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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 31 - 58 (1. Februar 1923 - 28. Februar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0286

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m'n^er derstn'ge, der he'ite noch k>uxus treitzt, schlemmt und sich
seines Dro-Hnendaisins jreut, als wäre er mitten ,m Frieden. Ein
Verrätrr aler ist der, der heute jchürt und hetzt, Ler Hatz und
Feindschäfl zwischen die Vol.sgenohen sat.

So soll und mutz jeler einzelne und jede Parieigruppe aLsehen
von allen tle nen uns grö„eren Vorbehalten, nur e i n Ziel im Auge,
nur einen Willen in Ler Seele' Rettung des Vater-
landes. Fn d'.esem Sinne degrügen wir Lesonders solche Reden
wie die les soz'aldemoiratischen Abgeordnetcn Lollmann am 14. im
Reichslag. Eanz a-s unserm Herzen gesi r>.chen ist, wenn es am
Schlusse diessr Rede he'tzt: „Die Ee'ahr für las Reich ist grotz, a er
wir trausn dem Hölderl'nschen Wort „Wo die Gefahr grotz ist, die
Retiung wächst." Wir stehen nicht am E'mLe der deutschen Na.ion,
das Nsich mag vorüLergehend erschüttert wer en, unüberw ndlich
ist der st a a t s b i l d e n d e WilIe der ganzen deutschnr Iugend,
die auf deutschem Loden lebt und von >eutsch:r Kultur gescgnct wird.
Dieser sv''ale und demolratische M'lle wird alle Widsrstände be-
sisgen. Esra'e wir Soz'aldemolraten müssen e'ns gewisse Stärkung
des N a t i o n alst a a t e s wünschen. weil in emem nat'onal zer-
klü'teten Volk dcr Kiassen ampf geschwächt und an seiner rein sach-
lichen und zweckmätzigen Ausw rcung beh'n'ert wird. . . . Unsere
Lage als deutscher Staat mag Leinahe trostlos erscheinen. Die
Sozialdemolratie mer als e'n Gl'ed der sozialistischen Jn ernationa'e
verlie... nicht dsn Elauben an den d eutschen Menschen, vor
allem an die deutsche Jugend. Dieser Glaube an die deutsche
Zuku c lätzt uns trotz alle^em sagen:

„Untröstlich ist's noch allerwäris,

Doch sah' ich manches Auge flietzen,

Und klopfen hört ich manches Herz."

Or. llr. 8eb.

Dcr Streil um die drit sche Ione.

Das Ergebnis der Londoner Besprechungen.

Vonunserem U-Korrespondenten.

Paris, 17. Februar.

Die Derhandlungen des französischen Ministers für öffentltche
Arbeiten, Le Trocquer, mit dem englifcken KaLinett in London
sind Freilag nachmittag zu Ende gegangen. UeLer das ErzsLris
der Besrrechungen erfährt man lediglich. datz die Lritifche Reg erung
im Laufe der Verhandlnngen Eegenoorfchläge unterbreitet habe, dis
Le Trocquer sofort der französischen Regierung übermittelt hads.
Man glaubt jedoch zu wisien, datz der Erundsatz des französtschen
Verlanoens hinsichtlich der Eisen'ahnlinie Düren—Trier ange-
nommen worden sei. Die französische Presse ist mit dem ErgeLnis
der Reisc Le Trocquers nach London nicht durchaus zufrieden. Das
erschcint schwerverständlich, da die enolischcRcgierung, soweit man Lis-
her erfährt. alle Zngestüwnill' u a > d'e von ihr billigerwe'se ver-
langt werden "onnten. Den Franzosen soll Läs Recht zustehsn, die
EisenLahnlinie D'iren—Trisr zu ihren anzeblichsn KohlentranZ-
porten 'u Len'.iLen

Es soll ihnen sogar gestattet werden, auch die iibrigen Eisen-
bahnstrecken der englischen Be'atzungszone für Militärtransporte
zu verwenden, allerdings nur in dem Umfange, als fie von diesen
Strecke» vor dem 11. Januar 1923, also dem ersten Tnge der
Ruhrbesetznng, Eebranch mschten.

