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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229-255 (01. Oktober 1902 - 31. Oktober 1902)
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Dienstag 28. Oltober 1902

Zweites BLatt.

44. Jahrgang. — Air. 252

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit FamilierrLlättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

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Kin Schul'despot im Wen.

Vor der 7. Strafkammer des Lnndgerichts Berün 1
tvurde in diesen Tagen ein Beleidigungsprozeß vechan-
delt, der auf manche Zustünde im preußischen
O st e n ein sehr bedenkliches Ächt wirft. Angeklagt wa-
ren Sanitütsrat Dr. Paalzow und Lehrer Nickel in Tra-
kehnen wegen Beleidigung des Landstallmeisters und
Gesrütsdirektors v. Oettingen.

Trakehncn ist der Mittelpunkt der ostpreutzischen Pferde-
zucht, hier bestndet sich anch das staalliche Hanvtgestüt. Fnr
die KiNdcr der zahlreichen Bcamtcn und Angestellten dcs Ge-
stüt bestehen bcsondere Schulen, über die der Landstallmeifter
als Vertretcr des Staats das Patronat ausübt. Aus diesem
Verhältnis ergaben sich allerlei Klagen der Lehrer gegen den
Landstallmeister, und es kam zur öffentlichen Besprechung der
Zustände durch Sanitätsrat Paalzow und Lehrer Nickcl, was
wiederum eine Klage gegen diese beiden wegen Beleidigung
des Gcstütsdirektors v. Oettingcn herbeiführte.

Nach den Ergebnissen des Prozesses trieb der Stallmeister
durch systematische Schikanierereien die Lehre r geradezu mt
den Rand der Verzweiflung und erzeugte in ihnen die Em-
Pfindung, datz sie in Trakehnen noch hinter den K^iechten ran-
gierten.

Schulräume und Lehrerwohnungen waren
teilweise in einem Zustande, datz man darin keinen Schutz gegen
die Unbilden der Witterung fand. Jn einer Schulstube drang
direkt der Schnee durch die Lücken und Risse; eine Lehrerwoh-
nung schüstte so wenig gegen den einströmenden Regen, datz dem
Lehrer die Kleidung im Schrank verdarb. Auch über einen
Mangel an Bänken in den Schulen tvar Klage zu führen, und
die Kinder mutzten teilweise vor den Bänken der zugigen Fenster
stehen und diese als Schreibpult verwenden.

Die Art, wie mit den Lehrern umgcgangen wurde,
spottet einfach aller Beschreibung. Wenn sie um die Gestellung
don Fuhvwerk baten — schon die Form, in der das gcschehen
wutzte, ist entwürdigend — so war es meist umsonst. Wurdc
abcr einem wirklich einmal die Vergünstiguug zuteil, dann er-
hielt er nicht einen der zahlreichen federnden Wagen, foridern
weist ein Gcfährt, das sonst zum Transport von Vieh oder
Mist diente, im besten Fall einen Leiterwagen, der gewöhnlich
zur Beförderung von Heu, Stroh, Klee u. s. w. diente. Be-
zeichnend ist, datz der lcidcnden Frau des Lehrers Lamprecht
aus Jonasthal, als sie ihren ersten Kirchgang nach der Ent-
bindung antreten wollte, der Wagen einfach verweigert wurde.
Auch dem Lehrer Zipplies wurde ein Wagen verweigert, als
er zur Konferenz mutzte, obgteich er ein krankes Bein hatte.
Nicht besser erging es dem Lehrer Liebruck, der auf eine Dienst-
Zeit von 21 Jahren in Trakehnen zurückblickt. Als er mit
seincm augenkranken Sohn zum Arzt wollte, sah xr sich auf
Schusters Rappen angewiesen, mrd er mutzte den leidenden
Knaben, dessen Augen verbunden waren, sieben Kilomcter weit
tvie einen Blinden führen. Als Lehrer Ziepplies aber eines
Tages einmal wieder so glücklich war, einen Schliiten zu be-
kommen, sorgte cin bravcr Düngerfuhrmann dafür, datz ihrl
nicht etwa der Hochmut übcrmannte, indcm er ihm — im Blick
auf die Oualität des Schlittcns mit bestcM Recht — zurief:
„Jhr Schlitten ist gerade gut zum Mistfahren." Der völlige
Mangel an Rccht und Billigkeit, der in solcher Bchandlung
hervortritt, erscheint noch krasscr in einem Fall, wo ein Lehrer
gezwungen werden sollte, für die Bewilligung von Fuhrwerk
auf sein gutes Recht Verzicht zu leistcn und etwas seiner An-
sscht nach Wahrheitswidriges zu bescheinigen. Der Lehrer hatte
8—4 Raummeter Holz zu wenig bekommen und sich deswegen
beschwert, ohne datz darauf gehört wurde. Als er Lann einmal
Um Fuhrwerk nachsuchte, sollte er das nur bekommen gegen die
Ouittung, datz cr alles Holz richtig erhaltcn habe. Alle solche
Fälle zeugen davon, mit welcher verächtlichen Geringschätzung
ein so verdienstlicher Stand, dem die Grundlagen unserer
Volksbildung anvertraut sind, in Trakehnen behandelt wurde.

