^ ra»W»g - M. ss
Heidelberger Aeitung
(Gegründet 1858)
und
HandelsblaLL
MMoch, 28. RSrz 1923
Hallptaeschäftrst-ll- u. Echrtftleitg. der.Badtschen Poft'H-idewerg, Hauvtstr. S8. Fernspr.:'
Str.182. lBerlagsort: Frankfurt a.M.> B-rlmer Bertretung: Berlin LVs 48. Zimrner.
ftrak-S. Fernspr.Zentr.41I!, ManchnerDertr-t.- Manchen.Bearaenstr.107. Fernspr. 81687
X
Avftsch«ck-»,»i,r yrtnrrfrrrt a. M. Vltl»
Boftschrck-Uontor Fra«rrf«rt a. M. »141»
lSsVrriS Ler .Bad.Post' Ml.82U6
A«zeigent>reisr: die 41 nm> brcite Nonpareillezeile kostet: lokale Stellengesuche Mk. 80 -, kl. Eelegenheitranzeigen MI. 106.».
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MontagaMk. 10.—mehr. Die 98 mm breite Reklamezeile koftet Mk.600.—, Anzetgen und Reklamen von auawärtr Lö°/« hiher.
!-steli.v„?^Vr,ir der .Bad.Post' Mk.8200- l-u-schl. Zuftellgebühri. Selbstabhol.Mk. 8100.-. «uSland Mk.8800—
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^inzrlnurnmer Mk. 140.-. SstdieZeitung am Trsch-inen verhindert, befteht kein Anspruch aufEntschädigung.
Montagr Mk. 10.—mehr. Dte 98 mm breite Reklamezeile koftet Mk. 600.
^I»Soldat Gottes" im Ruhrgebiet.
ivn.^8 kindlich anmutenden Eitelkeit und grotesken Ver-
" " hat die von jeher den Franzosen eigentümlich
Mn rn skrankreich den franzökischen Soldaten mit Vor-
- " . . - r.. -.. jheo-
Soidat de
rn
81°^? Sehvrt -^hema veranstaltet. Lkähr ^ .
den Haupttricks der sranzösischen Propaganda.
Bargis den Retter der Zivilisation gegen das
ilr Reii^°utum hinzustellen, und aus der Erkenntnis heraus,
^ iich im allgemeinen als ein patriotisches Mittel
'>» Emche N. Kriegsstimmung bemährt, trieb die religionslose
»r^nern de.8lerung eme höchst gelungene religiöse Propaganda
°r ,, il>!arn» ^undes. Der Zungfrau von Orleans wuroe der Sieg
ii m 8eul,»,,^'Uchrieben. Nun war Katholizismus in einem Lis«
. Av»:isn Mane Trumvk in Frankreich. Es aehort zu dcn
eden Morgen die
gururrerrirrlul^-- -weisptel dafltr, wte
°ll°'i-Ä^ seinen bis ins Krankhafte gesteigerten Natio-
danf.'Michen Erwägungen und die gewöhnuchsten Wahr-
o»r'--l »i Ulerden.
D.ber auf das Thristentum. ja auf die primitmsten
e» . lenk^,.^. .. . angeblichen „Soldaten
allmählich di« ganze zivili-
Bischöfe haben sich an die
i-bie „^rung gewandt ünd im Namen der christlichen Kultur
^i« >r P'Mristliche Politik der Eewalt" protestiert. Umsonst.
? Frankreich beschworen. Eleichfalls ohne Erfolg.
me.ni'-L-.-r ^einlandes hat an das Eewissen
'iese
pAinl.-'enhnn-^res" appelliert. Umsonst. Bemerkenswert m diesem
z-Movin, u 'lt der Einspruch, den der Eeneralsuperintendrnt der
, ^inproüi«^' Klingemann, im Namen des Konsistoriums
^i'^ni erhoben hat:
-e Ms Sen der M-«i^
un»„ A^upflicht ihnen gebot, unserem Empfinden von
^iiftt^Ocilt°»^r>länölich, so vermögen wir vollends die Auslösung
Heimstätten nur als eine in keiner Weise gerecht-
M^°ter, h. psaßregel anzusehen. Jn wenigen Stunden soll der
-'.Sen ^amte seine Geschäfte abgewickelt haben und zur
N e,^°?en di/eunsssn Ziel entgeaen gerüstet sein; in wenigen
°Wen ^ugehörigen des Ausgewiesenen das gleiche Ee-
lK tz. Zn ej-Mit ihrer zusammengerafften Habe in die Ferne
V>iun°U. Ui/» Z?it, wo die durch den Krieg geriffenen Wunden
°§bfraa° anderen schweren wirtschaftlichen Fragen die
»»"ili-bas letzf»"^ ungelöst ist, wo für viele Heimat und Wohn-
h»,.. ° noch erhaltene Eut bedeuten, sollen zahlreiche
"tttere Los der Heimatlosigkeit auf sich
s'-iZ'Ä-'"
lt und Iung.
