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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0086

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nalc Bewegung zu dulden, auch wenn sie nichl oon Tchlacken und
Einieitigksit?rei rst.

polea Md der franzöMe Dormarsch.

Von unseremoberschlesischenDkitarbeiter.

Kattowitz. Mitte Januar.

Teitdem es rest'stano. dasi Poinearö dic französischen Trupveu
das Ruhrgebiet wiirde Lssetzcn lassen, beschränkte sich die potnische
Presie in ihrsm politischen Teile fast aanz auf die Wiedergaoe von
Nachr.chten, die diese Frage Lehandelten. Atan sprach nur von dem
„renitenren" Deutschland, das nicht zahlen wolle und von dsnr
ausiergewöhnlich „geduldigen" und „nachsichtigen" Frankreich, das
endlich einmal zu seinein Gelde kommen müsse. Die angebliche
LonLoner Meldung, dasi bei der Vollstreckung von Sanrtionen durch
sfranireich auch Pvlen marschicren und Deutsch-Oberschlssien
Lesehen würde, wurde mit bssonderer Eenugtuung, sedoch ohne Me:-
teren Kommentar, veröffentlicht. AIs aber dann Poincarä cs als
eine „beiondere Dreistiqkeit von jenseits des Rheins" erklärte, dasi
er Polen bevollmächtigt habs, gleichfalls vorzumarschieren, wuroc
diese Erklärung von den meisten xoln'-schen Bläitern unterschlagen.
Obwohl diese Erklärunq in der deutsch-n Presse Ostoberschlesiens
zum Abdruck kam, ichwieg man sich in der polnischen Preise aus,
zog daraus aber doch die Lehre zu qrösierer Zurückhaltung. Man
traut in weiten Kreisen Deutsch-Oberschiesiens den Polen den Ein-
marsch aber auch ohns em besonderes Abkommen mit Fränkreich zu.
Einstweilen aber scheint es Grllnde qenuq zu qeben, die das amt-
kiche Polen von jeder offensiven Haltung ablenken.

So hat das Warschauer Auswärtiae Amt erklärt, dasi die s?rage
der Nrchrbesetzung nur eine sranzösische Angelegenheit
sei, dasi Polen aesättigt wäre und mit der Befestigung scines
Lesihes zu tun habe. Es ist aber charakteristisch, dasi ein Teil Ler
Korfanty-Presic auch diese Erkläruna unterschlagen hat, ein anderer
Teil brachte sie nur m-t ofsensichtlichcm Widerwillen zur Veröffent-
kichunq. Dafür bemüht sich qerads diese Presse. täqlich immer wieder
aufs neue M versichern, Las; die Entente durchaus einiq sei und dasj
sich auch Enqlaud an die Seite Frankreichs stellen würde- Täqlich
wird in den xolnischen Spalten mit einer auffallenden Eeschäftiq-
keit immcr wieder versichert, dasj England nur abwarten wolle,
Lis Frankreich Tatsachen geschafsen habe, um sich dann durch Inqe-
nieure und Techniker aller Art qleichfalls an die Seite der fran-
zösischen Kolleocn zu stellen. Es maq dachingestellt sein, ob diese
Informat-onsn der polnischen Presse irgend einen Wert haben, oü
sie mehr bedeuten, als das; chier der Wunsch der Vater des Eedan-
kens ist. Interessant ist jeden-alls schon die Geschäftigkeit selbst,
mit dcr immer wieder die Emigkeit der Entente betont wird.
Die naiionalistischc Presse Poleny gebraucht für ihre Zwecke offen-
Lar diese Eimakeit. weil sie sich nur daun qetraut, ihre eigenen
Pläne qegenüber Deutich-Oberschlesien zu förderu.

