Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI chapter:
Nr. 127-149 (1. Juni 1900 - 30. Juni 1900)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0652

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Anträge eintrat. Möchten die badischen Abgeordneten sich
an den hessischen Kollegen ein Beispiel nehmen!
Badischer Landtag. L.O. Karlsruhe, 13. Juni.
(92. Sitzung der Zweiten Kammer.) Zur Berathung
steht die Eingabe der Betricbsunternehmer badischer
Handelsmühlcn um Einführung einer gestaffelten
Umsatzsteuer für Getreidemühlen und einer verschiedenartigen
Tarifirung für Mehl und Getreide und die Gegeupetition
der Heidelberger Handelskammer.
Den Bericht der Petitionskommission erstattete Abg. Nohr-
hurst (natl.). Die Petenten betonen, daß die Großbetriebe im
Stande sind, die mittleren und kleinen Handelsmühlen allmählig
aufzureiben. Seien doch zwei dieser Riesenmühlen, Mannheim
und, Ludwigshafen, in der Lage, bei voller Produktion nicht nur
ganz Baden, sondern auch einen weiteren Theil Süddeutschlands
mit Mehl vollständig zu versorgen. ° Die (Überlegenheit dieser
Großbetriebe bestehe in dem direktesten Einkauf ausländischer
Brodfrucht, in den billigen Wasserfrachten, in der volkswirth-
schastlich unrichtig gleichen Tarifirung des Getreides gegenüber
dem Mehl auf den landeinwärts führenden Eisenbahnen, in der
Möglichkeit, die Abfallstoffe, Futtermehl und Kleie, zu besseren
Preisen zu verwerthen, in den Zollvortheilen und den damit
verbundenen Ziusersparnissen und in einer Steueranlegung, die
keineswegs der Massenerzeugung entspreche. Zum Schutze gegen
diese Großbetriebe verlangen die Petenten: Einführung einer ge-
staffelten Umsatzsteuer, die Aufhebung der Tarifgletchheit für
Getreide und Mehl und die Aufhebung der zollfreien Lager und
der Zollkredite. Die Heidelberger Handelskammer ist prinzipiell
gegen jede Bestrebung, welche die den Kleinbetrieben durch die
Großbetriebe wirklich oder vermeintlich erwachsende Benachtheili-
gung auf Kosten der Konsumenten durch differenzielle Besteuerung
zu beseitigen sucht. Ein derartiges Recht könnten schließlich alle
Kleinbetriebe beanspruchen, so daß unsere Industrie und unser
Handel wieder auf den Stand vor SO Jahren zurückgebracht und
von dem Weltmarkt verdrängt würden. Eine solche Umsatzsteuer
fei die ungerechteste und schlimmst wirkende aller Steuern und
hemme den Unternehmungsgeist. Schon die Erwägung, daß die
größeren Betriebe die Hälfte des Mehlbedarfs Deutschlands her-
stellten — ca. 5 Mill. Tonnen —, um 10 per Tonne billiger
produzirten und damit den Konsumenten (?) etwa 50 Mill. Ma-k
ersparten, sollten genügen, die Petition als unannehmbar er-
scheinen zu lassen. Die Kommission beantragt, die Eingabe in
dem Sinne zur Kenntnißnahme zu überweisen, daß Großh. Re-
gierung die in der Petition dargelegten Verhältnisse der mittleren
und kleineren Mühlenbetriebe einer wohlwollenden Prüfung
unterziehen soll.
In der Eröiterung traten sämmtlicke Redner, mit Ausnahme
des Sozialdemokraten, der sich in der Nolle des lachenden Philo-
sophen gefiel, warm für die Kleinmüller ein.
Abg. Klein (natl.) betont, daß die mißliche Lage der Klein-
betriebe durch den stetigen Rückgang der Zahl derselben zur Ge-
nüge illustrirt ist. In erster Linie halte er eine steuerliche Er-
leichterung der Äleinmüller und die Abschaffung der Zollkredite
für geboten. Abg. Pfefferte (natl.) weist darauf hin, daß
unter den Ausnahmetarifen für Mehlsendungcn ins Ausland
namentlich die Müller des badischen Oberlands zu leiden haben.
