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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 59 - 89 (1. März 1923 - 31. März 1923)
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Wurde ein SchntzxolizeiLeamter, der e!n ohne Veleuchtung durch dre
SLraßen sausendes Auto anhielt, von den Jnsassen, sranzösischen Olsi-
ziersn, töülich oerletzt. Da die Kameraüen des Eetrofsenen
das Feuer erwiderlen und ein Ofsizier oerletzt wurde, wurLe ein
Strafzug nach Eelsenlirchen unteriwmmen. ' Kavallcrie
und Infanterie lesetzten das Rathaus und die Hauptwache Ler Schutz-
polizei. Die Schutzxolizei wurde entwaffnet, die Beamten mutzten
mit aufgehobenen Händen zwischcn sranzösischer Jnsanterie mar-
schieren und wurden in Haft genommen. Der Oberbürgermeister,
der zweite Bürgermeister, Ler istolizeipräsident, der Kommandeur der
Schutzpolizsi und der Reichs! anld'reltor wurLen oerhaftet. Dsr StgLt
wurde eine Eeldbutze von 100 Millionen auferlegt. Da die Be-
zahlung oerweigert wurde, wurde am nächsten Tag die zwangswsise
Beitreibung versucht. Man beschlagnahmte Esschüfte, die Kassen
wurden geplllndcrt,

Bürgern ans der Stratzr das Eeld abgefordert und ihue»
Kolbenstötze statt der Quittung oerabreicht.

Nuch gegen ganze Siädte wendet stch der Uebermut dsr frcmden
Soldatsska. In N e kt l i n g h a u s e n sührt der französifche Divi-
stonsgeneral gegen die Vcvölkcrung ein wahres Schritckensrcgiment.
Entgegsn Len sranzöfischcn Bcfehlcn nahm er in so starkun Matze
Lebensmittellicferungen in Anspruch, Last die Berufsorganifationen
Ler Arbeiter und Beamtcn um dcr Versorgung Ler Einwnhnerschast
willeN die Eeschüstsleute veranlasssn mnstten, d:e Abgaüe von
i Lebensmitteln an die französischen Trupxen einzustellsn. Der Genc-
ral stellte daraushin an den BLrgermeister und Len Vsrlreter des
, Polizeiprüstdenten die Forderung, die Gewerüetreibenden zum un-
j eingeschrünkten Vcrhanf an die Truppen zu zwingen. Als sich
die Leiden Veamten hierzu austerstande erklürten. sagte ihnen Ler
Eensral wörtlich, er werde vor den schürfstcn Mastnahmen nicht
zurückschreckcn, bis Recklinghausen vor ihm aufden
! Knien liege. (Stürmische Pfuirufe.) Die Devölkerung sei
ihm gleichgültig. (Hört, hört!) Diesen Warten entsprachen
^ die. Taten des Eenerals. Durch ein IaMommando liest er dis
, Posten der Schutzxolizei in Ler rohesten Weiss von Len Strasten
! entsernen. Unter Kolbenschlägen wurden die Beamten auf ein
- Lastauto geworsen und in Haft genommen. Tanks iuhren in den
l engen Strasten auf. Die Fustgänger wurden mit Kölbenschlägen,
mit Fusttritten und mit der Äeitpeitsche misthandclt und hin- und
hergetrieben.

Frauen, altere Leuts und Kriegsbeschädigte, die nicht schuell

genug flüchtcn konnten, wurden zu Vcde» grfchlagen.

