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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Mitttvoch, 27. Mgust 1902. Aweites Blatt. 44. Jahrgang. — 1r. 199.

Erscheint täglich, Sonmags auSgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expeditton und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Poft be»

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

«nzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
»orgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Aas neue Aogma.

Ter Antrcig dcr Jesuiten Zecchi und Crostn
taulere: Es ist (Älaubenstehre der heitigen katholischen
Ätrche, daß die Iungfran Ätaria in ihrer menschlichen
Körperhülle zum Himmel ausgefahren ist. Zu Fiißen
des Heiligen Vaterö flehen seine treuesten Söhne, St.
Pelri 9tachfolger wolle dieses Togma traft seines un-
fehlbaren Lehramtes feierlich vertunden. Wie nun voni
Marianischen Kongreß in Freiburg mitgeteilt wird, ist
der Antrag einstweilen nicht zur Annahme gelangt.
Wie die Berliner „Volkszeitung" weiter berichtet, haben
die Franzosen und Schweizer unter Führung des Domini-
kanersFei sich gegen den Antrag erklärt. Ter Antrag
auf Proklamation des Dogmas wurde danach um ein
Jahr zurückgestellt und die Erhebung „historischer Be-
weise" tiber die wunderbaren Erscheinungen Ällariens
beschlossen. Aus dem deutschen Lager rührt sich noch
immer nichts. Die klerikal-agrarische „Rhein. Volksst."
macht der „Köln. Volksztg." einen Vorwurf, daß sie ans
politischen Gründen sich gegen die Verkündung des neuen
Togmas erklärt hat, obwohl doch höhere ideale Griindc
erfordern könnten, daß jencr außerordentliche Gnaden-
vorzug der Pfutter Gottes als Dogma erklärt würde.
Sonst ist alles still. Melleicht giebt der Mannheimer
Katholikentag einen Anlaß, sich mit jenen Plänen zu be-
schäftigen. _

Die Stistungen in Uayern.

In dcm eben erschienenen ersten Heft der Zeitschrist
des Kgl. statistischen Bureans, Jahrgang 1902, wird
eine eingehende Arbeit über den Stand der öffentlichen
Stiftungen im Königreich Bayern in den Jahren 1898
und 1899 veröffentlicht, versehen mit mehreren interessan-
ten Tabellen, welche iiber den Stand des rentierenden
Stiftungsvermögen, die Aenderungen im Bestande der
Stistungen während der Bcrichtsjahre, die neu errichteten
Stiftungen und die neu angefallenen stistungszuflüsse
detaillierten Aufschluß geben und aus denen einige wich-
tigere Daten hier hervorgehoben werden sollen. Es be-
ftanden Ende 1898: 19 267, Ende 1899: 19 360 Stif-
tungen, deren gesamtes rentierendes Vermögen 1898:
517 379 681 Mk., 1899: 527 717 287 M., also über
cinc halbc Milliardc, betrng. Von den Stiftungen dien-
ten am Jahresschlusse 1899: 9953 oder 61,4 Prozent zu
Kultus-, 6697 oder 34.6 Prozent zu Wohlthätigkeits-,
2651 oder 13.7 Prozent zu llnterrichts- nnd 58 oder 0.3
Prozent zu gemeindlichen und sonstigen Zwecken. Von
dem gesamten rentierenden Vermögen dienten am
Schlusse des Jahres 1899: 276 309 225 Mk. oder 52.4
Prozent zu Zwccken der Wohlthätigkeit, 180 229 537 Mk.
oder 34.1 Prozent zu Kultuszwecken, 69 793 399 Mk.
oder 13.2 Prozent zu Zwccken des llnterrichts und
1 386 116 Mk. oder 0.3 Prozent zu gemeindlichen und
sonstigen Zwecken. _

Deutsches Reich.

— Zur Wahl in F o r ch h e i m - K u l m b a ch
schreibt die d e m o k r a t i s ch-e Korresp. u. a.: Das Zen-
trum besaß, so lange es untcr Führung Windthorsts stand,
doch noch daS größere Vertrauen, weil es wenigstens ab

Eine Geidheirat.

