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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 90 - 118 (1. April 1923 - 30. April 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0574

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Deutschland zu zeigen. datz es noch den Namcn
einerÄation verdient. An diesen Widerstonden wird sich
die Welt scheiden müsien für oder gegen Deutschland.

Es ist ein tiefss Erlebnis, Deutschlltnd aus der Ferne ztl sehen.
Wie verichwinden da alle die inneren Kämpfe. W:e erscheinen
fie so verderblich, so unverständlich fast gegenüber der ungeheuren
nationalen Not, gegenüber oem Druck ddr Feinde von autzen. Wie
klar erhebt sich aus der Entsernung, wo Einzelheiten den Blick
nicht trüben, die Erkennrnis, datz Europa mit all seiner Kultur dcm
llntergana vcrfällt, wenn unser deuisches Volk es n'cht rettet, indem
es sich"selbst wieder ausrichtet und seinem Einflutz Geltung verschafft.
Die Erkcnntnis auch, wie tief dieses greisenhafte, perverse und nach
alten Rszepten den ihm von anderen errunaenen Tieg mitzbrau-
chende französische Volk unker allen anderen Völkern steht. Aus der
Ferne treten auch die Fehler zurllck, die wir gemacht haben, die
Mitzstände, die wir so oft b->llagen. Leuchtend aber hebt sich gegen-
LLer dcm Luxus und Reichtum der breitesten Schichten in Amerika
das stille Heldentum ab. das unser Volk in dieser unendlich
schwercn Zeit bewährt. Nicht Sicg und Niederlage entscheiden
uber Aufstieg und Niedergang, sondern allein dasMatz an
gesunden Kräften. an einheitlichem zähem natio-
nalem Wollen. an Opferbereitschaft, der Wille, das
Cchicksal zn meistern. In vollster Klarheit gewinnt man
in der Ferne die Erkenntnis. datz es falsch ist, wke wir es bisher
so oft taten, nach Hilfe bei Amerika und anderen Mächten auszu-
spähen und mit logischen Erwägungen die Zükunft eraründen zu
wollen, statt i n uns selbst und den tragrnden Kräften in
unserem Volk die Entscheidung über unsere iZukunft
zu suchen. Seien wir stolz auf unsere Eeschichte. einig in unserem
Volk, einig nach Autzen, mit einem Wort, cine Nationi nur dann,
aber dann uuch sicher werden wir uns wieder die uns zukommende
Stellung erringen.

Sm neuer Reparalwnsplan?

Angebliche sranzösische Erwägungen in der Wiedergutmachungsfrage.

London, S. April.

Ueber die Ergebnisse von Loucheurs Londoner Ver-
handlungen liegen jetzt die ersten Berichte vor und der „Daily
Telegraph", mit dessen Besitzer Loucheur eingehend verhandelt hat,
lätzt durch seinen diplomatischen Mitarbeiter eine Art französischcn
Programms für die Rcgelung des Ruhrkonflikts veröffentiichen.
Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph"
schpeibt, die augenblickliche kritische Lage im Ruhrgebiet zwiuge
oie ernsteren Elemente der politischen Meinung in allen bs-
teiligten Ländern, insbesondere itt England und Frankreich,
,zu der Einstcht, datz eine Laldige Lüsung fllr das doppelte ProLlE
der Reparationen und Ler Sicherheit gefunden werden müffe, wenn
rine europäische Krisis vermieden werden soll. Die Dswegung zu-
gunsten einer praktischen Lösung gewinne in amtlichen und n cht-
amtlichen französischen Kreisen an Boden. Fllhrende französische
Staatsmänner und Militärs hätten die Bekundung des englischcn
Jntereffes an dsr künftigen Sicherheit Frankreichs begrützt. Fran-
zöstscke SLaatsmänner hätten infolgedeffen die in Detracht kommen-
den Fragen von einem weiteren, insbesondere auch mehr kauf-
mänpischen Standpunkte aus ins Auge gefaht als bisher. Der
Berichterstatter glaubt die in manchsn einflutzreichen Kreisen Frank-
reichs, „selbst in einigen der h L ch st e n", herrschende Ausfaffung wie
folgt wiedergsken zu können:

