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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0833

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^-Zahrgang Ar. 1ZS

—__

d»/, ?»> !che Posr" crlchcint wöchcntl- siebenmal. Beilaacn: Didaskali a lSonnt.) —
U ^'^altunaSblatt lMontagsi - Literaturblatt-tdochschnlbettage lm onatl ich).

LZeitclikic ohnc Werm.tworlung. Niillscnduna nur, wenn Porto beitiegt.

Hei-elberger Jeitung

(Gegründet 1853)

UNd

Landelsblatt

Sonnerstag, l>e» 17. Mi 192Z

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^r^llil lanil die grotze Verleftenheit, in die die Reichs-
»ersj.°rung durch die lctzte Notc der Allüerten tseraten ist. wohl
»NiNicht verstehen aber kann inan, ob es nötia oder auch
zft- is»9 war, diese Verlegenheit so offcn vor aller Welt vor dem
"llh 750 Uusland zu zeiaen, wie es heute im Reichstag leider dsr
Mj.Nr. Eg scheint, als ob man sich da wieder einmal nicht der
Folaenwirkun.aen bewußt aewesen ist, die dieses so zur
ftlix ^etraaene Zurückhalten nach sich ziehsn musi Es ist Iedem

Aosklang im Reichstag.

.^etteres klar, dasi es der Re.qieruna einfach unmöqlich ist,,
im Reichstra eine präzisierte Antwort auf die Noten zu
»»k.»- Das batte auch niemand erwartet. Jmmerhin ist doch die
» v 01itifche Situation derari. dasi die Möqlichkeit
Z^»,.hatte, vom Reqierunastifch aus, ohne

sich irqendwie für

^ii^^nft binden. etwas mebr M saqen. als es heute durch den
>njster Rosenberq qeschehen isi. Es handelt sich ja nicht
srteri"" die Note. Zur Debatte steht ja auch das Schand-
^->Ll l.von Werden und von Mainz, von denen heute
bsfh/„der sozialdemokratische wie der deutschnationale Redncr mit

abrückten. Man weist. welch unqeheure Errequnq diese
^n Ukte -

^°>°n

dr„°^» Akte "franMscher Militärsustiz V allen Volksschichten
^etzj^erufen haben. Dte Oesfentkichkeit erwartetc und hatte ein
Me ^.erwarten, dast der Reichstaq nicht ausetnanderqehen werve,
fkm von Parlament nnd Reaterunq wentqstens zum Krupp-
»»q » »»d den barbarischen Urteilen qeqen die Eisenbahner Stel-
H) »°innicn würde.

Nw^ iEe metnen, dast dies schon aus innerpolitischon Grllndsn
M^wendtq erachtet worden wäre. Die Bevölkcrunq des Ruhr-
L°ich-- u»d die andern durch die Vesetzuna aepeiniqten Teile des
vurften und mustten mit einer Stellunqnahme auch von
7°>n,ss°nt nnd Reflteruna zu diesen Eewaltakten rechnen. Mit
Vrotest der Reichsreaieruna und der feterlichen Vsr-
die Präsident Löbe nach Bekanntwerden der Schand-
U >,;l!»legte. können solche unerhörte Veraewalttqunaen schliest-
als abqetan qelten. Es ist ein Unrecht, das ntcht
7»rkj UUa als Unrecht in die Wclt hinausaerufen und aeLrand-
Mj u>°rden kann. Man wtrd an Rhein und Ruhr dies Schweiqen
Nii, ,,^iiehen in oinem Auqenbllck, wo alles daran qeseht wsrdcn
um den Widerstand der am schwersten und unmittelbar
"— ' " "" " in dem

tz>S

»^°rn ^evölkerunq zu stärkcn und um sie zum Ausharren
?Mqj ^uwpf zu ermutiqen. Etwas mehr als vom Austemninistsr

S!>

»flt -I°»ipf zu ermutiqen. — ....... —...>-

j urde, hätte wirklich aesaqt werden können, auch wenn man
is»°'° iehr beqreist, dast die Neqieruna einer qrosten austen-
Debatte in dtesem Moment aus dcm Weae qehen mochte.
iiÄstg uuqs war es ja auch die Absicht der Reqieruna. den
Mtj!^ ntcht auseinandergehen zu lcsien ohne eins aroste austen-
d,?U>ie»- Aussprache. Das verspätete Eintreffen dsr Note und die
jMij/'gkeiten, vor die die Reichsreaterung gröster als erwartet
Mz wlnde. liesten es ratsam erscheinen, im jetztgen Moment
yM°r»« uf eine Aussprache zu verztchten. Zwischen

jMund Parteien wurde anch eine dahingchende Verständi

^»te ^ " " ' " " " '' " - ' " .