(Stürmischs Pfuiruse.) Abends um 9 Uhr Lrangen Offiziere in
das Stadttheater ein, wo „König Lear" vor vollbefetztem Hause
atzfgeführt wurde, verir-eben die Zuschauer, von denen drei Viertel
Frauen waren, indem sie mit der Reitpeitsche aus sie einfchtugen.
(lebhafte Entrüstung) unü Lazu die Marseillaise sangen- Am Aus-
gang des Theateis wurden die Flüchtcnden: die ihre Eavderobe
hatten im Stich lassen müssen, mit Reitpeischenhieben
und Kolbcnschlägen von anderen dort aufgeflellten Offiz.cren und
Mannschasten empsangen nnd bis zur Haltestelle der elektrischen
Vahn versokgt. D:e in der Stadt verhafteten Personen wurden in
hder Friedhofsschule eingesperrt. Sie mutztsn sich in Reih und Glied
aufstellen, während Osfiziere, Unterofsizicre und Mannschasten ihnen
wahllos Ohrfeigen, Kolbenschläge und Fusttritte
versetzten. (Stürmische EntrUstungsiunLzebungen.) Einzelne
I-er eingelieferten Schutzpolizeibeamten, dis laut Vereinbarung mit
!dem französischen KommanLanten mit Rovoloern ausgeflattet wuren,
iwurLen Lerart zugerichtet, dag sie bewusttlos zu Booen sanksn. Sie
wurden am Boden liegend noch mit Fusttritten bearbeitet. (Hört,
hö'rt!) Den Deamtsn wurde erst vor der Entlassung am Abend des
nächsten Tages Nahrung angeboten unter der Bedingung, dast sie
ihre guto Vehandlung und Verpflegung schriftlich bescheinigen.
(Schallendes Eelächter.) Aerztliche Behandlung wurde verweigert.
jVerireter des Roten Kreuzes, die diese Notwsndigkeit betonten,
wurden fortan nicht mehr zugelaffen.

! Der Neichskanzler erinnert weiter an die Plünderung der
Handelskammer in Bochum, des Flugplatzes in
Eelsenkirchen und an die Willkür und Unmenschllchkeit, die
sich auch gegen Kranke richtet. Dsr Bevölkerung von Essen wurLe
etn Viertel der vorhandenen Krantcnbetten entzogen. Sogar das
ObLachlosenasyl wurL« Leschlagnahmt. Die Trupxen scheuen auch
ivor Mordtaten nicht zurück. Ohne jede Veranlassung wurden
zwei Schutzpolizeibe-amte in Oberhausen dnrch Schüsse getötet. (Rufe:
Unerhört!) Bluitaten in Bochum und in Oberhausen zogen Lrei
schwere Verwundungen und zwei Todesfälle nach sich. Der Kunzier
stellt noch eimnal fest, Laß diese wenigen Beispiele nnr einsn ge-
ringen Bruchteil des Unrechts darstellen, das täglich verübt würde,
und führt aus, datz dte Absicht ossen zutage liege: man will di« Bc-
hörden aushohlen, unbecfueme Deamte entfernen und die Einwohner
«inschüchtern.

Der Neichstagspräffdent sagte vorgestern bei feierlichem Anlast,
daß die Welt entscheiden werde, wv in diesem Kampf die Ehre liege.

Wo ist denn hisr die Shre? Dei den schimpflich Eesangenen, bei den
brutal Misthanüelten oder bei den Vsrtretern - der „ritterlichcn
Nation"? (Lachen rechts und in der Mitte.) Liegt die höhere Ehre
üei denen, die unbekllmmert um Fkeiheit und Leben ihrem Vater-
land die Treue halten, oder bei donen, die widerrechtlich und mit
Wafsengewalt in sriedliches Land eindringen und deffen arbeitsamen
Bürger zum Vaterlandsverrat zwingen wollen?

So sieht die Paffivseite der sranzäsisch-belgischcn Sieben-
wochen-Mlairz in ihrem ersten und am mcistcn bclajteten
Posten aus: Rechtsbruch und Gewalt, der durch eine
lügnerische Propaganda oerdeckt wuede.

Deshalb heraus mit den Tatsachen des Rechlsbruchs und den tatsüch-
lichcn Ereueln, lamit die Wel! ein unparteiischcs Urteil fällen kann,
wo Recht und Unrecht liegen. Die Verbrechen an Nhein und Ruhr
im Iahre 1923 erinnern an die Zeiten des Dreistigjährigen Krieges.
Die Ingenieur-Kommission hat Franireich auch nicht zu den sehlen-
den Kohlenmengen verholfcn: es ist vielmchr das Eegentsil der
Fatt. Ich loinme Lamit zum zweiten Postcn der Passivseite der sran-
zöjischen Bilanz. Rund 14 310 00V Tonnen Kohle sollte Deutschland
1922 liesern.