1. Reparation: Die Eefamtentschädigung müsse jetzt auf
eine verhältnismätzsg bescheidene Summe herabgesetzt und der
Haupttsil der Reparationszahlungen und -Lieferungen zum Wiedcr-
aufbau der verwüsteten Gediete verwandt werden. Frank-
reichs ermätziqte Mindestforderung für diesen Zweck beirage 2 6 M i l -
liarden Eoldmark. Andererfeits werden vorgefchlagsn, dah
die Schulden der Entente - Mächte an die Vereinigten
Staaten auf Deutschland übertragen werden sollten.
Dadurch lönne die Forderung E ro tz b r i t a n n i e n s an feine
AlliiLrken in Höhe der britischen Schuld ün die BereinigtLN StäaiM'
Lefriedigt werren. Dem Verichterstalter'zufokge wurde die zesamte
Rsparationsforderung auf Erund dieses Planes etwa 5l> Mil-
liard.en Letragen. Die deutschen Jndustriellen mützten

i wessntliche Earanticn geben, nachdem Derlin selbst di« Notwendiz-
keit weitreichender internationaler Ueberwachung der Finanzen
Deutschlands Lereits zugegeben habe. Dentschland würde natürlich
ein wesentliches Moratorium erhalten.

2. Sicherheit: Es wiirde e'ne schrittweise srfolgende,
jedoch rasche militärische Räumung des Ruhrgebietss und
der andern in der letztsn Zeit auf dem rechten Rheinufer be-
sstzten Eeüiete durch Frankrsich und Belgien stattfinden, voraus-
gesetzt, datz die deutschen Zahlungen und Lieferungen regelmätzig
eingingen. Autzer der im Versailler Vertrag festgesetzten neu-
tralen Zone würde keinerlei Sonderregime errichtet werden.
Das westliche Rheinland würde jedoch ein Bundesstaat
innerhalbdes Deutschen Reiches werden, von derselbin
Art, wie Baden und Württembera, Der Zweck dieser Ein-
lichtung wäre der, der bisherigen preutzischen Verwaltung ein
Ende zu machen. Diese „Wcstrheinische Republik" wllrde poli-
tisch, wirtschaftlich und a d m i n i st r a t i v einen inte-
grierenden Teil des Reiches bilden: sie wllrde je:och unter
der Aufsicht des Völkerbundes entmilitarisiert werdm:
keinerlei deutsche Truppen dürften dort gehalten oder reirut'ert
werden. Autzerdem würde das Deutfche Reich noK einen feierlichcn
Nichtangriffspakt Mit den übrigen Mächten abschlietzen,

vorzugsweise in der Eestakt einer regionalen DereinLarung zur
Aiiwenüüng des Artikels 10 der Völkerbundssatzpngen. Wäs das
Saargebiet beireffe, so würde es „das natürlichste Ver-
fahren" sein, es dem geplanten westrheinischen Staat innerhalb
des Deutschen Reiches anzugliedern: man werde jedoch soglsich sür
die sofortigs Scha'fung eines autonomen Saarstaats
untsr der Aufsicht des Völkerbundes eintreten, statt zuzulasjen,
dag die Zukunft diefer Enklaoe durch eine Polksabstimmung
nach dem Verlauf von fünfzehn Iahren bestimmt werds.

Der Berichterstatter erklart zum Schlutz, datz die Einzel-
heiten diefes Planes noch eine ausgieLigere Priisung erfordertcn,
datz jedoch seine Grundgedanken Anspruch auf eine ernsthafte
und wohlwollende Erwägung in England hätten.