^ „Das Fischerrnädchen".

Roman von I. E d h o r.

(Fortsetzung.)

Das kleine Fischerdorf Bröscn liegt zwischen den Seebade-
vrten Zoppot und Wcsterplatte und ist von bciden Seiten mit
TSald umgeben; seines geschützten Strandes wegen wird es
bfters von Badegästen aufgesucht, die am Meer emlang spazie-
icn uttd hicr in der kleincn Seebucht Siesta hattcn.

Hoch auf den weitzen Dünen liegen üie Boote, mit denen
bie Fischer ihre Beute hcimholen. Es sind viclc neue darunter,
oie den weißen Kiel in der Sonne trocknen, aber auch einigc
Ee, verwitterte, von schwarzcm Holze und von altertümlicher
Sorm, liegen hier in wohlverdienter Ruhe. Sie könnten viel
^rzählen, diese Vetcranen aus längst verflossener Zeit, von
Meeresbrausen, Meeresleuchten, von Not und Totl Sie sind
Äer unendlichc Abgrü:.de ldahin geschwommen, sie haben
^rauen und Entsetzen gesehen, abcr immer sind sie von kundi-
.8eu Armen, starken Händen zum sichern Lande gerettet wor-
°.en. Da liegen sie wie schwarze Särge im weitzen Sande, die
Sounenstrahlen^sind träge darüber hingekrochcn .... Der
^chatten am Waldrande ist länger geworden und Hüllt die
^lten Fischerboote ein, sie wie mit einer Decke bekleidend. lind
Ztvischxn ihnen im weichen, staubfreien Sande sitzt Gittag und
^estelt cifrig an eincm neuen Fischnctz, die Mutter hat es ihr
8ezeigt, wie man „Filetarbeit" macht und Gitta thut es mit
Trohem Eller. Wie hurtig es geht und wie lustig die langen
üölzernen Stäbchen klappern! Gitta hat einen grotzen, üreit-
frärnpigen Strohhut auf dem Kopfe und eine große, schwarze
^chulterschürze über das helle Kattunkleid gezogen.

^ ^Die Wellen plätscherten leise an den Strand nnd eine kühle
d^rise kommt mit dem Luftzug daher. Ah, endlich wird es
irlscher, die Luft stand üisher förmlich still. Brigitta hatte
^ in der Schwüle des- Zimmers nicht aushalten können und

Wie Landstallmeister v. Oetiiugen selbft von den Lehrern
dachte, das geht genugsam aus seiner von mchreren Lehrern
eidlich erhärteten Bemerkung hervor, er wolle die Lehrer
zwirbeln unü k n e ch t e n. Er versnchte zwar diese Be-
mcrknng vor Gericht als eine scherzijafte Acutzerung hinzu-
stellen, indem er bemerkte, er habe auf Lie Frage eines Lehrers,
ob er sie zwiebeln nnd knechten wolle, ironisch wicderholt: „Ja,
ja, zwicbeln und knechtcn". Ganz abgesehen davon, daß die
Lehrer Nickel und Lamprechr das Jronische vollständig vermiß-
ten, stand doch v. Oettinger mit den Lehrern auf einem solchen
Futz, datz er selbst eiue irouische Bemerkung der Art nicht ge-
statten durfte, weil sie nach den Verhültnissen, nnter denen die
Lchver in Trakehnen zu senfzen hatten, nur für baren Ernst
genommeu werden konute. Wie viel Verstäudnis bci Herrn
v. Oettinger für die Kulturarbeit der Schule vorausznsetzen ist,
das beweist auch die Aentzerung, die ihm von Zeugen unter
ihrem Eid in den Mund gelegt wird: „Für die Schule
Ivird nichts gethan, für die Ställe alles; vor
den Schulbauten haben die Pferde den Vor-
zug."

