66. Zahrgang - Vr. 24
Tie »Dadlsche Poft' crschrint täglich lauch Sottntagr) vormittags, olso siebenmal
wöchentlich llnd losiet srei inoHaus »ugestellt monatlich 1S60 Mk, durch die Post
^o natlich 1A0 Ml. znzüglich 10-50 M!. Bestell<e d. Einzelnummer 60 Mk.
Heidelverger Zeitung
(Gegründet 1858)
und
Handelsblatt
Son»erM, 2S. Zanllgr 192Z
Anzeigenpreis: die LS mm breite Nonpareillezeile «0 Mk . Jomilien-, Bcreins-
und Klrtne Anzetqrn nach besonverem Tarif. Reklamen: die 98 mm brcite Nonparcille-
eil« 200 Mk. Bei Wiederbolungen und Zeilenanschlüssen tariflicher NachlaS.
^»antworclich sür den gesamten textltchen T-il Ad»Is Kiinmtg in Heive.berg. rlernrui d:r Nedakiion: Äeideloerg 83.
«vrechsrunde der Cchrlsilritung vorin. 11-12 Uhr. Berliner Bertretnng: Berlin 8VV 48. Zimm-rstrab- Nr. 8.
^vernruf Smt Äenlrum Nr. 416. MüriSener Bertretnng: Münchcn, G.'orgcnstrage Nr. 107. Fernruf Nr. 81887.
ssür Anz igen, Reklamen »nd geschästlich« Beilagen verantwortlich Atfres Schmitz in H:ide-berg. Fernruf 83
Berlag: Heidelberger BerlagSanstalt und Drnckerei <S. b. ». H Hetdelberg, HauptstraSe LS.—
Postscheckkonto «arlsruhe Nr. 18808. — Druck von I. G. Holtzwari» Machf, w. m. b. H., Franlsurt am Mal»
Tir AbschMüng drs Ruhrgebietö.
Frankreichs Ziele.
Eigene Drahtmeldung-
Essen, 24. Ianuccr.
^ Dffenkar bereiten die Franzofen schon die Zollinie vor, die
«as gesamte RuhrgeLiet gezogen wsrden foll. Es finden grötzcre
^uigruppierungen der Truppen statt. Die Truppen werden aus den
^^en gezogen. Jn Dortmund hat der Abtransport der Truppen
gezogen.
Legonnen. Das Militär soll offcnLar dazu dienen, die Grenze
^ , Nuhrgebiets in ihrem ganzen Umfang zu besetjen, um so die
tz^Mührung dex Zollinie anzubahnen. Voraussichtlich wird es,
M die Franzosen die Truppen mit der Eisenbahn abtransporticren
^ollen. ' " ' .
Ae:
zu einem allgemeinen EisenbahNerstreik kommen.
its am Mittwoch zeigte der Verkehr auf mehreren Strecken in-
^sge Streiks des Personals auf den Bahnhöfen von Duisburg-
^lderich. Ruhrort und Oberhausen große Unregelmäßigkeiten. Ein
; °"uch der Franzosen, den EisenLahnverkehr mit französischen Bcam-
v^..und Soldaten durchzuführen, ist aussichtslos, da das Verkehrs-
^ mnde in seiner feinen Verästelnng zu umsangrcich ist, als datz es
^ ein xaar hereingeschneiten Technikern und Beamten bewältigt
^blden könnte. Nach Meldungen französischer Blätter ist mit dem.
2, igcbot neuer Truppen zu rechnen. So berichtet „Oeuvre" von der
E^mmmenziehung großer Kontingente von Eisenbahnbeam-
in Lille. Bcreits Mittwoch vormittag werde die erste Rotte
»?transxortiert. Die zweite Äbteilung, der auch Stationsvor-
e r angchören, soll schon nachmittags Uhr die Stadt ver-
Eleiche Meldungen liegen aus anderen Städten, wie Lor-
Ent und Etienne vor. Es scheint lllso, daß eine vollkommene
^Sanisation zum Betriebe der Eisenbahn im Ruhrgebiet geschaffen
^den soll. Nach einer Meldung aus Lyon sind drei Flug-
? g eschwader für das Ruhrgebiet Lereitgestellt und sollen
">°rt abgehen.
^ Nach einer Drahtung unseres Parifer H.-Korrespon-
»,7,N t e n bereitet die sranzösischie Regierung auherdem die Einsehun'g
^nes Oberkommissars in der Person des Eeneralstabschefs von Foch,
*Neral Weygand, vor. Datz
tatsächlich di« Ersolge der Ruhrbesetzmrg bioher gleich Null
?Nr«n, gibt Pertinax jetzt offen zu. Ceine Feststellung der bis-
^igen Mitzerfolge hat aber nur den Zweck, weitere Zwangs-
?ntznahmen zu forüern. Pertinax stellt fest, dah die Ableiiung
tzk* Kohlenzüg« und Kohlenkähne keinen Erfolg hatte. Man müsse
^?raus verzichten, um schwere Verkehrsstörungen zu vermeiden. Auch
Beschlagnahme dec Staatsbergwerke wäre wegen des dann
!?"henden Streiks der Arbeiter zwecklos. Man habe neue Voroersi-
getroffen, die Truppen seien umgruppiert worden, die Er-
^hrung organisiert und die Ausgabe einer neuen Währung vor-
l^^itet. Besonderen Aerger bereitet den französischen Politikrrn
^ öaltung der Enqländer in der Kölncr Zone, die sich weigerten,
Franzosen zur Durchführung der geplanten Matznahmen ihre
»^Uppen zur Verfiigung zu stellen. Einen weiteren Erund iür die
^ig günstigen Erfolge des Ruhrfeldzuges sucht man in den Mei-
w^sverschiedenheiten zwischen dem Eeneral Degoutte und dcm
h^'seralberqwerksinspeltor Coste. Diese Schwierigkeiten künmen
hM die Ernennung des Eenerals Weygand zum Okerkommüsar
^ieitigt werden. Nach Erkundigungen. die Marcel Hutin vom ..E:ho
vn Varis" bei höheren französtschen Offizieren einzog, wird mit Srei
K?ch«n gerechnet, bis die durch die Reichsregierung geschafsenen
tsswerstäude beseitigt sind. Die Militarisierung der Eifenbahaer sti
I»! Äusficht genommen. Hunderle von französifchen EisenLahnern
beveita ouf dem
^ Kohlensendungen nach Deutschland unterdrückt, die Ausfuhr von
^Nismitteln und anderen Dingen nicht mehr gestattet werden.
