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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#1031

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i^^ruckt. Eine Kugel sei ihm in dis rechte Wange ernge-
s>L und am linken Auge wiedcr herausgelommen. Darauf habe
^ "«r Soldat entfernt.

Tie ftKnzWsche SOanhjustjz.

tzik^rde«, 16. Juni . Kurz vor Pfingsten murd« Lekanntlich einer
A von Zechenleitern ein n-euer Befehl auf Wiederaufnahms
!jp,„^hlenlieferungen zugestellt, n-achd-em vorher General Degoutte
^rordnun-g erlassen hatfe, die dic^Nichtbeachtung d-ieses Be-

^ lnit Eesängnisstrafen'bls zu fünf Iahr-en ü-ns Äeldstrcrfen in

doppelten Wertes d-er nicht gel'ieferten Kohle b-edroht.
0^ -- eUuf Ler tn diese-r Verfngung vorgesehenen Ueberlegungsfrist
i^tunf Tagen rvur-den L-ie Direlloren Kellermann von der
»in^Usfnuna-chuite, Falke von der Zech-e Lvncord-ia unü Fried-
uon der Bergüau A.-E. Adler verhaftet. Ietzt trat d-as
^.Mgericht in Werüen zufammen und verurtei-lte natürlich die
h»5l!chen. Direktor Kellermann erhie-lt fünf Jahr.e GefSngnis
^ EelLstrafe von 24,3 Millionen Franken, Dirertor

fünf Iahre Gefängnis und 6,2 Millionen Aran ke n , Dire'
^.vriedman»

^den ^

8,25 Millionen Franken, d. i. 56925 Mil-

Mark. -

dr^^°ndon, 16. Juni. Das französische Kriegsgericht
iü ^«ilte ge-stern d-en Landtagsabgeordneten Bernzott <Land-au)
MEei Mlllionen Mark Eeldstrafe, rveil er einige Flug-blätter bei
gch gestlhrt hatte, die die Würde Ler Defatzungsorgane zu v-erletzen
gowesen seien: ferner den Zollamlmann Pfitzer (Bruch-
j» l^ch) wegen Llicht'befolgung von Desehlen der Besatzungsorgane

- Gefängnis fowie d-en Kaufmann Wagner

d-en Montsur Grösler (Neustadt a. d. H.)

Monaten
^enthal) uNd

Tatlichkeiten gegen ei-nen sranzösif-chen Unterosfizier in Neu-


)u je zwei Jahren Gefängnis.

GeValttaLsn im besstzien Zadsn.

!^j ^uiWasens, 16. Juni. Das Posiamt in Pirmasens wurde
vorübergehed von den Franzosen besetzt und die Brief-
^ P a k e t p o si be s ch l a g n a h m t. Vermullich handelt es sich
^tne Kontrollmatznahme wegen oer Sabotageakte. Man hofft,
die Veschlagnahme Lald wieder aufgehobsn wird. Wie die
^j'zN'-asenser Zeitung" mitteilt, ist der vierte Bürgermeister von
«j!,,-nsens Wolmaringer, der nach der Verhaftung des Ober-
^^rmeisiers und des zweiten und dritten BLrgsrmeisters die
^bgeschäfte übernommen hatte, ferner fünf weitere Ltadträte aus
ijj? Erunde ausgewiefcn wurden, weil die Stadtverwaltung
e,n Eisinbahnungliick bei Haunenstein verantwortlich (!) gemacht
'Ä.. T>ort wurde ein Fuhrwerk von einem Zuge überfahren, die
Mtötet
>- " seinen

und der Fuhrmann so schwer verletzt, dasz er inzwt-

-.. Verletzungen erlag- ' Die Stadt Pirmasens wird be-

!jz.'gt., dic Eefährdung eines Eifenvahnlransportes dadurch ge-
»üj et ^ haben, dah sie die Ausführung der Ordonnanz Nr. 162
»z'krlietz, die den Gemeinden die Bewachung der Eisenüahnüber-
^e zur Pflicht macht.

^ie SrMpfong der GeschlechMankheiten.

Dcr Tssetzentwurf i» zweiter Lesung angenommen.
EigeneDrahtmeldung.

Berliu. 16. Juni.