Eemeinden von den
Es sind in
Tat erprobte
i?i^e»e«^ben°i gA°n Leben gewurzelte Familien, die in die Ferne
«im die geordnete Arbeit der Schule. so wird auch
Ä'Te V°it, ws.X'natwn in zahlreichen Fällen gefährdet. Wie-
»r ^lis,. °n «.Iammer und Elend, wieviel leibkiche und
>»!, "Nser?n Eea°«7-§°lmatlosigkeit hastet, das empfinden wir im
iit-^ir ,, KirchN >°tz zu der Pstege von Heimat und Heimatssinn'
>»>X ha?..'°re geübt hat. Es kann uns nicht genug scin,
dy ?er o?/n AZx- mit teilnehmender, sürbittendek Liebe auf
'e» M m?.°e wim>-°°8i°lten. llm der Wahrheit, um des Rechtes,
!»t "pkeLi °deg unsere Kirche ihre Stimme erheben. Und
i°it °°s ei«°» "'cht gehört wird, soll zum wenigsten gegen
iZm^>n jNst Und^ ^e.öi-k ihres Arbeitsgebietes betroffen
° r. kej^'eden ?chdruck Berwahrung eingelegt wer-
"Ndere irfben an einer friedlichen Vevölkerung, deren
'»I illia, E e w o ?? batz sie eine Erenzprovmz bewohnt, die
die"' Zienschlj»k/i^.? ^ir »erlangen Eerechtig-
' an^^'Ä ungehört und die „Soldaten Eottes"
« ber Ruhr zu brandschatzen, zu plündern und
d °° w i Ct- 'chlichkeit."
^°rde^i°i fort^n °>,blieb ungehört und die „Soldaten Gottes"
unbegründeter Sptimismur.
h. rle, ^ Evlderftandes eher gestarkt als geschwächt."
V? Äev??berbe--.. „ Amfterdam, 87. März.
tkltzbS viit bes ^era^rl?- bes sozialistischen „Het Volk" hatte
°° ' ,L^H*eren kjAAeltttverbandes in Bochum einellnter«
biestv° ° z ü i i's^" ^erjönlichkeiten. Hierbei wurd« u. a.
ervn°°'Z°n, di- k/.ch^ Llptimismus ist unbegrün-
up ^8 P § j ° bie Tatsachen kennen. Wir begreifen, datz
Dedürfni« öwei Monaten fruchtlofer
>°it di^iuusen ^neü-n^m» - französischen Volke mit üpti-
^ -inü, ?? ratlM-°En Mut zu machen. Aber wer wie wir
! 5"ch«eK''tzen! 'un hat. weih den Wert dieser Mit°
" - R-Euubige lounen uns nicht vorstellen. dah fran-
^"e daÜÜn.^L'U'-b'nu- ihre? Regittung teL' Es
' ag vie deutsch«» Arbeiter in einigermahen
nennenswerter Zahl auch nur «knen Augenblick di« Neigung hegen.
für die besetzsnde Macht Handlangerdienste zu leisten. Wenn bei
den Arbeitern cine Veränderung bemeMar ist. dann ist fik in ent»
gegengesetzter Richtung erfolgt. Die franzdsisch-belgischen
Matznahwen der letzten Zeit, die Roheit des Auftretens,
das N i ebe r sch ietz en von Kameraden und die Quälereien
gegen di« Bevölkerung haben den Eeist des Widerstandes
eher gestärkt als geschwächt. Vor einer imperialistischen
Macht, die uns mit dem Bajonett zm Arbeit treiben will,
werden wirunsnichtbeugen."
Aus dem Gedlet -es Tmors.
Schaudjustiz, Eewalt und Raub tm besetzten Eebiet.
vochum, 87. MSrz.
Von dem Militär-Polizeigericht i« Werden ist Bürgermeister
Hopmann aus Kcttwig zu sechs Monaten Gefängftis
und fünf Millionen Mckrk Eeldstrafe verurteilt wor-
den, weil er dafür verantwortlich gemacht wurde, datz die Eisenbahn-
arbeiter, die aus ihren Wohnungen fortgezogen seien, das Eisenbahn-
material mitgenommen hätten, er dem Requisitionsbefehl, 55 Betten
zu stellen, nur zögernd Folge geleistet habe und datz er Lei dem Be-
suche der Besatzungsbehörde auf dem BLrgermeisteramt nicht an-
wesend gewesen sei. — Einer Blättermeldung aus Buer zufolge
wurde endlich der deutsche Hauptzeuge in der Angelegenheit der Er-
morduna der beiden französischen Osfiziere, der Bergmann Win«
king.freigelafsen, nachdcm elf Tage lang von französtscher
Seite einDruckauf ihnausgeübt worden ist, eine Erklärung
zu unterschreiben, in der er seine Ausfazcn widerrufen sollt«.
»
Nach einer Blättermeldung aus Dortmund drangen dreimal
hintereinander die Franzosen in das Postamt ein und durchfuchten
das Eebäude unter Zertrümmerung aller TLren, die
verschloffen waren. Sie raubten für ungefähr zwei Milli-
onen Mark Briefmarken und ungefähr 400 000 Mark
bares Eeld. — Blättermeldungen aus Bochum zusolge rich-
tete der französische Zivilkommandant der Stadt an dke Bochumer
Eeschäftswelt, die leit vitt Wochen als Protest gegen die
Requisttionen dsr Franzosen ihre Läden geschlossen hält, die Aüf-
forderung. Lis zum 1. April wieder alle LLden zu öffnen, widrigen-
falls die leitenden Personen der Eeschäste oder deren Jnhaber m i t
Eefängnis nicht unter einem Jahre bestraft würden. Ferner
haben die Fran.zosen damit gedroht, den Warenverkauf selbst
vorzunehmen. Die Absperrung der inneren Stadt wird neuerdings
wieder sehr rücksichtslos gehanvhabt. Um die Vevölkerung zu demüti-
gen, wird von den männlichen Paffanten verlangt, dah ste beim Vor-
zeigen des Ausweises ihre Kopfbedeckung abnehmen. Eeschieht dies
nicht, so werden die HLte und Mützen einfach von den
Franzosen heruntergefchlagen.
