Taujenöen aus
emmal und er,t jpät in Ler Naihl aujtiejern, ..

sooo« Familsen LWöchMge im Anmarsch!

Von Harte, M. d. R.

Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartci hat am
Donnerslag abend in mehrstiinüiger Besprechung die Fragen dek
Osiniarlenjiedlung eingehenü behandelt und bejchlossen, ihre ganze
Kraft auch weiterhin zur Förderung der Ostmarlensiedlung ein-
zusetzcn. Die Preuhische Landtagssraktion war bei diesen Vsr-
handlungen vertreten uird wird sich in gleicher Richtung ebenfall»
weiterhin entschieden betätigcn. Den ostmärkischen Flüchtlingen
auch durch taikräftigste und energischste Forderung des Siedlungs-
werles ,zu helfen, Letrachten beide Fraktionen als ihre heiltge
nationalc Pflicht-

Polen macht ganze Arbeit in seincm nationalen Fanatismus
gegen alles, was deutsch ist. Wahllos werdsn in Polen alteings-
sessene deutsche Familien jeden Berufsstandes, insonderheit aber die
Ansiedler, von Haus und Hof gejagt und des Landes verwiesen.
Für Las Deulsche Reich, Lem alle diejc Unglücklichen naturgemäh
zuströmen, erwachsen riesengrohe Schwierigkeiten in bezug auf die
porläufige Unterbringung und die endliche Zurückfiihrung dieser Be-
drängtcn in ihre aUcm Berufe.

Wie entledigt sich tzun das Reich dieser Aufgabe? Jn einsr
Weise, die jede Jnitiatiire und jeden Woitblick vermissen läht. Man
pfercht die Flüchtlinge in Lüger, die über das ganze Reich verteilt
stnd, ein und verpflegt sie auf Kosten des Reiches. Weiter geschieht
im wesentlichen nichts für diese armen Opfer des verlorenen Krieges.
Dah die ent-setzlich traurigen Verhältnisse in den Lägern, in denen
Familie bei Famile, nur durch alte verstaubte, aus Schnüren auf-
gehängte Wolldecken getrennt, aus denkbar engstem Raum einschlieh-
lich der erwachsenen Iugend beiderlei Eeschlechts, untergebracht sinü,
aus Eitte. Moial und Eesundheit eine geradezu verni'chtende Wir-
kung haüen müssen, beLarf Lesondere Erwähnung nicht, zumal auch
noch die Lagerinsassen zu vottkommener Untütigkeit verurteilt sind.

Die vertriebenen Anstedler ist das Reich auf Grund vss
Friedensvertages verpflichtet, voll zu enlschädigen und ihnen neue
Siedlerstellen zu beschaffen. Rechtlich liegen die Dinge nun wohl so,
Lah für die Schadloshaltung und für die gesetzlichen Vorkehrungsn
zur Landbeschasfung das Reich auszukommen hat, den Ländern, in
erster Linie Preuhen, die Landhergabe unü die Wiederansetzung der
Flüchtlingssiedler obliegt.

Ich klage an, oah trotz Reichssiedlungsgesetz, das für Siede.
lungszwecke in jeiner ganzen Auswirkung m. W. insgesamt 3,5 Mill.
Hektar zur Versügung stellt, weder das Reich. der Reichstag, die
Länder elwas wesentlich Durchgreifendes für diest Flüchtlingsjiedler
getan haben unü Laourch die Not dieser „ehemaligen Pioniere" der
Ostmc-rt bis fast zur llnertrüglichkeit gesteigert, ihre Wiederansetzung
immer mehr erschwert haben-