!iiii»??( RegierungSttfch! Jnnsnminister O e s e r. Prüsident Löbe cr-
1.20 Utzr und meist darauf tzin, datz drei Platze deS
Blumenschmuck aufmeisen. Es sind dies die Plätzc
<Dnat. Vv.) und H e rold sZentr.), die hcutc
erw Reichstag angetzören und deren Verdienste dcr Präsident
^ Es ist ferncr geschmnckt Ler Platz des ALg. Höllei» (Komm.),
»»z">e Tranzosen drei Monate im Partscr Kssängnis fsstgetzalten tzave»
nnn zu seincr Heimketzr vom Präsidenten ebensalls beglnck-
^'Kt wtrd.

^».7-tzve Anssvrache angenommen wird der Antraa Dr. Wienbeck
»z?l- Vv.), berdieEtnrichtungeinerReichsbeschaffungs-
»rj? ° v e r t e i l u n g s ft e ll e fordert, die eine gerecht. Berteilung der
ft^^aufträge auf die einzelnen Länüer veranlasfen soll. Auf ber Tages-
aiiilg stetzt bann ein Antrag aller Parteicn ans

^ Aenderung des Umfstzsteuergefetzes.

soll § 27 batzin geändert werden, datz die Steuer für Ueber-
sijAE von Anzeigen Lci Zeitnngen und Zeitschriften von de» erften zehn
Mart des tiinertzalb eines Kalcndcrvierteliatzres vereinnatzmten
Äjjeages auf 1t Prozent ermätztgt merden soll, voa den nächsten zetzn
'ZNen auf 1 Prozcnt, von ben nächsten zetzn Mtllionen auf 1>^ Prozcnt,
hjjZie darüber hinansgetzenöen Beträge aus 3 Prozent. Gibt ein Stcucr-
!>!ijK»ger mebrere Zeitungen oder Zcitschrifren tzerauS, so tst bei dcr Er-
R^'Sung jede Zeitung und jeöe ZeiilLrift selbständig zn behandeln. Dcr
-.j.?llzniinister wirü ermächtigt, mrt Zustimmung dss Reichsrats die
>, -I'Eln der Geldentwertnng anzuvassen. Die Vorschriftcn treten vom
, ^Pluar 1SL8 ab in Krast.

ptzat.

Der Antrag wird nach kurzer Befürwortnng durch den ALg. Brntz »

Vv.) in allen drei Lcsungen angenommen.

»itz^^er Gesebentwurf über die Anleguno vonMündelgcldern,
,-S das Vormundschaftsgericht dem Vormund eine andere Anlegung
'i^L"iiindelseldern als die bisher vorgesetzcnc, den veränderten wirtschaft-
" Berhältnissen entsvrechend, gestattcn kann, wird angenommen.

»1 L>ie Geltungsdauerdcs Weinsteuergcscdes wird bis
^ktobcr 1923 verlängcrt.

Die Einzelberatung dcs Gesebentwurfs -nr

i,, Vekämpsung der Geschlechtskrankherten

>b^..öarauf fortgesedt bei § 13 ff. Darnach soll bas Strafgesetzbuch datzin
'lEüdert wcröen. datz ansdrücklich erklärt wird. datz als Kuvvclcr gilt
Esootzxrx der Unterbalt von Bordellen oder bordcllartigcn Betrtcben.
:i>h,..Abg. Frau Müllcr-Otfried -Dnat. Bv.) tritt sür einc entschiedcne Be-
'ij^'lNng oer gewerbSmätzigeii Urzucht ein. Mtt Strasbcstimmnngen allein
!>>, E Man das Ziel nicht errcichcn. Rcdncrm tritt für das Komvromitz
'^nnach gcwerbsmäbige Unzucht in der Nätze von Ktrchcn. Schulen «nd
eij,j?otznungcn, die zuglcich Ktndcr beherüergen. und anf Anorönung der
"Er in Orten nnter 10 000 Einwohnern bestrast wird.

