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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1900 - 28. Februar 1900)
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Badischer Landtag. L.O Karlsruhe, 13. Februar.
(31. Sitzung der Zw eilen Kammer.)
Ein alter Bekannter präsentirte sich heute nach nur
zehnmonatiger Pause wiederum der hohen Zweiten Kammer.
Abg. Wacker hatte es für gut befunden, auch diesem
Landtag seinen bekannten Antrag auf Zulassung der
Orden zu unterbreiten, der nach seiner bestimmten Er«
klärung das Haus so lange beschäftigen wird, bis die Re-
gierung »achgibt. Unter solchen Umstände» ist die Frage
berechtigt, ob sich die Kammer überhaupt noch ernsthaft
mit diesem Antrag befassen soll. Weder der Antragsteller
Wacker, noch der Korreferent Obkircher, noch irgend
ein Parteiführer vermochte d-m alten abgedroschenen Thema
eine neue Seite abzugewinnen; auch Staatsminister Dr.
Nokk wiederholte lediglich seine Erklärung vom 26. April
1899. Der Berichterstatter könnte sich somit heute mit
dem Hinweis auf die 138. Sitzung des letzten Landtags
begnügen, wenn nicht in dem streitbaren Pfarrherrn von
Dogern, dem Abg. Dieterle, dem Antragsteller ein neuer
Fürsprech zu Hilfe geeilt wäre, der den Birkenmayer'schen
Panegyrikers auf die Klöster tief in den Schatten stellte.
Mit feierlichem Ernst verwahrte Dieterle die Kloster-
brüder gegen den Vorwurf Obkirchers, daß sie blind gefügige
Werkzeuge der Oberen seien, daß ihre freiwillige Armuth mit
dem Geist der Trägheit Zusammenhänge. Zn den Klöstern gehe
man nicht zum Frühschoppen (Heiterkeit). Wenn man von dem
großen Vermögen der todten Hand rede, brauche man nicht auf
die Klöster hinzuweisen; die todte Hand sei dort, wo die vielen
Coupons abgeschnitten werden, bei Aktiengesellschaften und
anderen Leuten, die er nicht zu nennen brauche. Nach Art eines
Kanzelredners sucht er sodann durch Stellen aus der hl. Schrift
nachzuweisen, daß die Orden im Evangelium begründet sind,
weßhalb jede Bekämpfung derselben auch eine Bekämpfung der
kathol. Religwn in sich schließe.
In fulminanter Rede, die das ganze Haus und die dicht be-
setzte Tribüne in athemloser Spannung hielt und die mehrfach
von stürmischer Heiterkeit unterbrochen wurde, wies der Führer
der Nationalliberalen, Abg. Fieser, die Angriffe des ultroman-
tanen Heißsporns zurück. Er wisse zwar wohl: „gefährlich ist's
den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn" (Heiterkeit),
allein dies hindere ihn nicht, seiner Ansicht über die Orden un-
geschminkt Ausdruck zu geben. Ob Dieterle mit dem „Früh-
schoppen" auf seine Fraktionskollegen im Centrum angespielt
habe, wisse er nicht (Heiterkeit); aber das sei sicher, daß er den
Ordensbrüdern bekannt war. Ob denn Dieterle noch nie die
Grützner'schen Klostergemälde gesehen habe; da spiele doch die
Farbe der Nase und der Umfang des Körpers der Mönche eine
große Rolle. Auch möchte er daran erinnern, daß altberühmte
Brauereien in München, wie Franziskaner- und Augustinerbräu
von Ordensbrüdern gegründet wurden. Daß diese Herren einen
Früh- oder Vesperschoppen verschmähten, möchte er doch sehr be-
zweifeln (Heiterkeit). Dieterle habe auf die christliche Charitas
der Klöster hingewiesen. Wie könne man die Bettelsuppen der
Klöster den Millionen entgegenhalten, die heutzutage für die
soziale Fürsorge vom Staate ausgeworfen werden! Bei dem
Antrag Wacker handle es sich um den großen Kampf der frei-
heitlichen Ideen gegen den mittelalterlichen Geist, den das Cen-
trum wieder ins Land führen will. Der Kampf zwischen Hierar-
chie und Köntgthum werde fortdauern, so lange die Welt steht.