Tie Trakchnvr Zustände wurden vor 2i/st Jahren
im preußischen Abgeordnetenhans zur Sprache gebracht.
Mit Rocht macht eS die Berliner „Post" den Aiifsichtsbe-
hörden zum Vorwnrf, daß sie sich damals mit der Besei-
tignng der schlinimsten Schäden an den banfälligen
Schulhänsern begnügten iind nicht dafür sorgten, daß
eineni Mann, der so wenig Herz und VerständniS besatz
sür die VolkSschute, nicht mehr der geringste Einfluß
auf Schule nnd Lehrerschaft verbtieb. Gerade im Osten,
wo das Deutschtnm im Ringen gegen das Slaventnm
seine höbere Knltnr beweisen muß, sollte die Schule ganz
besonders bewertet nnd gepflogt werden. Eine
Folge des Prozesses ist es wohl, daß die beiden Geist-
lichen, die im Nebenamte die Schiilaufsicht über die Tra-
kehner Schulen führten, ihr Amt niederlegten. Der
Vorsall spricht Bände für die staatliche Schntanfsicht, die
man in Prenßen neuerdings dem Zentrum zuliebe, durch
nebenamtliche tlebertragnng der wichtigen Pflicht an
Geisttiche zu dnrchbrechen sucht. Sebr mit Recht fragen
Berliner Blätter angesichts dcr Trakehner Enthüllungen:
Wo war hier die Schnlaufsicht? — Die Beklagten wur-
den zn einer Geldstrafe vernrteilt, aber der eigentliche
Vernrteitte ist der Kläger, mit defsen Paschawirtschaft
sich die Regiernng hoffentlichi noch eingehend beschäftigen
wird.

Deutsches Reich.

Der Morning Post" wird aus Berlin gemeldet:
Die d e ii t s ch e Regiernng teilte den Regierungen
aller Mächte mit, daß sie beschlossen habe, die lanfenden
H a n d e t s v e r t r ä g e nicht zum 31. Dezember
1903 mit der nötigen zwötfmonatlichen Kündigungs-
srist zu kündigen, sie bat vielmchr um Erlaubnis, sie von
Jahr zu Jahr weiter laufen zn lassen, bis der ueue
deutsche Tarif vom Reichstage angenommen ist. Auf diese
Mitteilung ist bisher nnr von Wien und Peters-
burg aus geantwortet worden. Die russische Antwort
besagt, es würde höchst schädliche Wirkungen haben,
wenn man den Vertrag sich immer antomatisch erneuern
ließe; das würde nur den jetzigen Zustand der kommer-
ziellen Unsicherheit auf nnbestimmte Zeit verlängern.
Rußland schlägt darnm vor, daß der jetzige russisch-
dentsche Taris auf fünf Jahre verlängert wird. Rußland
fügtdaran die Drohnng, daß, wenn die dentsche Re-

war hinausgezogen in den Schatten der alten Boote, die wie
alte treue Strandwächter hinansschauten auf das spiegelglattc
Mcer. Es war doch cin grotzartiger Anblick, dicses uncndliche
Wasserl

