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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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Seite 4

Nr. 167

Fernsprecher-S.-A. 7351—53. „Heidelberger Reueste Nachrichten" — „Herdelberger Anzeiger"

Mmrtag, 20. Iuli 1936

Rit H8L ins Nlsne.

Ein Berrieböausflug ber Firma N. Z. Landfrieb.

Ettoa 402 Menschen, die an den Tagen der Woche
mit der notwendigen Selbstverständlichkeit eine eisrige
2lrbeitsgemeinschast in der Firma P. 2. Landfried
bilden, hatten sich unter blitzblauem Himmel am Sams-
tag morgen am Bahnhof eingefunden, um in irgend
einer Dichtung in diese Himmelsbläue zu fahren. Llnd
mit dieser Richtung hatte es seine eigene Dewandtnis,
indem sie nämlich auster einigen ganz feierlich Einge-
weihten, kaum jemand kannte und diese Tlnkenntnis mit
all ihren neugierigen Folgen zu einer unglaublichen
Spekulation ausgenuht worden war, bei der Riesenwet-
ten abgeschlossen wurden und die schliehlich in einem
Preisausschreiben ihren Höhepunkt fand. Aber erst von
den Borbereitungen muhte man sich erzählen lassen!
Welche Anstrengung gemacht wurde, um möglichst viel
irreführende Tips zu geben, um allwissende Ärbeits-
kameraden, wie zum Deispiel den „2ulius", abzukonter«
seien für ein nicht mihzuverstehendes Flugblatt oder
ähnliche solcher Scherze. Mit der Eisenbahn — laut
Meldung von amtlicher Seite hatten alle Omnibusse
Plattfühe bekommen — hatte man sich an diesem Tag
besonders angefreundet, wie sich noch herausstellen wird.

Am sehr hübsch geschmückten Sonderzug gab die
mitfahrende SS-Kapell« ein Standkvnzert, bis die
äuherst vergnügte Gssellschaft verladen war, das heiht
in sieben Wagen (Aaucherabteile waren selbstverständ--
lich bevorzugt) sich verteilt hatte. Llnd als sich der Zug
endlich in Bewegung gesetzt hatte und über Mannheim,
Worms nach Aierstein kam, lüsteten sich allmäh-
lich die dichten Schleier des Zielgeheimnisses. Aber es
gab auch einige Enttäuschungen, die es sogar bei einer
„Genasführten" bis zu Tränen kommen lieh. Aber auch
diese muhten versiegen, als der grohe weihe Damp-
fer sichtbar wurde, der sich in der Morgensonne im
glitzernden Rhein spiegelte. Der Sonderzug wurde ab-
geschlossen, und auch die beiden Schafsner wurden vom
Detriebsführer zum Mitkommen eingeladen. Aun be-
gann wohl der allerschönste Teil der ganzen Tages-
fahrt, für die überwiegende Zahl aller Arbeitskamera-
den ein erstmaliges Erlebnis, das nun jeder auf seine
Art auskosten konnte. Die 2ugend huldigte in über-
mütiger Fröhlichkeit dem Gesang und Tanz, andere konn-
ten mit staunenden und freudigen Ausrufen nicht fertig
werden. Aber es gab auch solche, die still in einer Ecte
sahen, und nur ab und zu wieder das Bedürfnis hat-
ten einen der Kameraden auf eine neuentdeckte Schön-
heit der Rheinlandschaft aufmerksam zu machen. Diese
Landschaft hat aber auch immer wieder die Macht, ihre
Desucher zu fesseln und zu begeistern. An den sanft
zum äfer abfallenden Derghängen grüht der berühmte
Wein und die gelben Kvrnfelder, die sich ab und zu
dazwischenschochteln, bilden einen hübschen Kontrast zu
seinem tiefen Grün.