Die englische Regierung begründete ihre Haltung in der llnter-
reduna damit, datz Frankreich stch seit 1921 in Düsseldorf, Duisburg
und Ruhrort Lefinde und für die Aus w e ch f 1 un g der dort Lesind-
lichen Truppen die EifenLahnlinien im englischen Besatzungsgebret
in einem gswisien llmfange in Anspruch nahm. Derselbe llm-
fang soll auch writer zuaestanden werden. Aber Lie Elsenvahn--
strecken ausschlietzlich für Milttärtransporte zur Verfügung zu
stellen, könne unmöglich zugestanden werden. Le Trocquer ev-
wider-e, datz Frankreichs Sicherheit im Ruhrgebiet jeden Augenülick
durch irgentwelche Putsche Letzroht werden könnte und dah es
infolgedesirn notwendig fei, rafchestens TruppennachschüLe
zu Löwerlstelligen.

Die Zugeständn'sie Englands erscheinen PoincarS unzu-
reichend. Le Trocquer erhielt infolgedessen den Auftrag, zur Bericht-
erstattung nach Paris zurückzukehren. Jn Paris vermutet man aber,
daß die 'Verhorcdlungen fortgesetzt werden und hofft insbeson-
dere, EnqlanL zu überzeugen, Latz lalsächlich Eefahr zür die sran-
züsischen Trupven Lestände und sie infolgedessen von ihrem Hinterland
Elfatz-Lothringsn nichl aLgeschnitten werden dllrflen. Man scheint
in Paris dahi» drängen zu wollen, Latz tatfächlich irgend welche
llnruhen im Ruhrgebiet ausbrechen, um die englische Regierung da-
mit zu LLerzeugen. wis notwendig Truppentrans' orte durch di« eng-
lische Zone fein würden, um die sranzöfische Herrschaft zu verteidigen.
Die französtsche Presie Leeilt sich natürlich, auf Grund von Düsiel-
dorfer, Essener und Mainzer Depeschen allerlei Eerüchte von Aufruhr-
Lewegungen, monarchistischen Komplotten usw. im RuhrgeLiet zu
Lerichten.

Sie Lcmdjvirtschast m der Abwehrsront.

Die dritte Tagnng des Neichs-Landbundes. - Der einmütige
Wille zum Durchl alten. — Das Hilfswerk für die Ikuhrsront.

Den Auflact der drit.en Reichslandbundtagung, die in diekm
Jahre in Frankfurt a. M, stattfindet, bildete der Begrü-
tzungsabend im grotzen Saale des Palmengartens, der bis auf
den letzten Platz gesüllt war. Nach einem von Frl. Frida Knapp-
Tauborn vorgelraqenen Vorspruch begrützte der zweite Vorsitzende
der Deziri.sbauernschaft Frankfurt a. M., W e ntz e ll -Niedcrursel,
die grope Zahl dcr erschienenen Mitglieder. Der VorsitzenLe des
LandLunls Hillger ertlärte in seiner An>prache, lätz sich dis
Tagung zu einem flammenden Protest gegen die Taten der
Feinde gestalten sol.e und den sesten Willen der deutschen Bau-
ernschaft zum Äusc ruck bringen werde, alle Kräfte in den
D i e n st des V a t e r l a n d e s zu stellen. Psarrer Werner zitierte
mit vielcm Veifall in feinem Hinweis auf die Tagungsstadt Frank-
furt, die Worte Friedrich Stoctzes „Es will mer nst in de Kopp
cnnei, wie .ann nor e Mensch net von Franlfort sei". Auch Eoethe
haüe bereits lobende Worte für die Lan wirlschaft in seinsn Ee-
sprächen mit EckcriiDMn gefunden und ebenso noch ein drittsr Frank-
furter, Scho 'enhamM Er erklärte, datz die Tagung dazu beitragen
möge. dcis Verhällnis zwischen Verlraucher und Erzeuger zu f'.'stigen
und sprach die Hoffnung aus, Latz alle Erwartnngen, die sich an die
Beratungen lniipfen, erfüllt werden mögen. Wir müsien alle fest
zusammenhalten uno gemeinsam an dem Glockengutz von Deutsch-
lands Zutunft arbeiten. Die aber, die Zwietracht sätcn, das seien
„die Pillendreher in Teufels Apotheke". Der gefchäftsführende Vor-
sitzende des Reichslansbundes, ReichslagsaLg. H e p p , begrützte die
Eäste im Namen bes Hessen-Nasiauijchen Lan'es. Er wies auf die
Zsiten vor reichlich hundert Jahren hin, und auf die Arbeit eines
Nassauers, des Ne.chssreiherrn von Stein, und erinnerte an den
Ausruf Friedrich Wilhelms III. „An mein Volk". Die Zeiten von
hcute würhen nicht ewige sein, Las zeige die Eeschichte. Das deutsche
Landvolk habe in dem gegenwärtigen Kampf erne ganz besondere
AufgaLe, nämlich die Sicherstellung der Ernahrungun-
seresVolkes. Die deutsche Ländwirtschaft werde sich eingliedern
in die grotze Eemeinde, die heute alle umfasie, in die Notgemein-
schaft. Dem deutschen Va'erlande gelte in diesen Tagen unsere ganze
Kraft. Ein dreisaches Hoch anf das deutsche Vaterland durchbrauste
en Saal. Stehend wnrde das Deutschlandlied gesungen. — Ein Ver-
treter der KrsisLausrnschaft H ö ch st a. M. gab Las Eelöbnis ab, datz
seine Bauernfchaft im besetzten Eebiet die deutfche Treü'e hal -
t e n werde. "