»

Da Poincare vor wenigen Tagen erst geäuhert hat, datz
Fraukreich die Stadt Effen räumen werde, sobald die gesamten
Reparationen bezahlt feien, und während in der Umgsbung von
Poincaiö, die dauernüe Annexion des Ruhrgebietes noch immer
eine Rolle spielt, lätzt das Programm Loucheurs äutzerlich eine
enigegenlommcndere Haltung gcgenüber Deutschland erkennen. Es
ist ersichtlich. datz das Prozramm Loucheurs veröffentlicht worden
ist zu dem Zweck, die englischen politischen Kreise für dfe Pläne
Frankreichs zu gewinnen. Die Vorschläge des „Daily Telegraph"
sind, wie sich bei einer eingehenden Lektllre von selbst srgibt, für
Deutschland unannehmbar und völlig undiskutabel.
Poincars hat in der sranzösischen Kammer ausdrücklich erklärt'
,Wir werden aus dem Ruhrgebiet nur in dem Matze und in dem
Verhältnis der erlangten Zahlungcn uns zurückziehen. Diese müffen
sich der Eefamtheit der Schäden anpassen." Demgegenüber hat
Reichslanzler Dr. Luno gesagt: „Jede Diskusston über die Be-
endigung des gegenwärtigen Konflikts mutz von dcr vorbehaltlofen
Räümung dss Ruhrgebietes abhängen." Wie zwischen diesen beiden
grundverschiedenen Auffassungen ein Ausgleich gefunden werden soll,
bleibt ein Rätsel. Der Artikel des „Daily Telegraph" gleitet
mit leichter Eleganz über alle Schwierigkeitsn hinweg, die der Rege-
lung des Ruhrkonfliktes im Wege stehen und hüllt stch vollkomnicn
in Schweigen über die für uns wichtigste und matzgcbendste Frage,
untcr welchen Vedingungen die etappenweise
Räumung des Ruhrgebietes überhaupt in Be-
tracht kommen könnte. Für DeutsKland kommt nur eine
Regelung in Frage, die eine Earantie bistet: datz wir aus dem
bisherigen System der Sanktions- und Piänderpolitik ein- für alle-
mal herauskommen. Der Vorschlag tzes „Daily Telegraph" ist a^er,
wic man sieht, voll von Futzangeln, und würde nur den Wea für
die jetziqe rein militaristische Annsxionspolitik von neuem öffnen.
Ohne röllig sichere Pfänder können w'r unsere letzte Waffe, die stch
bisher so gut bewährt hät, dcn pasfiven Widerstand, nicht
aus der Hand geben, und es ist bezeichnsnd, datz die gesamte Bsr-
liner Preffe den Vorschlag des „Daily Telegraph" mit einsr sel-
tenen Einmütigkeit ablehnt.

ZnieraMerte Konferenz ln Vonn.

Päris, 5. April. Am 5. April findet in Bonn, wie die
Morgenpresse mitteilt, eine interalliierte Konferenz ktatt,
um die Regie der Eisenbahn zu regeln, sowie gewisse
andere Fragen, die die Ruhrbesetzung betrefsen. Es werden
der Deratung beiwohnen der französische und der belgischc
Oberkommissar, Eeneral Degoutte und ein Vertreter der
Jngenieurkommission.

o>

Nach einer genauen Aufstellung der zuständigen deut-
schen Stellen betrug die U-usfuhr an Kohlen und Koks aus dem
lesetzten Eebret nach Franlreich und Belgien in der Zeit vom 6. bis
21. März 1023 5 2 Züge mit insgesamt 470 WaggonsMSks
und 10 25 Waggons Kohlen. Die Transporte haben in den
letzten Tagen erheblich abger. ommen. Die Menge der abtrans-
portielten Kohlen ünd Koks stellt ungefächr etn Prozent der
früher von Deutschland rertragspemätz gel eserien Menge dar. da
früher burchschnittlich 44 bis 48 Züge zu 50 bis 60 Waggons allein
täglich nach Franlreich und Belgien abgeröllt sind.

Verzweifelte RechtferligungsversliOe.