Er hätte es daher gerne gesehen, wenn die Gr. Generaldirektion
in der Tarifkommission eine andere Stellung eingenommen halte.
Sehr scharf rückte der Centrumsabgeordnete Fischer I. dem
Großkapital zu Leibe. Derartige Petitionen, meinte er, werden
im Landtag sehr zimpferlich behandelt, weil man das Groß-
kapital nicht antasten will. Man müsse sich endlich der Schwächeren
etwas mehr annehmen, als es seither geschehen ist. Wenn nicht
von gesetzgeberischer Seite energisch eingeschrttten werde, sei das
Schicksal der kleinen Geschäftsleute besiegelt. Er verkenne durch-
aus nicht die Vortheile des Großbetriebs für die Allgemeinheit,
allein die Nochtheile seien doch ungleich größer, wenn durch die
Uebermacht des Großbetriebs eine graße Zahl von Existenzen
vernichtet wird und so ein gewaltiges Nationalvermögen zu Grunde
geht. Es sei ein ungesunder Zustand, daß die Großmühlen-
betriebe 93°/, ihres Bedarfs an Getreide aus dem Ausland be-
ziehen. Die Heidelberger Handelskammer vertrete den nackten
Manchesterstandpunkt. Mau habe ja die Brauereien auch ver-
schiedenartig besteuert. Wenn die Großbetriebe einige Jahre
ohne Gewinn arbeiten, so sei das lediglich ein Geschäftskniff;
nachher sei der Gewinn umso größer. Haben sie einmal den
gesummten Betrieb in der Hand, dann weroen allerdings
SO Millionen Mark Profit herausspringen, aber nicht, wie oie
Heidelberger Handelskammer meint, für das Nationalvermögen,
sondern für die Herren Aktionäre. (Sehr richtig I) Er
bedauere die Stellungnahme der Großh. Generaldirektion
in der Tarifkommission, wenn er ihr auch keinen Vor-
wurf daraus machen wolle. Die Eisenbahn-Verwaltung
sei gegenwärtig sehr fiskalisch angelegt; sie sollte auf die wirth-
schaftlich Schwachen mehr Rücksicht nehmen. Einer einzigen
großen Handelsmühle sei infolge von Frachtermäßigungen und
Zinsen aus Zollkrediten eine Liebesgabe von 316000 Mk. ge-
währt worden. Man müsse mit allen gesetzlichen Mitteln gegen
die Auswüchse des Großkapitals ankämpfen. Von Brodvertheu-
rung könne keine Rede sein; man wolle lediglich der schranken-
losen Ausdehnung dieser Großbetriebe Halt gebieten. Er werde
zwar dem Kommissionsantrag zustimmen, hätte aber gewünscht,
daß man diesmal etwas erreicht. (Lebhafter Beifall im Centrum
und bei den Nationalliberalen.)
Generaldirektor Eisen lohn erklärt, daß die von der Höher-
tarifirung des Mehls zu erwartende Brodvertheuerung für die
Haltung der Eifenbahnverwalcung in der Tarifkommission aus-
schlaggebend war; außerdem wäre das einseitige Vorgehen
Badens wirkungslos geblieben. Wenn auch für die nächste Zeit
eine verschiedenartige Tarifirung von Getreide und Mehl ausge-
schlossen sei, so werde doch bei der anderweitigen Gestaltung des
Zolltarifs von Getreide und Mehl und bei dem Abschluß der
neuen Handelsverträge die Frage erörtert werden, ob eine Er-

Schienen ohne Werkstatt an jedem Orte und jederzeit mit ein-
fachem Tiegel bei erheblich billigeren Kosten zu schweißen. Die
Schweißung ist vorzüglich und kann 400 Atmosphären Druck im
Rohre aushalten. Die Rohre zerplatzen eher in der Längsrich-
tung als an der Schweißstelle. Feurig-flüssiges Thermit auf
einen Eisenblock gegossen, schmilzt ihn wie heißes Wasser einen
Schneehaufen. Diebs- und feuersichere Kassen widerstehen nicht
mehr. Panzerplatten werden durchlöchert. In Essen und Braun-
schweig werden die Straßenbahnschienen nach diesem Verfahren
geschweißt. Die Schweißung wird ausgeführt, indem ein Tiegel
mit einigen Löffeln Thermit gefüllt, etwas Entzündungsgemisch
darauf gestreut und mit einem Sturmstreichholz angezündet wird.