Hierauf folgte ein anmutig getanzter Reigen von Madchen der
Kreisbauernfchast Schwanheim a. M. Lebhaft Legrützt fprach sodann
der Vorsitzende des Reichslandbundes, Reichstagsabg. Dr. Roesicke.
Er betonte, datz die Landwirtschaft zum Wohle des deutschen Vater-
lands arbeite und gab seiner Freude darüber Ausdruck, datz man
nicht unweit vom deutschen Rhein zusammengekommen sei, für den
wir wieder kämpfen. Bismarck habe prophezeit, datz bei einem näch-
sten Krieg einer der Kämpfenden bis zum Weitzbluten kommen werde
So wie die Franzosen uns augenblicklich behandeln, hätten wir
Frankreich nie Lehandelt, das gings dem deutschen Sinn und Denken
ab. „Lieb Vaterland mutzt ruhlos ssin, bis wieder steht die
Wacht am Rhein", so begrützte er die Jugend der deutschen Bauern-
schaft. Jn Deutschlands Iugend ruhe Deutschlands Zukunft. Sein
Hoch galt der deutschen Jugend. Begeistert brauste der Sang der
„Wacht am Rhein" durch den Saal. Dann folgten Liedervorträge
der Jungbauernfchaft des llntertaunuskrsises. Die Grütze des Kur-
hesiischen Jugendöundes brachte in poetischer Form Frl. Kaiser.
Musikalifche Vorträge. Gesang sowie die Vorführung eines Films
über die Technische Nothilfe und eines Ruhrfilms befchlosien den
Abend.

Die ErSfftmnWtzrmg.