,"sher soll ein kategorisches Ultimatum an die Reichr-
E'erung gerichtet werdcn, in dem Frankreich die Erfüllung der
i O-Parationsverpslichtungen fordern wird. Das „Echo de Paris",
diesen Plan glaubt mitteilen zu können, mernt, Deutschland
j nachgeben. doch erst dann, wsnn Frankreich ermüdet und be-
jtzs^higt wäre. Frankreich habe allerdings jetzt im Ruhrgebiet
s-^yder, sie seien aber nicht ausreichend. Im Nheinlande wärcn
jv?.diele preutzifchen Beamten, die nur Ungelegsnhciten
i ürsachten. Die Eelegenheit sei günstig, stch ihrer zu entledigea.
.»Daily Mail" will wisien datz die französtsche Ruhrbesegung
d>!..'Sstens sechs Monaie, wahrscheinlich aber zwei Iahre dauern
z»?Auch Philipp Millet erklärt im „Petit Parisien", die Ruhr-
»,i^>ung werde stch solang« hinziehen, bis das von Franlre.ch vor-
AMagrne Moratorium abgelaufen fei. Alle Vermittlungsversuche
^drn von dr» französtschen Rsgierung abgewiefen werden, da die
! s^letzung des Ruhrgebietes nunmehr die Erundlage der
"yzösischenPolitik geworden sei.
Der ^xemps" hat die Stirn, zu erklären, datz
8rankreich bei der Ruhrbesetznng keinerlei Abficht verfolgte,
. sondern nur seine Schnld eintreiben wollte.
iDeutschland habe der Ruhrbesetzung sofort den Charakter
ge->°l. politischen Konfliktcs zwischen Franlreich und Deu schland
^»even, alles getan, was von ihm abhänge, nm die Zahlung der
ioke» ^Eionen zu verhindern, um das deutschc Volk gegen vie Fran-
. . „ - von
bereits auf dem Wege nach Essen.
Da» Rnhrgebiet soll in de» «äch'te» drei Täge» oollstSndkg
omzingelt werdea,
wieder zu beginnen, sobald es dies könne. Jnfolgedcfirn könate
°er französtschen Negierung die blsherigen Matznahmen nicht
stb->» und auch nicht die eventuell noch erforderlich werdenden,
D»,,i."Elche man aber einstweilen noch n-chts sagen lönne. Als neues
Seb1.?""el schlägt der „Temps" n e u e S t e u e r g e s e tz e im Ruhr-
«rviet vor. Die Gchälter der Angestellten sollten ger nger besteuert
h»?„n als dies bisher geschah, dagegen sollien die 'ndustrlellen in
Matze herangezogen werden. — Die Abstcht dieses Vorschlags
' "^kurljch klar: man will stch bei den Soz aldemokra en ein-
Niercheln, um " "- -
Willen der deutschen Arbeiterschaft werden diese und ähnliche Mätzchen
nichts ändern können.
Vie SchreckrnHmftSast am Rhein.
Weiter« Verhaftungen.
Eigene Drahtmeldung-
Mainz, 24. Ianuar.
Die Franzosen und Velgier setzen die rechtswidrigen Verhaftun-
gen im Rheinland und im Ruhrgediet sort. So wurde in Speyer
auch der Stellvertreter des erst Dienstag ausgewiesenen Regierungs-
präjidenten der Layerischen Psalz, RegierungsdirektorM atthe urs,
am glei'chen ALend verhaftet. Ferner wurds der Leiter des Finanz-
amtes in Zell an der Mosel, Regierungsrat Dr. Neuerburg,
von der französischen Mililärbshörde festgenommen und nach Kreuz-
nach geschleppt. Der Reichskommissar fur die besetzten Nhsinlande
hat der Reichsregierung ernen Protest gegen die Verhaftung und die
Auswersung von Veamten und deren Familien übsrreicht. Der
Präsident des Landesfinanzamtes in Köln, Hähling von
Lanzenauer, Lber dessen Vcrhaftung wir bereits eingehend
berichteten, ist Dienstag aLend von Bönn aus in Vegleitung
eines sranzüsischen Gendarmerie - Ofsiziers und französischer
Untsroffiziere nach Mainz gebracht worden. Auch rn
Wiesbaden gehen die Schikanen gegen L:e neuen deutschen Be-
amten fort. Dsr OLerrcgierungsrat von Wedel. der am Diens-
tag die Amtsgsschäfte des Regierungspräsidenten übernommen hatte,
!st ausgewiesen worden. Damrt haben di« Franzosen sert dcr
Ausweisung des Präsidenten Mumm den vierten Verwalter dieses
Amtes beseitigt. Ferner erschren Dienstag vvrmrtiag im Hauie der
Forstabteilung der Regierung der srühere kaiserlich deursche Ober-
förster Lunot nnd verlangte als Beauftragter der Rheialand-
kommission die ilebergabe eines Dienstziminers. Der
Obersorstmeister lehnte dies ab. worauf sein Zrmmer bcschlag.
nahmt wurde. Da auch die Hergabe der Akten abgelehnt wurde,
wurden sämtliche Akten für bcschlagnahmt erklört. Das Ssbiiud«
wird seitdem durch Gendarmerieposten bewacht.