Unter Anspannung aller Kräfte und unter schwerster Belastung
Ler Bevöllerung, sowie mit grostenAnkäufen englischer
Kohle ist es uns gelungen, die Leistungszissern im wesentlichen
zu erreichen. Fortlausend sollte Frankreich 46 500 Tonnen arüeits-
täglich erhalten, ohne e:ne Hand zu rühren. Jetzt hat Franlreich
in Ler Zeit vom 11. Ianuar bis 5. März im ganzen 74 000 Tonnen
erhalten, Las ist «twas mehr als Lie vorgesehene Menge für rinen
einzigcn Arbeitstag. Von Len im Iahre 1822 zu liesernLen 166 000
Festmetern Holz erhielt Frankrsich gleichsalls 62 000 Fesimeter,
während die Lieferung des Restes ihm bis zum 31. März 1823 zu-
gesagt wurLe. Ietzt hat Franlreich nichts erhalien. Zu dem so
verloren gegangcncn Werte iommen noch die Einbutzen an sa:'.stigen
Reparationsleistungen, wie die an Maschinen, an Anfbaustossen und
Chemikalien. Als dritter Posten auf der Passivseite erschsinen die
ungeheuren Auswendungen sllr die Truppen, die nur zu einem recht
unwescntlichen Teile Lurch den Naub und Diebstahl von deuischein
Papiergsld gedeckl sein können, sowie die Werte, die die Trnpxen
zur Unterstützung der Jngenieure Tag für Tag in einsm immer
mehr steigenden Maste noiwsndig haben, und endlich anch noch Lie
Ausgaben, die sür die Ausrechterhaltung des wirtschastlichen Leüens
unü sür die Fürsorgetätigkeit erwachsen.

So sieht die Pasfivseite der sranzcfisch-belgischen Rnhr» und
Rheinbilanz aus, und damit ist die Vilanz zu CnL«, denn eine
aktive Seite hat sie »icht.

(Sehr wahr!) Was immer an Produktion nach Frankreich gelangt.
ist nur auf 'dem Wege aufgelesen oder geraubt, wle Las Eeld aus
den Taschen v'.elcr srie-licher Bürger: aüer es ist nicht im Wege
einer ordentlichen Förderung und einer ordentlichen Trans-
portierung erreicht worLen. Und was immer an Eisenbahncn
militarisiert worden ist, das jst nach Ler Zahl der Züge wie auch
nach der Betriebsstcherheit so kümmerlich, dast es jeLer
Beschreibung spottet. (Seyr richtig.) Unproduktivität auf

der ganz"en Linie, an Stelle der angeblich erhoss-
ten Produktivität, das ist mit etnem Worte das
Kennzeichen des Ruhrunternehmens, des Unter-
nehmens zur Ersassnng produktiver Pfänder.
(Lachen.) Wenn Poincarö mit den ErgeLnissen doch zusrieden ist,
so wcrdsn die Aktioncire einss jolchen Uniernehmens es um so weni-
ger sein, als sie zur Fortsührung eines solchen Unternehmens noch
erhebliche Zubusten werden Lezahlen müffen. Von 100 Hochöfen in
Elsast-Lothringen sind jetzt nur noch 20 im Vetriebe. Der Kokspreis
in Franlreich ist seit dem Ianuar auf das Doppelte gestiegen und
der Wert des französischen Franken sinkt. Richtiger als Poincarä
dürfte ein anderer Siaatsmann die wahre Sachlage vorausgesehen
haben. Dieser erklärte im englischen Unterhause, gelegentlich der
Pariser Konsercnz am 3. Ianuar, schon die Katastrophe genau vor-
ausgesehen zu haüen und sie auch laut verkiindet zu haben, da er
die Absichtcn dcr französtschen Regierung kannte. Poincarö
wird nichts erreichen: er hat es aber dahin ge-
bracht, dast der deutsche Widerstand stärker
ist als fe zuvor. Tanks und Maschinengewehre
haben dort ihren Sinn verloren, wo stch ihnen niemand
gegenHberstellt. Eeschütze und Dynamit mögen vislleicht gut scin,
um cine Fabrik oder ein Bergwerk zu zerstören, nicht aber um
sie zu Letreibcn. Eerade Las Gobiet an der Ruhr hat ssine eigsrcn
iiefcri Eeheimniffe und Eesstze, die sich am Vergewaltiger rächen.
Wenn die Fran-ofen noch lange Zeit im Richrgsbiet bleiben wollen,
so werden die HänLe, die aus dem sreien Willen des deutschcn Ar-
beiters heraus täglich ungeheure Mengen von Leistungen nach
Frankreich strömen kiestsn, an Frankroichs Kräften zehren. Tag um
Tag werden wir im vassiven Widerstand verharren,
bis wir mit Frankreich eine vernllnftige und ehrliche und einen
wahrhaften Frieden sichernde Verständigung erzielt haben.