Inzwischen ist die gkeiche nationalistische Prssse Korfantys
eifrig damit beschäftigt, die xolnische Vevölkerung Ost-Oberschlesieus
aüfzuhetzrn und aufzurei.gm, um den qeistiaen Unterbau für evsu-
tuelle jpäter? Masinahmen gcqen Deutsch-Oberschlesien zu schafsen.
Die Kattow-tzer „GrenUtg." Kormntys veröfsentlicht jetzt jedeu
Taa länqere Artikel üöer das Auftreten von „Orqesch" in Dcutsch-
Oberkchlesien gegen die dorligen Polen. wobei jeder Artikel mit
dcr Drohimg r-on Eeqenmasjnahmen schliesjt. Diese tzehe zu
Masmahmen qeqen Deutsch-OLerschlesien wird besonders eifrig von
ffranlreich qeschürt. wobei mnn selbst vor der Verbreitung des qrösj-
ten ftn-inns n-mt zurückschreckt. So hat die von französischem Eelde
ins Lebcn aerufene imd von französischem Eelde ausgehaltene
Nqencia Wschodnia allen Ernstes in der polnischen Presse die Nach-
richt verLreitet, dasi von Deutsch-Oberschlesien aus als „dcutsche
Gegenaktion aegen L-ie sranMsche Ruhrbesetzung" ein allgemeiner
Easangriff gegen das polnisch gewordene oberschlesischo Jn-
dustrieaebiet crfolqeu würdc! Die frcm-ösische Nachr-chtenaaentur
phan-asierte sich dabei zur bssseren und wirtsamsren Aufhehuna der
Polen u. a. solgendes zusammcn: „Die im deutschen Teile Ober-
schlesims wohnhaften Poleu saqen aus. dasi die Dcutscheu in üen
Nächten Maffen und Munition nach drn Erenzorten schaffen und
sie doxt in geheimen Verstccken unterbringen. Ebenfalls kuriieren
Esri'ichte. dasi die Deutschen in Ratibor irgendeinen geheimen
Vsrband oraanisiert haben. Es konpte jedoch nicht festgestellt wer-
den, wie sich Lieser Verband zu betätigen beabsichtigt."

Es eri-Lri.at sich, im einzslnen die Unsinniqkeit dieser französt-

nallitischen Hetzpre.ie Korsantys geleitet wurde. Sclbsr !n den
Kreften.Ler polnischen Wojewodfchaft häU man Ausschau nacb den
Dcutschen. die Las Land.den Polen wieder entreitzen wollen. Kom-
mun'stische /Tührer. die >n diesen Tagen i'iber die Beschlagnahme von
Zeitnn-'en Klage führtcn. wurüen allen Ernstes gefrag't, wis weit
Lie Vorbereitunoen dsr Deutkchen seien und wann ihr Bormarsch

I ch en ujsol i.n i s.ellen würden unü datz sie schlissjlich froh
ft.n wiirdsn. in der Armee der l?a!z>s-en gegen die Orgesch in
Bcuthen. Hindsnourg und Gleiwstz märschiersn zu können".. Ju
emsm. andcrrn Artikrl hetftl es: „Den Halaiisten oon jenseits der

Das RuhrkohlengebieL.

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Das Ruhrkohlengebir^
ist der nordwestliche Teiü
des Sauerländischen
birges; seine Erhebunge^!
die bis etwa 250 Met^
reichsn, sind zum Teil be'
waldei. Die autzerord-nb
lich wertvolle Steick'
kohle verteilt sich aU>
drei Mulden:
Westen dre von Mii!'
heim - Essen, ^ie
den Franzosen zuerst be'
setzt worden ist. in det
Mitte die von Werdeu'
Bochum, deren
setzung geplant ist, und uU
Osten die von Sprock'
Hövel-Hörde-Dor^
m u n d.

Die Ausdehnung deS
ganzen Ruhrkohlengebie'
tes betrügt von Ostsn na«
Westen 82 Kilometer.

Die Lage der einzcli.eU
Kohlenzechen ist
der beiaegebenen Kcn^
ersichtlich.