>>tz Abg. Fran Lanse-Brumau» tBanr. Vv.) bekämvit dies Komvromitz
^albheit. Warum sagd man ntchi einfach: Die Unzucht wird bestraft,
si» Abg. Krau Adele SÄreiber (Soz.) vedauert die Haltung dcr Vorred-
Tie Hält es für unmöglich, dgh man die Prostituicrte bestrafen
nnr weil sie ein Gcwerbe ausübe. das der Mann als cin not-
^igAües Ueüel bctrachte. tLärm nnd Unrutze. Der Abg, Hoffmaiin-Lud-i
!>>t,?oafen (Zentr.) ruft: Frechheitl und wird vom Präsideuten zur Ord-
>>> Serusen). Die meisten Prostituierten kämen schon im Kindesalter
'Escn Beruf. Schuld setcn die zerrüttetcn Familienvcrhältntsse.

P, Ahg. Marr (Zentr.) sordert scharfe Bekämvfung der gerverbsmähigen
^Ucht.

->>t>„ '^bg. Emmiuser tBaver Vvt-i hält an der Bestrafung der Prosti-
- t» 'E"-

»M,/ibg, Stratmauu <Dnat. Vv-) steht in der Ankündigung und Aus-
von Artikeln zur VcMitung der Geschlechtskranktzciten eine
stttliclie Gefatzr.

^»I-.^bg. Fran Dr. Bäumcr (Dem.) hält den Standvnnkt der Bauer.

. —

'(varjxi sür verständlich.

' °ie doM vieliach Provo

doch vielsach Provokatenre seien.

Eiiu.^bg. knnert <S-oz.) schiebt dem Klassenstaat die Schnld an den
Verhältnisien zu.

der A b st i m m u n g werden alle Abändernngs-
^ks» i-ägc abgelehnt und die A u s f ch n ß b c i ch l ü i i- e in zwcitcr
!» a u s re ch te r h a lt e n. Das G:sctz soll am 1. Oktobcr 1923

?i«n. däs Gcsetz mit besonderem Nachdruü im b e s"c tz t e n Gebict

treten.
stüä'En. das
^'»'ühreii.

,Ter Ordnungsrus
'' wird, da

Angenouimen wird die Entschliehung drr bürgerlichen

gegcn den Abg. Hosfmann-
irrtümlich ersolgt. zurückgenommcn.

Ludwigstzafen

Das HeimarbeiLer-Lohngesetz.

^»»^EichsarbcrtsminiNer Dr. Branrrs erinnert daran, datz tzer Organi-
'Dgedankc in dsr Heimarbeit erst allmählich Fuh gefatzt tzabe.

^ Frau Bctzm IDnat. Vv-I itellt seft, dah dic Borlage wesent-
Pcrbesserungen bringc.

«»s Efiert <Ztr.) bittet um einitimmige Annatzme des Gesetzcs.

^»s >,'E> der bestc Dank fnr Krau Betzm. der bewährtcn Vorkämvferint
"stem Gebiei.

^Gesetz wird daraus in zrvetter nnd dritter Lesnng angc-
^<bankftättengesetz getzt an den bipvlkerungsvolitischeu

Haus vertagt sich aus Montag 3 Ubr: Wertbeständrge Hypo-
G 'chweizerischc Goldhvvottzeten, Landesstcuergcseb, dritte Lesnng
^ietzes zur Bekämpfung üer Geschlechtskranktzeiten.

"°Mntz j uür, . . ,

LetzteNactzrichtm

Velagemngszustand üder BraOeMrg.

Eigene Drahtmeldung.

Brandenburg, 15. Zuni. Ein Streik, der am letzten
Nlorrtag in eiuer Brandenüurger Fahrradsabrik ausgebrochen ist,
hat sich im Laufe der Woche über die ganze brandenbur-
gische Metallindnstrie ausgebreitet. Die anfänglich wirt-
schastlichen Forderungen sind durch ein Uebereinkomme« zwi-
schcn den Eewerkschaften und dem Fabrikautsuverbaud aus der Welt
geschasft worden, die Arüeit wurde aber trotzdcm nicht ausgenommen,
weil die Arbeiterschast nun Fokderungen politischer Art, unter
anderem auch die Gewährleijtung proletarischer Hundertschasten (!),
aufgestellt hat. Die Beunruhigrmg ist eine derart grotze geworden,
datz man fiir heute mit Pliinderungen gerechnet hat,
doch ist die Stadtverwaltung dem allem znvorgekommrn und hat in
der Nacht den kleinen Belagernngszustand verhängt.
schaften der Stadt hatien geschlossen. Die evanqelijche und die katho-
lische Geistlichkeit schritt hinter den sechs Wagen einher, die je einen
Sarg trugen: hinter der Geistlichkeit gingen die Angehörigen. Der
Vorbeimarsch des Zuges dauerte über Lrciviertel S.tunden.
Insgesamt umsäumten wohl 150 000 Menschen die Stratzen, die der
Trauerzug passierte. Der Reichskanzler lietz an den Eräbern der
getöteten sechs Personen Kränze niederlegen.