Effen, 5. April. (Eig. Drahtm.) Nach einer Meldung der
„Daily Mail", die auch von der „Chicago Tribune" L-estätigt wird,
Leabsichtigen die Franzosen, Krupp von Bohlen und Hal-
bach wegen „M itschuId" an dem Aufruhr vom letzten Samstaz
unter Ankla-ge zu stell-en (!). da angeblich „Beweise" dafür gc-
sunden worden se en, datz die Kun-dgebung gegen die sranzöffichs
Truppenabteilung, die die Auios in den Kruppwerksn beschlag-
nahmen wollte, vorbereitet gewessn war und datz Krupp an
dieser Vorbereitung sich beteiligt hätte.

Wie verlogen derartigs Ausflllchte sind, erweist unter andsrem
die Tatsache, datz, um die Vsfetz"ng der Mamcheimer Werke zu recht-
fertigen. sich die französischen Morgenblätter aus Stratzburg Le-
richten laffen. man h-abe erfahren. d-atz dort neue grotze D'ss-elmotore
von 15—20 ?8., die 72 Stunden ununterbrochen laufen könnten ge-
kaut würden. Autzerdem hab-e man noch anders Motors aufg-e-
funden, deren Herstellung angeblich eLsnfalls im Friedensvertrag
verboten sei.

Äom DevWen VolkWfe?.

Von Dr. Karstedt,

Minister'.olrat iui ReichsarveitSministerium.

Als der Nam« „Deutsches Volksopfer" geschaffen wur

gingen die beteiligten Kreise voä der Auffassung aus, ^ sich
der Namensbezeichnung zum Ausdruck kommen solls: es ö" o . ^
bei Lem Nuhreüibruch und seiner Abwehr um eine Angeleger -i
ganzen deutschen Volkes!

Wir mützten nun nicht in Deutschland leben, wenn dles
Eedanke nicht auch zum Airlatz würds, um ihm ailerrei „da
unterzulegen Nur einige Beispiele Die sranzostsche Propun^^.^
hat sich bemüht, den Bewohnern der besetzten Eebiete "arzu' te
datz die Mittel des Deutschen Volksopfers ihnen ja S,ar 'U-, o
kämen, sondern Latz sie zur Bekämpfung politiich "-^"„"xssiytigten
teien, zum Ankauf von Waffen usw dienten. In dem veru i
holländischen „Telegraaf" war am 15. Februar sogar ", -olgr
liche Zuschrift angeblich von deutscher Seite abgecruckl,
das Deutsche Volksopser zur Werbung von FreiwiMü-n > -^„l!
Reichswehr herangezogen würde. Jn det Zeitschrist ei> „„fge-
rechts stehenden Publizisten war wiederum die Behauptung dritte'
ftellt, datz die,aus Anlatz des Ruhreinbruchs aufkommcncen -.
lediglich den sozialdemoiratischen Eewerkschaften zuslossen- . ^ „„fae'
ähnliche Vehauptungen sind leider nur zu willig von/.eui dcill-
griffen und kolportiert worden, denen die Geschlossenh.it " ^
fchen Volkes gegenüber dem französischen Raubzug mn ne

Auge ist. Und so dumm alle diese Behauptungen se>n w v ,„chl
finoen Glauben auch bei solchen Volksgenossen, die jiK^
unkritisch sind.

Wie liegen denn die Dinge tatsächlich? mineN'

Die Verfügung über die zum Deutschen Volksopfer ^ ,„.LcN
den Mittel liegt in den HänLen eines Arbeitsausschuffes. oe sus
Veriretern des Reichsrats je fllnf Arbeitgeber und Äroeiin z,e
allen Lagern, Vertreter der kommunalen Organ:sationem

- s s i o n e', s
e I ' . V e lv e,

tischen, aesellsckaftlichen ^ «e ^

Lagern dürfte also schon ein hinreichender „,s
dafür sein, datz die Mittel nicht inder ge y . krgstZ
vollen Weise Verwendung finden, wie es o
sische Propaganda und ihre deutschen Nachbeter behaupten- ^