D«r Reichslandbund, bie große beruflich« Organisation Ler Leutschen
Landwirtschaft. hatte als Ort seiner Lritten Tagung Frankfurt a. M.
gewLUt, um tzier an Ler Grenze Les besetzten Gebietes neben Ler Er-
örterunc' beruslicher Fragen Las Gelöbnis abzuleaen, nicht müde sn werLeu
in Ler Hingabe znm deutschen VaterlanL'« und allcs zu tun.
um Las LoS Ler Stammesbrüder in Len besctzten Gebieten,
Lie unter Ler brutalen Gewalt der sranzösischen nnd belxischen Eindring-
linge rmermeblich schwcr leiben, nach besten Kxäftsn zu erleichtern. So
klang auS Len Verbandlungen immer wieder die Parole: Lebensmittel
unferen Volksgenosfen an ber Ruhr und am Rhrinl unL die Mabnnng
u»L Las Gelöbnis: Dnrchhalten — komme was mag! Der
eigentltchen Tagung gingen Lie vorbcreitenden Bcsprechungen Les engeren
und Les GesamtvorstanLes am Freitag mittag voraus, wo im wefentlichcn
das zur Erörterung stebende Material nochmals kurz durchbsraten und
hier unL La noch einzelne Wünsche und Vorschläg: entgegengcnommen
rvurben. Am Abend fand im Palmengarte» Lie erste erweiterte Zusammen-
kunst statt, in Lsr die znr Tagung herbeigeeilten Mitglieder begrützt
wurden und Lie sich zn einer grotzen vaterländischen Kuwdgebung wus-
wuchs. NachLem am Samstag vormittag Lie Vertreterverfammlung getagt
hatte, begaun nachmittags S Uhr bie eigentliche Tagung im Hivvodrom
sweitere Bersammlungen fanden im Saalbau und Overnhaus statt). Es
liegt eins Tragik Larin, datz, obwotzl man bie Liesjährige Tagung gerad«
hart an Lie Grcnze des Lesetzten Gebietes verlegte, es den Lort wohnenden
Mitgliedern wegen der Bexkehrsverhältnisse nicht möglich war, dem Tage
versönlich beiznwobnen. J-uvübrigen warcn alle Provinzen LeS unbcsetzte«

tsandl

Eebietes vertreten. selbst der Aerne Osten hatte seine Lerrreter, - ^ he
U, a. war auch ber Vorsitzcnde des Deutschen Landbundes
Tschechoslowakci anwesend, Ler Lie Klagcn der deutschen
übcrbrackst', datz Lie tschcchiicl>e Reciernng Lie Aufnahm« von Ra«
sowie Lie Sammeltätigkelt sür die Ruhrsrontlämpser verboten ba>-
Als erster Redner betrat, lebhaft begrützt, der Leschästssübrend
siüenüe bes NeichSIaudbvndes

Reichsta^sabgeordneter Dr. Rösicke


elä"'

die Tribüne. Dr. Röficke führte i» seiner Begrützungsa.ckor
solgcndrs aus:

Hcute bczw. morgen werden es 30 Jahre. datz ber Bund
wirte bcgründet nurde, der Vorgnnger Les Reichslandbundes- l E
war Lie Landwirtschaft in groher Not. Unscre diesjährige Tag" o>
cbcnfalls im Zeichen ber Not, und zwar isi es heute iu erster - Hiiä'.i


Not Lcs BaterlandeS, Lie wir in Len Vordergcund stellcn ivollen- ^»>->
uns liegcn Krieg und Ncvolntion. Seit übcr acht Jahrcn »un >"jj t s
Vatcrlanö nicht mehr zur Nuhe gckommen. Erst die schu>ere ä,,
Kriegss, darnach dic Iicvolution und die Revublik, die das Rfjira'if,
dem Stadium dcr Matericllcn Kämvse, ber Lohnbewegungen, ,Z,'aÄ-
gebracht und sich ben AnforLerungen Les praktifchcn Lebens nickt^-jj '

Hilfsmittcl. Nicht nur, Litz der LauLwirt für dic

Getrcidcs und Les Stickstoffes hinaus. - Wir brauchen aber ein« l'
schaft, in der stch jeder einzelne fo einrichten kann. wie es sein-

niste ersorbern. .ri»-ä

Von der Regrerung mnsten wir »nter allen Umständen k jj r

' irtschaftu n o/.rll'är

datz fieerklärt, wie Lie Getreidebewl

Landwirtschaft unnatürlich überlasdet. Die Vorräte und Hilism'l

keiner Besteuerung unterzogen werden. Die Sozialde'mvkraten H'?-

Zwangsanlei>I.,a!liä

Zm Wildvad.

Novelle von Certrnd Lent.

Covuright by Ausust Scherl G. m. b. H.. Berliu 1931.

». Fortsetzlurg. NaLdruck verbvteu.