Sesen -eo sranzösischsn Terror.

Eine neue deutsche Protestnote an die gmrze Welt.

Berlin, 15. Juni.

Die deutschen Botschaften in London, Atadrid, Rom,
Washington und Moskau und die deutschen Eesandtschaften
im Haag, Bern, K 0 p c n h a g e n . Krtstiania, 'Stock-
holm, Riga und Warschau wurden beauftragt, den üortigen
Negierungen folgende Note zu Lbereichen: Die deutsche Regierung
sieht sich neuerlich gezwungen, die Aufmorksamkeit der nicht an der
Ruhraktion beteiligten fremden Regierungen auf die unheil-
vollen Eewaltakte zu lenlen, mit denen die franzüsisch-
belgifchen Besatzungstruppen gegen d-ie Bevölkerung des alt- und
neubesetzten Eebietes vorgehen. Die Schritte, welche die Leutsche
Stegierung im Geiste aufrichtiger Verhandlungsbereit-
schaft mi't ihrem Angebot vom 2. Mai und dem Memoranvum
vom 7. Juni getan hat, um die gegenwärtige Situation zu üeenden,
haben die französische Regierung nicht gehindert, ihrerseits den
Terror gegen die Bevölkerung in den schärfsten Formen fortzu-
setzen. Jn dieser Hinstcht braucht nur auf solgenöe Tat-
sachen hingewief-en zu werden: Am 26. Mai wurde der KauftNann
Schlageter wegen angeblicher'Sabotageakte aus Grund eiues
Urteils des sranzösischen Kricgsgerichts erjchossen, oüwohl bei der
franzö'ifchen Regierung dringenll-e Vorstellungen erhoben worden
wareu, die Lage nicht L-uich Vollftreckung des Ürteils weiter zu ver-
schärfen. Am 10. Auni aü-ends wurden^ in D 0 rtmund antützlich
der unaufgerlärtLN Tütung zweier sraiizösifchel Militürperjonen s'e ch s
Deutsche von einer flailzüsischeii Patroullle auf der Stratze auf-
gegriffeiii fchwer mitzhandelt und ohne jedes Verfahren nieder-
geschossen. Wie jich aus den anliegenden zeugenei-dlichen Aus-
fagen ergibt, stand von vornherein autzer Zwsifel, Latz diese Deutjchen
mit Ler Erfchietzung Ler Frauzoj-en auch nicht das Eeringste zu t-un
hatten. Am 11. Juni wurde in R e ck l i n g h a u s e n der 19jäh-rige
Karl Möller oon französischen Soldaten erschossen. Am
13. Iuni verurteilte ein franzosisches Kriegsgericht in Mainz den
lan-d-wirtfchaftlichen Lehrer Görges wegen angeblicher Sabolage-
alte zum Tode. Alles dies gefch-ieht zu der gleichen Zeit, La sie
f-ranzösifche Negierung fordert, datz die BevLlkerung des alt- und
neubefetzten Eebiets üen pafsiven Widerstariid aufgibt. und von der
ErfWung dieser Forderung Len Beginn von Verhandlungen ab-
hangig macht, die allein zur Lösung des gegenwärt-igen Kon-
fliktes führen können. Der Widerspruch in diesem
Verhalten liegt offen zutage. Das französifche Vorzehen macht alle
Bemühungen der deutschen Regierung, beruhigend auz dic Beoölke-
rung einznwirken. illusorisch. Es stärkt nicht nur in der Beoölkerung
tas Gefühl der Notwendrgkeit, gegenüber dem fremden Militaris-
mus den passiven Widerstand aufrechtzuerhalten, fondern beschwört
darüber hinaus immer ernster die Eesatzr herauf, datz sich die in
'hrem innersten Empfinden getroffene Bevdlkerung zu verzweifel-
ten Unbesonnenheiten hinreitzen lätzt, die in ihren Aus-
wirkungen weit über das besetzte Eebict hinausgehsn. Die leutsche
Regierung hat bei den unausgeklärten Zwischrnfüllen wiederholt
vorgeschlagen, den Sachverhalt durch internationale Komm'ssionen
unterfuchen zu lassen. Die französische Regierung lietz alle oerartigen
Anträge bisher unbeantwortet. Die deutsche Regierung legt hier-
gegen und gegen die fortgssetzte französische Eewaltpolitik Ver-
währung ein und stellt öffentlich sest, dätz die Verantworru iz für
deren Folgen allcin auf die französische Regierung sällt.