Die Stimmung an Dord steigt: Es ist für alles
gesorgt und auch mit leiblichen Genüssen nicht gespart,
die durch die Gutscheine für eine überaus reichliche Ta-
gesverpflegung gesichert wurden. So zieht Mainz
vorüber, wird das Niederwalddenkmal bewun-
dert und die wechselseitig auftauchenden Durgen des
Rheins werden gegrüht. Auf dem Schiff wird gesun-
gen, die Kapelle spielt Dolkslieder, Rh-einlieder und
Tänzchen steigen schon am Dormittag. Eine besonders
lustige Gesellschaft hat sich auf dem Dvrderdeck ver-
sammelt, wo der „lange Heinrich" seine Witze macht,
sodah fast zu rasch S t. Goar, das Reifeziel, erreicht
ist. 2n den zwei Stunden Aufenthalt ziehen die mei-
sten auf die Durg Rheinfels hinauf, um den herrlichen
Rundblick zu geniehen, den man von hier aus hat. Wie
kleine Spielzeuge sehen die schmucken Dampfschifse aus,
die, mit den verschiedensten Rationalflaggen geschmückt,
keilförmige Linien in das glitzernde Wasser des Stroms
ziehen. Dies verlockt einige zu einem Dad im Rhein,
doch bleibt immer noch Zeit genug, den Rheinwein zu
versuchen und zwar von Kennern in einer kleinen Gast-
stätte, in der, wenn die Wirtsstube nicht ausreicht, sich
die Gäste im ganzen Haus verteilen kvnnen, Detten
und alles als Sitzgelegenheit benützend.

Aus der Rücksahrt werden alle schönen Plätzchen
im Wiedererkennen freudig begrüht, von der Loreley
herunter winkt wirklich eine „Loreleh" und auch mit
vorüberziehenden Schiffen werden Grühe getauscht. Rach
der Preisverteilung im Wettbewerb, wer das
Reiseziel am sichersten geraten hat — Aegina E ck und
2osef Briemle erhielten als ersten und zweiten Preis
zwei schöne Dücher — ist es aber der Tanz, der die
Oberhand gewinnt. Doch vergah man dabei nicht, im-
mer wieder mal nach einer der beiden Seiten auszu«
blicken oder in den Wellenbergen, die hinter unserem
Schiff sich aufwerfen, das Spiel der vielen kleinen Pad-
delbovte zu verfolgen, die sich darin tummeln.

Es macht schliehlich auch nichts mehr aus, dah sich
die Sonne zeitweise verkriecht und die dicken Wolken
mit Sicherhcit ein Gewitter ankündigen. Das alles kann
der Stimmung keinsn Schaden mehr zufügen, 2ung und
Alt tanzt um die Wette, sodah eine Tischnachberin nur
kopfschüttelnd den vorbeitanzenden jungen Stift bestaunt
und sagt: „Kaum isch er uff der Welt, so danzt er )
schunn wie en Alder!"

Wenn nun von all der übermütigen Laune und dem
glücklichen Derlaus des Tages Lie Rede war, so darf
aber nicht vergessen werden, auch an di« vorbildlich«
2dee der ganzen Veranstaltung, sowie an die grohen
Vorarbeiten zu erinnern, für deren gutes Gelingen
dem Gefolgschaftsführer Peters das gröhte Derdienst
zufällt. An diesem Tag wurde etwas geprägt, das
Wirkung haben wird, über seine Grenzen hinaus.

3tvei Festaben-e lm Stadtgatten.

.Wien — Bcrlin" war das Motto zwsier
sröhlicher Abende im Stadtgarten-Casino,
cin Motto, das gerade in diesen Tagen, da wir »och
unter dem Eindruck des freudigeu Ereignisses der
Aussöhnung zwischen Berlin und Wien stehen, beson-
oeren Anklang fand. Unter der künstlerischen Leitung
von Engelbert Milde warcn nicht nur sämtliche
Räume geschmackvoll nach diesem Motto dekoriert,
sondern auch das Programm entsprechend abgestimmt
worden. Jm Kammerbrettl grühten von der einen
Seite als Wahrzeichen Berlins das Brandenburger
Tor, der Funkturm und das Stadtwappen mit dem
schwarzen Bären; die «ndere Seite aber war Wien ge-
widmet und zeigte neben dem Stadtwappen den Ste-
fansturm und das Lebon auf dem Prater. Auch die
andern Räume waren festlich ausgestattet und zwar
derart, datz alte Wiener und Berliuer Stimnmng her-
vorgekehrt wnrde. Die Kapelle Willy Walter spielte
Weisen von Strauß, Lincke, Lanner und Lehar; zur
Hebung der Stimmung trug aber auch sehr viel die
Schrammelmusik bei.