Mit strahlendcn Augen blickte Gitta auf die grüuschim-
mcruben Fluteu. Der Vater war mit Alois und einem Nach-
bar heure früh schon hinaus, seiuem harten Tagewerk ent-
gegen. Ganz gewitz brachten die drei Männer wieder reiche
Beute nach Hause. Jn letzter Zeit war der Fang immer reich
gewesen unü heute hatten ste weit, weit hinaus wollen. Da
gab es wieder Verdienst für den Vater — der gute Vater!
Wie er sich mühie und abquälte seiner Familie wegen un8
wie ziifricden nnd glücklich die Eltern doch waren! Glücklich?
Gewiß, das war Glück. Gitta fing an zn begreifen, dah man
hier rn der wcltgcschiedenen Einsamkeit, umschlossen vvn Meer
und Wald, bei Tages Last und Arbeit glücklich sein konnte!
Es war lange nicht so eintönig w!e sie anfangs geglaubt, dieses
Stillleben am Meere, im Gegenterl, datz lctzte zeigt alle Tage
andere Wnrtder. Gitta hatte in den letzten Tagcn ein hefriges
Gewitter niedergehen sehen. — Der Anblick blieb ihr unvcr-
getzlich. Das Wasser war violett gewesen wre der Himmel und
die Älöven hatten in dichten Scharcn auf den Wcllen gelegen
. . . . llnd dann die fürchterlichen Blitzel Es war als sollte
Das Meer gespalten werden und wunderliche Gebilde sticgen
aus der Tiefe empor . . . Sowcit war Gitta geraöe in ihrem
Srnnen gekommen, als sie zufällig aufblickte, nnd kaum drei
Schritt entferni von ihr eine junge Dame stehen sah, die ihr im
crsten Moment wie eine überirdische Erscheinung vorkam. Ganz
rn weitz gekleidet, mit gelben Strandschuhen nnd breitrandi-
gem Strohhut, lehnte sie graziös auf der .Krücke ihres Soimeii-
schirms und schaute mit vorgeneigtem Kopfe aufmerksam ^ in
das nahe Gebüsch zurück, woher sie gekommen war. Univill-
kürlich ließ das junge Müdchen ihre Arbeit sinkcn und blickte
voll Bewimdcrung in das schöue Antlitz der Fremdeu. Einigc
Minuten verrannen in lautlosem Lauschen — da enblich wurde
am Ranbe des Gehölzes ein Herr sichtbar, der in stolzer, sclbst-

gierung dieseu Vorschlag nicht annehmen könne, das
Petersburger Kabinet wahrscheinlich gezwnngen sein
würde, den Vertrag am nächsten 31. Dezember zn kündi-
gen. Die ö st e r r e i ch i s ch e Antwort lautet ähnlich
wie dis rnssische; sie wendet zwar keine Drohnngen an,
aber sie drückt ihren starken Widerwillen gegen nnbe-
stimmte Verzögerungen aus nnd spricht den Wunsch aus,
der Vertrag möge sofort criienert werden, und zwar nicht
für ein Jahr, sondern für eine Anzahl von Jahren. Von
derartigen Verhandtungen wußte man bisher nichts.
Wenn die Handelsverträge nicht gekündigt werden, lanfen
sie von selbst von Jahr zn Jahr weiter. Die deutsche
Regierung brauchte also nm die oben erwähnte Erlanbnis
gar nicht zn bitten.

Baden.

— Zur Rückkehr des E r b g r o ß h e r z o g s nach
Baden schreibt man dem „Psälzer Boten" ans F r e i-
bnrg: Es geht ein nierkwürdiges Gemurmel nnd Ge-
wisper dnrch das badische Land, als habe es zwisck)en
Berlin unitz K a r I s r u h e etwas gegeben und sei
üer E r b g r o ß h e r z o g deshalb von Koblenz wegge-
gangen. Diese allgenieine Ansicht dürste nicht ganz
grundlos sein. Der Erbgroßherzog hat ein warmes nnd
lebhaftes Gefühl für seine badische Heimat; man kann
auch nnbedenklich sagen, daß das badische Volk eine ganz
besondere Herzensneigung zu seinem sympathischen
.Krviiprinzen hege. Da scheint es in keinec Weise ver-
wunderlich, wenn die Ernenimng nach Koblenz bei dem
bohen Herrn sowohl wie in der badischen Bevölkeriing
sehr geteilte Gefühle erregte. Zn diesem Heimweh, das
anch die Erbgroßherzogin empfand, trat noch hinzii, daß
das Koblenzer Klima dem Erbgroßherzog offenbar nicht
znsagte. Ein nicht unbedent'Iicher Rückfall in ein frühe-
res schmerzhaftes Leiden bringt den nnwiderle.qlichen Be-
weis dafür, daß die senchte Lagc an zwei iströmen ge-
fahrbringend war. Aus diesen Empfindungen und Um-
ständen herans entwickelte sich der dringende Wunsch, vom
Rheinlaiid wegzukommen mid zur Heimat zurückzukch-
ren. Was lag da näher, als das Streben, in Baden die
gleiche Stelle zn bekleiden, wie am Rhein? Man trat
in Unterhandlnngen ein, welche die Ernemmng des Erb-
großherzogs zum kommandierenden General des 14. Ar-
ineekorps bezweckten. Allein der Erfotg blieb ans. In
Berlin sowohl wie in Karlsrnhe befaiiden sich Gegner
dieser Jdee, wellhe denn auch den Sieg davontrugen. Es
scheiterten auch Versnche, in anderer Form die Rückkehr
des Erbgroßherzogs in die Heimat zu ermöglichen. Da-
her komiiit es, daß die militärische Lausbahn vorerst
verlassen wnrde, was mnso bedauerlicher erscheint, als der
Erbgroßherzog nicht mir mit Passion Soldat ist, son-
bern auch für das Waffen'handwerk insbesondere für
die Führnng eine ausgesprochene Begabung besitzt. Jn-
wieweit mm eine momentane Abkühlung in den Bezieh-
ungen zwischen Berlin und Baden etwa vorhanden ist
oder vorhcmden war, entzieht sich der Besprechimg in
öffentlichen Blättern, wie auch darauf verzichtet werden
miiß, diejenigen Jntriguen zn schildern, welche in diese
an sich ziemlich einfachen Vorgänge hineingeflochten wor-
den sind.

