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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0058

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auf eigenen Füßsn zu stehen, und das ist durchaus
erforderlich, wenn die Ansiedelungen für die Dauer ge-
deihen sollen. Durch die P a ch t- und A r b e i t e r st e l-
Ien zieht man auch Elemente heran, die dem Osten be-
sonders notwenüig sind. Sie finden hier so günstige
Daseinsbedingungen, daß auch sie aus ihrem früheren
Bekanntenkreise immer neuen Nachwuchs heranziehen
werden. Ein Hauptfehler der Komnüssion war, daß sie
bisher zu viel größere Güter schuf, die auf Polnische Ar-
beiter angewiesen sind. Wenn sie aus ihren eigenen
Fehlern gelernt hat, so ist anzuerkennen, daß sie mit
diesem salschen System gebrochen hat und möglichst solche
Güter schaffen wird, welche der Ansiedler mit Hilfe seines
Könnens allein zu bebauen vermag.

Ausland.

Oesterreich-Ungarn.

— Der „Slovopolski" meldet aus Krakau: Der Kar-
dinal-F ü r st bischof Puzyna' hat v e r b o t e n, am
Gedenktage des Polensieges über die Deuts ch-
Ritter eineu Festgottesdienst abzuhalten und den
Sarkophag des Königs Jagella in der Krakauer Wawel-
Kirche zu bekränzen. Am 15. Juli 1410 wurde das
80 000 Mann starke Heer der deutschen Ritter unter dem
Hochmeister Ulrich v. Jungingen bei Tannenberg im
jetzigen Regierungsbezirk Königsberg von einem fast dop-
pelt so starken polnisch-littauischen Heer geschlagen, wo-
mit die Kraft des Ordens gebrochen war.

Fronkreich.

Brest (Departement Finistdre), 7. Juli. Man ist
der Ansicht, datz die wiederholten Angriffe auf die
Wachtposten bei den Pulverniederlagen,
die hier Passiert sind, von einer w o 'h I o r g a n i s i e r-
ten aus Franzosen und Ausländern bestehenden A n a r-
chistenbande ausgeführt worden seien. Auch Spa-
ziergänger sind von dieser Bande mehrmals überfallen
worden. Die in der Nähe der Pulverniederlagen woh-
nenden Arbeiter, die in der Nacht im Kriegshafen ar-
beiten, bleiben bis nach Morgen in den Wsrkstätten,
da fie aus Furcht vor Ueberfall durch die Bande nicht
heimzukehren wagen.

England.

— Der vom Hause der Lards eingesetzte Ausschuß zur
Untersuchung des in England grassierenden Wett-
übels hat seinen Bericht erstattet und Mittel zur Ein-
dämmung desselben in Vorschlag gebracht. Die Lust
am Spiel und an Wetten, mit den damit verbundenen
Aufregungen, wird als dem Menschen angeboren aner-
kannt. Es wird darum auch se'hr vernüftigerweise W-
stand davon genommen, eine Ausrottung des Uebels
auf dem Wege der Gesetzgebung zu versuchen. Man be-
gnügt sich mit Vorschlägen zur möglichsten Einschränkung
des Wettens. Vor allem soll senen „Bookmakern" (Wett-
agenten) das Handwerk gelegt werden, die ihre Kunden
auf den Straßen abfangen und es hauptsächlich auf
Arbeiter, Arbeiterfrauen, Fabrikmädchen und selbst
Schulkinder abgesehen haben. Bei der Unzulänglichksit
der Polizeivorschriften hat dieses Uebel, namentlich wäh-
rend der letzten Jahre, ganz erschreckend überhand genom-
men, und soll darin Wandlung geschaffen werden. Der
Ponzei soll die Befugnis eingeräumt werden, Personen,
die in den Straßen Wetten abschließen oder von Haus
zu Haus gehen, wie es in den armen Vierteln geschieht,
um Leute zum Wetten zu veranlassen, ohne vorherige
Vorladung oder Erwirkung eines Haftbefehls sofort ver-
haften zu dürfen und sollen weiter die auf Wetten gesetz-
ten Strafen wesentlich verschärft werden. Das Wetten
soll überhaupt nur auf den Sportsplätzen stattfinden. Die
Lizensierung der „Bookmacher", oder die Einführung
Les „Pari Mutuel" wird nicht empfohlen, da dies die
Lei Wetten eingegangenen Verbindlichkeiten als legal
anerkennen und daher deren gsrichtliche Eintreibung
möglich ma-chen würde, was jetzt nicht geschehen kann.