Datz allerdings den Franzosen nlcht auf die Nase gebund^ ^stN

eschla gH hme u n t e r w a r f e"
ranzosen auch z. B. die zugunstsn ^

dieEelder der

schen Volksopfers vom R^chs^ostmlnisterlum hcrausZegev^

Ruhr-Marken und die Erlöse für sie an einzelnen Steuei

Vei der R e i ch s s a m m e l st e l l e des Deutschen Do'^n^
stnd bis zur Stunde rd. 11 Milliarden Mark
Weitere jehr erhebliche Beträge liegen noch bei-c-e"g-
schüffen. Zugunsten der durch die Ruhrgebietsbesetzung ^ ggg A' j
sind bisher iiber 6 Milliarden Mark und darüber hina
lionen Mark für die Entsendung der Kinder aus dem
verausgabt worden. „„K

Die Verwendung der Mittel im einzelnen regelt z»r „g

linien, in denen es heitzt: „Das Deutsche Volksopier ^.„bess.o.^-
hebung und Milderung von Nolständen im alt- uiio „pistsLtz-
Eebiei und sonstigen durch den Einbruch Ler BevölkeruW „r A ^
bar erwachsenen Schäden bestimmt. Es darf üiÄ'
nahme oder Erleichterung von Lasten
oder-der Länder d i e n.e n, sondern soll deren Fur>a -„ p^„lfo
eraänzen. Eine VerwettLüng von M i t4 e l" " „eht-^;e
t i s ch e n Z w e ck e n i st a usg eschlo s s e m" Der-us^ -„o
hervor, datz die Mittel in erster Linie da eingreifen >a' niGÄ.-stS
staatliche oder allgemeiner gesagt die ösfentliche Furiorg SeEp'zh-
reicht. Bekanntlich haben das Reich und die Länder
der Not für FlüKtlinge. Ausgewiesene. zur Sicherurm
rung usw. sehr erhebliche BeLräge flüssig gemacht. o> - durwLjs-
weisen die bisherigen Taisachen, Latz noch manche „in^.„s

öffentliche Fürsörge'nicht ersatzt wirdi Oü es sich dabei
o'cer linksorientierte Personen, um hoch oder n-ecrig u»

Die Mittel

desDeuM-"

--- -.E'

ift selbstverständlich gleichgültig.
opfers kommen allen zugute!

Allerdings: 11 Milliarden Papiermark sind ein g's"',chlir^'>cc
Eegenüber der Not, die entstanden ist und wohl lsidsr trE.-As
Umfang wohl noch enlstehen wird, re'chen diese Mntsl ^ Deu,->h-
öffentlichen Fürsorae n'cht aus. Erötzere Beträge muv
Volksopser noch bekommen. Wenn sich die Bevölkerun6,f-7 ast
ten Gebietes aber klar darllber ist, kag der Kamvf, der ' /„n .-st

imd Ruhr abspielt, auch über ihr Schicksal entscheidet, ^ A p.„stst
bewutzt bleibt, datz die Deutschen an Ruhr ,„yest'.ichtst
tagaus tagein Leben und Existenz e i n > ger ,.„n
wird wohl nicht zu viel verlangt, wcnn der Appell
wird: Haltet im Eeben ans, so lange wie die ^

Ruhr und Rhein eine Unterstützung des Wideistano
mo.ck:' —

Der wunde Punkt. <

Novelle von Paula Eura-Ewald (München).

7. Lorttebnna. Nackdruck verboten.

„Robert!" . . . fuhr es Marie ganz gegen ihren WUen h-raus.
Betroffen schwisg sie, als der sr-mde Mann neben ihr fest ihre Hand
unter dem Tische mit der seinen umschlotz. Es war nur ein Augen-
Ülick, aber die Warnung wurde vsrstanden. F-st bitz Marie die
Lippen zusammen wie in stummem Schwur, kein Wort mehr zu
sagen, komme, was wolle . . .

„Na, was denn, Mar'e?" fragte der Lbermütige Better. „Jst
das vielleickt nicht logisch? Wenn Tante Lorchen es schon selbst
l°gt?"