Der übrige Verlauf der Debatte bewegte sich vollständig im
Geleise der früheren. Die Wacker'sche Begründung des Antrags
entsprach fast Wort für Wort derjenigen vom 26. April
vorigen Jahrs. Ebenso folgte Oberktrchers Correferot —
übrigens eine vortrefflich angelegte Rede — durchaus dem Ge-
dankengang. den seinerzeit Dr. Binz vorbrachle. Fieser,
DreeSbach und Heimburger gaben wiederum die Dekanaten
Erklärungen der Fraktion ab, während der natlib. Abg. Müller-
Weljchingen, wie immer, gegen die Zulassung einiger Klöster
nichts etnzuwenden hatte.
Den Unterantrag, die Negierung möge von der ihr zustehen-
dcn Befugniß in Z 11 des Ges. v. I. 1860 Gebrauch machen,
vertrat heuer in sehr maßvoller Form der Abg. Zehnter. Eine
schwere Aufgabe halte der kons. Abg. Frech, o. Stockhorner.
Er gestand unumwunden zu, daß ein großer Theil seiner Partei
mit seiner Haltung in der Ordensfrage nicht zufrieden sei. In
einem Schreiben sei ihm sogar gesagt worben, er verrache die
evangelische Kirche. Sein Antrag auf dem letzten Landtag habe
ihm viele Anfeindungen an hoher Stelle eingetragen- (Abg.
Wacker: Hört!) Indessen lasse er sich dadurch nicht beirren
und er werde auch heute für seine Ueberzeugung eintrelen. So
viel Kraft müsse die evangelische Kirche haben, um auch die
Männerorden ertragen zu können. Die Haltung der Großh.
Regierung sei nicht klar und energisch genug ; sie könne die Zu-
lassung der Orden nur verweigern, wenn dringende Grunde vor-
liegen. Durch die bisherige Politik drücke das man Zentrum immer
mehr nach links. Die Kampfstimmung werde schließlich gegen
die Regierung immer stärker werden. Den Unterantrag halte ec
für durchaus berechtigt.
Bemerkenswerlh war die Energie, mit der sich der Abg.
Birlenmayer für sie Klöster ins Zeug legte. Dem Abg.
Hug, der anscheinend für ein Benediktinerkloster auf der Reichenau
schwärmt, gelang es nicht, den großen Eindruck der Fieser'schen
Rede abzuschwächen. Um IV, Uhr wurde die Sitzung abge-
brochen. Aul nächsten Donnerstag kommen noch die Abgg.
Wacker, Obkircher und Zehnter zum Wort. Dann wird
wohl der Wacker'sche Antrag mit der üblichen Majorität ange-
nommen werden.
Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung steht noch die
allgem. Berathung über den Kultusetat.
Preußen. Posen, 13. Februar. Gestern wurde auf
Ersuchen des OberreichSanwalts der Herausgeber der pol-
nischen Gazette Ostrowaka, Witold Leitgerber, wegen
Verdachts des Hochverrates verhaftet und in das Ge-
fängniß zu Posen abgeführt.

heit, die den Robert ausmachen. Am deutschen Theater in
Berlin mögen die vier Hirschfeld'schen Alte wirksamer heraus- >
kommen als hier in Heidelberg. Was die Regie und unsere !
tüchtigen Spieler gestern geleistet haben, ist allen Lobes wer th.
Wenn trotzdem das Publikum besonders an den letzten beiden
Akten geringere Freude fand, so mag das am Aufbau des
Stückes liegen. Oder lag es am Publikum selbst? Denn so
was ist doch ganz etwas anderes als Blumenthal. Na, und
Blnmenthal macht volle Häuser! bl.