43) Roman von L Haidheim.

(Fortsetzung.)

Burghausen fühlte sich ihm gegenüber zu rückhaltloser
Llstenheit vcrpflichtet, weil der kleine dicke Aiann mit den ge-
wöhnlichcn Manieren eine so ivahrhaste Vornehmhcit dcs
Charakrers besatz. Er erzählte ihm alles, was Ulla und er
gesprochen und seiue heimlichen Gedanken.

„Ta haben Sie ganz recht und gar keine Ursache, s-
zu schämen, Freund!" meinte Schragert enstchieden. „Sind
wir denn nicht gcrcifte, nüchterne Männer, die die Welt sehen,
wie sie im Lichte der Sonne vor uns liegt? Jch würde Fhnen
idealistische Redcnsarten jetzt gar nicht mal glauben. Datz der
Fritz sich mit der schönen Serauo verlobt hat, flüstert ja die
ganze Stadt — abcr wie er nun mal ist, Schönhcit allein thut
es bei ihm nicht! Wer weih, ob er nicht in jeucm Moment
Vergleiche zog? Die Gedanken an ihn muh Jhre Ulla sich
freilich vergehen lasseu, deim wcnu Sie jetzt auch allenfalls
die Kautwn stellen könntcn, das würde ja doch zu einer Ehe
in diesen Kreisen nicht geuügeu. Mit Wolzin wird's äbcr auch
nichts, wie die Sachen stehen. Er sitzt jetzt so tief in Ge-
Ichäftssorgen, dah ihm die dummen Heiratsgedanken wohl
bergchen werden.

Tas Unglaubliche war gcschehen! Der reiche, gefcierte
Wolzin hatte im ersteu Verhör so verwirrte Angaben über
Re fehlenden Summen gemacht, und sich so gar nicht darauf
desinnen können, wie er jene Gelder verwendct — ob er
Üe überhaupt erhalten, ob cr jene Ouittungen ausgestellt
ünd ob er seine Unterschrift unter denfelben ableugncn sollte
^der nicht, datz dieses Verhalteu im Verein mit seinem er-
Ichreckend veränderten Aussehen einen sehr schlechten Eindruck
'dachen muhte.

und zu nein sagen konnte. Fn der letzten Legislatur-
periode hat sich aber das Zentrum sehr schlecht geraucht.
In Bezug auf Volksforderungen wurde es mindestens
ebenso nnznverlässig, wie die Nationalliberalen. (Es ist
ein demokratischer Sport, die Nationalliberalen unü die
Volksforderungen in Gegensatz zn bringen. Die Red.)
Tarüber hinaus aber hat es in Bezug auf kulturelle,
geistige und künstlerische Interesscn eine eigene reaktionärc
Thätigkeit entfaltet, die ihm den Rest des Vertrauens
nach links hin entzog. Hierfür hat das Zentrum in
Forchheim-Kulmbach die erste Snittung erhalten. Von
links konnte ihm keine Unterstützung mehr werden, und
dadurch verlor es den Wahlkreis. Es giebt noch andere
Kreise, in denen es sich ähnlich verhält, wie in Forchheim-
Kulmbach, und deshalb wird däs Zentnnn diesen Denk-
zettel verstehen. Run hat inan im klerikalen Lager aller-
dings gehofst, für die Unterstütznng von links eine solche
von rechts her zu erhalten und es ist bezeichnend genng,
daß -as Hauptorgan der prenßischen Konservativen, die
sattsam bekannte „Krenz-Ztg.", auch thatsächlich einer
derartigen mnckerisch-klerikalen Verbriidernng das Wort
redete. Deshalb hat das Zentrum an diese Elemente
anck entsprechende Zugeständnisse gemacht. Allein die
Rechnung hatte ein Loch: die „protestantische" Führnng
des Bundes der Landwirte vermochte es nicht über sich,
ihre Anhänger einfach in das klerikale Lager zn komman-
dieren. Sie stellte ihnen die Sstmmabgabe frei. Ein
Teil der Bündler hat nach dem Zahlenergebnis ja auch
für den Zentrumsmann gestimmt, aber er war nicht aus-
reichend, den Sieg zu bringen. Das ist die zweite un-
angenehme Erfahrnng für das Zentrum: die Linke traut
ihni nicht mehr und die Bündlcr trauen ihm noch nicht.
Es sitzt zwischen zwei Stühlen und alle agrarischen Liebes-
erklärungen genügen nicht, nm bei den Bündlern das
„vrotestantische Bewußtsein" zu betäuben. Der Bund
ist dem Zentrnm ein sehr unsicherer Genosse! Die Kaiser-
depesche hat dem Zentrum nicht viel genützt, obgleich sie
danach angethan war, den Widerspruchsgeist anzusachen.
Hier hat die geschickte Wahrung des vcrfassungsrechtlichen
Standpunktes dnrch die gesamte liberale Presse dem
Zentrum den Wind aus den Segeln genommen. Daß
hier ein liberales Kartell gegen das Zentrnm siegreich
blieb, giebt der Wahl ihre Bedeutung. Hoffentlich ler-
nen die Nationalliberalen daraus auch, daß ein bischen
mehr Liberalismus für sie durchaus nicht nnvorteil-
haft ist.