«
Zu der Besetzung der staatlichen Zeche RheinLaben melden
Berliner Blätter aus Bottrop, datz die Verladeapparate der
Zeche von den Belgiern nicht gehandhabt werden
können, so datz die Velgier gezwungen stnd, neue Anlagen unter
grotzen Kosten zu schaffen. Die Zivilarbeiter, di« die Velgier mitge-
Lracht haben, Lestehen zu einem grotzen Teil aus Jtalienern.
Sie SeWagnahme deuWrr Guthaben.
Eine Warnung des Reichsverbaudes der deutschen Jadnftrta
Eigene Drahtmeldung.
Berli», 37. März.
Nach einer Mitteilung desReichsverbandes derdeut-
schenJndustrie haben bisher folgende ehemals feindliche Mächte
V erz tch t e rklärung en auf den Paragraphen 18 der Anlage ll
zum Teil VIH des Friedemsvertrages (Befchlagnah.ne
deutschcr Euthaben) ausgesprochen: England, Iapan, Tschechoslowakei,
Velgien, Portngal, Jugoslawien, Peru, Kanada, Neuseeland und die
südafrikanische Union. Mit Ausnahme der Erklärungen von England
und Peru sind jedoch alle diese Erklärungen in einer Form gehalten,
datz auf sie kein bestimmter Verlah sein wird; dies geht vor
allen Dingen für VeIgien aus seiner jetzigen Haltung im Ruhr-
konflikt hervor, das sich Lei seinen darauf bezüglichen Matznahmen
gerade auf diesen Paragraphen stützt. Vorderhand muh daher
dringend davor gewarnt werden, im Vertrauen auf solche
„Verzichterklärungen" irgendwelche Vermögenswerte in
diesenLändern zu investieren, sofern nicht eine befondere
Sicherheit in jedem einzelnen Falle vorhanden ist.
Ein neuer Ausruf Degouttes.
Paris, 27. März. Die Havasagentur meldet aus Düffeldorf,
datz Eeneral Degoutte folgenden Aufruf an die Bevölkerung
erlassen hat: Eegen die Besatzungstruppen seien allerlei Anschläge
verübt worden. Diese Anschläge, die eine unmittelbare Wirkung
der nationalistischen Propaganda darstellten, würden offen unter-
stützt (!) von der deutschen Regierung, die die Verantwortung
dafür (!) trage. Wenn sich die Änschlage häuften, werde stch der
Oberbefehlshaber veranlatzt sehen, sehr strenge llnterdrück-
ungsmatznahmen zu treffen. Wenn die Vevölkerung nicht
den Anschein erwecken wolle, als sei sie mit den Urhebern dieser
unqualifizierten Akte, die zu ernsten Folgen Anlah geben könnten,
solidarisch. so liege es in ihrem eigenen Jntereffe, sich mit allen
Mitteln, die ihr zur Verfügung s.ehen, ührer Ausübunq zu wider-
setzen.
Sie Deutfchen haben recht...
Pürls, 87. März. Wie der „Matin" aus Brüffel verlchtet,
hat die Delegatio« dtt belgischen Sozkakiften.die nach dem
Ruhrgebiet entsandt worden war, nunmehr ihren Bericht erstattet.
Zhr« Konklufioncn stnd die folgenden: 1. Di« Deutschen haüe« recht,
datz fie »icht unter fremden Bajonetten arbeiten wolle». 2. Die
Deutsche» haben recht, gegen dle Okkupation zu proteftieren, und
3. die Deutsche» haben recht» datz jede Besetzüng «nnötige Aus-
gaveu verursacht.
Ein BSliches Lnde?
Zn der Rede, die der Reichskatizler Dr. Euno in Siuttgärt
hielt, sagt« er u. a., datz man ihn vielleicht fragen werde, ob VaÜ>
ein glückliches End« komMen werde. Er bemerkt« dazu, die
Antwort auf diese Frage sei sehr einfach: „Wenn wir den bisherigen
Weg verliehen und uns unterwürfen, dann sei es um Deutschland,
das deutsche Volk und um seine Freiheit geschehen." Der R«:chs-
kanzler erläuterte dann noch den Begrkff des Sich-Unterwersen»,
indem er sagte, ein Angebot, das di« Souveränität des Reiches, die
UnantastLarkeit der Lande an RHein und Ruhr, die lln-
abhängigkeit und Freiheit des deutschen Volkes zum Opfer bringe,
werde das Kabinett n i,ch t machey. Verhandlungen mützten — das
wiederholte er noch einmal in Stuttgart — von der vorbehaltlosen
Räumungder Ruhr ausgehen, was uns aber von der Eegrn-
seit« entgegenkling«, sei nicht so, als ob man darauf rechnen könn«,
Mit diesen Worten ist das Programm der Reichsregierung auf»
neue klar umschrieben. Es enthält nichts anderes, als was di«
Reichsregierung vom ersten Tage des Ruhreinbruches an verkündigt
hatte; es ist nur noch einmal deutlich ausgesprochen worden, um
dem „Eesumme" von allen möglichen Nachrichten entgegenzutrste«,
von denen der Reichskanzler in München sprach, und die den Anschrin
erwecken follten, als habe die Reichsregierung bereits insgeheim all«
möglichen Vermittlungsbitten und Verhandlungsfühler ausgehen
laffen. Der Reichskanzler erklärte, es seien von seiten der deutsche«
Reichsregierung noch durchaus keine Vermittlungsbitten aus-
gesprochen worden,- allerdings seien umgekehrt derartige Ansrbie-
tungen nach Berlin gelangt, sie hätten sich bei näherer Prüfung aber
sämtlich als trllgerisch erwiesen.