(Bei Redaktionsschlutz lag Las Ende der Kanzlerrede noch nicht vor.)

Sie Radikalsozialifle«.

Von unserem Pariser Korrespondentea.

Paris. März

1923-

fidentt«

An dem Tage, da Herr Easton Doumergue zum Prut
dss sranzösischen Senals erwählt wurde, tras in Paris os«pel
vom Toc« Thüophit Delcasses ein. Da beiüe WortsUd
radilalsoz-ialistischen Partei stno, respettive waren, so lna" ^ Kfii-
tisches Verhalten in Eegenwart uno Vergangenheit einen
blick in Las Wesen einer Partei gewähren. mit der man
in Deutschland ror Lem Kriege stark rechncn zu dürsen glau -
die man auch heute noch schwer vertennt, wenn man jich :
Wolfsbiiro ncit Vorliebe tui — jortwährend auf die
eines der radiialen Parlciblcitter. der „Ere Nouvelle'. °e ,'
ullrfen glaubt, schon die Talsache. Last die Partei in P" siä!
Vlätter hat, die ihr nahestehen. must ausjallen und man i
Les Staunens nichl erwehien, wenn man sieht, dast alle m
Nou-velle", .^Homme libre", „Rappel", „Lanierne") >n
politischen Fragen durchaus entgegengesetzte Richtungen ^ jjfelUt.
Einig jind jie sich nur m Lem augejtandenen antiileriiaheff
.ag einst — un.er Waldeck-Romnau, Combesun ^-.^lg
menceau, wirrlich: Clemen- eau! — ihre Gröstc und '9 , , Slliu
ausgemacht hatte. Heute, La die Trennung von K.rche usi
durchgefühit ist, da auch di« .cheitige Einigteit" emen ">^»1.
gegen Len Klerikatismus ausjchliestt und üi« Kleritalen m piU^
uno Senat zu den sestesten Stützen jeder Regierung
dieser Progiammpunct der Raüiialjozml sten ats ein iu.loje ^ Iil
Lleibsel einer verjunienen vergeffenen Zeit angesehen scim- '^,ck