Symphonie-Concert des Museums.
Heidelberg, 14. Februar.
Die musikalische Jahresspende, welche die Museumsgesellschaft
ihren Mitgliedern bot, zeigte die herkömmliche Physiognomie. Eine
der populärsten Symphonien Haydn's, die in 6-ckur, bildete die
Hauptuummer.
Ein größerer Contrast als zwischen ihr und der Schluß-
nummer, Tschaikowsky's „Italienischem Capriccio" läßt sich kaum
denken. Dort die einfachsten, ernsten, elastischen Formen, hier
das schärfste moderne, musikalische Pfefferragout.
Der geniale Russe, der erst kürzlich hier durch seinen entzücken-
den „Nußknacker" interessirte, hat in dem „Capriccio" nicht von
seinem Besten gegeben. Abgesehen davon, daß er sich ganz gegen i

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben dem
Steuerobcraufseher Johann Keller in Bruchsal die kleine goldene
Verdienstmedaille verliehen, den Finanzassessor Wilhelm Daub
in Mannheim zum Finanzinspector ernannt und den Steuer-
kommissär Nikolaus Härle in Kehl auf sein Ansuchen wegen
leidender Gesundheit unter Anerkennung seiner langjährigen treu-
geleisteten Dienste und unter Verleihung des Titels Obersteuer-
commissär in den Ruhestand versetzt.

Ausland.
England. London, 13. Febr. Im Ober Hanse
wurde für nächste Woche folgender Antrag angekündigt:
daß das HauS nach Anhörung der Vorschläge der Regie-
rung der Ansicht sei, daß, sofern Englands Heerwesen auf
dem System der Auslassung beruhe, es im Hinblick auf
die Schlagfertigkeit und dauernde Sicherheit des Landes
wichtig sei, daß das alle constitutionelle Gesetz betreffend
den zwangsweisen Heeresdienst zur Vertheidi-
gung des Mutterlandes in abgeänderter Form in
Kraft gesetzt werde, ob es zur Erreichung des Zweckes
dienlich sei, ohne das Volk ungebührlich zu entlasten. Der
Krie gsmiu ister erklärte sich hiermit einverstanden.
London, 13. Febr. In seiner Rede im Ober-
hause erklärte der Kriegsminister, die ncugcplanten
Haubitzenbatterien werden >n Friedenszeiten nur als
Cadres beibehalten. Unter den Vorschlägen des Ministers
ist noch der Plan hervorzuheben, eine bedeutende Anzahl
von Mannschaften, etwa 170 000, im Alter zwischen 25
und 45 Jahren, welche die volle Zeit im Heere und in
der Reserve gedient haben, aufzufordern, sich für ein Jahr
für den Dienst im Mutter lande allein einreihen zu
lassen.
Türkei. Ko n stantinope l, 12. Febr. Die sen-
sationelle Flucht des Schwagers des Sultans,
Mahmud, sowie seiner beiden Söhne findet ein nüchternes
Ende. Der türkische Botschafter in Paris telegraphirte an
den Sultan, daß Mahmud und seine Söhne beschlossen
haben, bed ngungslos nach Konstantinopel zurückzukehren.
Dieser Entschluß Mahmuds ist in erster Reihe auf den
Einfluß des Präsidenten der französischen Republik sowie
des in Paris weilenden französischen Botschafters Constans
znrückzuführen.