Nach einer Drahtung unserer MLnchener Redaktion
hat das Layerische Staatsminiflerium der Finanzen in Anlehnnng
an die einschlägigen Verordnungen der Reichsregierung und dcr
bayerischen Staatsregierung an die Behörden der Finanz- und
Forstverwaltung in dcr Pfalz Weisung ergehen lass- n, dcn
Anordnungen der Vesatzungsbehörde keine Folge zu 'eistsn,
sondern sich wie bisher ausschlietzlich an die Anordnungen der
zuständigen Vorgesetztenstellen zu halten. Ferner hat der Staats-
minister der Finanzen dem Negierungsdirektor Morgens von
Speyer für seine mannhafte und unerschüiterlicht
Haltung gegenüber den Eingrisfen der französtschen Besatzungs-
behörde namens der Staatsregierung dievollste Anerkennuna
und zugleich d!e aufrichtigste Teilnahme ausgesprochen anlätzi'.ch
seiner widerrechtlichen Derhaftung, Amtsentsetzung und Ausweisunz
aus der Pfalz, wslch letziere von der französischen Willkür aucki auf
die Famitie des wackeren Beamten erstreckt wurde. Dem ausgeiois-
sensn Regierungspräsidenten der Pfalz, von Chlingensperg,
wird Lei selnem Eintreffen in München Mittwoch nacht durch die
Regierung und vaterländische Verbände ein ehrender Emp.
fang am Hauptbahnhof bereitet werden.
Mffolin! Wer bie Mhrattion.
Keine Teilnahme Jtaliens a« militSrischen Matznahme«.
Rom, 24. Ianuar.
Jn einer Rede vor dem Ministerrat über die Lage im Ruhr-
revier erwähnte Mussolini, dah italienifche Ingeni-
eure allein zu dem Zweck ins Ruhrgcbiet entsandt wurden, um an
den wirtschaftlichen Kontrollmahnahmen teilzuneh-
men. Sie hätten Befehl erhalten, ihre Mitarbeit auf Matznahmen
technischen Charakters zu beschrSnken und stch der Teilnahme an
Beschlüssen zu enthalten, die Zwangsmatznahmen politischen
Tharakters einschlöfien. Mufiolini erklärte, die italienische Regie-
rung habe s!ch der Kontrolle Lber.die Zölle und Forsten angeschlofien,
weil diess sich unter den von der italienischen Denkschrift als Pfand
für die Eewährung eines Moratoriums vorgefehenen Matznahmen
befunden haben. Die italienifche Regierung habe aber bei Frankreich
wegen der Ziele und der Bedcutung seines Vorgehens angefragt.
Frankreich habe geaniwortet, datz die Besetzung des Ruhrgebietes
keinen militärischen Charakter habe, sondern nur dem
Schutze der ins Ruhrgebiet entsandten, sehr zahlreichen sranzöstschen
Ingenieure diene. Weiter teilte Mufiolini mit, der italienische De /
gierte der Rheinlandkommission habe den Auftrag erhalten. an den
Beratungen teilzunehmen, die wirischaftlichen oder finanziellen Cha-
rakter hätten, sich aber der Teilnahme an den Dera-
tungen politischen Charaktcrs zu enthalten. Zu
den Nachrichten über
eine italieuische Bermittlung,
die zu einer direktsn italienisch-englischen Jntervsntion in Berlin und
Paris hätte siihren können, erklärte Mufiolini, datz ein regel-
rcchtes Vermittlungsangebot nicht bestehe und auch nich! hätte
gemacht werden können, ohne im voraus die Sicherheit zu Laüen,
dah das Angebot günstig aukgenommen werde. I'ali:n wolle stch
keinem Miherfolg aussetzen. Tatsache sei jedoch, datz de ilali nische
Regierung es niemals unterlafien habe. d!e deu 'che Reg-erung auf
die Eefährl'chkeit der Sackgaffs a ifmerksam zu mcichen, in die st' ge-
raten sei. Auf der anderen Se-te habe die italienische R gie ung in
freundscha'tstchsr W.'ise d:c französtsch: Regierung c-uf d e Derwick-
lungen politischer- soz'alcr und wirtschastl ch>: Trt hingcwies n. die
die Ruhrbesetzung mit sich br ngen kcnne. Un er dieen Umstäuden
könne die italienische Regisrunz zurzeit ihre Haltungnicht
ändern, da ircendeine Ecste Jtali ns kein-n W chsel in die allg;-
meine Lage bringcn und Lie ita ienischr Regierung auch keiinn ent-
scheidenden Einfluh auf den Enischlutz Ler am meisten in'erefiierten
Regierungen habcn wllrde. Rach Ausfassung der italien schen Regie-
rung sei die Lage im Ruhrgebiet nochnicht auf einem to.en Punkt
angekommen, in wilchem Fall all in sich die Hö : nz noiwend>g machen
i^Veln um ste sür Frankreich zu gewinnen und sie dann ge->en I würde. In diesem Falle werde oielleicht die Arbeit dcr italienijche»
wrotzindustriellen benutzen zu können.. An dem gejchlossenen - Regierung einen Einslutz aus die Löjung »usüben können.
Saar «nd Auhr.
Noch nie seit dem denkwürdigen Iahre 1914 gingen im Eaar-
gebiet die Mogen patriotischer Erregung so hoch wie in den Tagen,
da unserem Vaterlande von dem französischen Bedrücker neue Schmach
und tiefe Demütigung zugefügt wird. Wie klatschende Eeihelhiebe
empfindet man an der Saar das, was den deutschen Brüdern an der
Ruhr an Eewalt angetan wird. Nirgends auch im ganzen deutschen
Reiche hat man tieseres Verständnis für die Folgen des unerhörten
Ueberfalles mitten im tiefsten Frieden, der das Nnhrgebiet dem
gleichen Schickfal überantworten soll, das unter der heuchlerischen
Maske eines Völkerbunvsmandatars des französischen Militarismus
und Imperialismus jetzt bereits im fünften Jahre dem Saargebiet
bereitet. Das Mitgefühl für die Brüder an der Ruhr lommt daher
Lberaus lebhaft zum Ausdruck. Unter den ersten Protestkundgebungcn
gegen den französtsch-belgischcn Raubzug fanden sich Entschlietzungen
Ler Stadtverordnetenversammlungen von Saarbrücken und Neun-
kirchen, den beiden grotzen Städten des Saargebicles, die in ein-
mlltigem Beschlutz ihre flammende Entrüstung kundgaben obdesneusten
gallischeu Siegerübermutes. Den Städten schlofien sich die politischen
Parteien mit alleiniger Ausnahme der Kommunisten, die auch
hier ihre vaterlandslose Eesin'nung offen zum Ausdruck
Lringen zu mllfien glaubten, und ausdrücklich die Fraktionen de»
Landcsrates zu ebenso freimütigem wie entschiedenem Einspruch an.