Erenze rufen wir zu, die schmutzigen Hände weg von unserem pol-
nischen Adler, sonst schlagen w i r zu!" Auf die Erzeugunq einer
solchen Stimmung ist es der franzöiijchen Agentur offensichtlich allein
angelommen. Die unteren xolnifchen Verwaltungsorgane gchen
Lenn auch bereits einen Schritt weiter. So wurden in Vismarck-
hütte zahlreiche Deutsche von Pollzeibeamten aufgesucht uud mit
der Frage belästigt. wie lange sie noch in dem polnisch gewordenen
Eebiet bleiben- wollen. Äuch in anderen Orten vermehrt sich der
Druck gegen ras Deutschtum. Will daher die Warschaucr Reqierung
ihrem angeblichen Proaranim treu bleibcn, dann wird sie die Zügel
nicht länger am Bodcn schleifen lassen dürsen. Sie wird vor allen
Dingen die osfene Stclle des ostoberschlesischen Wojewoden durch
erne energischs Persönlichkeit schleunigst besstzen müssen, -die den
nationalistischen Hetzversuchen gegen Deuttzh-Obcrschlesten ein sicheres
und gründliches Ende bereitet.

po!nische KrieOdorhereüungeK in Sherschlesien.

Berlin, lö. Ian. (Lig. Drahtm.) Aus Kattowitz wird gemeldei,
datz in auffälligcr Lkeise in den letzten Tagen in Ober-
schlssien wohnende Kongretzpolen Einberufungsbefehle er-
hielten. wonach sie sich sofort bei ihrem zuständigen Garnisonkom-
mando zu melden haben. «olche Einherusunqsnachrichten kommen
aus allen Teilen der Wojewodschaft Oberschlesien. Bei den
Einberufungen hgndelt -s srch meist um jüngere Iahrgängs. Diese
Asatznuhmen crpegen üci Len oberschlesischen Arbeitern grotzss Auf-
sehen. Die Oüerschlesier selbst sind bekanntlich fünf Iahre lanz
oon Ler Dienstpflicht befreit.

Aus dsm Aeichstag.

Berll«. 18. Jan. lEig. Drohtm.) D«r ReiKstag rratzm einen
GeseLeiitwurt über üie Berträae mit Ocsterreich und der T I ch c ch c> -
slowakci mm Ausglcich der in- und auZländischen Bcsteucrung iiber
Ncchtsschutz und Rechtshilfe in Ttcucrsachcn und bürgerliche,! Angelcgcn-
bcitcn vhne Aussprachc ill allcu brei Lcsungen an. Fcrner wurde ohnc
AuSsvrache angenommen ein Uebercinlommcn mit Finnland iibcr
gcwiss« Aragen dcs HandclSverkehrs. der Gescbcntwurf ülxr di« Er-
klärung der allgenieinen Verbiiidiichkeit von Tarifverträgen in
erster und zweiter Lesungz die Vorlage zur Regelung ües Weingesctzes
in erster unb zweitcr Lesung, rn allen drei Lesungen drr 9. und 10. N a ch»
tragsetat zum Neichshaushaltsplan fiir 19W. der die Er-
böhuilg dcr Bcamienbezüge Vringt. Der Gcsehentwurf über Sie Nück-
lagen bsi den B « r u f s g c n o s f e n s ü a f te n geht an d«n sozialvokiti-
schcu AuZfchnsi. — Das HanS vertagt sich darauf auf Dien s,t ag 3 Uhr:
Vorlage iiber die ivirtsii>aftllche Not der Prcssc, Anvassung des Straf-
gckcbbuchcs an das Bersasiungsrecht. kleine Vorlagcn.

Kem Wiederausleben dsr hayer. Anwohnerwehr.

Vayerischer Bauernvercin und Nationalsozialismns.

Von unserer Münchener Redaktion.

München, 15. Januar.

Jn der Presse wird eine „Meldung des dem Abg. Held schk
nahe stehenden „Regensburger Anzeigers" viel kommentiert, datz maä
nämlich an matzgebender Stelle infolge des Einbruches del
Franzo.en in Las Ruhrgebiet und infolge des Lamit von der Eegcsi'
jeite geschaffenen Vertragsbruches an eine WiedereinfllhrunS
der Layerischen Einwohnerwehren denke. — Wie unsere
Mi'mchener Redaktion hierzu von einer huverlässigen amtlichen Stellr
erfährt, ist dieser Eedanre jedoch als eine private Anregunö
anzusehen, und die amtlichen Stsllen haben damit nicht da»
geringste zu tun, um so weniger, als der Staat heute über
nügcnd Mittel und Wege verfügt, um die Ruhe und Ordnung
Lande aufrechtzuerhalten.