Es ist vollkommen ungefährlich. Dr. Goldschmidt demonstrirte
das Verfahren auf dem hölzernen Experimentirtisch der technischen
Hochschule in Hannover. Temperaturen von mehr als 3000 Grad
nehmen Operationen von 2 bis 3 Minuten in Anspruch. Die
Operation verläuft so rasch, daß der Tiegel kalt bleibt und in
die Hand genommen werden kann. Die feurig-flüssige Masse im
Tiegel besteht aus geschmolzenem Eisen, es ist aluminothermisches
Eisen. Obenauf schwimmt Korund, das ist Alumintumoxyd. Mit
diesem Verfahren ist ein neuer Wissenszweig entstanden, die
Aluminothermie.
— München, 12. Juni. Der frühere langjährige Chef-
redakteur der Allg. Zeitung, Dr. Braun, ist gestorben.
— Bad Ahmannshansen «.Rhein, im Juni. Den vielfachen
Wünschen der Kurgäste entsprechend, ist seitens der Kurdirektion
ein eigenes größeres Motorboot in Dienst gestellt worden,
welches in der Hauptsache den Kurgästen, sowohl im Lokalverkehr
als zu größeren Ausflügen zur Verfügung steht. Die Eröffnungs-
sahrt wurde nach Bacherach, Laub. Lorch unternommen und
brachte den Theilnehmern sehr genußreiche Stunden.

Mäßigung der Frachten für Getreide eintreten kann. Ministerial- '
rath Ballweg (auf der Tribüne kaum verständlich) erklärt,
daß die Regierung seinerzeit zu der Frage der Aufhebung der
Zollkredite eine wohlwollende Stellung einnchmen werde.
Abg. Frank (natl.) hält den Wunsch der Petenten nach Einfüh-
rung einer gestaffelten Umsatzsteuer und die Aufhebung der zoll-
freien Lager und der Zollkredite für durchaus gerechtfertigt.
Diese Mittel würden übrigens nur sekundär wirken; die Haupt-
sache sei die Erhöhung der Getreidezölle; darauf möge die Regie-
rung im Bundesrath hinwirken.
Abg. Fendrtch (Soz.) spricht über das Großkapital und
die Ringbtldungen.
Abg. Greifs (natl.) tritt den Angriffen des Abg. Fischer
gegen die Heidelberger Handelskammer energisch entgegen. Die
Handelskammer habe die Petition eingereicht, nicht um die
Kleinmüller zu bekämpfen, sondern um die Mühlenindustne, in
welcher auch die großen Betriebe schwer unter der Konkurrenz
leiden, nicht zu beunruhigen. Uebrigens sei die Behauptung des
Abg. Fischer, die Handelskammern seien prinzipiell gegen jede
Steuer zum Schutz der Kleinen, ganz unzutreffend. Das, was
die Heidelberger Handelskammer in dieser Beziehung in ihrer
Petition ausgeführt habe, decke sich vollständig mit den Ausfüh-
rungen des Finanzministers anläßlich der Berathung des gleichen
Gegenstandes in der Ersten Kammer. Redner ist ebenfalls der
Ansicht, daß die Kleinmüller, wenn sie nicht ganz verschwinden
sollen, des Schutzes bedürfen. Auf steuerlichem Gebiete ließe sich
schon eine Erleichterung schaffen, wenn die Veranlagung zur Ge-
werbesteuer eine andere würde. Die Mühlen seien so hoch ein-
geschätzt, daß deren Besitzer, namentlich da, wo man mit einer
hohen Umlage zu rechnen habe, die Steuerbeträge kaum aufzu-
bringen im stände seien.