Jn ersreulicher Uebereinstimmung führt die Prefie des Caar-
gebietes den Kamps gegen Unterdrückung und Naubgier. eingedenk
dsr tiesen und schmerzlichen Wunden. die das „edle" Frankreich der
engeren Heimat in der Leidenszeit seit Ler Revolution bereitet hat.
In Aufsätzen, die den Geist glühender Vaterlandsliebe atmen. hält
si« Tag für Tag den Unterdriickern ihr Sündenregister vor und weist
sie auf die Folgen hin, die ihr Tun heraufbeschwören mutz. Voller
Jngrimm stehen die welfchen Zwingherrn dabei nnd finnen, wie st«
die lästigen' Mahner zum Schweigen bringen könnten. die Loch den
Willen und d!e Denkart der gesamten Saarbevölkerung
mit ihrer entschiedenen Kampfansage zum Ausdruck bringen. Datz
man in den Kreisen der französischen Eewaltmenschen nicht daran
denkt. die Wahrheit auf die Dauer geduldig hinzunehmen, wissen
deren tapsere Verkünder sehr wohl, ste wifien auch, dah ihnen schwere
Vergeltung angedroht ist.
Es geht in Saarbrücken von Mund zn Mund. datz der fran«
zöfifche Major Richert. der als Leiter der sranzösifchen Propa«
ganda im Saargebiet die Negierungslommission an der Stripp«
führt, den Ausspruch getan hat, Frankreich warte nur auf emen
Anlatz.umdasSaargebietseineganzeRachefuhlen
zu lassen. Eine gründliche Säuberung, sür die die Proskriptions-
liste seit Iahr und Tag bereit liegt, soll dann das Saargebiet von
allen Widersachern der welfchen Anncxionspolitik für immer Lefreien.
Wozu hätte man denn das französtsche Miliiär wider Recht und Ver-
trag im Lande Lelafien, wenn man sich seiner bei Gelegenheit nicht
zu rertrags- und rechtswidrigen Zwecken bodienen sollte'? So joll es
auch diesmal den Zweck erfüllen. nachdem ihm diktatorische Eewalt
übertragen worden ist, nämlich in dem Falle, den man inn.gst herbei-
sednt, di« Säuberungsaktion zu vollziehen, zu der die Regierungs-
kommifsion stch selbst den Wea verlegt hat, als sie den wunderbare«
Begriff der ..SaareinwohnerchEigenschaft erfand. Es ist alfo ein
Spiel mit getrennten Rollen beabsichtigt, zu dem dann der allzelt
willrge Völkerbund seinen Segen zu geben braucht, woran nicht zu
zweifeln ist.
Obwohl das Volk an d«r Saar diefe Pläne und Absichten der
franwsischen Machthaber genau kennt, läht es sich nicht an seiner
Pslicht gegen das deutfche Vaterland und die fchwer bedrängten
Volksgenofien an der Ruhr irre machen: Der halbstündige
Proteststreik ist zum festgesetzten Zeitpunkt im Saargebiet im
Sinne der Urheber-Kundgebung streng durchgeführt worden.
Es war ein erhebendes Schaufpiel, wie in den grotzen Städten und
grotzen Industrieorten des Caargebietes. die sich in vaterländischem
Eifer den Rang abzulaufen fuchten, mit dem Elockenfchlage elf alle
RSder stille standen und die arLeitend« Vevölkerung zu
feierlicher Abwehrkundgebung die Stratzen bevölkerte.
In Saarbrücken entsefielte die Begeisterung unter der gewaltigen
Menschenmenge, die sich am Hauptvorkehrspunkte der Stadt zu«
sammengefunden hatte, eine spontane Kundgebung, bei der vater-
ländifche Lieder, wie „O Deutfchland hoch in Ehrcn". „Deutfchland,
Deutfchland über alles" „O du wunderfchöner deutfcher Rhein" nnd
natürlich auch die „Wacht am Rhein" aus TausenLen von Keblen
die Stratzen durchbrausten. Eine berittene Schutzmannskavalkade
und stahlbehelmte Patrouillen konnten die heilige Begeisterung nicht
niederhalten. di« für provozierende Regierungsaut.omobile und
sranzösische Patrauillcn wenig angenehme Folgen zeitigte, Die
Regierungskommission, der die wahrhast erhebende Kundgebung
wieder einmal cine Reih« Bolemkinfcher Dörser übcr den Haufen
geblafen hat, wutzte ihrem ohnmächtigen Zorn nicht anders Lust zu
machen, als datz sie zunächst ein allgemeines Versamm-
lungsverbot erlieh, nicht etwa durch öffentliche Bekanntgabe,
bewahre — sondern telephonisch, das auf das strengste gehandhabt
wird. Das ist der erste Streich.
Der Samvorner Bord vor dem WegsgerW.
Aachen, 2Z. Ianuar. Am Dienstag hat im Aachcner Schwur-
gerichtssaal ror dem Kriegsgericht der belgischen Besatzimzs-
armee die Vcrhandlung gegen acht Angehörige der grüncn Schutz-
polizei n Hamborn begonnen, die der Ermordung des belgischen
Leutnants Erasf befchuldigt werden. Der Zuhörerraum war dicht
gefüllt. Die Angeklagten, die sich mit Ausnahme der Wirtin in
Untersuchungshaft befinden, wurden gefesselt in den Saak ge-
führt- Für die Verhandlung sind fünf Tage vorgesehcn und 23
Zeugen geladen. Nach Vsrlssung der umsangreichen, in sranzösischer
Sprache abgcfatzten Anklageschrist schritt das Eericht zu der Vcr-
nehmung der Angeklagtcn. die ihre in der Doruntcrsuchung ge-
machten Eeständnisse zurücknahmen mit der Begründung,
datz sts unter moralischem Zwang gehandelt hätten: ste stell-
ten jede Beteiligung an dcm Mord in ALrede.