Si'e stanzöstsche Kammersttzung.

Debatte über Poincaräs Jnnenpvlitik.

Von unserem 8-K 0r rejp0ndent en.

Paris, 15. Juni.

In der französisch-en Kammer begann heute die Jnterpellations-
debatte über die Jnnenpolitik Ler Regierung. Abg.
Pbarnegaray verteidigte sich Lagegen. als ob er die Autzen-
politik Ler Regieruna behindern wolle. Die Kommunisten verbrei-
teten Gerüchte, üatz Deutfchland zu den Wrffen greifen wolle. Jn
diefem Fall mützte Ler Min-isterprüsident wiederum die Einigkeit
anrufen. Hüarnegaray beglückwünschte Poincars zur Ruhrbesetzung.
Bei diessr Polit-ik werde den Mini-sterpräftdenten stets eine unge-
heure Mehrheit unterstützen. Er beklagte sich dann über öie letzten
Wahlergeb-nifse, dte zugunsten der Linken ausgesallen seien. Die
Tatigkeit des nationalen Blocks in der Kammer sei höchst bsachtens-
wert', aber es stimmt« schlecht dazu, datz die Regierung einen Innen-
minister Ler Linken h-abe. Hüarnegaray richtete Lann an Poincara
die Frage, ob di« täglich in der „Act-ion Franyaife" snthaltenen
Angriffe auf oie Pariser Polizei berechtigt seien. Das Blatt be-
haupte, datz die Polizei mit Len Anarchisteil in Verbindung stehe.
Poincarö erklärte diese Anfchuldigung für unbegründet. Abg.
Daudet wies auf eine Klage hin, die heute dem Gericht zuge-
g-angen sei, wonach beabsichtigt fei, M-lleran-d in einem Eisen-bahn-
zug in die Luft zu sprengen. Diefe Anklage erregt allgemeines Ee-
lächter. Sodann Legründet Abg. Bellet seine Jnterpellation. Er
verliest im Namen der Entente Republicaine demo-
cratique eine Erklärung, in welcher er darauf hinweist,
datz sich der Block National um Frankreich sehr verdient ge-
macht habe. Jhm sei es vor allcm zu danken, datz bei den letzten
Kammerwahlen die nationale Einigkeit herrschte, die auch nur ^durch
das Abfchwenksn der Radikalsozialisten im Laufe der letzten Iahre
gestört wurde. Poincars beantwortet darauf die beiden einge-
brachten Interpellationen. Mit der ihm eigenen rednerischen Ee-
schicklichkeit weitz er Lie Mehrheit der Kammer für sich zu gewin-
nen, da er ein unumwundenes republikanisches Glaubensbekenntnis
ablegte, und mit allem Nachdruck gegendie roya-
IistischeRechte Front machte. Er betont, Latz im Lande die
Ordnung aufrechi erhalten werden müsie, welche die royalistische
Rechte zu stören versuchte. Dieser Teil der mimsteriellen Olede ruft
lebhafte Unterbrechungen des Royalisten Daudet hervor, der sich
mit Poincars des längeren Uber die Vorteile einer Monarchie oder
einer Republik hcrumstreitet. Die Kammer bereitet aüer P 0 i n -
cars eine Ovation, da er behauptet, Latz Lie Republik einem
Volke grötzeren Segen bringe. als die Monarchie. Allmählich aber
verlätzt Poincare den gefährticheren Boden und geht auf das visl
beguemere Gebiet dcr äutzeren Politik über. Das grotze Werk,
welches man in Dcutfchland unternommen habe, dürfe nicht durch
die Strcitsragen der inneren Politik gestört werden, es könnte anch
, kciner feiner Nachfolger gegeniiber Deutfchland eine andere Politik