Der Kommissionsantrag wird hierauf einstimmig angenommen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grobherzog haben den
Lehramtspraktikanten Karl Döing von Bruchsal und Dr.
Wilhelm Höß von Oberwasser unter Ernennung derselben zu
Professoren je eine etatmäßige Profefforenstelle und zwar elfterem
am Gymnasium in Konstanz, letzterem an jenem in Rastatt
übertragen.
— Die Revidenten Albert Stichs und Heinrich Laub
beim Großh. Verwaltungshof wurden zu Revisoren daselbst
ernannt.
— Das Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts
bat 1. den Registrator Rupert Brandner beim Amtsgericht
Villingen zum Sekretariatsassistenten beim Landgericht Mann-
heim und 2. den Aktuar Emil Bernauer beim Amtsgericht
Gengenbach zum Registrator beim Amtsgericht Villingen ernannt.
— Die Betrtebsassistenten Heinrich Peters in Heilershetm
und Franz Häfner in Brennet Rh. wurden zu Stations-
verwaltern ernannt.
Karlsruhe, 13. Juni. Gegenüber der neuerlichen
Erklärung des Professors Dr. Böhtlingk in Nr. 133 der
Badischen Landpost bemerken wir, daß die Notiz in
Nr. 157 dieses Blattes von amtlicher Seite stammt. Von
derselben amtlichen Seite wird uns mitgetheilt, daß auch
die neuerliche Erklärung des Professors Dr. Böhtlingk
wie die frühere mir dem aktenmäßig feststehenden Sach-
verhalt schlechthin in Widerspruch steht. Mit dieser amt-
lichen Feststellung ist die Angelegenheit für die Karlsruher
Zeitung endgiltig erledigt.

Ausland.
Afrika. Lord Roberts meldet aus Pretoria vom 12. d.:
Pretoria und Johannesburg sind vollkommen ruhig. Nach
der Uebcrgabe Pretoria's ging General Botha nach einer
15 Meilen östlich von der Straße nach Middelburg ge-
legenen Stellung zurück. Ich ertheilte den Befehl, Botha
am 11. d. anzngreifen, da aber seine Stellung in der
Front tatsächlich unangreifbar war, umging die Division
French sie zu unserer Linken und Hamilton zur Rechten.
Beide stießen auf großen Widerstand. Vor Einbruch der
Dunkelheit gelang es zwei Infanterie-Bataillonen von
Hamilton's Streitmacht, beinahe (!) den Schlüssel der
Vertheidigungsstellung des Feindes auf der Linken zu ge-
winnen. Die Truppe erhielt den Befehl, auf dem ge-
wonnenen Boden zu biwakiren. Die das Cen'rum ein-
nehmende Division Pole-Carew rückte zur Unterstützung
Hamilton's auf die Nachricht, daß die Oranjeburen den
Uebergang der Engländer über den Vaalfluß sich zu Nutze
machten, um unsere Verbindungslinie abzuschneiden, vor.
Ich sandte Kitchener mit den verfügbaren Truppen ab, um
nach Süden vorzudringen und sich in der Nähe Heilbronns
mit Lord Methuen in Verbindung zu setzen. Am Abend
des 10. Juni vereinigte sich Methuen mit Kitchener bei
Voedefort-Road-Station. Sie marschirten am folgenden
Tage nach dem Rhcnosterflusse, wo Methuen einen voll-
ständigen Sieg über Dcwet errang und dessen Lager
eroberte und die feindlichen Truppen nach allen Rich-
tungen zerstreute. AM 12. Juni marschirten Methuen und
Kitchener auf Kroonstad. Lord Roberts fügt seiner Mel-
dung hinzu: „Die Regierung Ihrer Majestät braucht keine
Befürchtung über die Sicherheit der Armee in Südafrika
zu hegen. Der Feind errang einen kleinen Erfolg, welcher
bedauerlich ist, aber bald wieder wett gemacht werden soll.