Tie »Dadlsche Poft' crschrint täglich lauch Sottntagr) vormittags, olso siebenmal
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^o natlich 1A0 Ml. znzüglich 10-50 M!. Bestell<e d. Einzelnummer 60 Mk.
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und Klrtne Anzetqrn nach besonverem Tarif. Reklamen: die 98 mm brcite Nonparcille-
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^»antworclich sür den gesamten textltchen T-il Ad»Is Kiinmtg in Heive.berg. rlernrui d:r Nedakiion: Äeideloerg 83.
«vrechsrunde der Cchrlsilritung vorin. 11-12 Uhr. Berliner Bertretnng: Berlin 8VV 48. Zimm-rstrab- Nr. 8.
^vernruf Smt Äenlrum Nr. 416. MüriSener Bertretnng: Münchcn, G.'orgcnstrage Nr. 107. Fernruf Nr. 81887.
ssür Anz igen, Reklamen »nd geschästlich« Beilagen verantwortlich Atfres Schmitz in H:ide-berg. Fernruf 83
Berlag: Heidelberger BerlagSanstalt und Drnckerei <S. b. ». H Hetdelberg, HauptstraSe LS.—
Postscheckkonto «arlsruhe Nr. 18808. — Druck von I. G. Holtzwari» Machf, w. m. b. H., Franlsurt am Mal»
Tir AbschMüng drs Ruhrgebietö.
Frankreichs Ziele.
Eigene Drahtmeldung-
Essen, 24. Ianuccr.
^ Dffenkar bereiten die Franzofen schon die Zollinie vor, die
«as gesamte RuhrgeLiet gezogen wsrden foll. Es finden grötzcre
^uigruppierungen der Truppen statt. Die Truppen werden aus den
^^en gezogen. Jn Dortmund hat der Abtransport der Truppen
gezogen.
Legonnen. Das Militär soll offcnLar dazu dienen, die Grenze
^ , Nuhrgebiets in ihrem ganzen Umfang zu besetjen, um so die
tz^Mührung dex Zollinie anzubahnen. Voraussichtlich wird es,
M die Franzosen die Truppen mit der Eisenbahn abtransporticren
^ollen. ' " ' .
Ae:
zu einem allgemeinen EisenbahNerstreik kommen.
its am Mittwoch zeigte der Verkehr auf mehreren Strecken in-
^sge Streiks des Personals auf den Bahnhöfen von Duisburg-
^lderich. Ruhrort und Oberhausen große Unregelmäßigkeiten. Ein
; °"uch der Franzosen, den EisenLahnverkehr mit französischen Bcam-
v^..und Soldaten durchzuführen, ist aussichtslos, da das Verkehrs-
^ mnde in seiner feinen Verästelnng zu umsangrcich ist, als datz es
^ ein xaar hereingeschneiten Technikern und Beamten bewältigt
^blden könnte. Nach Meldungen französischer Blätter ist mit dem.
2, igcbot neuer Truppen zu rechnen. So berichtet „Oeuvre" von der
E^mmmenziehung großer Kontingente von Eisenbahnbeam-
in Lille. Bcreits Mittwoch vormittag werde die erste Rotte
»?transxortiert. Die zweite Äbteilung, der auch Stationsvor-
e r angchören, soll schon nachmittags Uhr die Stadt ver-
Eleiche Meldungen liegen aus anderen Städten, wie Lor-
Ent und Etienne vor. Es scheint lllso, daß eine vollkommene
^Sanisation zum Betriebe der Eisenbahn im Ruhrgebiet geschaffen
^den soll. Nach einer Meldung aus Lyon sind drei Flug-
? g eschwader für das Ruhrgebiet Lereitgestellt und sollen
">°rt abgehen.
^ Nach einer Drahtung unseres Parifer H.-Korrespon-
»,7,N t e n bereitet die sranzösischie Regierung auherdem die Einsehun'g
^nes Oberkommissars in der Person des Eeneralstabschefs von Foch,
*Neral Weygand, vor. Datz
tatsächlich di« Ersolge der Ruhrbesetzmrg bioher gleich Null
?Nr«n, gibt Pertinax jetzt offen zu. Ceine Feststellung der bis-
^igen Mitzerfolge hat aber nur den Zweck, weitere Zwangs-
?ntznahmen zu forüern. Pertinax stellt fest, dah die Ableiiung
tzk* Kohlenzüg« und Kohlenkähne keinen Erfolg hatte. Man müsse
^?raus verzichten, um schwere Verkehrsstörungen zu vermeiden. Auch
Beschlagnahme dec Staatsbergwerke wäre wegen des dann
!?"henden Streiks der Arbeiter zwecklos. Man habe neue Voroersi-
getroffen, die Truppen seien umgruppiert worden, die Er-
^hrung organisiert und die Ausgabe einer neuen Währung vor-
l^^itet. Besonderen Aerger bereitet den französischen Politikrrn
^ öaltung der Enqländer in der Kölncr Zone, die sich weigerten,
Franzosen zur Durchführung der geplanten Matznahmen ihre
»^Uppen zur Verfiigung zu stellen. Einen weiteren Erund iür die
^ig günstigen Erfolge des Ruhrfeldzuges sucht man in den Mei-
w^sverschiedenheiten zwischen dem Eeneral Degoutte und dcm
h^'seralberqwerksinspeltor Coste. Diese Schwierigkeiten künmen
hM die Ernennung des Eenerals Weygand zum Okerkommüsar
^ieitigt werden. Nach Erkundigungen. die Marcel Hutin vom ..E:ho
vn Varis" bei höheren französtschen Offizieren einzog, wird mit Srei
K?ch«n gerechnet, bis die durch die Reichsregierung geschafsenen
tsswerstäude beseitigt sind. Die Militarisierung der Eifenbahaer sti
I»! Äusficht genommen. Hunderle von französifchen EisenLahnern
beveita ouf dem
^ Kohlensendungen nach Deutschland unterdrückt, die Ausfuhr von
^Nismitteln und anderen Dingen nicht mehr gestattet werden.