betreiben als er selbst. Er befchwört die Kammer, die kieilige Einig-
keit wieLer aufleben zu lasien, die während des Krieges destand,
damals bildete das ganze Land einen fest gcschlossenen Block gegen
den deutschen Eindringling. Diese Einmütigkeii miitzlk bis zur
vollen Durchführung des Friedensvertrages dauern. Doch mill
Poincarö nicht vergessen, datz die Unruhe, welche sich r>er ver-
schiedenen politischen Parteien bemächtigie. berechtig! sei. und des-
halb wolle er nicht zögern, hier sein p 0 litischcs G ! a u b » n s-
Lekenntnis abzulegen. Er sei stets ein ergebener Diener der
Republik gewesen. Stdts kämpste er aus seiten dcr Nepublik. er
war immer ein Nnhänger der sreien Schulc, dcr weltlichen Eesetz-
gebung, der Versammlungs- und der Presicfieiheit, de» Eesetzes
iiber die Trennung der Kirche vom Staai, der liberalen Steuergcsetz-
gebung und der sozraldemokratischen Gefetze. Allen dieseii Ideen
sei er Zeit sernes Lebens treu geblieben, und man beleidige ihn,
wenn man behaupte. datz er sie auch ^rur einmal verlasien habe.
Er teile die Eefiihle der überwiegenden ONehrheit der Kammer. dic
den republikanijchen Einrichtungen ergeben se-i, es müsse sich aus
der Kammer eine Mehrheit heraus-kristallisieren, die sickr von der
äutzersten Rechten und von der äutzersten Linken unterschelüe und ab-
trenne.

Badische Poltttt.

Sabotageakte und Badrsche Regierung.

Die badische Regiernng hat soforr nach Bekanntwerden
der Schienenfprengungbei Windfchkäg in einer Sitzung
Stellung zu diesem Dorkommnis genommen und sich üahin ausge-
sprochen, datz derartige Anschläge sinnlos sind, weil daber ledig-
lich der an stch schon schwer leidenden Bevölkerung oon den Fran-
zosen weitere Bedrückungen auferlegt werden. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach gehören Urheber und Ausführer dieser Spren-
gungen wilüen Banden an, die das Bedürfnis haben, die durch die
Befetzun-g ohnedies schon vorhandenen Komplikationen noch zu ver-
grötzern, in Ler Hoffnung, dann ihren 'politifchen Zielen näher zu
kommen. — Gegen mehrere festgenommene Perfonen, die dem Ver-
dacht unterliegen. sich gegen die reichsgesetzlichen Bestimmungen
(Sprengstoffgesetz usw.) vergangen zu haben, ist die strafrecht-
liche Üntersuchung im Eange. Der Reichs-regierung und dem
Rcichspräsidenten ist Bericht erstattet worden.

Aus Baden.

Die Milchpreisverhandlungen gescheitert.

Karlsruhe, 15. Juni. Am Dienstag, ven 12. Iuni fanden in
Stuttgart im Haus der Landwirte Besprschungen üüer eine
Neuregelung des Milchpreises zwischen den Veriretern
der landwirtschaftlichenOrganisationenWürttembergs undBadens
einerfeits und den Städtevertretern andererfeits statt. Die Erzeuger
stellten Lie Forderung, den Milchpreis um 50 auf Gruno des
gegenwärtigen badifchen Milchpreises ab 16. Juni zu erhöhen. Auch
'die Mindestforderung Ler Erzeuger, ab 16. Iuni einen Mindestpreis
von 900 Mark festzusetzen, wurüe abgelehnt, hauptjächiich, weil
die Vertreter der Städte auf eine lltägige Regelung des Milch-
preifes nicht einzugehen gewillt waren. Die Linzetregelung des
Milchpreises ab 16. Juni auf Erunö der in Stultgart aufgestellten
Mindestforderung mutz daher den mittelbar Bsteiligten überlasieu
bleiben.