Die Instandsetzung der Bahn wird nicht viel Zeit er-
fordern. Ich bin jetzt im Stande, die Linie zwischen Pre-
toria und dem Rhenoster mit starker Macht zu halten.
Lord Methuen wird bei seinem Vormarsche die Linie be-
wachen. Hunter sollte heute, am 12., in Potschefstroom
eintreffen, derselbe wird dann nach Johannesburg weiter-
gehen. Ich habe mich auch mit Buller verständigt, der
zweifellos bald durch die Anwesenheit seiner Truppen auf
dem Schlachtfelde sich fühlbar machen wird. Die Verluste
am 11. d. M. sind, wie ich hoffe, nicht ernst. Unter den
Tobten befindet sich der Earl of Airlie. Kroonstad ist
völlig sicher.
Lord Roberts gibt in dem Vorstehenden eine zwar
sehr gedrängte aber doch alle Hauptpunkte umfassende Ueber-
sicht der Lage. Die Buren haben danach vermocht, durch
energischeBedrohung der Roberts'schen Verbindungslinie die
Engländer im Vormarsch nach Norden aufzuhalten und sie
genölhigt, sich mit ihrer Hauptmacht nach Süden zu wenden.
Nach einer weiteren Meldung des Bureau Reuter
sollen die Buren im Südosten des Oranjeflusses, im
Oranjefreistaat, sehr ausgedehnte Stellungen inne haben,
aber durch die über 35 000 Mann und 50 Geschütze verfügen-
den Generale Methuen, Rundle und Brabant vollständig
nmzin gelt seien.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 15. Juni.
^ Landesversammlung des ev. Bundes. Begrüßungs-
versammlung am 13. Juni, Abends V,8 Uhr, im großen
Saale der Harmonie. Da die meisten Gäste erst am 14. Juni
eintraien, war die Versammlung noch schwach besucht. Das
städtische Orchester konzertirte unter Leitung des Herrn Musik-
direktors Radig. Das Programm war ebenso sein gewählt, als
die Ausführung vorzüglich war. Der Vorsitzende des Orts-
vereins, Geh. Hofrath Merx, begrüßte die Versammlung. An-
knüpfend an de» vom Orchester vorgetragenen Choral „Es ist
das Heil uns kommen her", durch dessen Gesang am 4. Advent
1545 die Heidelberger Bürger in der Heiliggeistkirche die Ab-
haltung der Messe verhinderten, zeigte er in einem Ueberblick
über die Geschickte von damals bis heute, wie, wenn solche
protestantische Gesinnung matt war, es schlecht ging, wenn sie
sich ermannte, bessere Zeiten kamen, und an bestimmten Vor-
kommnissen der Gegenwart wies er nach, wie gerade jetzt es
nothwendig sei. sich zusammenzuschließen zum Schutze der Güter
der Reformation. Professor Dr. Witte aus Halle, der Heidel-
berger Student gewesen ist, knüpfte an persönliche Erinnerungen
an. Er bringt Grüge des Centralvorstandes. Die Aufgabe des
eo. Bundes wie seine Thältgkeit wachsen von Jahr zu Jahr.