,"sher soll ein kategorisches Ultimatum an die Reichr-
E'erung gerichtet werdcn, in dem Frankreich die Erfüllung der
i O-Parationsverpslichtungen fordern wird. Das „Echo de Paris",
diesen Plan glaubt mitteilen zu können, mernt, Deutschland
j nachgeben. doch erst dann, wsnn Frankreich ermüdet und be-
jtzs^higt wäre. Frankreich habe allerdings jetzt im Ruhrgebiet
s-^yder, sie seien aber nicht ausreichend. Im Nheinlande wärcn
jv?.diele preutzifchen Beamten, die nur Ungelegsnhciten
i ürsachten. Die Eelegenheit sei günstig, stch ihrer zu entledigea.
.»Daily Mail" will wisien datz die französtsche Ruhrbesegung
d>!..'Sstens sechs Monaie, wahrscheinlich aber zwei Iahre dauern
z»?Auch Philipp Millet erklärt im „Petit Parisien", die Ruhr-
»,i^>ung werde stch solang« hinziehen, bis das von Franlre.ch vor-
AMagrne Moratorium abgelaufen fei. Alle Vermittlungsversuche
^drn von dr» französtschen Rsgierung abgewiefen werden, da die
! s^letzung des Ruhrgebietes nunmehr die Erundlage der
"yzösischenPolitik geworden sei.
Der ^xemps" hat die Stirn, zu erklären, datz
8rankreich bei der Ruhrbesetznng keinerlei Abficht verfolgte,
. sondern nur seine Schnld eintreiben wollte.
iDeutschland habe der Ruhrbesetzung sofort den Charakter
ge->°l. politischen Konfliktcs zwischen Franlreich und Deu schland
^»even, alles getan, was von ihm abhänge, nm die Zahlung der
ioke» ^Eionen zu verhindern, um das deutschc Volk gegen vie Fran-
. . „ - von
bereits auf dem Wege nach Essen.
Da» Rnhrgebiet soll in de» «äch'te» drei Täge» oollstSndkg
omzingelt werdea,
wieder zu beginnen, sobald es dies könne. Jnfolgedcfirn könate
°er französtschen Negierung die blsherigen Matznahmen nicht
stb->» und auch nicht die eventuell noch erforderlich werdenden,
D»,,i."Elche man aber einstweilen noch n-chts sagen lönne. Als neues
Seb1.?""el schlägt der „Temps" n e u e S t e u e r g e s e tz e im Ruhr-
«rviet vor. Die Gchälter der Angestellten sollten ger nger besteuert
h»?„n als dies bisher geschah, dagegen sollien die 'ndustrlellen in
Matze herangezogen werden. — Die Abstcht dieses Vorschlags
' "^kurljch klar: man will stch bei den Soz aldemokra en ein-
Niercheln, um " "- -
Willen der deutschen Arbeiterschaft werden diese und ähnliche Mätzchen
nichts ändern können.
Vie SchreckrnHmftSast am Rhein.
Weiter« Verhaftungen.
Eigene Drahtmeldung-
Mainz, 24. Ianuar.
Die Franzosen und Velgier setzen die rechtswidrigen Verhaftun-
gen im Rheinland und im Ruhrgediet sort. So wurde in Speyer
auch der Stellvertreter des erst Dienstag ausgewiesenen Regierungs-
präjidenten der Layerischen Psalz, RegierungsdirektorM atthe urs,
am glei'chen ALend verhaftet. Ferner wurds der Leiter des Finanz-
amtes in Zell an der Mosel, Regierungsrat Dr. Neuerburg,
von der französischen Mililärbshörde festgenommen und nach Kreuz-
nach geschleppt. Der Reichskommissar fur die besetzten Nhsinlande
hat der Reichsregierung ernen Protest gegen die Verhaftung und die
Auswersung von Veamten und deren Familien übsrreicht. Der
Präsident des Landesfinanzamtes in Köln, Hähling von
Lanzenauer, Lber dessen Vcrhaftung wir bereits eingehend
berichteten, ist Dienstag aLend von Bönn aus in Vegleitung
eines sranzüsischen Gendarmerie - Ofsiziers und französischer
Untsroffiziere nach Mainz gebracht worden. Auch rn
Wiesbaden gehen die Schikanen gegen L:e neuen deutschen Be-
amten fort. Dsr OLerrcgierungsrat von Wedel. der am Diens-
tag die Amtsgsschäfte des Regierungspräsidenten übernommen hatte,
!st ausgewiesen worden. Damrt haben di« Franzosen sert dcr
Ausweisung des Präsidenten Mumm den vierten Verwalter dieses
Amtes beseitigt. Ferner erschren Dienstag vvrmrtiag im Hauie der
Forstabteilung der Regierung der srühere kaiserlich deursche Ober-
förster Lunot nnd verlangte als Beauftragter der Rheialand-
kommission die ilebergabe eines Dienstziminers. Der
Obersorstmeister lehnte dies ab. worauf sein Zrmmer bcschlag.
nahmt wurde. Da auch die Hergabe der Akten abgelehnt wurde,
wurden sämtliche Akten für bcschlagnahmt erklört. Das Ssbiiud«
wird seitdem durch Gendarmerieposten bewacht.