ljvie

iiiult

der Äustenpolitik wissen sie einsach n.cht aus, nicht eM,
tut und trsibt, was ihm gesälli. Mährend der „Homme
der „Rappe!" Poincarä o,sen unterstützsn und die „Lan.er - zu
schwarz und nicht weitz sagt, um später einmal nicht desch^
werden, Last sie schwarz uno weih gesagt habe, wsnLet
Nonvelle" ofjen gegen Las Kabinett, in -er Ruhrsrags eo ^ ,N
in dsr orientalijchen. Persönliche Rücksichten bestimMLN,
Franlrsich überhaupt in allem die Haltung dieser Dlätter- roU
Lautier unü EdmonddtNesnil, die Herausg
„Homme libre" umd „Nappel", sinü perjünliche Freunde n
Felix Hautfort, Ler Direltor Ler „Lanterne", steht LeM ^ ouU
präsidenten nicht allzu ferne, und wenn Mlert Duba mupl'
Ler „Ere Nouvelle" seindliche Töne anschlägt, so geschieyt i«»
sächlich Leshalb, weil er persünlich im hestigsten KamplU ZM
Royalisten steht, di« Poincarö begönnern. Aüer wee«r ^
ftimmung zu der Politik Poincarss noch Lie Abweichung 6^»' - pgsi«
Pol-itik durch die vier raLikalsozialistischen Blätter hat .zzerü^
zu bedeuten, weil sie in Paris überhaupt nicht nur ""^-jveui^i!
politiler und Journalisten und in Ler Provinz im.. ^»fa!i»u^
Llnusange gelesen werden. JeLe glaubt nicht, dast si« ^
mehr als 60 000 Exemplare drucken.

Wie di« Parteiprsffe, so wsist auch die Partei selbst "',§Z'chluö>
ffe tun will. Sis fatzt zum Deispiel ofsiziell de" . ni«
datz die Regierung Las Verirauen wegsn der Ruhrbesev- Lezho>"
aussprechen werde, zu wehe will si« ihr aber nicht tun, un v«k
sollcn sich die Parteimitglieder der Abstimmung enthaltem
Kammer folgt genau die Hälfte der Abgeordneten ösm
beschluffe, die anLere geht nnt sliegenden Fahnen ins ^douu^"
lager ü-ber und verbleibt in der Partei. Der Fiihrer, zz« As
Herriot, mutz iit allen möglichen Zeitungen verzwett«u,^peh>"
griffe abwehren, die auf ihn nieüerhageln, weil er -sU. V ho.u-
nicht e'-ngehaltenen) Beschlutz auf Stimmenihaltung durchgri" , als
Im Senat gibt es für die Nadikalsozialisten, die l"h^ pieh^'
„demolratische Linke bezeichnen laffen, überhaupt kein H2" ^gstcu
alle stimmen für die Regierung und der Chef der PariLz^^^^ii,
Doumergue, beantragt, die Rede des Ministerpr
worin die Ruhrbesstzung „begründet" wurde, im Lan-e. ^ si«
anschlagen zu laffen. Der Dank bleibt nicht aus: P"'"sünohl rrf'I,
tllr Doumergues Wcchl zum Senatspräsidenten ein, uo opposll^"
Partei in der Kammer (ach! die Lendenlahmen) ^ ^

gehört. vl«

Die Radikalsozialisten galten Lis 1914 in Deutschland ' . zuch
Partei, die erne Ännäherung anstrebe. Wic jede Foimel, hu> -aS
diese nur ihre sehr bedingte Richttgkeit, und schon die Tana^^rifchi
Poincarö Mitglied der Partei war, häite M

mahnsn müssen. Jn ihr Parleiprogramm hatte sie lrs un
Wiedergewinnung von Elsatz-Lothringen nicht ausgenom
dies sowie gewifls politische Jdeen konntcn den Elauben

maynen Mllyeu. ipr Purieipivgrllillin r/niir --- ,ne», ü

Wiedergewinnung von Elsatz-Lothringen nicht aufgenom.^Keck^"'
dies sowie gewiffs politische Jdeen konntcn den Elauben ° Li
datz man stch, sobald die Radikalsozialisten in der KalN» , ,gl
Mehrheit haben würden, mit ihnen verständigen könnte, Wv
der Führer der Partei, Joseph Caillaux, durch das c-a»
abkommen die Kriegsgefahr beseitigt hatte. Kein .Z^sflschla z
Caillaux ein ehrlicher Anhänger der Verständigung mit 4s. p ias
war und ist. Aber es hätte doch nicht übersehen werdendu pc
er es war, der 1913 Lie Wahl Poincaräs zum Präsi-

Der gefieerte Armericht.