-^7 Die „Schles. Ztg." meldet: Dem hiesigen Leib-
kürassierregiment „Großer Kurfürst", schlesisches Nr. 1,
ist nachstehende kaiserliche Ordre, datiert Kiel, den 1. Iuli,
zngegangen: Jch will dem Leibkürassierrcgiment „Großer
Knrfürst", schlcsisches Nr. 1, einen besonderen Beweis
meiner königlichen Gnade dadnrch zuteil werden lassen,
daß ich ihm hente, ani Jahrestage seiner Errichtung,
als Auszeichnung an den Helmen, Kartuschen, Schabra-
cken und Schabrnnken den Adler verleihe, mit dem der
große König -ie Fahnen seines Heeres schmücken ließ.
Außerdem sollen die Offiziere an den Schabracken und
Schabrunken einen Besatz wie in der Fridericianischen
Zeit, von goldener Tresse, die Mannschaften einen solchen
von weißem Tnch tragen. Die Geschichte des Regiments,
das in mehr als 200 Lahren seines Bestehens oftmals
Prenßens Adler in die Reihen des Feindes trng, bürgt
mir dafür, daß diese Ehrnng ihm ein neuer S-Porn sem

Datz cr kvank sei, leugnete er; von scinen eiwrmen Ver-
lusten sprach man an der Borsc schon ganz laut, ohne Genau-
cres zu wissen, und er selbst hoffte noch, das Schlimmste ab-
wenden zu können.

Wie ein Donnerschlag traf es ihn dahcr, als der Unter-
suchungsrichter erklärte, ihn in Haft nehmen zu müssen.

„Was? Mich? Hat mein Wort also nicht einmal mchr
Geltung!" schrie cr auf. Er hatte offenüar von dem Eindruck,
dcn er gcmacht, gar kcincn Begriff.

Wenn sie ihn verhafteten, dann war alles verlorcn! Es
gab eine sehr errcgte Szene; endlich gab man der kurzen, knap-
pen Vorstellung von Schragert und Comp. Gchör. Man sah
ein, datz diese Verhaftung die Arbeiter Wolzins brotlos machcn
mutzte. Eine autzerordentlich hohe Kaution sollte hinterlegt
werden. Schragert, der sehr gut wutzte, datz Wolzin zur Zeit
gar nicht in der Lage war, fo viel Geld flüssig zu machen, warf
sich in die Bresche.

Natürlich wurde der Fall Wolzin jetzt in allen Zeitungen
erörtert und der einst viclbeneidctc Mann mutzte cs erlcben, datz
scin Name, sein Charakter, seine Geschäftssührung einer scho-
nnngslosen Kritik unterzogcn wurden.