Nach einer Drahtung unserer MLnchener Redaktion
hat das Layerische Staatsminiflerium der Finanzen in Anlehnnng
an die einschlägigen Verordnungen der Reichsregierung und dcr
bayerischen Staatsregierung an die Behörden der Finanz- und
Forstverwaltung in dcr Pfalz Weisung ergehen lass- n, dcn
Anordnungen der Vesatzungsbehörde keine Folge zu 'eistsn,
sondern sich wie bisher ausschlietzlich an die Anordnungen der
zuständigen Vorgesetztenstellen zu halten. Ferner hat der Staats-
minister der Finanzen dem Negierungsdirektor Morgens von
Speyer für seine mannhafte und unerschüiterlicht
Haltung gegenüber den Eingrisfen der französtschen Besatzungs-
behörde namens der Staatsregierung dievollste Anerkennuna
und zugleich d!e aufrichtigste Teilnahme ausgesprochen anlätzi'.ch
seiner widerrechtlichen Derhaftung, Amtsentsetzung und Ausweisunz
aus der Pfalz, wslch letziere von der französischen Willkür aucki auf
die Famitie des wackeren Beamten erstreckt wurde. Dem ausgeiois-
sensn Regierungspräsidenten der Pfalz, von Chlingensperg,
wird Lei selnem Eintreffen in München Mittwoch nacht durch die
Regierung und vaterländische Verbände ein ehrender Emp.
fang am Hauptbahnhof bereitet werden.
Mffolin! Wer bie Mhrattion.
Keine Teilnahme Jtaliens a« militSrischen Matznahme«.
Rom, 24. Ianuar.
Jn einer Rede vor dem Ministerrat über die Lage im Ruhr-
revier erwähnte Mussolini, dah italienifche Ingeni-
eure allein zu dem Zweck ins Ruhrgcbiet entsandt wurden, um an
den wirtschaftlichen Kontrollmahnahmen teilzuneh-
men. Sie hätten Befehl erhalten, ihre Mitarbeit auf Matznahmen
technischen Charakters zu beschrSnken und stch der Teilnahme an
Beschlüssen zu enthalten, die Zwangsmatznahmen politischen
Tharakters einschlöfien. Mufiolini erklärte, die italienische Regie-
rung habe s!ch der Kontrolle Lber.die Zölle und Forsten angeschlofien,
weil diess sich unter den von der italienischen Denkschrift als Pfand
für die Eewährung eines Moratoriums vorgefehenen Matznahmen
befunden haben. Die italienifche Regierung habe aber bei Frankreich
wegen der Ziele und der Bedcutung seines Vorgehens angefragt.
Frankreich habe geaniwortet, datz die Besetzung des Ruhrgebietes
keinen militärischen Charakter habe, sondern nur dem
Schutze der ins Ruhrgebiet entsandten, sehr zahlreichen sranzöstschen
Ingenieure diene. Weiter teilte Mufiolini mit, der italienische De /
gierte der Rheinlandkommission habe den Auftrag erhalten. an den
Beratungen teilzunehmen, die wirischaftlichen oder finanziellen Cha-
rakter hätten, sich aber der Teilnahme an den Dera-
tungen politischen Charaktcrs zu enthalten. Zu
den Nachrichten über
eine italieuische Bermittlung,
die zu einer direktsn italienisch-englischen Jntervsntion in Berlin und
Paris hätte siihren können, erklärte Mufiolini, datz ein regel-
rcchtes Vermittlungsangebot nicht bestehe und auch nich! hätte
gemacht werden können, ohne im voraus die Sicherheit zu Laüen,
dah das Angebot günstig aukgenommen werde. I'ali:n wolle stch
keinem Miherfolg aussetzen. Tatsache sei jedoch, datz de ilali nische
Regierung es niemals unterlafien habe. d!e deu 'che Reg-erung auf
die Eefährl'chkeit der Sackgaffs a ifmerksam zu mcichen, in die st' ge-
raten sei. Auf der anderen Se-te habe die italienische R gie ung in
freundscha'tstchsr W.'ise d:c französtsch: Regierung c-uf d e Derwick-
lungen politischer- soz'alcr und wirtschastl ch>: Trt hingcwies n. die
die Ruhrbesetzung mit sich br ngen kcnne. Un er dieen Umstäuden
könne die italienische Regisrunz zurzeit ihre Haltungnicht
ändern, da ircendeine Ecste Jtali ns kein-n W chsel in die allg;-
meine Lage bringcn und Lie ita ienischr Regierung auch keiinn ent-
scheidenden Einfluh auf den Enischlutz Ler am meisten in'erefiierten
Regierungen habcn wllrde. Rach Ausfassung der italien schen Regie-
rung sei die Lage im Ruhrgebiet nochnicht auf einem to.en Punkt
angekommen, in wilchem Fall all in sich die Hö : nz noiwend>g machen
i^Veln um ste sür Frankreich zu gewinnen und sie dann ge->en I würde. In diesem Falle werde oielleicht die Arbeit dcr italienijche»
wrotzindustriellen benutzen zu können.. An dem gejchlossenen - Regierung einen Einslutz aus die Löjung »usüben können.
Saar «nd Auhr.
Noch nie seit dem denkwürdigen Iahre 1914 gingen im Eaar-
gebiet die Mogen patriotischer Erregung so hoch wie in den Tagen,
da unserem Vaterlande von dem französischen Bedrücker neue Schmach
und tiefe Demütigung zugefügt wird. Wie klatschende Eeihelhiebe
empfindet man an der Saar das, was den deutschen Brüdern an der
Ruhr an Eewalt angetan wird. Nirgends auch im ganzen deutschen
Reiche hat man tieseres Verständnis für die Folgen des unerhörten
Ueberfalles mitten im tiefsten Frieden, der das Nnhrgebiet dem
gleichen Schickfal überantworten soll, das unter der heuchlerischen
Maske eines Völkerbunvsmandatars des französischen Militarismus
und Imperialismus jetzt bereits im fünften Jahre dem Saargebiet
bereitet. Das Mitgefühl für die Brüder an der Ruhr lommt daher
Lberaus lebhaft zum Ausdruck. Unter den ersten Protestkundgebungcn
gegen den französtsch-belgischcn Raubzug fanden sich Entschlietzungen
Ler Stadtverordnetenversammlungen von Saarbrücken und Neun-
kirchen, den beiden grotzen Städten des Saargebicles, die in ein-
mlltigem Beschlutz ihre flammende Entrüstung kundgaben obdesneusten
gallischeu Siegerübermutes. Den Städten schlofien sich die politischen
Parteien mit alleiniger Ausnahme der Kommunisten, die auch
hier ihre vaterlandslose Eesin'nung offen zum Ausdruck
Lringen zu mllfien glaubten, und ausdrücklich die Fraktionen de»
Landcsrates zu ebenso freimütigem wie entschiedenem Einspruch an.