st. Dolkcsheim, 16. Jnni. Unser lanojähriger Oienimeister Karl
Miltner hat sein Awt nicdergelegt. Die Stelle ist durK einen Orts-
einw-ohner wiedcr zu bes.-tzen. Dic Familie Meltner hai zivei ihrer 'Mit-
glieder als Rentweifter gcstellt: Lenn won der Vatcr des ictzigcii Zient-
meisters hat lange Jahre dte Rentmeisterci versehen, unü auf iün solgte
nack, ciner nicht allzu grotzen Zwischenpanse sein Sohn. dcr ietzt zurück-
gstreten ift. Wie uran hört. hat fich cine Anzahl Pcrionen nm die Stell«
beworben. da sie gut bonoriert ist. Die Wabl ficl auf tzandwirt Georg
Müblbauer. Die Rentmeisterei soll fiir die Zukunft im Rathans
eingerichtet werüen und rricht metzr, wie bisher, im Hause des Rent-
meifters verbleiben. Hierzu ist im Rathaus ein besonderes Zimyrer
eingerrchtet.

etz. Neckarmittzlbach, 15. Juui. Der Arbeiter Ludwig Auder von
Neckarmüblbach wnrde von einem nnruhig gemordenen Ochsen so schwer
gedrückt, datz der T 0 d nack kurzer Zctt cintrat.

° Prorzaeim, 18. Jruri. Aur Veranlaiiung üer G e w e r k I ch a f t e n
versammclten sick, die Arberter der Pwrzheimer Hauvtindustric auf
dem Marttvlatze. um gegen dre hcrrickienöe Teucrung zu demon-
st r r e r e n. Es ivrachcn zu gleicher Zcit vier Reönsr. dic darauf hin-
wieien. dab das türzlich mit üeur Arüiitgcbervcrüaird gctroiicne Lrüu-
abiommen infolge der ivrnnghaitcn Tenerung länzst üüerüolt sei. Ta
üer Arbeitgeberverband aus öie SLlietzung cines ncucn AvkommenS nicht
eingtng, wurdo der Schlichtungsansichntz augernicn. wo crn ZOvrozcniiger
Auüchlag verlangt wurde. Statt Papicrlohn müsie Goldlohn verlangt
werüen. Schars wandten sich die Redner gsgen die visliach ans Proütgisr
nud Gewinniucht hcraus gcboreue künstliche Prcrstrciberei, dock wolle man
üer Geschäftswelt nicht drohen, ivnderil sie nur iv a r n c 11. AnZ-
reichende Löbne ieien üas eiuzigc Mittel gcgen de» Raöikalismus. Zum
Schlnsse mnrdc eine Entschlicbnilg angcnommcn. die an das svziale Vcr-
Itüiiduis dcr Ärüeitgeber avvelliert. ansreicheude Löhne und scharie Mah-
nahmen gcgeu Preistreibcrei verlangt.

? Freibnrg. t6. Juni. Der Badische Laudesverbaud sür Säug-
ling- unö Kieiukiiiderfnriorge hält am 30. Jnni und
1. Tuli hier seine Landesoeriaminlung ab.

? Acher». 16. Juni. Dic bekannte Lender ' sche E r z i e h u n g s-
a n st a l t in Sas-back ieiert im Juli ds. Äs. ihr Miährigcs Bcstchen.

O Osfeubnrg, 18. Juni. Wie man aus Winüickiläg bvrt. ist dcr
B ü r g e r m e i it e r oon Windichläg verhastet udn nach Kehl ver-
bracht wordcn. Die Vcrbastung wird in Wtndschläg mit der am Bahn-
kürver vprgcnommcnen Svrcngung in Zniamiilenhaug gebracht.