Afrika. Vom Kriegsschauplatz in Südafrika liegen
heute Nachrichten von Belang nicht vor. Auf dem mitt-
leren Kriegsschauplatz bei Rendsburg haben Vorpostenzu-
sammenstöße stattgefuuden, wobei kleine englische Abthei-
lungen zurückgedrängt wurden. — Auf dem westlichen
Kriegsschauplatz bereitet Roberts allem Anschein nach einen
Scklag gegen die Buren vor. Es wird indessen wohl noch
einige Tage dauern, bis er mit den Vorbereitungen fertig
ist. lind wie es ihm dann ergehen wird, das bleibt ab-
zuwarten. Kimberley wird zur Zeit von den Buren stark
bomdardirt. Die Einwohner leiden unter dem Mangel
frischer Lebensmittel. Die Sterblichkeit ist sehr groß.
Lange wird sich Kimberley nicht mehr halten können. —
Auf dem Schauplatz iu Natal ist eine Ruhepause eiu-
getreten.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 14. Februar.
XX Aus dem Bczirksrath. Tie Tagesordnung der am 10. d.
abgehaltenen Bezirk Sr athssitzung wurde wie folgt erledigt:
Genehmigt wurden die Gesuche des Karl Mühlbauer um Er-
laubniß zum Betrieb einer Gastwirthschaft in Dossenheim, des
Kaspar Huhn um Erlaubniß zum Betrieb der Gastwirlhschaft
zum Rosengarten in Handschuhsheim, des Ernst Ebel um
Erlaubniß zum Betrieb der Wirthschaft zur alte» Gundtei in
Heidelberg; die Verhandlung über das Gesuch des Johann Georg
Gieser um Erlaubniß zum Betrieb einer Schankwirthschaft mit
Branutweinausschank in dem Hause Gülervahnhosstraße Nc. 5
in Heidelberg wurde veriagt; das Gesuch der Heinrich Wernwag
Ehefrau, Bertha geb. Stälcker, um Erlaubniß zum Betrieb der
Realschaukwirthschaft zum König von Portugal in Heidelberg ge-
nehmig«. Weiler wurde genehmigt das Gesuch des Georg Wedel
um Erlaubniß zur Errichtung einer Schlachtstätte in Dossen-
heim, das Gesuch des Heinrich Eiermann um Erlaubniß
zur Errichtung einer Schlachtstätte in Wieblingen, das Gesuch des
Professors Dr. Jordan um Erlaubniß zur Errichtung einer
chirurgischen Pcivatklinik im Hause Kaiserstraße Nr. 8 dahier,
sowie die Aenderuna des Kassenstatuts der Betriebskranlenkasse
der Firma Gebr. Leferenz in Heidelberg. Auf Einsprache gegen
die Bürgerausschußwahlen vom 11.. 12. und l3. December v. I.
in Handschuhsheim wurden die Wahlen zum Theil für unnillig
erklärt. Die Gebühren der Anstaltsverwaltung der OrtS-
viehv.rsicherungSanstalt in Gaiberg wurden festgesetzt. Die Aus-
übung der Jagd auf Gemarkung Leimen betr. wurde dem
Antrag auf Aufhebung des Jagdpachtvertrags nicht stattgegeben.
Der angefochtene Beschluß des Bürgerausschusses in Gaiberg vom
19. December 1899 bezüglich des Äürgergenusses wurde für un-
giltig erklärt.
X Aus dem Stadtrath. In den Stadtrathssitzungen
vom 5. und 12. ds. Mts. wurden u. A. folgende Gegenstände
zur Kenntniß bezw. Erledigung gebracht:
1. Nach dem Geschäftsausweise der Verrechnung der städt. Spar-
kasse wurden bei dieser im vorigen Monate 3707 Einlagen mit
zusammen 615440 Mk. gemacht, dagegen in 1733 Einzelbeträgen

seine Art hier auffallend oft an fremde Wendungen erinnert,
> vermag er keine einheitliche Stimmung zu erzielen. Von einer
! Militärfanfare zu einen: declamirenden Balladenton, von da zu
einem lombardischen (oder neapolitanischen?) Volkslied, welches
das Hauptthema abgibt, von da zu einer Tarantelle, — dies
Sprunghafte allerdings durch die Etiquette Capriccio geschützt.