Jn ersreulicher Uebereinstimmung führt die Prefie des Caar-
gebietes den Kamps gegen Unterdrückung und Naubgier. eingedenk
dsr tiesen und schmerzlichen Wunden. die das „edle" Frankreich der
engeren Heimat in der Leidenszeit seit Ler Revolution bereitet hat.
In Aufsätzen, die den Geist glühender Vaterlandsliebe atmen. hält
si« Tag für Tag den Unterdriickern ihr Sündenregister vor und weist
sie auf die Folgen hin, die ihr Tun heraufbeschwören mutz. Voller
Jngrimm stehen die welfchen Zwingherrn dabei nnd finnen, wie st«
die lästigen' Mahner zum Schweigen bringen könnten. die Loch den
Willen und d!e Denkart der gesamten Saarbevölkerung
mit ihrer entschiedenen Kampfansage zum Ausdruck bringen. Datz
man in den Kreisen der französischen Eewaltmenschen nicht daran
denkt. die Wahrheit auf die Dauer geduldig hinzunehmen, wissen
deren tapsere Verkünder sehr wohl, ste wifien auch, dah ihnen schwere
Vergeltung angedroht ist.
Es geht in Saarbrücken von Mund zn Mund. datz der fran«
zöfifche Major Richert. der als Leiter der sranzösifchen Propa«
ganda im Saargebiet die Negierungslommission an der Stripp«
führt, den Ausspruch getan hat, Frankreich warte nur auf emen
Anlatz.umdasSaargebietseineganzeRachefuhlen
zu lassen. Eine gründliche Säuberung, sür die die Proskriptions-
liste seit Iahr und Tag bereit liegt, soll dann das Saargebiet von
allen Widersachern der welfchen Anncxionspolitik für immer Lefreien.
Wozu hätte man denn das französtsche Miliiär wider Recht und Ver-
trag im Lande Lelafien, wenn man sich seiner bei Gelegenheit nicht
zu rertrags- und rechtswidrigen Zwecken bodienen sollte'? So joll es
auch diesmal den Zweck erfüllen. nachdem ihm diktatorische Eewalt
übertragen worden ist, nämlich in dem Falle, den man inn.gst herbei-
sednt, di« Säuberungsaktion zu vollziehen, zu der die Regierungs-
kommifsion stch selbst den Wea verlegt hat, als sie den wunderbare«
Begriff der ..SaareinwohnerchEigenschaft erfand. Es ist alfo ein
Spiel mit getrennten Rollen beabsichtigt, zu dem dann der allzelt
willrge Völkerbund seinen Segen zu geben braucht, woran nicht zu
zweifeln ist.
Obwohl das Volk an d«r Saar diefe Pläne und Absichten der
franwsischen Machthaber genau kennt, läht es sich nicht an seiner
Pslicht gegen das deutfche Vaterland und die fchwer bedrängten
Volksgenofien an der Ruhr irre machen: Der halbstündige
Proteststreik ist zum festgesetzten Zeitpunkt im Saargebiet im
Sinne der Urheber-Kundgebung streng durchgeführt worden.
Es war ein erhebendes Schaufpiel, wie in den grotzen Städten und
grotzen Industrieorten des Caargebietes. die sich in vaterländischem
Eifer den Rang abzulaufen fuchten, mit dem Elockenfchlage elf alle
RSder stille standen und die arLeitend« Vevölkerung zu
feierlicher Abwehrkundgebung die Stratzen bevölkerte.
In Saarbrücken entsefielte die Begeisterung unter der gewaltigen
Menschenmenge, die sich am Hauptvorkehrspunkte der Stadt zu«
sammengefunden hatte, eine spontane Kundgebung, bei der vater-
ländifche Lieder, wie „O Deutfchland hoch in Ehrcn". „Deutfchland,
Deutfchland über alles" „O du wunderfchöner deutfcher Rhein" nnd
natürlich auch die „Wacht am Rhein" aus TausenLen von Keblen
die Stratzen durchbrausten. Eine berittene Schutzmannskavalkade
und stahlbehelmte Patrouillen konnten die heilige Begeisterung nicht
niederhalten. di« für provozierende Regierungsaut.omobile und
sranzösische Patrauillcn wenig angenehme Folgen zeitigte, Die
Regierungskommission, der die wahrhast erhebende Kundgebung
wieder einmal cine Reih« Bolemkinfcher Dörser übcr den Haufen
geblafen hat, wutzte ihrem ohnmächtigen Zorn nicht anders Lust zu
machen, als datz sie zunächst ein allgemeines Versamm-
lungsverbot erlieh, nicht etwa durch öffentliche Bekanntgabe,
bewahre — sondern telephonisch, das auf das strengste gehandhabt
wird. Das ist der erste Streich.
Der Samvorner Bord vor dem WegsgerW.
Aachen, 2Z. Ianuar. Am Dienstag hat im Aachcner Schwur-
gerichtssaal ror dem Kriegsgericht der belgischen Besatzimzs-
armee die Vcrhandlung gegen acht Angehörige der grüncn Schutz-
polizei n Hamborn begonnen, die der Ermordung des belgischen
Leutnants Erasf befchuldigt werden. Der Zuhörerraum war dicht
gefüllt. Die Angeklagten, die sich mit Ausnahme der Wirtin in
Untersuchungshaft befinden, wurden gefesselt in den Saak ge-
führt- Für die Verhandlung sind fünf Tage vorgesehcn und 23
Zeugen geladen. Nach Vsrlssung der umsangreichen, in sranzösischer
Sprache abgcfatzten Anklageschrist schritt das Eericht zu der Vcr-
nehmung der Angeklagtcn. die ihre in der Doruntcrsuchung ge-
machten Eeständnisse zurücknahmen mit der Begründung,
datz sts unter moralischem Zwang gehandelt hätten: ste stell-
ten jede Beteiligung an dcm Mord in ALrede.