!! itarlsruhe. 1S. Jnni. Lin Hoteldieb mubtc sich in üer Persvii
des 28jährigen ttauimanus Hans Lciser dcr 1. Straslammer vor-
stcllen. Obwohi einziger Sohn bsgütcrter Eltern. kounie er es nicht
unterlasscii. ani ieineii Fahrten, die ihn anch nach Äarlsrnhe iüürtcn, die
icweilige Schlafstatte nnter Mitnahme von Bettüchern. Tcvvicken und
dergleichen zu verlassen. um öieic gestoüleneu Sachen in Geld umznictzeu.
Jm ganzcn bat Leiscr sicüen Hoteldieüstähle unü eiue Uiitcrjchtagung
begangen. DaF Gericht vernrteiltc den vorbcstrastcu Angckingieii umcr
Bcrücksichtigung ieiner Anlage — der Sachverstündigc Wart reible Leüer
in die Kategorie dcr Piychovatben cin — zn 1 Jaür GeiängniS. abzügitch
S Ptonate Uiitersuchenshait. — Wcgen mebrsachcu Dicbstahts wurdc dcr
Maschinist Ludwig Dörrer ans Obcrtzroth zu t Jahr 3 Moiiaicu Gc-
sängnis verurteilt. Er war hier bei üer Baünvost angestellt und bejorgte
mit dic Ueüerleitung von Post zu den abgchendcn Ziigcn. Er kvuute
sich daüei nicht enthalten in unbewachtcn Augcnblicken LebenSmitteloaiete
und dcrgleicheir zu entwcnöen. bis cr erwischt wnrdc. Seine Ehesran
wurüc von der Anklage der Hehlerci freigesvrochen. — Wegen Dieü-
ft a h l s und Urkundcnfälschung erhielt das 26jäyrigc Dicnst-
niädcknni Therese Zirkel aus Franksurt a. M. cine <Äefäiignisstrase
von 7 Monaten. Sie hatte bei einern 60jährigen Mann Oüöach geiunüen
und stahl ihrcm Beschützer als Entgelt dafür die Schuhe, dte dann
unter ialscher Namensangabe versedt wurdcii.

— Liedelstzeim b. Grabcn. 16. Juni. Bei drr Grasocr-
steigerung von Gcmeinüewiesen wnrdeu die iingcwöboltch hohcu
Preise von 4 bis 6-s Millioneu sür 30 sr Wiclcn crzielt.

Bretteu, 16. Juni. Eine erhcbcndc Keier war das g 0 k d c n,
Iubiläum des hicsigen Veterailcnvercios. Noch 22 all'
KriegsteUnehmer konnten daran teilnehmen. Bc> dcr Abcndfeicr au
9. Jnni war der Badii-che La.ndcLverk>and dcr NiMtürvercine durck
General von Anhüuier vertretcn. üic ba-dischc Sieatcrung üurch Oüer-
amtmann Dr. Pfister, dic >L-tadt durch dcn Bürgermeifter Schcnienau, du
katholische Gemeinde durch Psarrer und Divisionspsorrer a. D. «tzehrich,
die evangelischen Psarrer waren leider oerbinüert. Alle Bcrtrctee sviacheii
ihre Glückwünsche aus, ebenio Bertreter verschieüeiier Vcreine. Dic F-eil-
rcde hielt der einsiige nat.-lib. Abg. Dr. Gcrber. dcr auch dtc Bcgrütznns
svrach. Seine geschichtlichen Wnrdigungen waren lresonüers etndrucksooil
nicht minder die W-orte des jetzigen Abg. Rechtsanwait Schnndt übcr »c«
Kampf um den RHeüi in Bcrgangcnbeit und Gegcnwart. Der eigcnüuh,
Festtag brachte eine Geöächtnisferer aus dem Krtcdhos av üen Gcätzer«
dcr alten Vcteranen und der Lrriegsteilnehmer von 1914,18. Auck Fctndes,
gräber wurden gsehvt im Kegensatz zurn ictzlgen Trciben dcr -aernde!
Anf öern Friedhof sprach Eisenbahn-Ob.riiiipekwr Winai. Dcr Fc-jci
schlotz sich allgcnieiuer Kirchgang an niit Poiauncnichall »eU> Troiumcl-
klang. Den Gottcs-dienst hieli Kirchenrat O. Wnrth. Am Nnchmittag uni
Abcnd ianden zwei Ausführungen des Heiinatstückcs „O Heiinzitioilne'
statt. Glcichzeitig tagte am Nachunttag dcr vbcre Kroichgail-Militüll
Verband. Bes-ondcrs sei hervorgehobcn. daß dic Stadt und der iviiliiär
vcrcin die Kci:r aus cigene Kosten veranstalteten und dcn Beterancn nni
Veteranenwitwen ciu Ehrenjold üelvendct wurdc.
 
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