Dieselben Menschen, die sich einst schmeichelnd tief vor
ihm gebückt, gesellten sich jctzt der bösartigen kläffenden Mcute
zu, die sich schon jagdhungrig auf ihn zn stürzen bereit war.

Uüd er mutzte dennoch standhalten und seine Arbcit thun,
die ihm über dcm Kopf zusammcnschlug, um die schreckliche
Verwirrung, in die jetzt alles gcrict, was mit seinem Namcn
vcrbnnden war, zu lichten.

Fiebernd, im Kopfe unablässigcs Schwirrcn und Häm-
mern, in den Nerven ein Vibriercn wie von hart berührten
Saiten — mutzte er all den tausend Blickeu standhalten, die
sich fragend, unbarmherzig bohrend auf ihn richtetcn, wo
immer er erschien; er mutzte es ertragen, datz man ihn von
oben herab grützte, ihn übersah, ihm kaum Rede stand, wenn
er Fragen stelltc.

Tas war schlimmer als die Hölle l

wird, meiiwin Hause und deiu Vaterlaude allezeit gleich
aufopserude Treue zu erweiseu.

K iel, 24. Aug. Der Kaiser scheukte seiuem
Sohuc, deiu Prinzen Adalbert, die neue Sonderklassen-
yacht, die ini Winter 1901—1902 für den Monarchen
anf der Hainburger Aachtwerft Oertz und Harder erbaute
Sanioa III.

Elsasi-Lothringcn.

Metz, 23. Aug. Generaloberst Graf Haeseler
ist auf dem Wege uiigestörter Genesuug. Er briugt, wie
die „Lothr. Ztg." berichtet, nuu schou seit Wocheu bei
günskigeiu Wetter fast deu ganzeu Tag iu deiu kleinen
Vorgarten zu, anf dessen schmaleni hintern Gang sein
Krankcnstnht und Schreibtisch hinter schützendem Gebüsch
in bescheidenster Weise untergebracht sind. Seit etwa zehn
Tagen macht Graf Haeseler nnablässig Gehübungen, wo-
bei er jetzt, auf Lstock nnd Krücke geftützt, fchon bedeuten-
dere Strecken znrücklegt. Es ist mit s-icherheit zn erwar-
ten, daß er binnen einigen Wochen vollständig wiederher-
gestellt sein nnd die Leitung der niit dem 23. September
beginnendcn Korpsmanöver Persönlich übernehmen wird.

Preuße».

— Ueber das Ergebnis der Besprechungen, welche
am 25. d. M. beim Landwirtschaftsminister v. Pod -
bieIski mit den Vertretern der Posener Stadtbehörden,
dem Vorsitzenden der dortigen Landwirtschaftskammer
und dein Vorsitzenden der Zentrale sür Viehperwertnng
statkgefunden hat, wird dem „W. T.-T." mitgeteilt, daß
der Landwirtschaftsminister erklärte, die Oeffnnng der
Grenze aus veterinärpolizeilichen Gründen nicht zulassen
zn können, daß die Zentrale für Viehverwertnng es
aber übernommen hat, dasür zu sorgen, daß während der
bevorstehenden Menschenanhäufung in Posen eine reich-
liche Zusuhr von Schlachtvieh, namentlich von Schweinen
dorthin stattfinde.

Aus Stadt und Land.