Es scheint nun, als ob Lies« entschiedene Ableugnung der Be-
hauptung, Deutschland habe Bermittlungsbitten ausgesprochen, der-
jenigen Erupp« der Berliner Sozialdemokraten, die schon lanze
ungeduldig die Regierung aus den Weg der Verhandlungen ^rängen
wollen und die dauernd an dem Bestande der Reichsregierung rütieln.
ohne Lbrigens di« geringste Neigung zu bezeigen, ihrerseits an ihr«
Stelle zu treten, etwas auf die Neroen gefallen sei, und daß ste des»
halb auf schleunige Berufung des Auswärtigen Ausfchuffes gedrängt
hätten, für den ja in der Tat auch schon am Samstag eine Sitzung
angesagt worden war, die indeffen dann wegen Erkrankung de»
Reichskanzlers verschoben worden ist. Was ist aber eigentlich daran
zu tadeln, datz die Regierung eine Vermittlung nicht erbeten hat?
Hat Frankreich nicht ost genug verkündigt. datz es eine Vermittlung
von seiten irgend einer Macht als eine unfreundliche Handlung
ansehen würde, hat die englische Regierung nicht mehrfach erklärt,
datz der franzüsische Wunfch, in Ruhe gelaffen zu werden, für fie
Befehl sei, hat nicht Washington beständig abwehrend die Händ«
nach Europa hin ausgestreckt und gerusen, man solle es mit deffen
Angelegenheiten verschonen? Wirklich, unter solchen Umständen «in«
Bitte um Vermittlung auszusprechen, wäre verlorenes Bemüh'n ge«
wesen,- es hätte nur zu einer Demütigung für Deutschland sllhren
können!
Wir stnd dem Kanzler dankbar für dies« Entschlietzung weiser
Zurückhaltung und wir hoffen, datz er fich durch das krampfhcfft«
Eelärm der Berhandlungssüchtigen von der bisherigen Richtlini«
nicht abbriygen laffen werde. Eewitz ergibt sich aus dieser Politik,
datz wir auf «in Laldiges „glückliches Ende" — glücklich zunächst im
Lescheidensten Sinne eines Aushörens der fast unerträglich gewordenen
Qu iiereien und Vsrgewaltigunz-n genommen — nicht werden rechnen
können, datz wir weiter ausharren, die Zähne aufeinander Leitzen,
all« natiirlichen Empfindungen der gerechten Entrüstung werdrn
unterdrücken müffen, aber gibt es dem zum Aeutzersten entschlossenen
Frevelmut der Feind« gegenüber irgend «inen anderen ganzbaren
Weg, als ihm weiter zu beweisen, Latz — um auch hier des Reichs-
kanzlers Worte zu wiederholen — „man nicht Leben schaffen
kann.woderlebendigeWilleDeutschlandsArbett
versag t"? Der einzige andere Weg ist die UnterwLrfung:
Frankreich verlangt sie; es wird erst dann aufhören, ste zu verlangen,
wenn es erkannt hat, datz seine Politik wohl zu einem Ruin der
besetzten Eebiete, aber niemals zu den dem französischen Volke stets
vorgespiegelten Reparationen führen könne; wenn es einmal so
weit ist, dann wird es auch für Abmachungen reff sein, die in
irgend einer Weise die Räumung des Ruhrgebietes mit sich brinzen
werden, und dann wird die Stunde der Verhandlungen gekommen
sein. Dabei wird di« deutsche Regierung das wahr machen, was si«
schon so oft erklärt hat, datz si« zu allen Opfern bereit sei, die im
Verhältnis zu unseren Kräften stehen, aber erst dann', vorher
nicht.
Diesen Perlauf der Dinge mit allen den schmerzlichen Heim-
suchungen und Verzichten, die damit verbunden sind, durchzuführe«,
bis ans Ende durchguführen, das ist natllrlich nur eine Regierunz
imstande, die das ganze Volk hinter sich hat, die ein Volk hinter
sich hat, das von dem Eeist der festesten innerlichen Eeschloffenheit
erfüllt ist. Dieser Eeist war bisher vorhanden, aber die Eefahr
besteht, datz er schwindet. Wir sehen die Eefahr nicht rechts, aber
wir sehen fie> links, dort, wo man von Anfang der Ruhrnot an
eine Sonderstellung einnahm, getrieben von der Angst, die Flamm«
des allgemein auflodernden Volkszornes könne «twa die künstlich
errichteten Klaffenschranken verzehren und die Wiedervereinigunz
des durch kläglichen Parteihader getrennten Volkes in einem «in.
heitlichen, schlechthin deutschen Empfinden zur Folg« haben.
Diese Angst bestimmt tatsächlich unsere innere Entwicklung und
damit unsere äutzere: die Sorg« um die Erhaltung d«r Partei-
gegensätze, sie droht di« Abwehrsront zum Zerbröckeln zu bringen.
Parteigeist den Vaterlandsgeist Lbevwuchern zu laffen, und wir
gehen schwerlich fehl, wenn wir annehmen, datz der Reichskanzler
diese verhängnisvollen Möglichkeiten sehr ernst ins Ange gefatzt hat,
und daß er seine Reise nach Süddeutschland zern als Anlatz dazy
benutzt hat, das deutfch« Volk auf ste hinzuweifen und es zu warnen.
