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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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aufmerksam gemacht hat? Wie kaun mau aber auch er-
warten, das; eiu Ar>,t, der vielleickt an keinen Gotr nnd
ketne Ewigkeit gkaubt, sich um üas Seeleuheil seines
Patieuten kümmern soll? Es giebt jeht überall tüchtige
uu.d erfahrene katholische Aerzte, tnrd es ist deShalb uicht
zu eutschuldigem tveuu eine katholische Aamilie einen un-
gläubigen Arzt anstellt. Te Äiaistre hatte vollkommen
Rechh wenn er sagte: „Eiuem ungläubigen Arzte würde
ich eiiren Straßenmörder tauseudmal vorziehen. denu
gegeu letzteren kann man si-ch iroch verteidigen und hie
und da wird auch einer gehängt."

Auf Befragen gaben mir nun einsichtsvolle und mir
wohlwollende Klienten zu, daß bei jeder Missio!t in diesem
Sinne, ja fast mit diesen Worten gepredigt werde tind daß
es sehr wahrscheinlich fei, daß meine obcn erwähitte un-
angenehme Ersahrung eine Folgo dieser Predigteit sei.

Weder in Wort noch in Schrift habe ich bisher, trotz
jener bitteren Erfahrtingen, in den Karnpf um die 5llöster
Lingegriffen, ich werde auch fernerhin schweigen, im Ver-
trauen darauf, daß, selbst weun sie kommen, die Bildung
des größeren TeileS unseres katholischen Volkes wohl
bessere geistige Kost verlangt, als das in und nm Heustreu.
Jch habe es aber nicht unterlassen wollen, diese Thatjache
bekannt zu gebeu, um dem unbefnngenen Herrn Priester
zn zeigen, warum von mancher Seite „gehetzt" wird:
es ist das „Echo vom Walde!"

Knglische und deutsche Werkstäiten.

Dle Zustände in den dentschen Werkstätten
nnd die Lage der dcutschen Glasindnstrie übeehanpt, kamcn in
letzter Wochc in einer Versmnmlung der Wordsley-Schnle fnr
Wissenschaft nnd Kunst zur Besprechnng. Der Vortragende
tvar ein gewisser Mr. Fred Carder, dcr auf einc Anregung des
Drafschaftsrates von Staffordshire Deutschland und Oesterrcich-
Ungarn besucht hatte, um die dortigcn Verhältnisse cingehend
zu studieren. Er ist der Ueberzeugung, daß dcr Aufschwung
des deutfchen Jndustriezweiges und der ebenso rasche Rück-
gang der englischen Glasindustrie in dem mangelhafteu Sy-
stem, das in deu englischen Werkstätteu bcstehe, scme Erklärung
findet. Auch das allgemeine Wissen der deutschen Arbeiter sei
ein weit besseres, als das der englischen. Die deutschcn Ge-
schäftsleiter oder Werkmeister HLtten, insofern sie nicht gar
Universitätsbildung besähen, znmindestens einen zwei- oder
Lreijährigen Knrsus in emer der Fachschnlen absolviert. Anch
die Praktiken der Ilrücitergenossenschasten, wie sic hierzulande
dic „Union" ansübe, und die nur dazu führten, die Jntelli-
genz des Arbeiters weiter herabzumindern, seien in Deutsch-
land etwas unbekcmntes. Fede Erfindung in einem Lande,
die bei der Herstellnng der Waren Vorteile bieten könnte, werde
von den Deutschen benntzt, und man zögere nicht, sich dazu der
Bcihilse eines sachverständigen Chemikcrs oder Jngcnieurs zu
bedienen. Um den krassen Unterschied rresfend zu beleuchten,
Lrauche man nur die WcrkstäUcn der deutschen Firma Friedrich
Siemens mit den alten, umnodernen Hochöfen in England in
Vergleich zu ziehen. Die Temperatnr nnd Atmosphäre in den
dentschen Glasfäbriken sei durchans erträglich, nnd diese stände
in angenfälligem Kontrast zu den englischen Werkstätten, wo
einmal der Rauch, dann aber anch die nnerträgliche Tempe-
vatnr nnd schlietzlich die ungenügenden Vorrichtungen zur Ent-
fernung der Schwefeldämpfe dic Gesundheit der Arüeiter schwcr
beemträchtigen. Es sei unter diesen Umstünden kein Wunder,
warum der dcutsche Glasbläser 10 Stunden, ein eüglischer
Kollege abcr nur 6 Stnndcn zu arbeitcn vermöge. Als ein
Weispicl für dentschc Arbeitsmethoden führte Mr. Carder an,
batz Weinglüser in einer Zahl bon 3000 stimdlich, Trinkgläser
800 stündlich hcrgcstellt zu werdcn vermögen. Die Verwendnng
von Gas in dcn Oefen ermögliche es, datz die Arbeit ohne Un-
terbrechung wührend der Woche bewirkt werden könne, wäh-
xend es in England 48 bis 64 Stunden nehme, um die Raffi-
nierung und Schmelzung des Glases zu bewirken. Schnellc
nnd pünktliche Lieferzeit und die Tüchtigkeit der dentschen Ge-
fchäftsreisenden tragen eüenfalls emen gnten Teil dazu bei,
Äas Geschäft ans cnglischen Händen zu entwinden.