Rußland.

Helsingfors, 6. Juii. Das Domkapitel von
Borga verurteilte den Pfarrer Toumala
zum Verlust des Gehaltes für zwei Monate, weil er sich

rnit der hereinbrechenden Dunkelheit entriickte aber unsere
Heldin allmählich der Gegenwart und lieh -sich in eine Art
Halbschlaf versinken.

Plötzlich fuhr sie in die Höhe-der Redefluß des

Schaffners war versiegt, und sie sah den Mann, tref uber ste
gebeugt, vor ihr stehn.

Mit einem nicht zu beschreibenden Ausdruck ftarrte er sie
an — seine Augen fast unmittelbar vor den ihren.

Suschen war vor Schreck wie gelahmt.

Plötzlich hörte sie die von hefriger Aufregung zeugenden,
heiser hervorgestoßenen Worte: „Ach, --- Fräuleinchen, lrebstes
Aräuleinchenl Wollen Sie meine Frau werden? Jch hab'
'ne feste Anstellung — sechshundert Mark — und 'ne Kuhl"

Es war, als wäre mit diesen Worten der Bann gebrochen,
Ler unsere Heldin umfangen. . ,

Stolz, mit der ganzen Würde ihrer zwanzig Jahre, richtete
sie sich empor: „Was denken Sie sich eigentlich, wer ich bin?

— Fch bin die Tochter eines Rats?I"

Diese Worte wurden in einem Ton hervorgebracht, als
ob sie mindestens sagen wollte: Jch bin Jhre Majestät — die
Kaiserin. ..

Eine diesem ähnliche Wirkung schienen fte auch so schon
auf den einfachen Mann zu haben. Ohne ein Wort zu sagen.
wich er scheu und ängstlich, wie ein begossener Pudel, m seine
entfernte Ecke zurück, hielt, vor sich hinstarrend, die Hande
im Schoß verschränkt und rückte und rührte stch nicht.

Unserm Suschen war trotz der Höhe, auf die sie sich ge-
schwungen, allein mit ihrem abgewiesenen Freier nicht ganz
wohl zu Mut. Und als endlich das Pfeifen der Lokomotive
Las Herannahen einer Station verkündete, dünkte ihr dies
Lie holdeste Sphärenmusik.

Jetzt rührte sich auch der Freier. Einen treuherzigen,
ängstlichen Blick mif seine Angebetete werfend, trat er auf sie

zu- „Ach, Fräuleinchenl Seien Sie schon nich' böse-

jch hab's wirklich ehrlich gemeintl"

Und ehe Suschen eine — ihr auch sehr schwer fallende

— Antwort zu geben vermochte, drückte der verschmähte Bräu-
tigam die Thüre auf — und ward nicht mehr gesehen.

Es ist nicht möglich, die Gefühle zu beschreiben, die in
Suschens Brust wahre Orgien feierten. Nur der eine Punkt
tauchte allmählich aus dem Chaos ihrer Gedanken auf . . .
sie hatte einen Korb ausgeteiltl . . . Und das war Sus-
chens erster Korb!

geweigert, das Wehrpflichtgesetz in der Kirche zu vsr-
tesen. Es erteilte ferner zwei Pfarrern aus d-emselben
Anlasse einen Verweis. Weitere Pastorenprozefse stehen,
wie verlantet. nicht mehr in Aussicht. Jm Ganzen sind
bisher seit März wegen Nichtverlesung des Wehrpflicht-
gesetzes 20 Geistliche gemaßregelt worden; 16, von ihnen
wurden zu Gehaltsverlusten verurteilt, 4 erhielten Ver-
weise.

KinderheiMätten.

(Nachdruck verboten.)