Nur persönliche überzeugte, arbeitsfreudige Treue und Begeisterung
können diese Aufgaben bewältigen. Unser größter Feind ist die
religiöse Gleichgiltigkeit so vieler Protestanten. Rom gegenüber
versagen alle Mächte. Nur eines versagt nicht und hat die Ver-
heißung des endlichen Siegs: die feste evangelische Ueberzeugung
des evang. Volkes. Sie immer lebendiger anzuregen und wirk-
samer in Thätigkeit zu setzen, ist die Aufgabe des Bundes. Dazu
appellirt der Redner an die Frauen und wünscht, daß die Tagung
solche Ueberzeugung und die aus ihr entspringende Opferwillig-
kett wecke. Nachdem Pfarrer Dr. Gallier aus Diedenhofen die
Grüße der Diaspora Lothringens gebracht, deren hilfreicher
Freund der ev. Bund sei, fegt er die Verhältnisse der Diaspora
dar und bittet um Förderung der evang. Sache in Lothringen.
Der Redner erhielt von den anwesenden Vertreterinnen des
Heidelberger Gustav-Adols-Frauenvereins 100 Mark für seine
Gemeinde. Stadtpfarrer Roggenburger aus Pforzheim ver-
glich das Landesfest mit einem Strom, in den die
Nebenflüsse der Bezirks- und Ortsvereinigungen fließen.
Er brachte von dem bedeutendsten Nebenfluß des Neckars, von
der Enz, einen Gruß, ebenso von seinem Heimathland, dem
Markgräflerland, indem er in alemannischer Mundart die beson-
deren Merkwürdigkeiten Heidelbergs in ihrer Bedeutsamkeit für
den evang. Bund würdigte. Das Schloß mahnt an die Vater-
landsliebe. die Heiltggeistkirche zum treuen Festhalten am Evan-
gelium, die Neckarbrücke an die überbrückende, verbindende Bru-
derlieber. Weiterer Bericht über die Verhandlungen, den Fest-
gottesdienst und die Abendversammlung am 14. Juni folgt.
ID Ausflug des Kaufmännischen Vereins. Der auf den
gestrigen Fronleichnamslag anberaumte Familienausflug des
Kaufmännischen Vereins, der Hirschhorn zum Ziel
hatte, nahm in allen seinen Theilen einen befriedigenden Ver-
lauf. Eine stattliche Zahl von Mitgliedern setzte sich in der
Frühe von Neckarsteinach aus zu Fuß in Bewegung und gelangte,
nachdem am Steinernen Tisch gerastet und gefrühstückt wo.rden
war, um die Mittagsstunde nach Hirschhorn. Im „Naturalisten"
wurde ein gemeinsames Mittagessen eingenommen und man
wartete dann die Ankunft des Zuges ab, der eine außerordent-
lich große Anzahl von Mitgliedern mit ihren Familien brachte.
Nach kurzer Rast wurde zur Burg aufgebrochen und diese einer
gründlichen Besichtigung unterzogen. Inzwischen war das fest-
lich geschmückte Personenschiff „Kittchen von Heilbronn" einge-
troffen; dasselbe erwies sich aber für die große Anzahl der
Thetlnehmer als zu klein, so daß noch ein Nachen zu Hilfe ge-
nommen werden mußte. Die Fahrt ging gut von Statten; die
ab und zu einsetzenden Gewitterschauer thaten der fröhlichen
Laune keinen Abbruch. Auch die gute Bewirthung auf dem
Dampfer trug dazu bei, die Stimmung der Thcilnehmer zu heben
und so langte man befriedigt nach 8 Uhr hier an.
Berufung. Als Nachfolger des verstorbenen Geh. Raths
Georg Meyer ist Professor Gerhard Anschütz in Tübingen zum
Lehrer des Staatsrechts an unsere Universität berufen worden.
« Blitzschlag. Bei dem Gewitter, das sich gestern Nach-
mittag über unserer Stadt entlud, schlug der Blitz in eine
Telephonstange im westlichen Theüe des Jubiläumsplatzcs
und beschädigte vier Leitungen; doch wurde der Schaden
alsbald wieder ausgebesselt. Der dem Blitz folgende Donner
knallte dermaßen, daß viele Leute erschrocken zusammen-
fuhren.