Abigail eilte fich, fast stietz sie den Kräuterjockel um, der mit
einem neuen Anliegen da war. Ein seltsames Völklein hatte er um
fich versammelt. Fuchsmatter Zwerge, mit denen er einen weitver-
zweigten Handel trieb an fahrende Leute; manchmal wenn ein Ge-
fcheiter unter ihven war, gab es auch eine Lieferung an Edelsitz oder
Fiirstenhof: sein Abnehmer war bei ihm, ein Welscher, der wollte
das Zeugnis des Arztes, datz die Zwerge gesund und richtige Zwerge
seien, die nicht grötzer würden; fur die jungen heischte er übrigens
einen Trank oder ein Pulver gegen das Wachstum. Das Eeschäft
mit Abimelech war rasch erledigt. Er fchaute den Zwergen ins
Maul, als gelte es einen Rotzhandel, Letrachtete fie. wie wenn er
eine Kuh fchätzte, und wurde, zwar mit Würde, sehr zornig, als der
Kräuterjockel mit seinem Händler in Eegenwart des Arztes zu strei-
ten anfing und zu feilfchen um einen des kleinen, schmutzigen, arm-
seligen Volkes, der besonders kostbar, da er mit einem wunderbaren,
grausamen Kropfe und kleinen, gefranzten Ohren begabt war. „Hin-
aus! Packt Euch, Geziefcr!" befahl Abimelech. Er llieh das Fenster
auf, tauschte seinen Mantel, betupfte fich mit elnem Wohlgeruche und
zählte hastig die kleinen, schmierigen Münzen dss Kräuter- und
Zwergenhändlers. H

Im Rebstock hatten die Baslerinnen ihr Losement Lezogen. Die
HLtllNin war ganz aufgeregt. So was von Röcken, Schauben, West-
lein, Leiblein. Halskrüllen, Hauben, Hüten, Miedern, Maulschuhen
und Pantöffleln, feinen Schals und Allerweltskram aus Welsch- und
Morgenland lebte ja nicht! Ob dre Tanten, die Vrennerin, schöner
wäre als die Nichte und feiner und reicher — das wutzte sie nicht
zu sagen. Ihren ganzen Oberstock hatten ste genommen, zwei Schlaf-
, kammern! Richtige Betten hatten sie mitgebracht: die Kemenate in
'der Mitte war reinweg nur zum Dasitzen und Besuchempfangen; in
der Dachkammer fchlies die Magd, in die dritte Kammer aus dem
Stock stellten sie Truhen und Koffer für die Kleider, in did vierte
einen eigenen Nachtstuhl! Wer hatte solche Vornehmheit erhö'rt! Ja,
die Brennerin hatte Eeld, viel Gcld! Zum Trlltwin sprach der
Hütlin ein übers andere Mal: „Sie häb en aige Laibstühli mitbrocht,
waifcht! En aige Laibstühli! Los numme!"

Kaum war alles eingeräumt und die Frauen vom Mittagsmahk
heimgekehrt, kam auch schon Besuch. Herr Jrenäus und fein Sohn
machten lhre Aufwartuna. Biel gab es zu berichten, war doch Henny
von einer weiten Seereise heimgekehrt und hatte den Vater und die
befreundeten Fea''?n wei Iahre nicht gesehen. Die Brenncrin hatte

unterdessen ihren Ehegemahl verloren, Herr Irenäus war fo kranl
geworden, die Verena inzwischen zur Jungfrau erblüht. So genau
hatte Henny die Brennerin noch nie angesehen wie jetzi. Ja, das war
ja eine schöne Frau! Wie glatt, fein und üppig! „Werdet Ihr auch
die BLder in der Pütt nshmen?" fragte er sie ganz begierig. „Ei,
freilich, Henny! Wir freuen uns schon darauf! Wir häben sogar
Laute und Maultrommel mitgebracht, um zur Musik beizutragen!

Verena sagte'jetzt auch etwas, sie klatschte in die Hände und
ril.f: „Jch kann mir nichts Artigeres denken, als im Bad die Maul-
trommel spielen!" Kenny begriff gar nicht, datz sein Vater von
diesem Kinde so lentzückt war: Mager war sie neben der Tante, gar
keinen Busen hatte ste, und war auch noch recht albern Die Bren-
nerin dagegen! Da brauchte man gar nicht aus Indien zu kommen,
um zu sehen, wie schön die war!