„Sehr logifch," pflichtete Füller mit ernstem Eestcht bei. „Wenn
Frau Steuerreoisor nicht ihren Neffen nach Amerika geschickt hätte,
wäre er nicht reich geworden und hätte ihnen nichts hinterlaffen
können."

„Siehst du nun?" triumphierte diese. „Herr Füller hat gleich
gemerkt, was ich sagen wollte. Unser guter Thomas!"

Ihre Stimme war dem Weinen nahe. Sie nestelte an ihrem
Täschchen, um ihm das Taschentuch zu entnehmen. Alle sahen sich
erstaunt an. Aber Jda war empört. „Was? Dsr gute Thomas?
Du, ausgerechnet d u, willst dich jetzt auf das weiche Herz hinaus-
jpielen?"

„Kinder, bedenkt doch-nehmt ste nicht crnst-der

e—edle Wein soll leben!" sang Karl und wollte die Mutter umfaffen.
Aber da kam er schön an.

„Ich laffe mich nicht verulken! Jhr glaubt wohl, ich wäre be-
Irunken! So ein Erünschnabel —"

In des Sohnes Adern regte stch das vom ungewohnten Wein-
genutz erhitzte Blut. Er schämte sich auch oor Marie, wie ein
dummer Junge behandelt zu werden.

„Nimmst du zurück?" fuhr er die Mutter mit blitzenden Augen
an. Aber verständnislos schaute sie ihn an. Karl sprang wütend
auf, ein Stuhl fiel um, Lorchens Weinglas ergotz seinen leuchlenden
Jnhalt über das Tischtuch hinweg auf Jdas neues perlgraues Kleid.
Ein Schrei — Lorchen flüchtete sich auf das Sofa. Das Mädchen

mutzte eine Waschfchüffel mit Wasser brinaen, man putzte und risb
an dem neuen perlgrauen Kleid. Jda brach in Tränsn aus, Schossy
und Robert suchten sie, Balduin und der Regierungsrat Karl und
Lorchen zu beruhigen. Das vertrocknete Männchen allein lietz sich
miiten !n den hochgehenden Wogen der Leidenfchaft die Lenden-
schnitten in der Champignonsotze trefflich munden und Valduin, der
von Anfang an bedenkliche Zweifsl über den Ernst der auf den
heutigen ALend bezüglichen Testamentsklausel gehsgt, fand sich
ebenfalls bald viel besser mit der Rolle des feuchtsröhlichen Tr'.nkers
als mit jener des ersolgloj-n Trösters ab. Ia, er rieb sich sogar
vergnügt die Hände und machte rrcht spitzbllbisch und hetzerisch:
„Kscht! Kscht! Kscht!" Schossy hatte sich auch bald wisder an ihren
Platz begeben und stch burschikos eine Zigarette entzündet. Jhre
philosoxh schen Regungen waren nie von langer Dauer und verflogen
namentl-ch in der Familienmitte so jchnell, wie Las leichte Rauch-
gekräusel ihrer Zigarette. Sie war diefe Auftritte so gewohnt, datz
sie gar keinen Eindruck auf ste machten, und die neuesten Anekdoten
aus den Witzblättern, welche ihr eben Vstter Robert, um, wie er
meint, Marie zu ärgern, ins Ohr flüsterte, waren ihr jedenfalls
augenblicklich bedeutend intcressanter. Fllller und Marir stauLen
stumm und ratlos. Ersterer war der Auftritt schrecklich peinlich vor
dem sremden Mann. Sie schämte sich ihrer Verwandten. Das war
der einzige Eedanke, der sie ganz beherrschte und verlegen, betreten,
unbeholfen machte. E r dagegen achtete gar nicht auf die Streiten-
den. Die zankenden, hin- und wiederfliegenden Worte gingen an
seinem Ohr vorüber, ohne sein Jnneres zu berühren, weder in Ver-
wunderung noch in -Schadenfreude. Da drinnen hat nichts Raum
neben dem grotzen Elücksgefühl, das immer wärmer sein ganzes
Wesen durchströmte, je länger er neben dem geliebten Müdchen
weilen durste. Seine Liebe zu ihm war in dem Stadium, wo das
übervolle Herz vor Reichtum der Empfindungen nichts zu sagen
braucht, um verstanden zu werden, wo die Tatsache des stillen Bei-
einandersitzens genügt, um höchsten Eenusses froh zu sein. Diese
köstlichs Zeit, wo die Ungewitzheit halb schmerzhaft, halb betäubend
sütz auf dem Herzen lastet und das Forschen und Suchen in der gleich-
gestimmten Seele unermetzliches Glück üedeutet. Ab und zu streifte
sein Blick das fe-ngezeichnete Profil des Mädchens, die lieben krausen
Härchen im Nacken, Las Spiel der merkwiirdig edelgeformten Hände
auf dem Tisch. Er dachte sich den schmalen Trsuereif an diesen
schlanken Eoldfinger und möchte zersxringen vor Seligkxit. Jüng-
lingshaft raste das Blut dieses Kiebenunddreitzigjährigen und er