Die Instrumentation rst allerdings ganz eigenartig, gesättigt mit
seltsamen Klangmischungen; viele Einzelheiten dürfen als gerstreich
bezeichnet werden, aber so recht interessant wird die Composition
doch nur zum Schluß, wenn sie sich in eine raffinirt wilde,
blendend instrumentirte Tarantelle stürzt.
Die Novität war von Herrn Musikdirektor Radig vor-
trefflich einstudirt und machte ihm wie dem Orchester (namentlich
dem Trompetensolisten und den Streichern) alle Ehre.
Wilhelmy's Paraphrase über „Walthers Preislied", die nur
das herrliche Motiv gar zu endlos in die Breite zieht,'gab Herrn
Concertmeister Grau Gelegenheit, als Violinsolist seine be-
kannten Vorzüge, den angenehmen weichen Ton und einen warm
empfundenen Vortrag, in schönster Weise hervortreten zu lassen.
Eine junge Sängerin, Frl. Schmidtborn aus Dresden,
sang die Arie der Susanne ans „Figaro" und Lieder von Wolf,
Cornelius und Brahms, sowie auf den lebhaften Beifall eine Zu-
gabe- Sie hat gute Studien gemacht und verfügt namentlich
über eine klare Aussprache. Im Piano gewinnt die Stimme
i einen weicheren Klang. vr. 8.

zusammen 445453 Mk. 62 Pfg. an die betreffenden Einleger
znrückbezahlt und es hat die Gesammtzahl der letzteren um 232
zugenommen.
2. Die beiden Gaslaterncn am nördlichen Haupteingang zum
städt. Saalban sollen künftighin alltäglich beleuchtet werden.
3. Wegen Herrichtung und Beleuchtung der Zähringerstraße
auf der Strecke zwischen Römer- und Ringstraße erging Auftrag
an das Tiefbauamt.
4. Das Ergebniß der Holzversteigerung vom 1. d. Mts. mit
einem Erlöse von 5479 Mk- 50 Pfg. wurde genehmigt.
5. Nach dem Berichte des Vorstandes des städt. chemischen
Laboratoriums wurden im letzteren während des abgelaufenen
Jahres zusammen 1440 Untersuchungen von Nahrungs-, Genuß-
mitteln und Gebrai'chsgegenständen vorgenommen und zwar 1351
im Aufträge von Behörden und 89 aus Antrag von Privaten.
Diese Untersuchungen führten zu 96 Beanstandungen und 18 Be-
strafungen.
6. Die Ortskrankcnkasse zählte am 1. d. Mts. 5292 männliche
und 1504 weibliche Mitglieder, während auf den gleichen Zeit-
punkt 2592 weibliche und 470 männliche Personen bei der Ge-
meindekrankenversicherungskasse versichert waren.
7. Nach Mittheilung des Herrn Vorstanoes des Gr. Astro-
physikalischen Observatoriums auf der hiesigen Sternwarte ist nun
die letzte der 8 Linsen des großen Teleskopes, das die Amerikanerin
K. W. Bruce geschenkt hat, dahier eingetroffen.
8. Auf den Antrag des Armenrathes wurde Herr Karl Hoff-
meister zum Mitgliede dieses Kollegiums und zum Armenpfleger
für die hiesige Stadt ernannt.
Akademischer Vortrag zum Besten des Frauenvereins.