Humoreske von Karl Mohr.

kNschdruck verboien.Z

BÄi dtz heutigs Verhältniffe, Les haatzt, bei de heutige Beschaffen-
heit unserer Iugend, die in Dezug usf Sittsamkeit. Wohlerzogenheit
un Befch'eidenheit sehr viel vermiffe läht, is en gesteert« Unnericht
-eigentlich so was Alldägliches, datz sichs kau-m verlohne Leht, e grotz
Uffhewens deroo zu mache. Was sich awwer da unlängst drowwe
tm NorLend unner Ausschlutz der Oefsentlichkeit ere-igent hat, oer-
dient meiner Aasicht nach kommende Deschlechter iwmeiliwweit zu
wern, zumal der Störensried kaan vertrackter Läuszibbel, dem Ler
Hohn un der Spott usf die ganz Menschheit d« Aage erausleucht,
gewess is, sonnern e hechst ehrbar, berjerl-ich Madam, di« im All-
gemaane als e ganz leidig Oos gegolde hat. un dte nur alles des
-bardu net leide konnt, was er gege Le Strich gange is. Dann konnt
fi derart fuchdig wern, datz er nix, awwer aach rein nix heilig war
un mehr wic aamal hats Scherwe im Vorzellcmbestand un Beule uf>
de Kinner iyre Kepp gcwwe, wovon der, d«r die Ehr gehabt hat,
bei der Familje Molch zu verkehrn, des aane odder annere Stickelche
verzehl« könnt.

Jwwerigens, un damit mer sich kaa falsch Bild von de Deteiligte
mecht, will ich gleich verral«, Latz sichs net um Schisler un Lehrer
tm landläusige Sinn gehannelt hat, sonnern um zwaa Läusbuwe,
von dene der aane oerzehn un der anncre sechzeh Jahr alt war, un
die alle VaaLc noch in die Schul gange sin.

Der Verzehjährig«, Ler Bub vom Sp«zereihänn«-ler Schlump,
ts oon seim Vadder ufss Eymnasium geschickt worn, dam-it er sich
zu eme hehere Beruf vorbereide jolli: er wars aanzig« Kind,'un
weil aach kaans mehr zu erwarte gcwese is, hat jichs der aal
Schlumv zur Lewensuffgab gemacht. dorch sein Stammhalter zwar
se-i Eeschlecht awwer net den ssit Jahrzchnte (vielleicht aach seit
Jahrhunnerte) an demselwe haftende Handkäs — un Heeri ngsd-uft
zum Wohl der Allgemaaheit zu vererwe.

Der Fridderich Schlump junior sollt also einstmals die Wisien-
schafte studiern, was des kost, war ganz egal, denn so e Spezerei-
geschäft werft, wsnns richtig aagepackt werd, allerhand ab. Iwwer-
haapt alles. was mit Wiege un Zähle verbunne is. hat für sich, un
roer wills so eme arme, geplagte Spezereihänneler verden'e, wenn
er im Drang der Geschäfte ganz zu-fällig mit seim aane Rockärmsl die
Waagschaal streift, uff der die Waar leiht, damit se sich e biffi ehndcr
nach unne bewegt, als wie des ohne die Beriehrung der Fall gewese
-wär, odder hie 'un da anstatt eme Dutzend nur 11 Eier in die Dutt
Sählt?

Jch will awwer beileibs nix iwwcr de ehrbare Fridderich
Schlump senior gesagt hawwe, Ler liewe Eott hats em gut geh un
chat en zu was komme laffe — da mutz mers aach recht se-i. —

Der Spezereihänneler Fridderich Schlump senior hat also grotze
Plän mit seim Bub un Stammhalter, dem Fridderich Schlump junior
im Hernkaste gehabt, un es.wär aach alles recht schee un gut gewese,
wenn er net alssmal dorch Zettelcher, die dex Letztere oon seim
Leh.rer usjem Lymnasium mtt haamkrieht hat, qdder d-orch « bisst

xes'siinistrsch gehaltene Vemerkunge unner.die Zeugniffe draa erinnert
worn wär, datz des Eidringe in dte Wissenschafte immerhie e gewiffe
geistige Deraalagung voraussetzt, die net Jedem gewwe is.