».

Jn einer energischen Protestkundgebung des Bayeri'
schen Bauernoereins gegen die Raub- und VergewaltigungS'
politik dsr Franzosen nimmt der genannte Verein auch Stellung Z?
den Zielen der nationalso^ialistischen Arbeiterpartei-
deren Bestrebungen die Eefühle fiir nationale Würde un"
Ehre zu wecken auch der christliche Bauernverein anerkennt-
Dagegen wendet sich derchristliche Bauernoerein gegen wirtschaft'
liche und politijche Forderungen wie z. B. die zur Brechung der
Zinsknechtschaft als notwendig erachtete unentgeltliche Enteignur^
von Grund und Boden für gemeinnütziae Zwecke, Verstaatlichung alle»
vergesellschasteten Betriebe, und nichk zuletzt gegen die SchaffunS
einer starlen Zentralgewalt des Reiches, unbedingte Autorität de»
Zentralparlamentes über das gesamte Reich, Bildung von StandeS'
und Berusskammern fllr die Durchführung der vom Reiche erlasseneo
Rahmengesctze in den einzelnen Bundesstaaten. Dieser letzten Forde'
rung na'mentlich setzt der christliche Bauernverein die föderalistisE
Eründlage entgcgen und erklärt: „Der Bayerische Bauernverein isi
sich aller Schattenseiten der besanderen Formen des deutschen Parla"
mentarismus wohl dewuht, daher trrtt er entschieden für eine Ee-°
staltung det staatsrechtlichen Verhältnisse ein, die dsr schrankenlose.n
dlebermacht des Einkammersystems ein Ende bereitet. Wenn die
Nationalsozialisten in dieser Hinsicht mit uns Schultcr an Schullel
kämpsen wollen, so Legrüßen wir dies lebhaft."

Das nem SHaMälisngesetz.

Berlin, 15. Jan. (Eig. Drahtm.) Das dem Reichstaq vorliegendk
r Schankstättengesetz wird im besonderen eine ErschwerunS

?§ tzeIlrae

E-.N LeUischer Bau:raro:uan aus dcm letzre« Iahrhundert.

Ven Paul Burg.

Kort'edüns. NaSdruck verbotem

D-n fihönen Ban.m so zn verschanhftecken!" Er trieb seins Kühe
mit Psitschcnknallen an uud strsote heimwärts.

„Jürgen!" scholl sein Ruf in dic Schmicde. *

Der Sohn crsckisn »ichksahnsnd und emesing eine gswaltige
Maulschelle.

„Aur dem Lin'oenbauir. da lrieg ich's n.ichl weg — aber aus
dein m Tchadei schlag ich bii so'che dumm. E daaien "

..Vvier! Soll ich vielleicht auch rrarien mit dem Freien, Sis
ick fünfzkg gewisen ö-n. wie du damals? Nuri erst rechi! Heut 'noH
srag ich die Ri-th, ob sic mich will"

,.Dann schn-.eitz ich -ich vom Hoss runter!"

„Wir werden si''en Lcide ein Eckchen Erde finden"

„Phaniasterei k Bist wohl gar so riner als wie der Kar! Vclten,
der Rsvolnzzer? Bengsl, was sind das fur neue Moden!

Na, warä bei den Soldatrn werdcii sie Air's Parieden schon
bekbringen. Scher dich j-:tzt an drine Ärbeit. Marsch!"

Ater am Abend schlüpste Iürqen aus scin-r Kamm.er, aus 'dsin
LindenschMdLhofe und klopfte spät noch im.Schuizenyoie an.

„Der Iüraen! Ei, ou hast dich wohl in der Haustür versehs»,
kleiner Mann, denn wir wollen grad zu Beit," spoitete .Andreas
lustig über den Iüugling, Ler sich so gern als sein Sck'waqer auf-
spielte.