Nun fragte sie ihn recht mütterlich nach dem Befinden. Was,
ein Fieber hatte er gehabt? Sähe auch noch was gelb aus! Ja, ja,
Sonnenbrand ist auch dabei! Nur fleitzig trinken und baddn — auch
den berühmten Arzt müsse er fragen, d-en spamschen Iuden. „Ia, ja!"
gab Irenäus dazu. „Es wird aut sein! Ich habe ihn auch. Er hat
mich von Basel daher geschickt.

Da wurde Abimelech fchon den Frauen gemeldet, und Vater und
Sohn empfahlen sich, als der Arzt eintrat. Henny ärgerte sich und
meinte auf der engen Stiege, die der Alte tastend hinabschritt:
„Was braucht denn ei'n so gefundes, blühendes Weibsbild einen
Doktor!"

„Ste hat ein wenig ein melancholisches Temperament, seit ihr der
Mann starb!" antwortete Jrenäus. — „Oder war es cholcrisch? Oder
sanguinisch? Vielleicht etwas von jedem! Ich habe ste so genau
nicht verstanden beim Abschied in Basel!"

Abimelech begrützte indesien die Frauen. Mit der Verena war
er schnell fertig, Bockshornklee in Eselsmilch verordnete er ihr —,
das mache sie etwas völliger; Springen, Baden und Tanzen würde
auch nichts schaden. Frühmorgens im Bett ein dicker, sützer Hafcr-
hres mit Weinbeerlein darin, getrockneten, wie sie in des Brennsrs
Handlung aus Konstantinovel und Smyrna zu haben gewesen.

Die Brennerin hielt ihn schon länger auf. „Nun, wo fehlt's
denn, schöne Fraue?" fragte er, wie er jedesmal tat, wenn er sie
besuchte. Er mußte auch seststellen, ob ihre' Haut sich kühl oder heitz
anfüyle, bedauerte, fast schon verspätet, nochmals den Tod des Eatten
und gab sich dann wirklich redlich Mühe, die aufs frische Betrübte
wieder zu erheitern. Vald wutzte sie wer alles im Bade angelangt
sei; wer die dicke Soundso hofierte und wer die magere Base, vor
allem aber, was der Ritter Hennmann Seevogel für ein prächtiger
Mqnn sei. Schade, datz ihn die Bauern so geplündert und brand-
schatzt hatten, er sei auch zu gut und nachgiebig mit den Hörigen
gewesen, jetzt sätze er ein wenig in der Klemme, — man sollte es
nicht glauben, aber die frommen Stiftsherren von Basel brauchten
so notwendig das ihm Eeliehene. So habe er viel Verdrutz gehabt.
dafür hätt' er ihn auch zur Aufheiterung ein wenig ins Dad ge-

deil Seevogel gemächlich verdaue, machte der Arzt jetzt ciA L-ü,
Kunstpause und fühlte den Puls. Heute war das sangui«siAtzai„ii>
perament im Vordertreffen. Was sie gegesien habe? Aha! ^ l>'^


nehmen, und — gel? Jch hab's gewutzt!

der Kastanienton auf dem Haar gut steht. _ _

gesagt: Zu dsm Milch und Blut der feurige warme Tvn ".'.s
seidigen Haar, da wird einem ganz anders! Halt, dag
vergesi'! Zum Dader soll das Kätterle springen, einen ^
kaufen — oor dem gemeinsamen Bad sitz' ich eine Viertelstu'. y-»
ein Kalmuswasier, ia nicht länger, es schlüge mir sonst uu>
Unterleib!"