hatte Mühe, den gewaltigen Aufruhr in seinem Fnner j
setzten Reden zu Fräulsin Schossy hin zu verLergen.

' zu s-iner lin>en

in seine Augsn zu legsn, wsnn er sich
wendete, als gerade gut für beide war.


- - Da kam ihm nainr-'^K

wunde Punkt" der streitsüchtigen Familie sehr gelegc"- ^.„faNi"' „
Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft auf diese «eit er
drängte. Seine EeLanken aber arbeiteten still voraus,

Streit für eigsne Zwecke nutzcar machen lönnte. "N "

egoistischen Plänen wuchs auch zugleich wieder das 2"^

Eeschehcn um ihn herum und er strengte sich an, aus o
gewirr klua zu werden. hhrt"

„Wenn du noch einmal „guter Thomas" sagsi g„stijn^
eben JLas Stimme, „so bekomme ich meine nervöse" ^ ,^„tz
Aber Lorchen, d^s

,'ieder'Las Interc^ pi-n^'



me'ine nervöse« ^^„tz ^

sich mit lauter Kiffen auf 'h'-^^ten E „oN
schanzt hatte, blieb LaLei, stch und Las Celd und den gu ^ o>ei> s„
in einen Topf zu wersen, worauf irgend jemand, der gesi-" ^s
ihr wegsatz, sie für eine „dumme Eaits" erklärt, > yclU"f> ,Ke
jetzt selber zu, Latz sie allein den Ausschlag zur A^^riiche, nn st.
Thomas nach Amerika gegeben hätte. Auf die Mu-ans n'S

der Schimpf „dumme Eans" in dem gekränkten Lor»-^. ^„t-

entgegnete plötzlich Balduin hinter jeinem Weinglns y- zpi" " yj
recht, Kinders, jetzt wird's erst gemütlich! Es war ' , De'.^eN
mopsen. Wir dürfen nicht so ehrputzlich und brav en " ggie

uns jar nicht! Wir sind olle Kribbelköppe. 3-n „sK.

" d w-r» ^gs o

-°T-

Pfeffer und Sälz in de Unterhaltung. Sonst sind - c>
kann der Kerl, der ThoNias,'uns das nehmen wou -
Lebensader unterbinden wollen?" ;

„Nee, det lassen wir uns ooch nich jefallen," msi

pomadig in Balduins Rede und wischte seinen -re
Stück Semmel spiegelblank. .

„Na also-pflichtete Lorchen bei, j/

lassen konnte, ihr bissig zu versetzen: „Natürlich „ ^„hr

„Un was mal dem Menschen sein Lebenseleinent ka

duin fort, „det kann man nich in sn Testament setz^ „,oüen
er ooch nich von heut auf morjen lassen. Un wir Ejf ""
unterhalten, wenn wir beisammcn sind, aber nich „ deneff.
dasitzen, wie Kinder, die sich nich bekleckern dnrse Zeisi^" u"
deshalb ein Seiberlützchen umbinvet. Jck w:ll^-^ .
un ick bekleckere mir janz jern hie un da
ooch jo-

will
 
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