„Zch — — ich .. biu einundzwanzig gewessn und dis Ruih
oollt' ich geru was sragen."

„Die Ruth —? Heut Aben.d noch? Iunge, dü bist .nicht bei
Troste." ^

„Ich bin übcrhaupt kein Iunge mehr."

„Rcin. mein Herr Schwager. ^lber jetzt sei so aut und geh
heim!" Andreas schob ihn aus der Tür und riegelte hinter ihm ab.
Nachher in der Kannncr erzälftte cr Maria den Vorfall.

Sie yörte mehr heraus, a!s Andreas auch nur ahnte, und lag
!n diescr Nacht lanqe schiaslos in sorqendem Nachsinnen neben ihm.

Am Morgen rückte sie mit dem Plane heraus: „Wenn du
wleder in die Siadt sährst, Andreas, so mach es r-chtig mit der
Ruth, datz sie aus unseren Namen geschrieben wird, wo sie doch
einmal unser Kind qeworden ist und neben unseren rechten K-ndern
erbt."

Er sah Maria grotz an, verstand.

„Du meinst wegen des Iürgen, der gestern Abend anklopfte?
Nein, Dkaria. da kenne ich die braven Lindenschmidts und ihrs Art

ein bitzchen bssier. Wenn Ruth auf diesen Mann rechnen soll, dann
kann sie sechzig Iahre alt werden. Er machte einen stürmischen An-
lauf und wartet dann, bis sie über vierzig Jahr einss allderen
Mannes Witwe sein wird. Wovor sie Eott bewahre'

Jch will auch nicht, datz sie ihrcn Namsn ablege, wie ein alies
Kind — denn ver Räme.'Välen'tln, ordentlich und ehrlich, ist doch
das einzigs, was sie von ihren Eltern überkommen hat. Es wäre
ein Ui;recht gegen den Landgänger und fein Malchen. — Maria, ich
HLrc und sehe ihn noch, wenn er anklop.te: Wir haben keins Hei-
mat! — Soll er uns beiden etwa im Traum erscheinen und sagen:
Wir haben r-in K-.nd nrvhr. wir stnd wie ausgelöscht."

„Uber ste wsitz 'iürrn Ramen jä nicht sinmai und ahnt von
ihren Eltcrn nichts, Andrsasi"

„Das rnache du mit ihr selber aüs. w. nn .-s an der Zeit ist."

„Lliio Iürqen Lindenschmidt?"

„Ist ein dummer Iutige!"

Damit wur die Sache sür Andrec-.s abqeian und er fuhr a'.üs
Feld. Sein ältester Sohn' And wmk.erer Gehilfe aber befatzte stch
sorlan mit !yr. Davon ward keiner un Hose und Dorfe etwas ge-
wahr. Iimgs Liebe kanii ja so heim-ich scin, Die Liebenden selber
ahnen ost nichts ... Zn err-nnen, wie es um sein Hcrz stand, das
lam dxm jungen Andreas srlber so plötzlich, datz er davon aufs'
böchste Lberrafcht war.

Morgens bc-im Flachsaussxls.len am Wissenbach, wo die Weber-
lingeichcn die Wiese schirmen. fand Jürgen LinLsnschmidi und Ruth
öeieinander, ste stritien ofsc-nbar.

„Du willst mich n-cht? Du sagst Nein! Du?" hörte er den Rot-
kopf schelten und pirschte sich hinter eine der Eichen, dis seine
fchlanlc EesialL deckle.

Ruth sah er in Tränen. Es rsibrts ihn unendlich und er Lallis
hinter der Eiche die Füust gegen Illrgen Lindensthmidt, den närri
schen Kxrl, welcher solchen öummen Strsit anfing.

„Du bist doch mein Onkel!" hörte er Ruth wehren und dein
Stürmischen ausweichen.

/Ich bin gar nicht dein Onkel." „Frcilich bist du's!"

„Das schon — — Ia, qber du Ruth — du bist nicht meine
Nichte, du bist eine Fremde."