„Jesus Maria!" antwortete die erstaunte Nichte. „Ausgc^pi^
auf den Unterleib, saqt Jhr? Was der Iud' alles weitz! « /
er's nur herhaben? Eewitz, in Toledo müsien fie arg gelehrt ,

fFortst'tzvnq

e-'K'

zeiste. BiS beute mcrchen sich bicte Geesnsiitzs geltend. Die ^

unespolitik gkaukte. Fricdcn nnd Ordnung dadurch zu crrei"-^,,,»^
üe dcm Feinbe Len Willen tat und sich einseitig nach links uiitf' H>
ausage uach rechts orieutierte. Die Eriülluncsvolitik ist
brochen, bi: BeichulLiguncen gegen die Rechte baben sich als ucjl!,jse '!<
baltlos erwiesen. Tatz nir nicht länger in der bistzerigen - IW,
fiillcn konnten, bat die frnbcre Regierung erst durch die ausüstndisai- z»,
verstäiibigen-Gutachten eingcscben. Eine n e u e R e g i e r u n g , r» st-
crsten Male wieder cin« Ncgirrung, die keine P a r t e i r e g ''
und nicht rein vark..mc»tarisch zufanimengesetzt war. Die deutl»>st^r!>,
wirtschaft kam aus bcr Nevolution unter Lem Zeichen der Z>c»
schast heraus. Man hat dics Prinzip weiter beibchalten lrotz
der gesamten Lcntschcn Landivirtschaft, aus diesem unuatürlich-u L-
ausruloinmen. Auch für das Jahr 1921 22 hat man dem Leutsch-' j!si»st
biind von neuem die Umlage auferleat. Vlan hat ihm zur "st

gleichsam in Ausficht geftellt. Lah Deutschland nun srei werben l ^
der ZivangSwirtschast. Man erlanntc an. dah dic Zivaiigswirtsw'' jjgt -
duktionsginbernd sei. Auf diese Hossnung, frei w wcrde"-
bcutsche Landwlrtschaft bie Umlage restlos erfüllt.

Die deutsche Landwi.tschast hat sich zum Hilfswerk bereit-- , -

Si« hat versproKen, alles eiii-usctzcn, dir Produkkio.n auf däs
zu sleigern. sogar Lie FriedenSvroduktion zu übersteigen. Tazu,stsäli
deutsche Laiiibwirtfchaft aber fvci sein. Wir haben wicderüolt
gemacht, die zu etwas Gutem führen konnten. die Li« Veriorc
beutschcn Bevölkerung mit Gstvcide uud soiistigen L-ebenSmitt-llstge''.',,
alle Möglichleitcn hätten sichern lönncn. Man üat den vorg->"stg,l-.,
Weg aber nicht beschrittcn, man hat uns viekmchr eine schärf-r-

... — - - . ' Landw-A,-!Z,

auscrlegt. Die Folgen zedgtLll sich tibcrall. Die deutsche ua,»-- Zo: g
war dodurch in ihrer Pvodu-ktion behinöcrt, kountc die notwen'äi-i-
rung der Erzengung nicht erreichcn. Es fehlten ihr die notn'st^»» ^


zulängliche Entschädigung obcndrcin anch noch in gewaltig cntn'ert j
Beträgen bckommt. Dah durch dies« Zustände di: Landwirtschajl > jc--

Produltion so gut wie aelähnit ist, ist sclbsiversiänLlich. da ficki S'.'!, La'Ig

nicht bezahlt bekommt. iväs uiibedingt ersorderlich wäre, er mutz "'.jc
aus diese unzulänxliche Bergtüung sehr lange warten, !o datz i

P_„ «

sreie Geu'erbe ben Zcitvcrhültnisscn, anvasfen kann, nur nick'
wirtschaft. Wie wäre wohl unsere Kartoffelversorgung ausgcsall-'-j^c-st,
sie noch unter den Fesseln Ler ZwangSwirtschait sninde! tL-bst^r
Uiid von Ler Rcgiernng- liegt noch nicht einmal ein Hinweis dar"" ^ »
unter welchem Zeichen Les Wirts-Haftstebens Lie neue pgestelluns "
achen soll.