Als entwickelste Form der Sommerpflege dürfen in der
Gegenwart die Vollkolonien und in Verbindung mit diefen
die Ferienheime iind Kinderheilstätten angesehen werden; denn
etwa zwei Drittel aller Ferienkolonisten — in runder Zahl
20 000 —> werden ihnen alljährlich zur Kur und Pflege an-
vertraut, wovou wieder ca. 33 Prozent auf die See- und Sool-
bäder entfallen. Man geht wohl nicht fehl, diesen progressiv
sich steigernden Ausschwung söwohl auf die Notwendigkeit dieser
Art von Sommerpflege, als auch auf die in ihnen erzielten
günstigen Kurresultate zurückzuführen, und in Wahrheit geben
und leisten sie auch das Vollkommenste, was anf diesem Ge-
biete eben von ihnen verlangt 'wird. Keine Art der Ferien-
kolonien hat darum so rasch und in solchem Umfange Verbrei-
tung nnd Beachtung gefnnden, als gerade diese. Sie ist das
Jdeal aller derjenigen. welche mit dem Ausbau bestehender
Stadtkolonien sich beschäftigen oder aber auch zu Neugründun-
gen schreiten.

Die Vollkolonien gewähren, wie fchon aus dem Namen
hervorgeht, alles im vollen, im vollkommensten Maße, nüm-
lich Ortsveränderung, Luftwechsel, Logis, Ernährung, Reise-
kosten, zweckentsprechende Kur und Pflcge, dazu auch wohl
Kleidung, und das alles fast ausschließlich ohne jegliche finan-
zielle Entschädigung seitens des Pfleglings, desfen einzige Ver-
pflichtung nnr in Beschaffung der Reisegarderobe besteht, im
übrigen hat er sich nnr rechtzeitig zur Teilnahme zn melden,
unentgeltlich ärztlich untersuchen und sodann in die Kolonie
verschicken zu lassen, sowie sich anständig uNd nett zu betragen.
Sämtliche Vater- und Mutterpflichten aber übernehmen wäh-
rend der Pflegezeit die Verwaltnng der Kolonien oder die
von denselben eingesetzten Führer, beziehungsweise Führerin-
nen.

Jm Laufe der Zeit hat sich nun innerhalb der Vollkolonien
eine Klassifizierung vollzogen, da die ihr überwiesenen Kinder
in der Verschieüenheit ihrer .Krankheiten und Körpcrkonstitn-
tionen eine entsprechende ärztliche Behandlimg und Verpfle-
gung zur Voraussetzung machten. und so etablierten sich neben
„allgemeinen Kolonien" auch solche, welche die Heilung spe-
zieller Leiden in den Mittelpnnkt ihrer Thätigkeit rückten;
andere hingegen wieder vereinten nichtvollfinnige Kinder, wie
blinde nnd taubstumme Knaben und Mädchen, wie dies in
Berlin mehrfach geschehen ist. Das Hauptaugemnerk wird
jedoch, und zwar vorwiegend in den Kinderheilstätten, aus
die Stärkung und Heilnng skrophulöser nnd tuber -
kulöser Kinder gelegt, die in allererster Linie der Hilfe
bedürfen.

Unterkunft finden die Kinder in fremden Häusern, in
Vereinshäusern, in Heilstätten der Sol- nnd Seebäder.

Die Aufnähme in fremden Häusern resultiert wohl größ-
tenteils aus dem Mangel an Mitteln; doch kann hier anch
bielleicht das Prinzip der Sparsamkcit ausschlaggebend sein,
wenn diese Art der Verpflegung im Bergleich zur Erhaltung
des Ferienheims als die billigere vorzuziehen ist. Um den
Etat in bescheidenen Grenzen zu halten, schlägt Bergknecht in
seiner soeben erschienenen Abhandlung über die Ferienkolonien
(Frankfnrt a. M., 1902) folgende Maßnahmen vor: Man
wähle die Aufenthaltsorte in eincr noch wenig frequentierten
Gegend oder suche Unterkunft in fiskalischen Anstalten; ferner
besihränke man die Ansgaben für Lebensmittel durch recht-
zeitige, billige Abschlüsse mit den Lieferanten und veranlasse
Gönner und Freunde der Kolonie zur Schenkung von Kartof-
feln, Gemüse, Fleisch und Fleischwaren. Die Verpflegimg
der Kolonisten geschieht anßer in fremden Häusern, auch in
Vereinspflegehäusern.