etner Verein-

e pGestern abend aber brachendie Sozialdemo-
1>v!' dftft r- ° stillschw eigende Nereinbarunq: fie erklär-
de« ^ >" der Reichstagssitzung bei der Eelegenheit der Bera-
!»c>Iio ^»swärtigen Etats das Wort ergreifen würden. Ekne
»U b 8ühlungnahmc zwischen Regiernno und Parteien vor
Heutigen Sitzung konnte ebensowenig zu
sj, ^ a >uyren wie eine Aussprache im Aeltestcnrat.

>»» ^i»dpolitisch hat die kurze Debatte, die cinsetzie, wcntg-
U>°», »»ung gebracht. Allerlei Gerüchie, die im Umlauf
sich ols haltlos erweisen. Man wollte von einem
st»°>l. Sozialdemokraten qegen das Kabineti Enno stwas
)°-I» »uben verdienie das Eerücht kaum, denn die Sazialdemo-
»°n wirklick, keine Ver-anlaNiina. bsute eine Reaisrungskrlse

ang zu belasten, die

^ --e ,.. —. des Abg. Müller

Vedenken nach dieser Richtung hin. Auch die
»uiokraten stehen nach wie vor hinter der
^»4ieh »U q. Sie hält, wie ihr Redner bente nocbmals mit aller
IiK. Slej-uheit betonte, an dem passiven Widerstand fest, und mit
T Entschiedenheit wurde auch gesagt, dast auch nach An-
l»^,» i j ^»äialdemokratie alles geschehenmüfse, nm eine
Ii^u° a„^»lion zu vermeiden. Innervolit'sch klärend
»lif »°Ute? »>° Rede des deutschnationalen Führers Zergt, der
l°l!??»ei?_^°utend zurückhaltender zeigte als vor wenigcn Tagen

8L

"°vte y -

'»ll?!»er?°»°>'tend zurückhaltender zeigte

»ie ^°»tschnationalen Versammlung in Wurzen. deren Vcr-
Ueh. »er ^»uniiuna aufkommen lietz, als ob die Deutschnaiionalon
°i°^°» ii-,^>°»unaspolitik aegenüber eine Obstruktionsstellung ein-

^e-w°llt!

°8ieT"u>°n. Hergt stellte sich heute aenau wie bishsr hinter


8 e s^»8 unter der Voraussetzung, datz sie eine Regierung

^ ^.'vssenen ALwehrwillcns bleibe.

^°v^» hat also — diesen Eindruck hat man aus der

a r - x°utte aufs neue gewonnen — eine breite parla-
°°r Arz ^ > ch e Front hinter sich. Das dem Jnland und
^Utjg^ ui Ausland von neuem gezeigt zu haben. ist -in Ecwiun
Sitzung, der nicht gerrng anzuschlagcn ist.

Mnggherrcht befindet sich auf der dritten Seite.)

Polen gegen Sanzkg.

^ t°hnt jeden Schiedsspruch des Bölkerbundes av.
unserem tt-Korrespondenten.

>5-

^2

Paris. 16. Mai.

h,' dast Warschauer Havasbericht geht mit aller Deutl'chke
>°» h5>° Polen einen offenen Konflikt mi

>?ü°I^ T K - „ ° ° i z u f L h r e n trachten, Last ste insbesonde
tz°?.°Uhe° t> s s p r u ch des Völkerbundes über die stritligt
h'°>r. ° bIehnen. Jn dcr Havasmeldung heitzt es, d<

fz»!ls s »°st N>lchen Polenund Danzig endgültig gereqe
le^te» °bauvj?t Wortlauts des Art. 103 des Versailler Ve
^hhg' lvcuü E ?tolen, dast Schiedssprüche nur dann stattsrnd!