Die Lalldwirischast ist da» Rückgrät Deutschkänds. deS

schaftslebens, sie mutz deshalL gehört werdeu. /

Wie stcht es Lagegen mit dem GetreiLegrotzSauLell Er
Hllfe des Rciches iu vvlltommen einscitiger Weise sinanziert, ohne d-" i'i
Lie Landwirtsch-Lft Lberhaupr zu befragen für »oiwendig fand. G-st ^
solS etnseitiges Borgehe» erhsben wir schärfsten Protest. iBe-'a^S'st,
ift geeignet. ekne Dtonovoliü-rung der Gctreidewirtschaft herbeizw.z
Ueber Li« bevorstehende Regelung der Bewirtschastuna hat ma« ° idstj
hcr nicht einmal sür nötig befunden, die deutsche Lanrmirtschast "st,i'°:,
bcruslichen Vcrtretung gutachtlich ,u Sören. Tie Vvrschläge. d'- ^

in Prcußcn wie im Reich vorliegen, lauien auf eine MonovolÜ!-.', Ä'stu

.... ... -. . ---.

jSll-

nachste Jahr flch gesta-Iten soll. Sie mntz sich sofokt „ciä^,
weil sonst öie FrnhiahrSbzsteNung nicht mchr in ker Weisc volS, o,e>'stz
u'crden kann, wie Lics notwendig ist. Nur, wenn wir wisscn. u"st,jr "jl
Verhältniffen wir im nächsten Jahr zu rechnen haben. könneff
bezüglich der erforderlichcn Produktion darnach einrichten. D>-
kurz. Die Regtcrung mutz ffch also bewutzt sein, Laß sie sckneu "gg st
mutz. Auch hier ist im Jntereffe bcr Fördcruug der BollsernäB jst
Freiheit notwendig. Hinsichtlich der S t e u e r g e s e tz g e b u n ä zjjl' ^

klärt, datz das lOüvfachc dcs Wehrbeitrcsgs bei der Zwangsan>--'.>o»
bracht sei. Die Regierung hat ffch für den Süfachen Bctrag auög-si^-

W>W>W>WchWW»>>WWW>>WWWWW>W»W>»»M»»»»W»»W»»»»W»»W»»»»>»»»»,»»»>»»»»»»>»^5!-^'^

schickt. Ein feiner Mann aus altem Geschlecht! Damit die

..... ...

an der Pastete. Das wär noch etwäs verfruht. ' Safran erhiÄijiiiE
während die Brennerin alle Gänge der Mahlzeit zusamme" j^-l'.j,
ging ihr der Seevogel noch im Kopf herum. Da machte Ao>^g>
von einem köstlichen Rehziemer einen kühnen Sprung zu de» .
Moden. Ja, die Vertugade wird ein - -

r luynen sprung zu -jg

wenig gebauschter getraMl-st
ommer ist ja so ein ReNsM

von ganz heller, glatter Seide; im Sommer ist ia so ein R-'-'- r-U
je luftiger je besier! Bei der Amtmännin hätte man noch dr-'. g-H
vor der Niederkunft nichts gemerkt — allea die Vertugade
liegt sie in Wochen. Die Bauern lösen sich an den BurggE-.c
im Froschschlagen, Tag und Nacht. Hat rhnen nicht viel h'st
Rebellion! Ietzt hocken sie am Waffer und schlagen mit RütI-'-j»i>>
ein, den Fröschen ihr Konzert zu vertreibcn, datz die AMit!' stst
schlafen.kann — di« Weiber sind derweil am Heuen. So
und als die Brennerin noch erfahren hatte, wer die allaM
Mühlsteinkrausen am besten wasche und fältele, glaubte Ad>'ßB'
sie für heute genügend erheitert zu.haben, steckte eine GoU>
ein und empsahl sich. . ^jt

„Verena, das ist ein autzerordentlicher Arzt!" rühmte d!e
Frau. „Ia, ja, man soll sagen, was man mag, die Iud«"
einen scharfen Eeist! Das sind die Mediziner! Was hat der ^
nicht allein mit d«n Reifröcken Bescheid gewutzt! Heut' hab. jgeKst
sanguinisches Temperament, das kommt vom Safran! Drel jc
Badwasser soll ich trinken! Am ALsnd lueget er noch nial,
mit dem Puls geht. Einen Sud von Erdbeerblättli mutz ich

Er findet auch, daLi
Frau Brenner "

Kauft keine französischen Waren^
Denkt an das Nuhrgebiet!
 
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