K a r l s r u h e, 26. Oktober. Die Großh. Aiahnver-
waltimg zeigte eiii weitgehendes Entgegenkoiiimen anläß-
lich der Ankmift des Erzbi s ch ofs von Freiburg in
der badischen Residenz, indem sie den vom Erzbischos be-

ücwußtcr Haltung, dichr am Strande dahin ging. Er achtete
Mr uicht auf die weihe Dame, die cr jetzt fast erreicht hatte.
Sie schicu auf den Lstomcnt gewartet zu haben. Mit einer
heftigen Bewegung waitdte sie ihm ihr Antlitz zu . . . Trauer,
Demut, Liebe iind Zärtlichkeit sprachen aus ihren Augen.
„Wvlfgangl" ries sie erst leise, dann ganz laut.

Der Herr stutzte und blieb überrascht steheu. Daim satzte
cr sich piötzlich. Er warf den Kopf zurück, griff hüflich uach
seinem H'ut, grütztc verbiudlich und ging dann rasch vorüber.

Die Dame^stand wie erstarrt; fest auf die Lippeue beitzend,
vohrte sie die Spitze ihres Sonnenschirms tief in den weichen
Saud . . . Eiu flammeuder Blick schotz uuter deu gesenkten
Augcnliedern dcm davonschreitenden H'errn uach . - . Danu
waudte sie sich jäh av, ein leises Lacheu tönte von ihreu Lippcn.
„Dcr Narrl" rief sie. „Der Narrl"

Gitta atmcte hoch auf. Sie richtete sich zwischeu dem
Booteu auf und blickte der jungen Dame nach, die sich in der
Richtung des Waldes hiu entfernte. Ein Diener in hellblauer
Livrce erwartetc sie in dcr Ferue.

Jedenfalls eine von den Vorn-ehmen, die in Zoppot zur
Kur weiltenl Titta dachte einen Augenblick über das Begebnis
nach. Es ibar doch überall dasselbe, ob hoch oder niedrig,
übcrall der .Kampf mit dem Lcben, den Leidenschafteii!

Lclse und uiibemcrkt war Gittas Mutter heraiigekommcn.

„Ei, so tief in Gcdanken?" sagte sie mit ihrcm frcundlichen
Lächeln.

„Ach, Muttcr, setze dich zn mir her, sieh, wir köniien hier
prächtig Anslug halten nach des Vaters Boot. Der Himmel
ist so klar nnd dsie-S^e so friedlich. O, es ist doch herrlich
am Fischerhaus."

„Es freut mich, datz du Gefallen findest an dcr Hcimat.
Die Erde ist nirgcnds ar'm, immer wird sie etwas habcn. waS
ihr eineii besonderen Reiz verleiht. Jch wollte dir bei deincm
Uetz helfen . . . es ist nicht vicl geworden unter deincn Fin-
gern."
 
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