Da über 800 Ferienkolonisten in fremden Häusern domi-
zilieren, scheint dieses System trotz der Abhängigkeit vom
Wirte recht empfehlenswert zu sein. Erstrebenswert jedoch
bleibt die Gründung eigener Ferienheime, sogenannter Ver-
einspflegehäufer; denn Eigener Herd ist auch hier Goldes wert.
Ein Borteil liegt hierbei sowohl in der völligen Unabhängig-
keit der Kolonie vom Wirte, als auch in der Möglichkeit, leich-
ter das Heim auch im Winter mit erholungsbedürftigen und
kranken Kindern belegen zn können. Diese Ferienheime sind
entweder Erholungs- oder Rekonvaleszentenhäuser o-der Kur-
anstalten.

Erstere besihen Frankfurt a. M. in Nenenhain und Mainkur,
desgleichen auch der Verein Lenzheim, letztere der Badische
Frauenverein zu Karlsruhe im Kindersolbad in Dürrheim
bei Marbach, der Vaterländische Franenverein zu Magdeburg
im Soolbad Elmen nnd das patriotische Jnstitut der Franen-
vereine des Großherzogtums Sachsen-Weimar im Kindersolbad
zu Sulza u. a. m. Während einzelne dieser Heime und Anstalten
nur in den großen Ferien den Stadtkindern sich öffnen, nehmen
viele andere, wie die der Berliner Kolonien, schon mit Beginn
des Monats Mai die ersten Pfleglinge auf.

Die dritte Kategorie der Vollkolonien sind die in See-
und Solbädern, beziehungsweise in Kinderheilstätten stationier-
ten. Die Kinderheilstättenbewegung ist von England ausge-
gangen und hat sich von hier im raschen Siegeszuge, besonders
seit den letzten 30 Jahren, die deutschen See- und Soolbäder
erobert und in dem 1880 gegründeten und von der Kaiserin
Friedrich, der damaligen Kronprinzessin, protegierten Verein
fur Kinderheilstätten einen wichtigen Stütz- und Agitations-
punkt geschaffc>i. Das erste Hospiz des Vereins entstand zu
Norderneh, balb folgte die Gründung derjenigen zu Wyk a. F-,
Groß-Mürih und Zoppot. Jn diesen vier vom Verein unter-
haltenen Anstalten sind 1898 im ganzen 1700 Kinder ver-
pflegt worden, 1900 jedoch 1761 in 77 222 Pflegetagen. Die
älteste dieser vier Heilstätten, nämlich das Seehospiz Kaiserin
Friedrich, ist auch 'die größte, denn sie gewährt gleichzeitig
240 Kindern Aufnahme und wird auch während des Winters
HLufig mit Kranken belegt. Die Leitung des Jnstituts liegt
in den Händen eines Arztes und einer Oberin, Wartung und
Pflege erfolgt durch eine größere Anzahl Krankenschwestern.
Die Kurzeiten betragen in der Regel sechs Wochen. Die man-
gelhafte Finanziernng der Hospize aber ermöglicht nur einer
geringen Zahl von unbemittelten und leidenden Kindern die
Äufnahme in Freistellen, wohingegen die Mehrzahl entweder
einen wöchentlichen Zuschuß leistet, der selten 20 Mark über-
steigt, oder die volle Tagespension von 4 bis 7 Mark entrich-
tet. Thatkräftige Unterstützung findet der Verein in dem
1888 zu Berlin von Frau Dr. Krüger gegründeten „Frauen-
hilfsverein für Kinderheilstätten" an den deutschen Seeküsten,
welcher gerade kurbedürftige Kinder verschämter Aimen dem
Hauptverein gegen eine Entschädigung überweist. Wie segens-
reich diese Frauenvereinigung wirkt, geht daraus hervor, daß
sie 1900 für rnnd 500 Kinder 46 000 Mark veransgaben
konnte. Die Kkiiderheilstätten stehen osfen für blutarme, ner-
vöse, skrophulöse, tubersiilöse und schwächliche Kinder. Dem-
gemäh ist ihre Aufgabe zweifacher Natur, denn sie sollen die
. kranken Kinder heilen, die schwachen ckber so krästigen, dah