^ »Uh u>°n»" Danzig Meinungsverschiedenheiten wegen Au
«°n der Anwendung palnischer Rechte bestünden. D

Polen legten stch damit einen Standpunkt zurecht, der ihnen alle
Rschte sichert, den Danzigern aber keine, dast Schiedssprüche nur
dann stattfinden könnten, wenn es stch um die Anwendung der pol-
nischen Rechte handle. Aus diesem selbstvcrständlich unhaltbaren
Erundsatz stellt die polnische Regierung fest, dast der Danziger
Senat stch keino °lare Rechenschaft über die S>tuation ableqe, was
Polen unaeheure wirtschaftliche Nachteile einbringe, insbesoudere
bezüglich des Zollschutzes. der Erbauung von Häfen, der Errichtung
von Wasierstrasten. Jnfolqedessen behaupten die Polen, dast ste
gezwungen seien, in der unmiitelbar bevorstehenden Zukunft mit
allen Mitteln, über dic sie verfügen, jene Mastnahmen
zu ergreifen. dic die Rcchte und die Souveränität
Polens oaranikeren könnten, wie sie Polen durch dsn Friedens-
vertraa zuerkannt wurden. Die polnische Regieruna hat die Absicht.
den Völkerbund zu befragen, ob dieser den polnischen Standpunkt
bezüalich der Auslequna der Best'mmunaen des Nersailler Ner-
traqs teile. Sis wird den Völkerbunq ai-ffordern, Salbverständiae
nambaft zu machen, die über die Durchführunq der Bestimmunaen
des Frledensvertraas wachen sollen.

Die ile-erskhnmz Mrvivskis.

Kundgebung der Kommunistcn tm Berliner Lustgarten.

Von unierer VeNiner Rebaktion.

Verlin, 18. Mai.

Heute vormittag gegen 11 Uhr tmf die Leiche des in Lausanne
ermordeten Sowjetvertreters Worowski auf dem Anhaktsr Baha-
hof in Verbn ein. Auf dem Bahnhof hatten sich der russische Bot-
schafter, das Botschaftspersonal und die in Berlin anwesenden
Sowset'kommlssioncn eingefunden. Der Leichenzug. an dem einige
tausend Menschen teilnahmen, bewegie sich dMch die Anhalter
und Wilhelmstratze nach dem Botschaftsgebäude Unter den Linden.

Die Kommunisten haben in den Betrieben gostern und
heute einen terroristischen Druck auf dic Belegschasten aus-
geübt, um diese zu zwingen, heute abcnd im Lustaarten zu erscheinen
und an dem Leichsnbegängnis teilzllnehmen. Die Polizei will
gegen jsden unliebsamen Zivifchentall geieit sein. Sie hat deshalh
für den ganzen Taq srhöhte Alarmber-eitschaft angeord-
net und von nachm-ittags an ftarke Polizeimannschaften zufammen-
gezogen.

*

8— Paris, 16. Mai. (Eig. Drahtm.) Wie aus Genf herichtet
wird, ist der russische Sekretär des Roten Kreuzes, Polu-
nia, der verhaftet wurde, dann aber wieder freigelasien worden
war, jetzt wegen Mittäterschaft an der Ermordung
Worowskis erneut verhaftet worden. Es w:rd ihm zum Vor-
wurf gemacht, dast er von dem Mordplane Kenntnis gehabt habe,
und dast er dem Mörder noch am Tage dss Mordes 100 Franken
nach Lausanne geschickt habe.

DeuWland bereitet etne neue Aote vor.

Verlin, 16. Mai. (Eig. Drahtm.) Die Führer der Frak-
ttonen stnd heute nacheinander vom Neichskanzler in An-
wefenheit des Neichsaustenmrnisters Dr. vo» Rosenberg emp-
fangen worden. Man besprach die Stellungnahme der Regirrung
nach dem Eintreffen der englifchen und italienifchen Note. Die
Nekchsregiernng liest durchblicken, dast sie es fiir notwendig halte,
noch einmal Fiihler nach England auszustrecken. da
ihr michtig erscheine, die Meinung Englands zn hören, bcvor ste
eine neueNote abschickt. Dahvon der Refchsregierung
eine neue Note ausgearbeitet wird, kann fo gut
wie sicher gelten.

Luppes MchensKasten.

Die D. Bolkspartei Ntirnberg gegen den dortigen Oberblirgermeistrr.

Von unserer Münchener Redaktion.

München, 16. Mai.