„Was mechts," hat der all Schlump vor sich hie gebrummt un
Lerbei mit dem aane Scherzezibbel, an den er grad sei Händ abgeüutzt
hat, weil em beim Abfille des Petroleum driwwergelaafe is, sein
Schnorrbart abgewicht, der voll Schnubbtalak gehonle hat, „was
mechts," hat er oor sich hiegebrummt, wi« sein Filius zum so-un-so-
vielst« Mal hocke gebliwwe is, „er soll sich Zeit nemme, der Bub:
Rom is aach net in eiin Dag evbaut worn, un wenn er sein Doktor
net mit zwanzig mecht, so mecht ern halt mit finfunzwanzig, un wenn
ern net mit finsunzwanzig mecht, so mecht ern halt mit oreihiz. Des
hat noch de Vordeil fiir en, datz er sei Jugend genietze kann. — Mer
hawwes ja. — Mache duht ern, s'Än Dokter, Les is ausgcmacht, da
gibts nix, nn Deharrlichkeit fiehrt WM Ziel. — Punktum."

Dadermit hat er sich widder seiner Thek zugewend. E vorsorglich
aage-bracht Schell hat dorch ihr Esbimmel zu versteh geww«. dast
jcmand die Diehr uffgcmacht hätt.

„Mit was kann ich diene?" hat -der Fridderich Schlump senior»
geschäftig wi« -immcr den vermeindliche Kunne aageredd. un cn
erwartungs- un vertrauensi v" mit seine, von e xaar mords Aage-
braune kiehn umrahmte Schweinsäugelcher aageblinzelt, wobei ,r
sei zwaa speckische Fäust, die immer noch verdächdig nach Petroleum
geduft hawwe, uff die Thek gestemmt hat.

„Euten Morgsn," hat e dinn Fistelstimmche erwiddert, deffsn
Besitzer, e recht haager Männche zwische fusszig un sechzig, mrt eme
graumelierte Eaasbärtche, ere ferchderliche Hornbrill un in dorchaus
solider awwer net ganz moderner Klaadung e bissi verlege in der
Mitt vom Lade steh gobliww« is.

„Eude Morje, Herr Nachbar —"

„Zupsschwer! ist mein Name, Profeffor Zupffchwert. Ha-be ich
die Ehre mit Herrn Friedrich Schlump —?"

„Ei gewist, trete Sr nor näher, Herr Profeffer, mit was kann ich
denn diene, vielleicht e Verdel von dem prima Edamer, den ich ganz
frisch ereikrieht hab, odder e paar Bullionwerfel für di« Supp, odder
e Paket Seifepulver, nor prima Waar, garandiert kaan Chlor drin,
der wo di« Wäsch kaputtmecht — aach Klosethkabier mit un ohne
perforiert kenne Se bei mer hawwe — tret»-Se nor näher, Herr
Profeffer, bei mir kaaft sehr viel Hautvolläe. S« Lrauch« ffch dorch-
aus net zu scheniern."

.^vanke, dctnk«, Herr Schlumpf —"

„Schlump, Fridderich Schlump —"

„Pardon, ja, was ich sagen wollte, Herr Schlunrp — Sie sind
doch wohl der Vater von einem gewiffen Friedrich Schlump. Schüler
der Ouinta des ... Eymnasiums?"

,.Ich bin der VadLer von meim aa-zig« Bub un Stammhalter.
dem Fridderich Schlump junior. Was soll des mit dem „gewiffe"
uff sich hawwe, wenn ich srag« derf?"

„Es ist eine etwas reinliche Sache, mein verehrter Herr Schlump,
in welcher ich Sie belästigen mutz."

„Nor immer frisch von der Lewwer geredd, dadermit kommt iver
am ehrste ans Ziel."

„Eanz mSine Meinung. — Mso. bester Herr Schlump, nehmen
Sie «s mir nicht übel, wenn ich Jhnen in Ihrem und Zhres Sohnes


Jntereffe den wohlgemeinten Nat gebe, eine Dersetzung ^^.-srrn^
in eine. weniger Ansprüche als das Eymnasium stellende. ^
zu erwägen."