Wre nütig diose Warnungen und Bejchwörungen fintz. das habe»
1
Heidelberger Aeitung
(Gegründet 1858)
und
HandelsblaLL
MMoch, 28. RSrz 1923
Hallptaeschäftrst-ll- u. Echrtftleitg. der.Badtschen Poft'H-idewerg, Hauvtstr. S8. Fernspr.:'
Str.182. lBerlagsort: Frankfurt a.M.> B-rlmer Bertretung: Berlin LVs 48. Zimrner.
ftrak-S. Fernspr.Zentr.41I!, ManchnerDertr-t.- Manchen.Bearaenstr.107. Fernspr. 81687
X
Avftsch«ck-»,»i,r yrtnrrfrrrt a. M. Vltl»
Boftschrck-Uontor Fra«rrf«rt a. M. »141»
lSsVrriS Ler .Bad.Post' Ml.82U6
A«zeigent>reisr: die 41 nm> brcite Nonpareillezeile kostet: lokale Stellengesuche Mk. 80 -, kl. Eelegenheitranzeigen MI. 106.».
F-milienanzeigen Mt 80.—. Eeschäfteanzeigen Mk.17ö.-,Finanz- und Jndustrieanzeigen Mk. LöO.-.mit Platzvorschrtft «n-
MontagaMk. 10.—mehr. Die 98 mm breite Reklamezeile koftet Mk.600.—, Anzetgen und Reklamen von auawärtr Lö°/« hiher.
!-steli.v„?^Vr,ir der .Bad.Post' Mk.8200- l-u-schl. Zuftellgebühri. Selbstabhol.Mk. 8100.-. «uSland Mk.8800—
^n.Pr-k^ ^ rum 2. jed. Mt,. angenommen. «m 1 «.S. noch gelief. Zeitungen stnd nach d. Einzelverkaufspretr zu be-
^inzrlnurnmer Mk. 140.-. SstdieZeitung am Trsch-inen verhindert, befteht kein Anspruch aufEntschädigung.
Montagr Mk. 10.—mehr. Dte 98 mm breite Reklamezeile koftet Mk. 600.
^I»Soldat Gottes" im Ruhrgebiet.
ivn.^8 kindlich anmutenden Eitelkeit und grotesken Ver-
" " hat die von jeher den Franzosen eigentümlich
Mn rn skrankreich den franzökischen Soldaten mit Vor-
- " . . - r.. -.. jheo-
Soidat de
rn
81°^? Sehvrt -^hema veranstaltet. Lkähr ^ .
den Haupttricks der sranzösischen Propaganda.
Bargis den Retter der Zivilisation gegen das
ilr Reii^°utum hinzustellen, und aus der Erkenntnis heraus,
^ iich im allgemeinen als ein patriotisches Mittel
'>» Emche N. Kriegsstimmung bemährt, trieb die religionslose
»r^nern de.8lerung eme höchst gelungene religiöse Propaganda
°r ,, il>!arn» ^undes. Der Zungfrau von Orleans wuroe der Sieg
ii m 8eul,»,,^'Uchrieben. Nun war Katholizismus in einem Lis«
. Av»:isn Mane Trumvk in Frankreich. Es aehort zu dcn
eden Morgen die
gururrerrirrlul^-- -weisptel dafltr, wte
°ll°'i-Ä^ seinen bis ins Krankhafte gesteigerten Natio-
danf.'Michen Erwägungen und die gewöhnuchsten Wahr-
o»r'--l »i Ulerden.
D.ber auf das Thristentum. ja auf die primitmsten
e» . lenk^,.^. .. . angeblichen „Soldaten
allmählich di« ganze zivili-
Bischöfe haben sich an die
i-bie „^rung gewandt ünd im Namen der christlichen Kultur
^i« >r P'Mristliche Politik der Eewalt" protestiert. Umsonst.
? Frankreich beschworen. Eleichfalls ohne Erfolg.
me.ni'-L-.-r ^einlandes hat an das Eewissen
'iese
pAinl.-'enhnn-^res" appelliert. Umsonst. Bemerkenswert m diesem
z-Movin, u 'lt der Einspruch, den der Eeneralsuperintendrnt der
, ^inproüi«^' Klingemann, im Namen des Konsistoriums
^i'^ni erhoben hat:
-e Ms Sen der M-«i^
un»„ A^upflicht ihnen gebot, unserem Empfinden von
^iiftt^Ocilt°»^r>länölich, so vermögen wir vollends die Auslösung
Heimstätten nur als eine in keiner Weise gerecht-
M^°ter, h. psaßregel anzusehen. Jn wenigen Stunden soll der
-'.Sen ^amte seine Geschäfte abgewickelt haben und zur
N e,^°?en di/eunsssn Ziel entgeaen gerüstet sein; in wenigen
°Wen ^ugehörigen des Ausgewiesenen das gleiche Ee-
lK tz. Zn ej-Mit ihrer zusammengerafften Habe in die Ferne
V>iun°U. Ui/» Z?it, wo die durch den Krieg geriffenen Wunden
°§bfraa° anderen schweren wirtschaftlichen Fragen die
»»"ili-bas letzf»"^ ungelöst ist, wo für viele Heimat und Wohn-
h»,.. ° noch erhaltene Eut bedeuten, sollen zahlreiche
"tttere Los der Heimatlosigkeit auf sich
s'-iZ'Ä-'"
lt und Iung.