Die Hauptversammlung der Deutschen Volkspartei
Nürnberg hat folgsnde Kundgebung beschlosien: Das Nürnbsrger
Stadtoberhaupt Dr. Luppe hat seit längerer Zeit das Vcr-
trauen aller büraerlichen Kreise Nürnbergs verloren. Seine
neuesten aanz im Sinne der sozialistischen Stadtratsmehrheit voll-
brachten Taten geben neuerdings -den Beweis, dast Dr. Luppe
nicht mehr geeignet ist. di« Eeschicke der zweitgröstten Stadt
B-ayerns zu lenken. "Er hat sich nicht gescheut, üüer den Kopf
seiner vorgesetzten Layrtschen Negierung hinweg
sich mit der Reichsregierung ins Benehmen zu setzen zwecks eventl.
Stellung norddeutscher Reichswehr nach Nürnherg. Er hat offenbar
vergesiesi, dast Nürnberg noch eine bayrische Stadt ist und
sie wtrd es bleiben trotz Dr. Lutzpe. Wir erwarten von der
bayrischen Negierung. dast ste hier rllcksichtslos zugreift und den un-
haltbar gewordenen Zuständen in Nürnberg. wie sie durch das Vor-
gehen Dr. Luppes geschaffen sind, ein baldiges Ende bersitet.

*

Der neue MRnchener Polizslprafident.

Der neue Münchener Polizeipräsldent Mantel
hat die Leitung der Eeschäfte des Münchener Polizeiprästdiums über-
nommen- Er hat sich bei seiner Berufung allerdings die Rückkehr
zu seiner bisherigen Stellung nach dret Monaten vorbehalten.

TumulLszenen in der belgischen Kammer.

8— Parts, 16. Mai. (Eig. Drahtm.) Nach den htestaen Blätter-
meldungen aus Vrüssel kam es wcgen des Eisenbahner- und
Postbeamtenstreiks gcstern in der belgischcn Kammer zu heftigen
Tumultszencn. Der Eisenbahnminister hat daraushin cine
Proklamation erlassen, dast j-der Eisenbahner binnen
48 Stunden auf seinen Posten zurückzukehren habe, andernfalls er
endgültig entlassen jei.

Me bisherigen Reparaüonsleifimgen.

Wenn man den Mitteilungen der Reparattonskommission, des
weisen Rechnungsausschusies der Alliiertcn, in dem Frankreich den
Vorsitz und das entscherdende Wort führt, tnsbesondere aber den Er-
klärungen der französischen Staatslenker Elauben schenken wollte,
so hätte Deutschland btsher nur geringfügige Leistungen an die
Alliierten abgeführt- Iedoch wenn, wie in der Reparationskom-
mission, Ankläger und Richter etn und dieselbe Person sind. so ist
oin Misttrauen am Platze, das durch die Tatsachen im weitesten
Maste gerechtfertigt wird. Die Rechnunaskunststücke jenes Aus-
schusses, die von seinen außenstehenden Diriaenten dikttert sind,
haben nur propagandistischen Wert und Zweck, der Nachprüfung
halten sie nicht stand. Denn was hat Deutschland seit
dem Waffenstillstand tatsächlich geleistet?

Wir haben früher bereits betont, dast sich die enormcn terrt-
torialen und volkswirtschaftlichen Vcrluste infolge des Wasscnstill-
standes und Frtedensschlusses, die Deutschlands Lebenskraft aufs
äußerste schwächten, nach Eeldwerten überhailpt nicht
errechnen lassen. Aber es bleibt auch so noch gcnug an dem,
was in klaren Zahlen ausgedrückt werden kann. Das abgelieferte
Reichs- und Staatseigentum im Jn- und Ausland, dte Saargruben,
Privaikabel, nichtmilitärische Rücklatzgüter an der Westfront, das
nach dem Waffenstillstand ausgelieferte Eisenbahn-, Fahrzeug- »nd
Vrückenmaterial, die deulsche Handels- und Vinnenflotte. das ligui-
dicrte deutsche Eigentum im Ausland, die abgegebenen Weripapiere
und der erzwungene Verzicht Deutschlands auf seine Ansprmbe an
seine chemaligen Kriegsverbündetcn stellen zusammen 'ncn
Wertvon 36 Milliarden und 708 Millionen Eold-
mark dar. Dahei sind das Reichs- und Siaatseigentum in Elsatz-
Lothringen pnd in den deutschen Kolonien, der rein militärische
Rücklast in sämtlichen Näumungsgebiete», sowie der gcsamte volks-
wirtschaftliche Wert des Privateigentums in den abgetretenen
Eebieten noch nicht mitgezählt. Nicht. eingerechnet ist ferner der
nichtmilitärische Rücklast der deutschen Osttruppen und der Wert des
deutschen Eigentums in Rutzland, den Vereinigtsn Stoaten, Bra«
stlien und Kuba, wcil hier zuverlässige Berechnungen noch fehlcn.
lZu diesen Leistunqen aus vorhandenen Beständen kommen
weitere aus laufender Produktion. als da sind: Kohlen und
Koks, neue See- und Binnenschiffe, Eisenbahnen für die abaetre«
tenen Eebiete und schkiestlich sonstige Waffenstillstands- nnd W-"der-
aufbaulisferungen, Leistungen, die abermals auf 3782 Millio-
nen Eoldmark zu beziffern sind. Hierhcr gehörsn endlich auch
die reinen Barleistungen in Devisen, IZöllen, Sanktionsabgabcn,
Vcrkaus von zerstörtem Kriegsmaterial usw mit einem Wert von
2230 Millionen Eoldmark.