ihr Körper gegen Krankheiten, stMesondere gegen solche tuber-
kulösen Eharakters, widerstandssähig fich erweist. Lchteres
aber ist von unendlicher Wichtigkeit, denn die in der Rekon-
valeszenz sich befindlichen Kinder sind es gerade, die in ihrer
allgemeinen physischen Schwäche den günstigsten Jnfektionsherd
für Tuberkelbazillen abgeben, besonders dann erst recht, wenn
der Würgcngel Diphtherie oder der Keuchhusten den zarten.
jugendlichen Körper in seimen Grundsesten erschüttert hat.
Durch diese Stärkungs- und Kurmethöde aber wird, und üarin
ist das Urteil in den Kreisen der medizinischen Sachberständigen
fast einstimmig, von vornherein die Zahl der Jnfektionsherde
reduziert und ein 'weiterer erfolgreicher Schritt zur Bekämpfung
der „Proletarierkrankhert" unternommen.

Aus Stadt und Land.

Der Odenwald-Klub (Gesamt-Berein) veranstaltet am
Sonntag, den 13. Jnli, einen Familienausflug nach W a l d-
Michelbach. Nach dem Miitagessen von 3 Uhr ab: Ber-
einigung aus dem unmittelbar LLer der Bahnhaltestelle Unter-
Wald-Michelbach gelegenen, als Festplatz hergerichteren „Hohl-
stein". Dortselbst Konzertmusik usw. bei guter Restanration
bis zum Abgang ües Abendzuges.

UL. Baden-Baden, 6. Juli. Einen von wahrem Wohl-
wollen für die badischen Blinden zeugenden Beschlnß fahte
der Stadtrcct von Baden-Baden, indem er aus eigener Jnitia-
tive öem Verein für Badische Blinde mit dem Sitze in Jlves-
heim einen Jahresbeitrag von 50 Mark aus Gemeindemitteln
zuwies. Dies edle Vorgehen des Stadtrates von Baden-
Baden ist nachahmungswert, damit das genannte Werk in den
Stand gesetzt wird, das Los unserer unglücklichen Blinden
im weitesten Umfange zu erleichtern.

80. Donaueschingen, 6. Juli. ('Erfolg in der

Viehzucht.) Herr Kaspar Hauser in Hausenvorwald, einer
der bedeutendsten Viehzüchter der Baar, welcher schon große
Lieferungen nach Böhmen ausgeführt hat, ließ im letzten
Monat wieder einen Transport von Zuchtvieh dorthin ab-
gehen. Derselbe bestand dem „Don. Wochenblatt" zufolge aus
150 Stück im Werte von 45 000 Dtark. Eine weitere Sen-
dung soll Mitte Juli erfolgen. Auf Ansuchen Hausers ist jetzt
die Station in üen Ansnaihmetaris für Znchtvieh einbezogen
worden. — Der erst 14jährige Küferlehrling Wilhelm M.
von Mistelbrunn zündete das Hans seines Meisters Winter-
halter in Bubenbach an, wodnrch dasselbe vollständig in Asche
gelegt wurde. Mit Rücksicht auf sein jugendliches Alter erhielt
der Brandstifter von der Straskammer Freiburg die geringe
Strafe von einem Fahr Gefängnis. — Jn Jmmendingen stürzte
der Dienstknecht Johann Nopper so unglücklich vom beladenen
Heuwagen herab, daß er das Genick brach und sofort toi
war.

80. Nel'crlnigcn, 6. Juli. (Die Schnellzügeder
Bodens ee-Gürtelbahn), welche diesen Sommer erst-
mals gefahren werden und die Verbindung Jnnsbruck-Lindau-
Radolszell-Basel herstellen, bleiben für kommenden Winter nicht
nur bestehen, sondern werden laut „Seebote" noch verbessert-

Kleine Zeitung.