Eemeinden von den
Es sind in
Tat erprobte
i?i^e»e«^ben°i gA°n Leben gewurzelte Familien, die in die Ferne
«im die geordnete Arbeit der Schule. so wird auch
Ä'Te V°it, ws.X'natwn in zahlreichen Fällen gefährdet. Wie-
»r ^lis,. °n «.Iammer und Elend, wieviel leibkiche und
>»!, "Nser?n Eea°«7-§°lmatlosigkeit hastet, das empfinden wir im
iit-^ir ,, KirchN >°tz zu der Pstege von Heimat und Heimatssinn'
>»>X ha?..'°re geübt hat. Es kann uns nicht genug scin,
dy ?er o?/n AZx- mit teilnehmender, sürbittendek Liebe auf
'e» M m?.°e wim>-°°8i°lten. llm der Wahrheit, um des Rechtes,
!»t "pkeLi °deg unsere Kirche ihre Stimme erheben. Und
i°it °°s ei«°» "'cht gehört wird, soll zum wenigsten gegen
iZm^>n jNst Und^ ^e.öi-k ihres Arbeitsgebietes betroffen
° r. kej^'eden ?chdruck Berwahrung eingelegt wer-
"Ndere irfben an einer friedlichen Vevölkerung, deren
'»I illia, E e w o ?? batz sie eine Erenzprovmz bewohnt, die
die"' Zienschlj»k/i^.? ^ir »erlangen Eerechtig-
' an^^'Ä ungehört und die „Soldaten Eottes"
« ber Ruhr zu brandschatzen, zu plündern und
d °° w i Ct- 'chlichkeit."
^°rde^i°i fort^n °>,blieb ungehört und die „Soldaten Gottes"
unbegründeter Sptimismur.
h. rle, ^ Evlderftandes eher gestarkt als geschwächt."
V? Äev??berbe--.. „ Amfterdam, 87. März.
tkltzbS viit bes ^era^rl?- bes sozialistischen „Het Volk" hatte
°° ' ,L^H*eren kjAAeltttverbandes in Bochum einellnter«
biestv° ° z ü i i's^" ^erjönlichkeiten. Hierbei wurd« u. a.
ervn°°'Z°n, di- k/.ch^ Llptimismus ist unbegrün-
up ^8 P § j ° bie Tatsachen kennen. Wir begreifen, datz
Dedürfni« öwei Monaten fruchtlofer
>°it di^iuusen ^neü-n^m» - französischen Volke mit üpti-
^ -inü, ?? ratlM-°En Mut zu machen. Aber wer wie wir
! 5"ch«eK''tzen! 'un hat. weih den Wert dieser Mit°
" - R-Euubige lounen uns nicht vorstellen. dah fran-
^"e daÜÜn.^L'U'-b'nu- ihre? Regittung teL' Es
' ag vie deutsch«» Arbeiter in einigermahen
nennenswerter Zahl auch nur «knen Augenblick di« Neigung hegen.
für die besetzsnde Macht Handlangerdienste zu leisten. Wenn bei
den Arbeitern cine Veränderung bemeMar ist. dann ist fik in ent»
gegengesetzter Richtung erfolgt. Die franzdsisch-belgischen
Matznahwen der letzten Zeit, die Roheit des Auftretens,
das N i ebe r sch ietz en von Kameraden und die Quälereien
gegen di« Bevölkerung haben den Eeist des Widerstandes
eher gestärkt als geschwächt. Vor einer imperialistischen
Macht, die uns mit dem Bajonett zm Arbeit treiben will,
werden wirunsnichtbeugen."
Aus dem Gedlet -es Tmors.
Schaudjustiz, Eewalt und Raub tm besetzten Eebiet.
vochum, 87. MSrz.
Von dem Militär-Polizeigericht i« Werden ist Bürgermeister
Hopmann aus Kcttwig zu sechs Monaten Gefängftis
und fünf Millionen Mckrk Eeldstrafe verurteilt wor-
den, weil er dafür verantwortlich gemacht wurde, datz die Eisenbahn-
arbeiter, die aus ihren Wohnungen fortgezogen seien, das Eisenbahn-
material mitgenommen hätten, er dem Requisitionsbefehl, 55 Betten
zu stellen, nur zögernd Folge geleistet habe und datz er Lei dem Be-
suche der Besatzungsbehörde auf dem BLrgermeisteramt nicht an-
wesend gewesen sei. — Einer Blättermeldung aus Buer zufolge
wurde endlich der deutsche Hauptzeuge in der Angelegenheit der Er-
morduna der beiden französischen Osfiziere, der Bergmann Win«
king.freigelafsen, nachdcm elf Tage lang von französtscher
Seite einDruckauf ihnausgeübt worden ist, eine Erklärung
zu unterschreiben, in der er seine Ausfazcn widerrufen sollt«.
»
Nach einer Blättermeldung aus Dortmund drangen dreimal
hintereinander die Franzosen in das Postamt ein und durchfuchten
das Eebäude unter Zertrümmerung aller TLren, die
verschloffen waren. Sie raubten für ungefähr zwei Milli-
onen Mark Briefmarken und ungefähr 400 000 Mark
bares Eeld. — Blättermeldungen aus Bochum zusolge rich-
tete der französische Zivilkommandant der Stadt an dke Bochumer
Eeschäftswelt, die leit vitt Wochen als Protest gegen die
Requisttionen dsr Franzosen ihre Läden geschlossen hält, die Aüf-
forderung. Lis zum 1. April wieder alle LLden zu öffnen, widrigen-
falls die leitenden Personen der Eeschäste oder deren Jnhaber m i t
Eefängnis nicht unter einem Jahre bestraft würden. Ferner
haben die Fran.zosen damit gedroht, den Warenverkauf selbst
vorzunehmen. Die Absperrung der inneren Stadt wird neuerdings
wieder sehr rücksichtslos gehanvhabt. Um die Vevölkerung zu demüti-
gen, wird von den männlichen Paffanten verlangt, dah ste beim Vor-
zeigen des Ausweises ihre Kopfbedeckung abnehmen. Eeschieht dies
nicht, so werden die HLte und Mützen einfach von den
Franzosen heruntergefchlagen.