Jn Summa ergiüt sich also schon daraus ein bezahlter
Reparationsbetrag von 42,78 Milliarden Eold-
mark, womit aber die finanziell bestimmbaren bisberia n Ab-
gaben Deutschlands an seine Kriegsgegner noch nicht erschöpft
sind. Die Besatzungskosten wurdcn schon srüher mit viereinhalb
Milliarden Eoldmark angegeben, der Wert des abgelieferten Kri as-
materials wird einwandfrei auf 6,38 Milliarden Eoldmark geschützt,
und bewertet man schliestlich die Arbcit von annähernd einer halben
Million deutscher Kriegsgefangener in den zerstörten Eebieten
Nordfrankrelchs und Belgiens von November 1918 bis 1. März 1920
nach dem üblichen Tageslohn, so stellt auch das eine Leistung von
anderthalb Milliarden Goldmark dar, sodast bis Ende 1922 eine
Tributleistung von weit über 50 Milliarden
Goldmark zu buchen wäre. Wobei immer zu beobachten
bleibt, datz eln etwa gletch hoher Betrag tatsächlicher Abgaben
rechnerisch noch nicht feststeht.

Die ungeheure Geldentwertung und die zunchmende
Inflation haben in Deutschland mehr und mehr das Verständ«
nis sllr Eeld- und Zahlenwerte gemindert und den Sinn ° nolks-
wirtschaftliche Realitäten abgestumpft. Aber man mutz sich in der
Vevölkerung wieder einmal klarmachen, datz es sich bei dicscn
mehr als 50 Milliarden um Eoldwerte handclt,
und dast diese Summe über ein Sechstel oder, unter Berücksichtigung
aller Abgaben und Leistungen, sogar einDrittel des gesam-
ten deutschen Volksvermögens vor dem Kriege
ausmacht. Wohlgemerkt, vor dem Kriege wurde von unscren
besten Finanzkennern das deutsche Volksvermögen auf rund 300 Mil-
liarden Eoldmark bewertet, und damals hatte das Deutsche Reich
keinen verlorenen Krieg hinter stch, haite es eine gesundc, prachtvoll
blühende Volkswirtschaft, einen ertragfähigen Kolonialbcsitz, die
zweitgröstte Handelsflotte der Weltj damals warcn ihm noch nicht
ein Ächtel seiner Bodenflächc, ein Zehntel feiner Bevölkerung, die
besten landwirtschaftlichen Ueberschustgebieie, bis zu drei Vierieln
seiner Nohstoffe entrisien und weite Landesteile von fremden
Truppen besetzt,' und ebensowenig mutzte Deutschland Iahr um Iahr
mit dem Ertrag seiner Arbeit und der noch verbliebenen Boden-
sckiätze Milliarden an Kriegsentschädigungen zahlen. Man begreift
also das katastrophaleMitzverhältnis der bis-
herigen Reparationsleistungen zu dem kümmer-
lichen Rest des deutschen Volksvermögens.

Zuglcich aber bleibt cs lehrreich zu beobachien, wclche Stellung
die Gläubiger zu jenen Milliardensummen annehmen, jenachdem
es sich darum handelt, ob sie diese einfordern oder selbst
zahlen sollen. Bekanntlich hat Frankreich bisher bei allen
Reparationskonferenzen jeden Schuldennachlast mit dem Hinweis
abgelehnt, dast es unter der eigenen Schuldenlast ersticke. Ia und

-Deutfchland? Wie liegen denn die Dinge? Die Eesamt-

heit der Siegcrstaaten fchuldet Ämerika den Betrag von 48,1 Mil-
liarden Eoldmark, von denen auf England 19,7 und auf Frankreich
15,8 Milliarden enifallen. Zieht man nur die reinen Rcparations-
mhlungen Deutschlands mit 42,78 Milliarden Enldmark zum Ver-
gleich heran, so betragsn die bisherigen deutschen Repa-
rationsleistungen fast soviel wie die Summe der
 
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