Ebcrbach, 25. August. (A b s ch i e d s f e i e r.) Die gcstvige
Abschiedsfeier für den von hier scheidenden Oberamtmmm
Beck gestaltete sich, wie wir dem ausführlichen Berichte der
„Eberbacher Zeistrng" entnehmen, zu einem wahren Ehren-
tagc siir den Scheidcnden, denn in den ihm gcwidmeten Reden
wurde ihm so vicl Ehre und Anerkcnnung dargebracht, datz sich
seine Beliebtheit so recht crkennen lictz. Aus allcn Ortschaften
dcs ganzen Bezirkes waren Vertretnngen anwcsend, nm mit
dcm Scheidendcn noch einige Stnnden zu verbringen. Bürger-
meistcr Dr. Weitz sprach immcns der Stadt und des Be-
zirkcs seinen herzlichsten Dank Herrn Obevamtmann Beck aus,
für das grohe Enkgegenkommen, welches er allen Bcstrebun-
gcn der Stadt cntgcgeickrachte, wie er dcir Bczirk mit der
Stadt immer näher brachte und wic dadnrch das gegenseitige
Jnteresse gchobcn, wurde. Der Gcmeindcrat hat dcshalb
bcschlossen, die ncn angelegte Stratze übcr den Ncckar zu
dancrnden Ehre „Beckstrahe" zu nienncn. —- Bezirkstierarzt
Flnm sprach namcns des landwirtschaftlichen Bezirksvereins
den bcstcn Dank für die autzerordentlich grohe Thätigkcit,
welche Hcrr Bcck als Vorstand dcs Vcveins entfaltet und das
Jnteresse dcs Vereins so wesentlich gcfövdert hat. Bci scinem
Hicrhcrkommen zählte der Verein 200 Mitglieder und hente
zählt cr über 600. Er suchte üücrall da cinzusetzen, wo Hilfe
nnd Besserung zuerst iwtwendig war, nm der Landwirtschaft
anfzuhclsen. So schaffte er anf Kosten des Vereins mehrcre
Wiesencggen an, die im Bezirk verteilt sind und einige
Tricurs (Fruchtrciniger), nm reine Saatfrucht zn crziclen.
Den gcmeinsamen Bezug von Saatgut und künstlichem Dünger

llnd eines Tages brach er dann ans offcner Strahc zu-
samnien nnd wnrde bewuhtlos nach Hause geschafft.

Ob Schlaganfall — ob eine schwere Krankheit — das
wuhte man nicht gleich, doch hietz cs bercits am Abend, die
Acrzte hätten Typhus sestgestellt.

Jn dicscn ganzen Wochen hatte er nicht ein einzigcsmal
lllla nnd Burghansen gegenüber anf seine Wicrbung nm erstere
angespielt.

Es sah fast aus, als hätte erstllla nnd scine damaligen
Wünsche völlig vergcsscn. Seiiie Sorgen absorbierten ihn
vollständig und während er Vater und Tochtcr ganz wic frühcr
als die trenesten und verlählichsten Freunde behandelte —
ach, cr konnte die Zahl derer, die ihm tren geblicben waren,
sehr schnell überzählen — vertraute er ihnen, wie wcnn sie
scinc nächsten Angehörigen gewesen wären.

„Ulla, darin erkcnne ich, dah er jetzt cin alter Mmn ge-
worden", sagte Anna, als sie eines Abends mit dcr Frcundin
von scinem verändertcn Wescn gesprochcn.

Nnn kam die Krankhcit und eine Zcik änherster Lebens-
gcsahr. Anna, die so sorgfältig vor jedcr Anfregung behütct
ivorden, crtrug jctzt alle Angst und allen Kummer, ohne irgend
wclchcn Schadcn an ihrer Gesundheit zu iiehmcn. Sie tcilte
sich mit dcn Wärtern und Krankenschwestcrn in die Pflege nnd
war nnermüdlich, so wcnig sie auch je an derartigc Anstren-
gnngen gcwöhnt war. Sie that das allcs wie etwas Sekbst-
vcrständliches. Schragert reiste ruhclos hin nnd her; einer
seincr ältcren Beamtcn, der schon langc Disponent bci ihm
gewescn, übernahm mit grotzcr Energic die Vcrtrctung seincs
Herrn nach allcn Richtnngen. Schragert wurde dadurch freier
nnd konnte verschicdene Reisen nach Petcrsburg nnternehmen^
nm dort für Wolzin zu wirken — wie es schien, im günstigen
Sinne.

iFortsetzung folgt.)
 
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