— Ncustadt, 7. Juli. ^Die Winzinger Kirchweihe
hatte infolge des herrlichen Sommerwetters am gestrigeri
iLonntag einen geradezn beispiellosen Besuch. Einet
Völkerwanderung gleich wogte es aus den Straßen nach
den Festwiesen und dort war der Menschenandrang mit-
unter so stark, daß der Verkehr stockte. Auch die Wein-
und Bierhallen zeigten sich stark besetzt, mitunter wac
kein Platz mehr zu bekommen. Die Budenbesitzer haben
ebenfalls gute Geschäfte gemacht. Besonders stark war
die Kirchweih von auswärts besucht. Das Leben auf derN
Festplatz zeigte das altgewohnte Bild. Man genoß die
Kerwelust in vollen Zügen.

— Kaiserslantern, 7. Juli. Der Bieranfschlag in
hiesiger Stadt wird nun vom 7. Juli ab eintreten-
Die sämtlichen hiesigen Brauereien, ebenso die „Karls-
berg-Brauerei"-Homburg nnd die ,,Pfalzbrauerei"-NeN'
stadt haben heute sämtlichen hiesigen Wirten ein Zirkular'
zugestellt, worin sie mitteilen, daß sie fortab mit Rüch
sicht auf den ab 1. Juli eingeführten Lokalzuschlag dell
Hektoliter Bier zu 1 Mark höher als bisher berechnell
müssen. Es wird den Wirten serner znr Auflage ge"
macht, vom 7. Juli ab folgende Preise einzuführei^
^ Liter Bier 13 Psg., über die Straße nicht unter l^
Psennig, 4 Zehntel Liter 11 Pfg., über die Straße nicm
nnter 10 Pfg., Liter 7 Pfg-, über die Straße nicht E
ter 6 Pfg., Flaschenbier ins Haus oder ab Schalter ^
Zehntel Flasche nicht unter 19 Pfg., 5 Zehntel nicht unt^
14 Pfennig, an Wiederverkäufer nicht unter 21 Pfg. Pt^
Liter.

— Dcr Zuzug von Dicnstmädchen nach Berlin ham

mehrere Jahre hindurch nachgelassen. Jn den JahftN
1897—99 waren 46 845, 46 320, 43 964 Dienstmädche'
als nach Berlin zugezogen gemeldet worden, in nur zn^
Jahren hatten sich also die Zuzüge von DienstmädE
nm ziemlich 3000 vermindert. Das Jahr 1900 ham
dann mit 48 266 Dierrstmädchen-Zuzügen eine unerwat
tete und sehr bedeutende Zunahme, um weit über 400^
gebracht. Jm Jahre 1901 ist aber eine erneute und oo
trächtliche Abnahme eingetreten. Es wurden im letzn,
Jahre nur 45 766 Dienstmädchen als nach Berlin znA
zogen gemeldet, also um 2600 weniger als im vorletzn'
Jahre. Abgenommen hat im letzten Jahre auch der Fosi-
zug von Dienstmädchen. 1897—99 waren 35 01^

33 626, 34 687 Dienstmädchen als von Berlin forüsi,
zogen gemeldet worden. 1900 war die Zahl der For,
züge aus 38 160 gestiegen, 1901 aber ift sie wieder a
37 088 zurückgegangen. Nach den Meldungen (die alt.
dings rücht ganz vollständig zu sein pflegen) hätte bei o^,
Dienstmädchen der Ueberschuß der Zuzüge über die For
züge in den letzten fünf Jahren 11 828, 11 695, 9^ ^
10 116 und 8678 betragen. Auch der Ueberschuß
1901 erscheint noch recht groß und geht sicherlich über
Mehrbedarf an Dienstmädchen weit hinans. Es m
doch zu berücksichtigen, daß in Berlin Jahr für j
zahlreiche Mädchen infolge von Berufswechsel,
u. s. w. aus den Reihen der Dienstboten überhaupt a
scheiden. .

— Die erstc Uhrrtracher-Gehilfin. Jn Wien.wft^
dieser Tage Fräulein Gisela Eibuschitz als die erfte
hilfin im Uhrmachergewerbe von der Genossenschaft 1 ^
gesprochen. Der Weg, den die Gehilfin vorn Tage
Anmeldung als Lehrling bis zu ihrer Freisprechung ^
Gehilfin zurücklegen mußte, war ein recht dorniger,
ihre Einführung in die Zunft und ihrs formliche -
kennung als gesetzlich befiigte Uhrmacherm mußte
gekämpft werden.
 
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