Um die Werkung saaner Redd abzuwaarte, is der ^

i!-r

Zupfschwert e xaar Schritt zurickgewich« un hat derb«> ^.^gcht^z
Wendung nach der Drehr gemacht, was em aagesichts ere ve
Bewegung, .di« der Owerkörper des Spezereihännelers
gemacht hat, wobei «m (Lem Spezereihänneler) die Schuie. fai
cher beinah zugesalle sin, dagege awwer Lie sleischig dlnneri
bis i-wwers Kinn erunnergehonke un der schnubbiaba sdory^
Schnorres bedenklich zu vebriern aagefange hat, gebotte ^

En Aageblick wars mäuschestill im LaLe, dann hat a« Aaü
aal Schlump erst mit der rechte un dann mit der linke speatt^
zusamme uff die Thek gehaache, datz die Knolle in de
gehippt sin, als wenn se mischucke worn wärn, un des haager

sast in die Kniee gesunke wär.


„Was soll ich erwäge!?" is es ausem Schlump !aim vu abu
erausgequolle. „mein Dub, mein Fridderich soll ausem -rn

eraus? Was fällt Jhne denn ei, was for e Stellung nemw«
eigendlich ei?" , hiU"^

Weil Ler Spezereihänneler weddxr Miene gemacht ya^' „iu
der Thek evorzukomme noch iwwer dieselwig eweggzuhrlü^'^pcal'
dähtlliche Aagriss ufsen zu unnernemme, is dem Profeffer aisNstigke'
widderkomme, was «n instand gesetzt hat, mit ere gewisst ^
zuerwiddern: »1^-^

„Aber, me!n verehrtester Herr Schlump, nur keme " ve
bitte, die Sache ist ja nur halb so schlimm. Jch wollte.

Direktor des ... Eymuasiums Sie lediglich darauf /»> por
machen, Latz — Latz es Jhren Herrn Sohn Mühe kostet. ^rniiUl
geschriebenen Pensum gerecht zu werdeiü Ich meine, oom
tigen Standpunkt aus betrachtet, ist es schad« um die Zel"

Sohn anf dem Eymnastum verbringt."

Die Sorg kennr Se getrost mir iwwerlaffe, Herr Dlre?t^i.^r:^
weiter nix is —" hat en der Fridderich Schlump stnior.un^ tza«
un nach ere Weil die bedeutsame Worte Lerzugesetzt: »^Nirr
net von mer verlange wolle, Latz ich, der leibhafdige Da-c ' rek
derzu hergeb, dem Vub sei schenste Jahrn. sei Jugsndzeli. » s^ic'
kerze? Was liegt Lenn draa, ob er e paar Jahr friest^
sei Exame mecht? es is werklich net die germgste Ursach „
datz er sich iwwersterzt. Eott sei Dank kann ich mers lel'i'-

„Was Las anbelangt, so liegt mir jcder Zweifel ^^"'Zpezest^
Profeffer erwi-Lert, wobei er en verstohlene Blick nach urni ' xe
>et unnerdricke konnt, die ehemais ^,1

. -> -"'ue-r

hänneler seiner Kra-watt net ____, ... . .

standteil von ere Bettvorlage ge-bild hawwe mocht, die pupee. p
Schweißfietz Learweit worn is un dahsr mehr eme verrofle
als eme Kleidungsstick ähnlich geseh hat.

ailn^A

- Serr Cchlump, ganz abgcsehen von d-n

w.rtschaftlichen Umitanden drängt sich doch die Frage auf.
gerechtfertlgt erscheint, dem Iungsn eine Ausgabe zuzumeffen. »-Z'
er vieilcicht nur mit grotzsr Mühe und unter Aufbietung. Z

»>elc^^

sehr viel Energie gerecht werden tann. Ob solche Umstanas u ^ii,
sind, seine Jugendjahre zu den schönsten Lcbens ?u ,

möchte ich bezweisel»." (Forijeyunu
 
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