Kleine Zeitung.

— Lcipzig, 7. Dezember. Von dem dieser Lage ver-
-jtorbenen Chemiker Geh. Hofrat Prof. Dr. Ioh. W i s-
licenus berichtet man der „Frkf. Ztg.", das; er sciner
Zeit bis zum zwanzigsten Lebensjahre als G l a i e r -
geselle geartzeitet hatte. Jn ciner VolkÄversammlnng,
§ie vor den Reichstagswahlen 1898 abgehalten wurde,
i-ief ihni während einer Rede ein Älrbeiter höhnisch zn,
was wohl ein Professor mit hohem Gehalt von der Not
des Volkes verstehe. Rasch schritt Wislicenus auf den
Präsidenten dec Dersammlung zu und entsaltete vor ihm
ein G e s e l l e n z e u g n i s! Dann antwortete er dein
Arbeiter: „Was Sie sind, ein Nrbeiter, das war ich auch,
und es hindert Sie nichts, das zu werden, was ich bin:

ein Professor, der auch als solcher arbeitet nnd arbeitcn
muß. Wenn einer begrüßt, daß Sie, die Arbeiter, käm-
psen, nin das zn erreichen, was sie erstreben, so bin ich
es: betämpfen Sie Jhre Gegner, das verstehe ich, mit
Leidenschaft, aber um eines bitte ich Sie, hasscn Sie nicht,
denn der Haß macht blind, also nngerecht!"

— Völpkc, 4 . Dezemiber. EntsetzIiche M i -
nnten durchlcbtc auf dem Schachtneubau „Glückanf"
dsr Maschinenwärter Kiehne. Er kroch, nm eine ktcine
Reparatur vorzunehnien, in di>e Trommel, um die das
große Fövderseil des Schachtes gewickelt ist. Vorher beauf-
tragte er den anderen Wärter, die Förderniaschine unter
keincn Umständen in Bewegung zn setzen, auch dann
nicht, wenn aus dem Schachte ein Signal käme. illach
knrzer Zeit ertönte nun ein Signa-l von untön, und der
Würter töste daraufhin doch die Sicherheit der Seiltrom-
mel. Jm Nu sanste die schwere Förderschale, auf de-r
zwei Wagen standen, nach nnten, die Trommel in iunnev
schnellere Umdrehung versetzend. Kiehne mußte die vie-
len rasenden Umdrehungen im Innern der Trommel mit-
machen, bis diese endlich zmn ^tillstand gelangte. Mehr
tot als leben-dig wnrdc er ans der Trommel gezogen.
Seine Verletznngen sind glucklichermeise nicht gefährlich.
Das donnerartige Getöse der herabstürzenden Fördcr-
schale war derart, daß die im S-chacht arbeiteN'den Lente
meinten, der Schacht stürze zusammen.