De» 6. und letzten akadem Vorlrag zum Besten de« Frauenvereins
hielt gestern Herr Geh. Rath Schröder über die Stellung
der Frau nach dem neuen bürgerlichen Gesetz. Der
geschätzte Redner ging von der Thaisache aus, daß das neue
bürgerliche Gesetzbuch schwer verständlich ist, sodaß selbst ein Fach-
mann Mühe hat, sich in dasselbe so kineinzuarbeiten, daß er eS
ganz übersieht Dies sei wohl auch der Grund mancher Be-
wegungen gegen das Gesetz, die undenkbar wären, wenn dasselbe
richtig verstanden würde. Speziell dem Theil der sozialen Frage,
den man die Frauenfrage nennt, werde das Gesetz in hervor-
ragender Weise gerecht. Unter diesem Gesichtspunkte stellte der
Redner dann die Hanplbestimmungen deS Gesetzes, soweit sie die
Frauenwelt angehen, zusammen So sind in pnvatrechtlicher Hin-
sicht beide Geschlechter jetzt gleichgestellt; es können z. B. Frauen
bet notariellen und gerichtlichen Urkunden als Zeuge» fungiren,
sie können Vormundschasten führen und Mitglieder des Familie»-
raths sein, wobei ihnen der Vorzug zugebilligt worden ist, daß
sie eine Vormundschaft ablehnen dürfen, der Mann nicht. Ver-
heirathete Frauen dürfen allerdings nur mit Zustimmung des
Mannes annehmen, wie der Beamte nur mit Zustimmung s iner
Behörde. Während bis jetzt der Mann allein die väterliche Ge-
walt den Kindern gegenüber ausübte und zwar solange die Kinder
in seinem Haus waren, hat jetzt auch die Mutter kcaft Gesetz
elterliche Gewalt, falls der Vater krank, abwesend oder gestorben
ist. Die elterliche Gewalt erstreckt sich aber fortan nur bis zur Voll-
jährigkeit der Kinder, sodaß z. B. unoerheicathcle volljährige
Töchter, die in der Familie des Vater» wohnen, selbständig sind,
und ihr etwaiges Vermögen selbst verwalten dürfen. Unter UM*
ständen kann der Mutter ein Beistand gegeben werden. Daß der
Vater dies testamentarisch anordnen darf, wird von dem Vor-
tragenden nicht gebilligt. Ehemündig weiden Mädchen mit 1»
Jahren, Männer mit der Volljährigkeit. Tie ohne zureichenden
Grund verlassene Braut hat Anspruch auf Schadenersatz, sow-6
sie im Hinblick auf das Eheoorhaben Aufwendungen gemacht hat-
und soweit sie etwa Nachtheil durch Ausgeben eines Dienstes
u. s. w. hatte. Das neue Eherecht bringt drei wesentliche Be-
stimmungen: 1) Tie Eheleute sind zur ehelichen Lebensgemetnschast
mit einander verpflichtet, doch hört diese Pflicht für den eine»
Theil auf, falls der andere Mißbräuchliches verlangt-
2> Der Mann bestimmt Wohnort, Wohnung und so weiter.
Aber auch da ist ihm ein Mißbrauch nicht gestattet,
vielmehr kann die Frau in solchem Falle ihre Znflucw
zum Vormundschaftsrichter nehmen. Die Frauenrechtierinneü
haben diese Bestimmung angegriffen und gleiches Recht verlangt
Das beißt aber Unmögliches fordern. Wenn zwei Personen nicht
einig sind, kan» nur eine entscheiden. 3) Die Frau hat d>e
Schlüsselgewalt, d. h. sie darf gesetzlich den Mann vcrbindU«
machen für Schulden, die sie bei Metzger, Bäcker, Kullfw»»''
u. s. w. zur Führung des Haushalts conirahirt. Bisher best»»"
für sie nur die rechtliche Vermulhuug. daß sie die Ermächtig»»»
des Mannes habe. Die Frau ist nicht nur berechtigt, sonder»
auch verpflichtet, dcN Haushalt zu führen. Bei Mißwlrthschaft ka»»
der Manu der Frau die Schlüsselgewalt entziehe», doch hat st
auch Hierwegen Avpell an den VormundschaftSrtchter. Tiestst-
verträge kann die Frau jetzt auch ohne Zustimmung des Ma»»^
schließen. Stellen sich aber erhebliche Schädigungen der eheliche»
Gemeinschaft in Folge dessen heraus, so kann der Mann st^
durch den VocmundschaftSrtchter zur Kündigung des Vertrag*
ermächtigen lassen. Was das eheliche Güterrrecdt anbetrifft,. t
suchten die Frauenrechtlerinnen Stimmung für die völlige gest»,
liche Gütertrennug zu machen. Wohlweislich hat dos Gesetz >»,
dessen im Allgemeinen die Verwaltungsgemeinschoft aufgestc,.