Si« stand entsetzt, auch Andreas hinter dsr Eiche war vor Er-
staunen sprachlos War denn dieser Mensch da von Sinnen? Was
wollte er r-on Ruth, die bleich und bebend vor ihm zur.iickwich? Und
wie er ihr nachdrängte, ihre Hände fatztc!

„Nuth! Liclis Rnth — werde mcinc Frau! Es !ch mi: gauz
gleich, was du für eine brst. Mein bist und bleibst du! Hier unler
den Eichen, welche deine Eltern gepslanzt haben, als sie heirateten,
sag es mir. Msino Eltern heirateten danials auch. ALsr es stnd

ja gar nicht deino Eltern, nnd wsnn sie ss nick-t mollen-wenn

auch msine nicht wollen, die doch deiue Erotzeltern sind, so ...

neuc

flüchten wir beide nach Amerila, Nuttz Ich habe ein Buch, wori>l
es genau beschrieben — —"

Weitcr kam cr aber nicht in seincm konfusen Ecstammel, den-r
Andreas schotz wie ein Stier hinter der Eichs hsrvor, ritz den Dec-
führer und Vetrüger Jürgen van Ruth los und stietz ihn qradweqS
:n den Wiesenbach. Er spranq nach und bieb wie ein Desessener am
ihn herab. der ?!esfe auf den Or.kel.

„Du ... du wahnstnniger Verleumber. du! Deine Eliern stnd
uicht dcine und nicht meins und nicht Erotzellern .. wa-i schwützeit
du der Rurh aücs vor? Fahr nach Bmerika, du Berriickter! Kcin
Mensch wird dir eine Träne nachwsin'en."

'Zurgen Lindenschmidt arbeitete stch imter Schimns und Flnck
a-'f dem anberen Äfer a»s dsm Wasssr horaus und rannts >n di-r
Wiese hinein. Lllandte sich uud risf:

„Das tue ich auch. ich gehe nach Slmerika — ich heiraie überj
haupt leine, weil die Ruth so stsis und dumm wie ein Stein ist.

Dann rasie sr in grotzen Satzen davon.

Rütb lehnte in Andtcäs -Armen. 'Er befühlie. und besah ihre
Hände. Arme. „Hat dir der Lümmel meh getan. armes Schwester«
chen? Warum hast du mir nicht längst was gesagt von seinen Narro-
teien? Er ist ja verrückt nnd soll r::hiq nach Amerika re-'.-n. So
einen Narren nehmen nicht ma! dis' In: ianerweiber. Den heirate
ia nicht, Ruth!" so schait er sich in Eiser und sührts sie unter dic
Eichen auf einen Raieu.itz.

Nuth weinte vor sich htn.

Nicht die Weroung hatte sie so sehr erschreckt, die .zweite stür-
mische Manneswerbnng, welche übcr sie dahingebranst war, als daZ
Wort ILrgens: Du bist einr Frrmde! Was war dsnn nur mit ihr?
Was gab einem Bursche» das Necht, sic an sich zu reitzen w:e ein
wild-es Tier und ihr ins kvesicht zu schleudern, sie sei sremd und

heimatlos-Oh, sie wollte n-e mieder einem ein gutes Wort

jagen oder einen freundlichen Vlick schenken. An Karl Vsltcn'dachte
sie, der auf dem Kirchhof war und doch auch ihr Vsrwcmütcr ge-
wesen war, sie zum Weibe begchrt und ihr Lann wie einen Fluch
ins Eesicht qeschleudert hatte: Du bist — — ebenso heimatlss
wie ich!

„Er wird sich doch kein Leid antun, der Jürgen?" fragtc sie
unter Trünen den Andreas.

„Der? Sieh, da läuft er noch — gradwegs nach Ämerika!*
And-rsas lachte. Ader es klang unjrsi aus ihm heraus, denn immer-
sort war sein Bedauern bei der sthönen Schwcsisr, dis in seineN
Armen lag, und aller Aerger aus den dummen Iürgen mar vcr-
flogcn.

Wie sthön und wie still sie war, ihrc Händs so zaii!

lFüNs.h:.ng solg:.)
 
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