— Einc lustige Pferdcflcischcsscii-Konknrrcnz giebt
znr Zeit in Berlin viel Stoff znm Lachen. Anf ein
Flugblatt deS Berliner TierschutzvereinS, in dem der ver-
mehrte Gennß bon Pferdesleisch empfohlen wird, hatte
die „Allgeineine Fleischer-Zeitnng" an die sämtlichen
Mitglieder des Vorstandes dieses VereinS eine Einladnng
zn einem Pferdefleischessen gerichtet, nm zu ermitteln, ob
die Herren nicht bloß anderen das Psierdesleisch empfeh-
len, sondern anch selbst essen. Auf diese Einladung schickte
der GeschäftSleiter deS Berliner Tiers.chutzvereinS eine
Antwort, in der die VorstandSmitgliedcr deni leckeren
Pferdesleischmahl anLznweichen bersnchen. Die Ein-
ladnng wnrde nämlich abgelshnt, indem es so dargestellt
wurde, als läge die Absicht bor, das schlechteste Pfcrde-
fleisch in möglichst unschinackhaster Zubereitnng den Her-
ren borsetzen zu lassen. Um nnn deni Einwand, den d-er
Vorstand in seinem Antlvortschreiben niacht, zn begegncn.
hat in einer erneuten Einlädung die „Allgemeine Flei-
scher-Zeitung" die Znsicherung gegeben, daß der Wirt.
den sie znr Veranstaltnng des Pferdefleischmahls veran-
lassen wird, ansdrücklich verpflichtet wird, Dnrchschnitts-
sleisch, wie es in den Verkaufslokalen der Pferdeschlächter
zn baben ist, anf die Tasel zu bringen, Der Vorstand
des Tierschntzvereins versendet nun an die Zeitnngen ein
Schreiben, in dem „nnentwegt" dem Pferdefleisch das
höchste Lob gespendet wird. „Das Pferdefleisch verdient,
daß nian es euipfiehlt. Wer es, von einem guten Stück
und gnt zubereitet, nicht erprobt hat, kann nicht mit-
reden. Dann heißt es weiter: „Der Berliner Ticrschuh-
verein" will nnn in der nächsten Zeit ein öffentliches nn-
entgeltliches Pferdefleischessen Veranstalten, zn welchem
Eintrittskarten an zahlreiche Vereine gegeben werden
sollen. Jeder Teilnehmer wird verpflichtet werden,
wahrheitsgetreu einen Zettel ausznsüllen, wie ihin das
„Hotte-Hüh" geschmeckt hat."

aller Stille geleistet. Sein Werk ist heute gebranchs-
fertig: es kann jetzt unbedentlich in den Dienst des Nach-
richtenvertehrs gestellt werden nnd wird aller Voraus-

sicht nach der Telephonie auf weite Entfernungen einen
nie geahnten Aufschwnng veilleihen.

5»Snrie Äeikna»t5gabe.

Scine Köniistiche Hohcit der Großberzog har sein von dcm
bekanntecn llarlsrnhcr Maler Propheter geschaffenes Bildnis
äls das beste aller seincr zur Zeit epistierenden Porträts be-
zeichnet. Es nimmt daher nicht wundcr, datz dns nach diesem
Gemälde geschaffene Püotographuren-Kunstblatt, das milätz-
lich des goldencn Regierungs-Jilbilänms des Grotzherzogs ge-
schafsen wurdc, andaucrnd lebhafteste und beste Beachtung in
dcn badischcn Kreiscn findet. Allen unseren Nbonnenten,
welche das Blatt uoch nicht besitzeu, wird die Beschafsung auch
jctzt noch ermüglicht, indem lvir noch eine Anzähl von Exem-
plaren fiir dcn Weihnachtsmarkt erworhen haben, die wir
auch jetzt noch zmn Preise von 3 Mark unseren Abonnenken
zur Vcrfügmig stcllcn. Das imposante Kunstblatt — 95:73
Zcntimeter grotz — bildet in dcr That die schönste Weihnachts-
gnbe für jedes badische Haus; das Original ist, wie auch Seine
Königliche Hoheit der Grotzhcrzog anerkannte, in vortrefflicher
Weise wiedergegebeu. Die VersenduriL; uach auswärts crfolgt
in festcr Papprollc gegcn Einscndung dcs Bctrages von

3,80 Mark.

Kandel und MrLehr.