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Zu der Besetzung der staatlichen Zeche RheinLaben melden
Berliner Blätter aus Bottrop, datz die Verladeapparate der
Zeche von den Belgiern nicht gehandhabt werden
können, so datz die Velgier gezwungen stnd, neue Anlagen unter
grotzen Kosten zu schaffen. Die Zivilarbeiter, di« die Velgier mitge-
Lracht haben, Lestehen zu einem grotzen Teil aus Jtalienern.
Sie SeWagnahme deuWrr Guthaben.
Eine Warnung des Reichsverbaudes der deutschen Jadnftrta
Eigene Drahtmeldung.
Berli», 37. März.
Nach einer Mitteilung desReichsverbandes derdeut-
schenJndustrie haben bisher folgende ehemals feindliche Mächte
V erz tch t e rklärung en auf den Paragraphen 18 der Anlage ll
zum Teil VIH des Friedemsvertrages (Befchlagnah.ne
deutschcr Euthaben) ausgesprochen: England, Iapan, Tschechoslowakei,
Velgien, Portngal, Jugoslawien, Peru, Kanada, Neuseeland und die
südafrikanische Union. Mit Ausnahme der Erklärungen von England
und Peru sind jedoch alle diese Erklärungen in einer Form gehalten,
datz auf sie kein bestimmter Verlah sein wird; dies geht vor
allen Dingen für VeIgien aus seiner jetzigen Haltung im Ruhr-
konflikt hervor, das sich Lei seinen darauf bezüglichen Matznahmen
gerade auf diesen Paragraphen stützt. Vorderhand muh daher
dringend davor gewarnt werden, im Vertrauen auf solche
„Verzichterklärungen" irgendwelche Vermögenswerte in
diesenLändern zu investieren, sofern nicht eine befondere
Sicherheit in jedem einzelnen Falle vorhanden ist.
Ein neuer Ausruf Degouttes.
Paris, 27. März. Die Havasagentur meldet aus Düffeldorf,
datz Eeneral Degoutte folgenden Aufruf an die Bevölkerung
erlassen hat: Eegen die Besatzungstruppen seien allerlei Anschläge
verübt worden. Diese Anschläge, die eine unmittelbare Wirkung
der nationalistischen Propaganda darstellten, würden offen unter-
stützt (!) von der deutschen Regierung, die die Verantwortung
dafür (!) trage. Wenn sich die Änschlage häuften, werde stch der
Oberbefehlshaber veranlatzt sehen, sehr strenge llnterdrück-
ungsmatznahmen zu treffen. Wenn die Vevölkerung nicht
den Anschein erwecken wolle, als sei sie mit den Urhebern dieser
unqualifizierten Akte, die zu ernsten Folgen Anlah geben könnten,
solidarisch. so liege es in ihrem eigenen Jntereffe, sich mit allen
Mitteln, die ihr zur Verfügung s.ehen, ührer Ausübunq zu wider-
setzen.
Sie Deutfchen haben recht...
Pürls, 87. März. Wie der „Matin" aus Brüffel verlchtet,
hat die Delegatio« dtt belgischen Sozkakiften.die nach dem
Ruhrgebiet entsandt worden war, nunmehr ihren Bericht erstattet.
Zhr« Konklufioncn stnd die folgenden: 1. Di« Deutschen haüe« recht,
datz fie »icht unter fremden Bajonetten arbeiten wolle». 2. Die
Deutsche» haben recht, gegen dle Okkupation zu proteftieren, und
3. die Deutsche» haben recht» datz jede Besetzüng «nnötige Aus-
gaveu verursacht.
Ein BSliches Lnde?
Zn der Rede, die der Reichskatizler Dr. Euno in Siuttgärt
hielt, sagt« er u. a., datz man ihn vielleicht fragen werde, ob VaÜ>
ein glückliches End« komMen werde. Er bemerkt« dazu, die
Antwort auf diese Frage sei sehr einfach: „Wenn wir den bisherigen
Weg verliehen und uns unterwürfen, dann sei es um Deutschland,
das deutsche Volk und um seine Freiheit geschehen." Der R«:chs-
kanzler erläuterte dann noch den Begrkff des Sich-Unterwersen»,
indem er sagte, ein Angebot, das di« Souveränität des Reiches, die
UnantastLarkeit der Lande an RHein und Ruhr, die lln-
abhängigkeit und Freiheit des deutschen Volkes zum Opfer bringe,
werde das Kabinett n i,ch t machey. Verhandlungen mützten — das
wiederholte er noch einmal in Stuttgart — von der vorbehaltlosen
Räumungder Ruhr ausgehen, was uns aber von der Eegrn-
seit« entgegenkling«, sei nicht so, als ob man darauf rechnen könn«,
Mit diesen Worten ist das Programm der Reichsregierung auf»
neue klar umschrieben. Es enthält nichts anderes, als was di«
Reichsregierung vom ersten Tage des Ruhreinbruches an verkündigt
hatte; es ist nur noch einmal deutlich ausgesprochen worden, um
dem „Eesumme" von allen möglichen Nachrichten entgegenzutrste«,
von denen der Reichskanzler in München sprach, und die den Anschrin
erwecken follten, als habe die Reichsregierung bereits insgeheim all«
möglichen Vermittlungsbitten und Verhandlungsfühler ausgehen
laffen. Der Reichskanzler erklärte, es seien von seiten der deutsche«
Reichsregierung noch durchaus keine Vermittlungsbitten aus-
gesprochen worden,- allerdings seien umgekehrt derartige Ansrbie-
tungen nach Berlin gelangt, sie hätten sich bei näherer Prüfung aber
sämtlich als trllgerisch erwiesen.