L Die Verlegung der H. Fuchs'schen Waggonfabrik von hier
nach Rohcdach. mit der bereiis begonnen'rst, soll demnächst
fortgesetzt werden, wie aus einer in vorliegender Nr. d. Bl-
enthaltenen Bekanntmachung des Großh. Bezirksamts, auf die
wir hiermit verweisen, hervorgeht.
- Polizeibericht. Zwei Studenten wurden wegen Ruhe-
störung und ein Kaufmann wegen Unterschlagung verhaftet.
Elf Personen kamen wegen Ruhestörung bezw. Unfugs zur
Anzeige.
L.U. Schwetzingen, 14. Juni. In der Akticnbrauerei zum
„Zäüringer Löwen" ist heute früh V-7 Uhr in der Schrot-
mühle ein Brand ausgebrochen- Die Ursache desselben ist
noch unermittelt. Der Schaden beträgt 12000-15000 Mark.
Ein Glück ist es zu nennen, daß das Feuer nicht auf die
naheliegende Svrilfabcik und Roggenmühle von L. Brügge-
mann übergegriffen hat. da in diesem Falle großes Unglück
entstanden wäre.
§ Wertheim, 14. Juni. Ein Unwetter, wie wir es noch
selten erlebt haben, zog gestern über unsere Gegend hin Der
wolkenbruchartige Regen war eine Zeit lang mit Hagel vermischt-
In N phar schlug der Blitz in das Anwesen des Peter Weimer
und äscherte die Scheuer bis auf den Grund ein. Auch daS
Wohnhaus ist sehr beschä digt. Infolge des kräftigen Ein-
schreitens der dortigen Feuerwehr blieb das Feuer auf seinen
Herd beschränkt. Anwesend waren noch die freiw Feuerwehren
von Lindelbach und Bettingen. Der Schaden aus dem Felde
ist sehr bedeutend und läßt sich zur Zeit noch nicht berechnen.
Eine neue Mahnung, die Feldfrüchte gegen Hagelschlag zu
versichern.
A Vom Hanauerland, 13. Juni. Endlich nach wochenlanger
Trockenheit und in's unerträgliche gesteigerter Hitze brachte heute
Nacht ein heftiges etwa vierstündiges Gewitter den ersehnten
Wetterumschlag. Durch die Trockenheit blieben vor allem die
Futtergewächse zurück, und der zweite Kleeschnitt ist theilweise
verloren. Auch auf den Wiese» ist das ohnehin schon dünn-
gestandene Gras noch zurückgegangen, sodaß die Leute bereits mit
dem Heuen begonnen haben. Diese von Tag zu Tag schlechter
gewordenen Futteraussichtcn machen den Landwirthen schon große
Sorgen; denn bei den hohen Futterpreisen — kam doch bei den
letzten Heugrasversteigerungen ein Centner Heu auf der Wiese,
also ohne Arbeit und Fuhrlohn, auf 5 Mk. zu stehen — wird
Mancher mit Schaden verkaufen müssen. Das Schlimmste ist
nämlich, daß bei dem völligen Versagen des Sommerfutters so-
fort nach der Heuernte von dem als Winteroorrath dienenden
Trockenfutter gebraucht werden muß. Dabei ist gerade tu unserer
Gegend der Viehstand auf eine größere Höhe gebracht. Dem
Getreide schadete die Trockenheit weniger, obwohl auch hier ein
zu schnelles Reifen hätte eintreten müssen, was besonders der
Körnerbildung nachtheilig geworden wäre. Doch für die Halm-
früchte kam der Regen noch zu rechter Zeit. Auch der Tabak
machte viel mehr Mühe; die Pflanzen konnten dem ungeheuren
Sonnenbrand nicht wiederstehen und mußten zu Hunderten nach-
gesetzt werden. Auch hier that ein feuchter Niederschlag sehr noth.
/ Hoffentlich kommt auf den ersten Regen noch ergiebige Forl-
> setzung, damit die wohkthätige Wirkung anhaltend wird.
 
Annotationen