Manstheim, 8. Dezbr. (Pr o d u kt enb ö r se.) Ver 109 Kllo.
Wnzen bierländ. 18 25 bts 16.50, Rüeinischer 16 25 bis —,
Astma 16— bls 17.75, Theodosia 17 75 bis 18.—. Saxvnske
17.— bis 17,50, Ulka 16.50 bts 17.25, Taganrog 16 5>l bii
17.50, rumänischer 17.— bis 17.50, amerikanische SLinter 11 17.00
bls —, Walla-Walla 17.25 bts Kansqs II neu 17 — bis

—, Kalifornier 17 50 bis —, Kernen 16 75 bis —Raagen
Pfälzer neu 15.— bts , Ruisischsr 14 75 v,s —.— Gerste
hiesiger Gegend 15.80 bis 15.50 Pfälzer 1610 bis 16.75
Futtergerste 12.50 diS . Hafer nadischer 1475 bis 15.25,
Russischee —bis—. Rui. neuer 14.50 bis 15.50, Mais Amerik.
mtxed. —bis —, La Piala 14 25 bis —. Donau
14 25 bls—Koblrsps Deulscher 23 25 bts 23 60, Wicken
21— bis —. Kleesamen deutschec 1 112 biS 116, Deutschec 11
100 bis 108, Luceinc 110 bis 115, Pronence 110.— bis 130.—,
Eioarsette 30 bis 32. Letnöl mik Kah 58.— bis , bei Wag-
gon 55.— bis —, Rübo! mit Fätz 60.00 bis —. Rllböl
bei Waggon 57 50 bis —,—, Petroleum Amerikany 18.20 bis
—.—, bei Waggon 21.60 bis —.—, tn Fässern 22.50 bis
—.—, Russisches 16.40 bis — —, dei Waggon 19 80 bts —,
in Fässern 21.50 bts , 70er Nohsprit 47.00, 90er Roh-
sprit 3150, Rohsprit versteuert 114 50

Wetzenmehl 00 0 1 2 3 4

27.50 25.50 23.50 22 50 20.50 1950

Roggenmehl 00 : 23.50, Ol: 20 50.

Tendenz: Weizen fester. Roggen unverändert. Gerste behauptet.
Hafer preishaliend. Mais fest.

Hcenn-Heleptzonie.

Vor einnsen Jahren, so schreibt der „Berl. Lot.-Anz.",
pinp eine Niachricht dnrch alle Tageszeitlingen, daß ein
mnerrkanis-cher Professor eine nene Methode entdeckt häbe,
nüt deren Hilfe es möglich sei, von Newyork na-ch Berlin
anf einem durch den atlantischen Ozean zn vcrlegenden
Telephonkabel besonderer .Kvnstrnttion in m ündl i ch e n
Geda n k e n a n s ta n s ch zn treten. Man machte recht
unglänbige Gesichter zu dieser Nachricht: selbst Gelehrte
nnd Fachmänner bezeichneten ste alS Hnmbug. Einige,
die etwas genaner geprüft hatten, nannten die SNethode
eine müßige Papiererfindnng, nnd nur wenige drangen
in den Kern der Sache ein. Diese Wenigen hatten recht,
nnd es ist ein erfrenliches Zei-chen, daß au-ch unsere dentsche
Technik die Tragweite der neuen Telephontheorie des
ameritanischen Professors, dessen Namen seiner Zeit die
Oeffentlichkeit bald wieder bergessen hatte, bon vorn-
herein erkannte. Freilich hat es noch einigcr Jahre enr-
siger nnd ernster Arbeit Ledurft, bis die nene Methode
in die Praris eingesührt werden konnte. Professor Pn-
pin, der Begründer Her neuen Theorie, hat diese Arbeit
im Verein mit einigen größeren technischen Jnstitnten in

Berantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montna, sür den
Jnseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelberg.

z M'LLZ». MAL-

g lk»1«olc SS.

N LnijiüsMk MiLWllivsrlis.

aack Aaaaats^as^manA ^'gcks/»-s/»t.


ksrl Xoek,

tI«ivvr8itLt8 - kllvdbittälrrvi lioiiioldrrx.