und es den Einzelnen überlassen, durch Ehevertrag, der jcdeE
gemacht werden kann, andere Bestimmungen zu treffen.
Frau wird in vielen Beziehungen durch das neue Gesetz stchiz
gestellt. Ganz falsch ist die Annahme, daß der Mann über
Arbeitseinkommen der Frau verfügen darf. Ganz im Gegentbft
wird dies vom Gesetz als Vorbehaltsguk der Frau bezeiEft'
d. h. als solches Gut, worüber der Mann keine Verfügung » h
Zum Schluß seines mit vielen Beispielen belegten treffl'«-,
Vortrags kam der Herr Redner noch auf den Entmündigst^«
Paragraphen, der den Franen insofern einen gewissen Sw»,
bietet, als eine Person auch wegen Trunksucht eutmüst»
werden kann, wobei sie dann die Verwaltung des EintoiNsttt'
verliert. Redner schloß mit der Bemerkung, daß das »
bürgerliche Gesetz nicht ohne Mängel sei und da und dort ^
verbessern sein werde, daß es aber eine außerordentlich S j
und werthvolle Errungenschaft des neuen deutschen Reiches iA,
** Stadtrathswahl. In der auf gestern anberaumte» Ae
sprechung der bevorstehenden Stadtrathswahl wurden sämoufA-
im regelmäßigen Wechsel auslretenden Mitglieder des Stadtr»'
zur Wiederwahl vorgeschlagen und dieser Vorschlag von i»"Ae-
lichen ca. 70 anwesenden Mitgliedern des BürgerauSschusse*
nehmigt. An Stelle des freiwillig ausscheidenden Herrn Sl» §
raths Abel, der sein Amt »och weitere drei Jahre zu bek>e>

gehabt hätte, kam Herr Fabrikant Karl Fuchs in Vorst
der ebenfalls einstimmig angenommen wurde. - i»
* Elektrische Straßenbahn nach WieSloch. Nach ein-',t<
vorliegender Nummer der Hcrdelv. Zeitung enthaltenen Be-»
machung des Großh. Bezirksamts dahier ist nunmehr die ^
theilung der Staategenehmigung zum Bau und Betrieb der -
beantragt. Die Bah» kommt fast durchweg aus die Last» . fte
nach WieSloch zu liegen. Im übrigen verweisen wir »fsiZ»-
Bekanntmachung selbst. Es wird jedenfalls mit allsettige»Asit>
teresse vernommen werden, daß nunmehr ein weiterer
zur Verwirklichung des Unternehmens erfolgt ist. , het
Z Postansichtskartell. Hübsche in Aquarellmanicr
Buchdruckpresse anrgeführte Postkarten hat die in dieses.Asse»
Schönes leistende Kgl. Hofbuchdruckerei von Greiner u- 7A>el»
in Stuttgart neuerdings wieder ausgegeben, die den s»»
willkommen sein werden. .^ffeb
— Polizeibericht. Sechs P ersonen wurden gestern »'A,
vier wegen BeltclllS und Landstretcherci, eine Manstsp"' xstft
sich einer Straferstehung entzogen halte, und eine wego»^fgS
stahl»; fünf Personen kamen wegen Ruhestörung »»»
zur Anzeige. ; M,-
-ff Aue dem Amtsbezirk Heidelberg, 14. Febr. -
Burschen von Sandhaufen wurden gestern
 
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