Als endlich im Mürz d- I. die Parteien der Arüeitsgemeinschaft
unter Führung der Deutjchen Volkspartei und der Deutsch-Lemo-
kratischen Partei die Jnitiative zur Schafsung Les Flächenjieselungs-
gesetzcs, Las im Rahmen des Reichssiedlun-gsqesetzes für 1923 üie üe-
schleunigte Beschaffung von 40 000 Hektar Kulturland in möglichst
ganzcn Gütern und möglichst mit sorstlicher Nutzfläche. event. auch-
durch das Mittel der Enteignung vorjieht, ergriff, da tratc-n Wider-
stänLe von tiefbedauerlicher Schärfe aus oen zur Landabgabe ver-
pflichtetcn Kreisen bezw. aus oer diese Kreise angeblich vertretenoen
Partei, der deutjchnationaien, zutage, Lie trotz der immer und immer
sich wiederholenLen Jerjicherung Ler Vertreter dieser Partei sowohl
bei den Verhandlungen im 13. Ausschuh als auch im Plenum des
Reichstages, Lah ihnen das Leiü und Lie Notlage dieser armeir
Fluchtlinge sehr nahe gche, oen xeinlichen Eindruck nicht verwischen
lomtten. dah unter den verschieüensten vorgebrachten Vorwünürn
sich in Wirktichkeit ein wenig »uter Wille zur Lcmdabgaüe zu ver-
bergen sucht. „W a s ch- m i r ü e n P e l z, m a ch' m i ch n i ch t n a h!"
llnter kemen llmstänien dürse üie Proouktion, oiese für die Ernäh-
rung so ungeheuer wichtige Frage, üurch öie Siedeiung gefährdet
werden. Dabei sagt das Reichssteselungsgesetz ausdriicklich, Lah in
erjier Linie nur ichlecht bewirrschaftete Euier enteignet werüen
sollen, und cs ist eine erwiejene Tatsache, dah bei solchen Eütern
dic Erträge durch die Siedelung in kürzester Zeit ganz wesentlich
sowohl beim Eetreide als auch ganz besonders Lei der Viehwirr-
schaft gesteigert werden komtten. Das ergi»L auch der Bericht ües
preuhischen Landwirtschaftsministers beim Landwirischaftsrat in
diesem Iahre. Es ist übrigens eine nicht zu bestreitende Tatsache,
dah die Höhe des Ertrages je Flächeninhalt üurchaus nicht von der
Eröhe ües Betriebes aohüngt, sondern von der Jntelligenz und Tüch-
tigkeit des Betriebsleiters.

Vin wsitere-r, abisolut nicht stichhaltiger Einwand ist die Be.
Hauptung, durch die Enteignungsgesahr werde Unruhe in die gesamte
Eroht-andwirtischaft hineingetragen. Das Reichssteolungsgesttz Le-
stimmt, datz evtl. zu enreignen jlno: Güter, die jchlecht Lewirischaftet
wer-den, walzende Güter, Teile vom Latlsunl>ienbesitz, Gllter, oeren
Be-sitzer Nichtlandwirt ist. E.genmm ist heilig. Bei aller Ansr-
kennung dies-es Satzes Larf docb gesagt werdcu, dah iu Zen-en dsr
Not sich dis Perhä»»>s,« ost gewa-ltsam umkehren. War n-icht «uch
das Ei-gentum r«r Mttlionen des Mittelstanoes, der Neniner usw.
e.n geheiligter Begrisf? Wo ist es geblie>.en? Auf den Altar drs
Vaieriandes ist es in ungezählt-en Fällen r-ejtlos geopfert.

Wenn nun Vas Reich auf Erunü des Fried-ensvertragss ver-
pflichtet ist, den vertriebenen Anstedlern wieder Lanü zurückzugeben,
so lann es eas ooch nur auf Lem Wege, aus eigenem Besitz uno aus
priv-atem Besttz L-ie benotigten Flächen zur Verjügung zu stellen.
An jich ist ja Preuhen sii-r die Lan'hheslHafsung ha-stvar und ich bin
-durchaus für die Hergade -des Domänenlauoes soweit, als nicht seins
Kredit-fäh.g.eit sür o-ie Ausnayme von Anleihen durch die Veräuhe-
rung von Domünenlan-ü geiährdet wir-ü. Ohn-e Erwerb auch von
Pr.-vatbesitz wiro ader woyl Ler riesipe Be-üars an S-iedelunvsland
nicht zu besri-edigen jein, auch deswegen nicht, weil m. E. -die Sie-de-
lung in unjeren national jo furchtdar geführoetcn o-stl.chen Prov-inzen
jich vorzugsweise vollz.ehen muh. Noch nie war derOsteli
unseres Vaterlanoes von 0er Eesahr der Ueber-
flutung Lurch das Slawentum so gesährdet als in
-dieser Zeit der vollen-üeten deutjchen Ohnmacht,
Nur d-nrch einen Wall L-eutschen Bauerntu-ms kann dicse Gefahr viel-
leicht noch beschworen w-erüen. Das Schicksal der verLorenen Ostmark
sollte uns Warnung genug sein, alle Bedenlen, Gefähvdung des
Eigentums-begr>s-fs. Eeiähro-ung der Produktion u. a. m. vor dieser
ungeheuren nationalen Eesahr zu-rückzustellen. Lsgehtum den
Rest oesöeutscheu Ostens, um nicht mehr unb nicht
 
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