(slslctr. llrsltostrisb)

^LSolx 83, frübsr 8Lnäga»»e

ksrtlgt »Llv LuoLiLrlnllsr'Li'dsllsn in nnsrl-wvtoi
6ütv miä 8»ubsrllsit.

häupter die Mittel in die Hand, die zur Errichtung vou Block-
hänsern und Stembauten notweridig waren. Die euglischen ^
Kaufleute gewährt-en den „Mürthrern" Kredit, wenn die Mit-
-tel ausgegmrgen waren. Nach und nach wurde auch das Gra-
ben eines Gerneindcürunnens iir Ilngriff genommen, denn der
-Wassermangel in den auftealischen Sommerrnonaten hatte viel
Mühsal für -die Kolonisten im Gefolge. Jn den WintermonatLN,
d. h. znr Regenzert, hatten sie das Wasser allerdings von -den
Höh-en nach einer Grube gclcitct und daraus dcn Bedarf für ihr
Bieh und den Hanshalt entnommen, als dte Gruüe aber ver-
siegt war, mutzten sie das Wasser 20 Meilen wert mrs dem
Murrah-Flusse holen. Erst nachdem alle diese Schwterigkeiten
überstmrden waren, schickten dic deutsch-en Kolonisten Briefe
rrach der alten Heimat, in denen sie die Ergiebigkeit dcs Bo-
dens und ihr frtedliches Leben unter sich und mit den anderen
Farmsrn der Umgegend lvahrheitsgetreu schilderten. Einrge
hatt-en ihren Briefen auch- Geld beigefügt, teils zur Unter-
ftühung armer Verwandten, terls zur Beihrlfe der Auswan-
derungslustigen. Die Folge war, daß vter Wochen nach Er-
halt der Schrerben abermals 70 Personen aus der preutzischen
Lausitz und aus Schlesien über Hamburg nach Australien ab-
.gingeri.

Die preutzische Regierung hatte schon vor d-er Abreise der
-ersten Klenziger Auswanderer einen Kommissar nach der klei-
nen Stadt geschickt, der den AuswaNdernngslustigen die Retse
nach Australien leid machen sollte, nnd sie sandte auch später
einen Beamten dähin, aber alle Vorstellungen blieben vergeblich
und -auf eme gewaltsmne Weise konnten die Leute ntcht zurück-
gehalten werden, da der Zwang durch die Wiener Friedensakte
(1815) ausgehoben worden war.

Auffallend sreundlich >var -dis Haltnng -der englischen Re-
gierung den deutschen Kolontsten gegenüber, sobald sie deren
Tüchtigkeit, Nüchternheit und eisernen Fleitz kennen gelernt
hatte. Mr. Gawler, der damalige Gouvernenr für Äustra-
lien, konntc der Worte des Lobes über sie in seinen Bertchten
an das Londoner Kolonialmimstertum nicht genug finden,
»Gcmz besonders aüer gedachte er stets des Fleitzes und der

Sittsamkeit der deutschen Kolonisten, deun ivährend all der
Zeit !var ive-der ein Zivilprozetz unter ih-nen, noch mit ihren
Nachbarn, uoch vicl iveniger aber ein Kriminalfall zu verhan-
deln gewesen.

-Jnzwischen lan-gten nnn >die bereits erwähnten neuen Zu-
zügler cm, um sich ebenfalls auf den Angasschen Ländereien, in
der Rähe der ersten Kolontsten anzusiedeln. Ein Jahr später,
in welcher Zeit >aber schon andere Einivanderer aus denselben
Gegen-dcn Dentfchlands angekommen.lo-areii, langte der Pfarrer
Fritsch-e, ebenfalls ein Anhänger der altlutherischen Kirche, aus
>dem Dorfe Hahndorf in Preuhisch-Schlesien mit 280 Personen
an. Für diese Masseneinwanderungen waren die Angasschen
Besitznngen zu klein, weshalb sich die Nenankömmlinge an -den
Gouverneur um Ueberweisung von Regierun-gsländereieu wand-
ten'. Sie wurden ihnen bereits einige Tage später zugemessen,
mit der Verpflichtung des Erwerbs in fnnf Jahre-n. Der
Kaufprcis war für den Acker 30 Mark, und >die Ländereien
wurden so ausgelegt, daß sie von zwei Stratzen nach den vier
Himmelsrichtungen durchschnitten lvaren. Bei den Einwan-
derern erhielt die Kolonie den Namen Hahndorf, dessen sie sich
auch heute noch, ivo ihre Einwohnerzähl eine stattliche fünf-
stellige Ziffer erreicht hat, erfreut.