Es scheint nun, als ob Lies« entschiedene Ableugnung der Be-
hauptung, Deutschland habe Bermittlungsbitten ausgesprochen, der-
jenigen Erupp« der Berliner Sozialdemokraten, die schon lanze
ungeduldig die Regierung aus den Weg der Verhandlungen ^rängen
wollen und die dauernd an dem Bestande der Reichsregierung rütieln.
ohne Lbrigens di« geringste Neigung zu bezeigen, ihrerseits an ihr«
Stelle zu treten, etwas auf die Neroen gefallen sei, und daß ste des»
halb auf schleunige Berufung des Auswärtigen Ausfchuffes gedrängt
hätten, für den ja in der Tat auch schon am Samstag eine Sitzung
angesagt worden war, die indeffen dann wegen Erkrankung de»
Reichskanzlers verschoben worden ist. Was ist aber eigentlich daran
zu tadeln, datz die Regierung eine Vermittlung nicht erbeten hat?
Hat Frankreich nicht ost genug verkündigt. datz es eine Vermittlung
von seiten irgend einer Macht als eine unfreundliche Handlung
ansehen würde, hat die englische Regierung nicht mehrfach erklärt,
datz der franzüsische Wunfch, in Ruhe gelaffen zu werden, für fie
Befehl sei, hat nicht Washington beständig abwehrend die Händ«
nach Europa hin ausgestreckt und gerusen, man solle es mit deffen
Angelegenheiten verschonen? Wirklich, unter solchen Umständen «in«
Bitte um Vermittlung auszusprechen, wäre verlorenes Bemüh'n ge«
wesen,- es hätte nur zu einer Demütigung für Deutschland sllhren
können!
Wir stnd dem Kanzler dankbar für dies« Entschlietzung weiser
Zurückhaltung und wir hoffen, datz er fich durch das krampfhcfft«
Eelärm der Berhandlungssüchtigen von der bisherigen Richtlini«
nicht abbriygen laffen werde. Eewitz ergibt sich aus dieser Politik,
datz wir auf «in Laldiges „glückliches Ende" — glücklich zunächst im
Lescheidensten Sinne eines Aushörens der fast unerträglich gewordenen
Qu iiereien und Vsrgewaltigunz-n genommen — nicht werden rechnen
können, datz wir weiter ausharren, die Zähne aufeinander Leitzen,
all« natiirlichen Empfindungen der gerechten Entrüstung werdrn
unterdrücken müffen, aber gibt es dem zum Aeutzersten entschlossenen
Frevelmut der Feind« gegenüber irgend «inen anderen ganzbaren
Weg, als ihm weiter zu beweisen, Latz — um auch hier des Reichs-
kanzlers Worte zu wiederholen — „man nicht Leben schaffen
kann.woderlebendigeWilleDeutschlandsArbett
versag t"? Der einzige andere Weg ist die UnterwLrfung:
Frankreich verlangt sie; es wird erst dann aufhören, ste zu verlangen,
wenn es erkannt hat, datz seine Politik wohl zu einem Ruin der
besetzten Eebiete, aber niemals zu den dem französischen Volke stets
vorgespiegelten Reparationen führen könne; wenn es einmal so
weit ist, dann wird es auch für Abmachungen reff sein, die in
irgend einer Weise die Räumung des Ruhrgebietes mit sich brinzen
werden, und dann wird die Stunde der Verhandlungen gekommen
sein. Dabei wird di« deutsche Regierung das wahr machen, was si«
schon so oft erklärt hat, datz si« zu allen Opfern bereit sei, die im
Verhältnis zu unseren Kräften stehen, aber erst dann', vorher
nicht.
Diesen Perlauf der Dinge mit allen den schmerzlichen Heim-
suchungen und Verzichten, die damit verbunden sind, durchzuführe«,
bis ans Ende durchguführen, das ist natllrlich nur eine Regierunz
imstande, die das ganze Volk hinter sich hat, die ein Volk hinter
sich hat, das von dem Eeist der festesten innerlichen Eeschloffenheit
erfüllt ist. Dieser Eeist war bisher vorhanden, aber die Eefahr
besteht, datz er schwindet. Wir sehen die Eefahr nicht rechts, aber
wir sehen fie> links, dort, wo man von Anfang der Ruhrnot an
eine Sonderstellung einnahm, getrieben von der Angst, die Flamm«
des allgemein auflodernden Volkszornes könne «twa die künstlich
errichteten Klaffenschranken verzehren und die Wiedervereinigunz
des durch kläglichen Parteihader getrennten Volkes in einem «in.
heitlichen, schlechthin deutschen Empfinden zur Folg« haben.
Diese Angst bestimmt tatsächlich unsere innere Entwicklung und
damit unsere äutzere: die Sorg« um die Erhaltung d«r Partei-
gegensätze, sie droht di« Abwehrsront zum Zerbröckeln zu bringen.
Parteigeist den Vaterlandsgeist Lbevwuchern zu laffen, und wir
gehen schwerlich fehl, wenn wir annehmen, datz der Reichskanzler
diese verhängnisvollen Möglichkeiten sehr ernst ins Ange gefatzt hat,
und daß er seine Reise nach Süddeutschland zern als Anlatz dazy
benutzt hat, das deutfch« Volk auf ste hinzuweifen und es zu warnen.
Wre nütig diose Warnungen und Bejchwörungen fintz. das habe»
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