Sehr bald hatte sich die Kunde von -den deutschen Kolo-
nien in Südanstralien auch in -anderen Teilen Deutschlcmds ver-
breitet uud AuswaNderungslustige dähin> gezogeu, aüer nur
wenige schlossen sich der iuzwischen entworfenen Gemeinde- und
Kirchenordnun'g der Altlutheraner an. Der grötzte Teil von
ihnen gab auch sehr bald den Ackerbau auf und wandte sich an-
dercn Geschäften zu, teils in der nahen Hauptstädt der Pro-
vinz (Adelaide), teils in den anderen Kolomen.

Die Angasschen Ländereien zwischen dem Hafen nnd der
Stadt Adelaide waven mit der Zeit den -deutsche» Kolonisten,
nachdem sie erst etlvas erworben hatten, zur Ausbreitung und
Entfaltung eines gröheren Ackcrbaues zu klein. Sie fatzten da-
her in einer Gemeindeversammlung den Beschlutz, die anderen
Ländereien des Angas, die dieser am Tamidaflirß, 70 Mcilen
hinter der Stadt Adelaide, noch besatz, behufs einer neuen An-
siedlung in Augenschein zu nehmen. Kenntnis von deren Frucht-

barkeit hatten sie bereits durch junge Männer, aus der Ge-
meinde erhalten, die sich bei den bsdeutenden Angasschen Schaf^
herden als Schäfer verdungen hatten. Der Bericht der Abord-
nnng zur Bcsichtigung der Ländereien fiel gunstig aus und die
Kolonistcn, namcntlich >die in- Klenzig, säumten nicht, mit derN
Verkause ihrer Besitztümer vorzugeh-eu. Sehr bald hatten
sich auch Einwanderer aus England gefunden, die fast alle Be-
sitzungen, einschlietzlich der errichteten Kirche und Schule, kaufe
ten. Cavel, der erste, d-er d-en Weinbau in Australien ein^
geführt hat, imd >der jetzt die beste Eriverbsquelle der ackerbau-
treibenden Kolonisten ist, trennte sich zwar uiMvn von seineM
Weingarten, aber er ordnete seinen Willen den WünscheN
seiner Gemeinde unter. B-ei den -deutschen Ansiedlern in
Hahndors, wo sich inzivischen auch Cintvanderer ayF dem britE
schen Königreich niedergelassen hatten, war das Streben nach
einem vergrötzerten Ackerbau nicht so wett hervorgetreten, und
nur wentge schlossen sich dem Zuge nach Tramimda an.

Bei der Gründung dieser Kolonie kamen den AnsiedlerN
nicht allein -die erften Erfährungen sehr zu statten, sondern
auch die Mittel, -die sie bereits erworben hatten. Aus diesen
Gründen errichteten sie gleich Wohnhäuser von Holz oder ge^
brannten Steinen. Nach und nach mehrten sich die deutscheö
Ansiedler. Jn der Mitte der dort befindlichen ersten beideN
deutschen Kolonten, Bethanien und Lmigmeil, hatte Angas abe^
so viele Ländereien reservtert, wie zur Anlage einer kleinev
Stadt notwendig waren, und es währte nicht lcmge, so lietzen
sich Kau-flcute und Hmi-dwerker dort nieder und legten deN
Grundstein zu Tamimda. Auch Einwanderer aus dem britsi
schen Königreich siedelten sich in der Nähe der Stadt an, df§
sich von Fahr zu Jahr erheblich Vevgrößerte und jetzt -die beä
>den Stä-dte von Angas Park nn>d Angastow, sowie die frühereN
zehn Dörfer: Bethcmien, Lcmgmeil, Blinnenthal, Hoffnungs^
thal, Lobethal, Grünberg, Lichtpatz u. a. eng umgrenzt oder
einschlietzt. Die Zahl der deutschen Ansiedler in diesen Kolv^
nien betrug bereits im Jahre 1866, also nach etwa 35jähric!öw
Bestehen, mehr als 30 000, dürfte also heute kaum wenig^
denn 45 000 bis 50 000 betragen.
 
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