Das Juliprogramm des Kammerbrettl war aus
diesem festlichen Anlaß erweitert nnd besonders auf
dieses Motto abgestimmt worden. Hans Polscher
erwies sich dabei nicht nur als liebenswürdiger und
witziger Ansager, sondern auch als hervorragender Vor-
tragskünstler. Sehr viel Erfolg hatten auch Else Kau
und Berti Leder mit ihren heiteren Vorträgen, die
besonders deshalb so starken Anklang fanden, weil es
die beiden Künstlerinnen verstanden, ihrem Vortrag
eine eigene Note zu geben. Von sehr grotzem Können

zeugten die verschiedenen Tänze von dem Tänzerpaar
Talmadge und Cyril, die Tänze aus Südame-
rika bis zu dem Modetanz im Jahr 1940, eine übcr-
aus lustige Angelegenheit, vorführten und durch den
starken Beifall immer wieder zu Zugaben gezwungen
wurden. Aus einem ganz anderen Gebiet lag dage-
gen die letzte Darbietung des Programms, mit der
Ritjo, der komische Artist und Tanzexzentriker, den
wohlverdienten Beisall aller Desucher erzielte.

Mit diesem Programm waren aber die Ueber-
raschungen der Abende noch nicht zu Ende. Da
gab es die Möglichkeit, sich beim Tanz eine Tafel Scho-
kolade, eine Packung Pralinen usw. gu ergattern oder
gar beim olympischen Hindernistanz oder bei der
Ballonschlacht der glückliche Gewinner einer Flasche
Sekt zu Werden. Mit diesen netten Ueberraschungen,
aber nicht minder durch ihr« Darbietungen, gelang es
don Künstlern leicht, eine heitere und ausgelassene
Stimmung zu erzielen.

Konzert in der Ansstellnng.

Kinderliedcr — Kinderszenen.

Zu einer feinen Musizierstunde hatte sich am Sams-
tag Nachmittag eine zahlreiche Gemeinde im grünen
Saal des Kurpfälzer Museums versammelt. Luise
Lobstein-Wirz und Stephanie Pellisier bo-
ten Kinderlieder und Kinderszenen. Zu Heidelberg
und dem aus dem Kreis der Heidelberger Romantiker
Entstandenen war dieses Musizieren in enge Beziehun-

gen gesetzt. Grötztenteils waren die Liedertexte ebenso
wie die Vorlesung eines Märchens der Sammlung
„Des Knaben Wunderhorn" entnommen. Und auch
die Komponisten stehen mit dem Heidelberg ihrer Zeit
in Verbindung. Luise Lobstein-Wirz wies in emigen
einleitenden Worten auf diese Fäden hin, die von
dem schöpserischen Heidelberg der Romantik ausgehen.
So war das Programm ein geschlossenes Ganzes, die
Lebensnähe der Musik insbesondere geeignet, der
Stunde einen schönen Feiercharakter zu verleihen.

Zweifellos treffen von den Romantikern Weber
und Reinecke den Ton der Kinderlieder am besten.
Echt und tief empfunden, formal fein abgewogen ist
Webers „Wiegenlied", das der Komponist in freier
Wahl von Klavier oder der Zupsgeige begleiten läßt.
Reineckes „Schneewittchen" und „Rataplan" sind
vortrefflich dem Empfindungsleben des Kindes nach-
gefühlt (wenn auch der weite Stimmumfang dabei strit-
tig sein kann). Keiner unter den Modernen (ausge-
nommen vielleicht Joseph Haas) fühlt sich so vollkom-
men in die kindliche Psvche ein, wie Armin Knab.
(Auch ihn verbinden engere Bande mit Heidelberg.)
Seine zum Schlutz gesungenen Kinderlieder gefielen in
der Schtichtheit und doch originellen Haltung. Schu -
mann ist komplizierter in seinem Liedschasfen; er
untermalt vornehm, damit aber wirkt er leicht proble-
matisch. Brahms hält sich an das Volkslied und
an das volkstümliche Lied. Sicher kommt er damit
dem Ausdruck des Kinderlieds näher, als sein Vor-
gänger. Schumanns Klavier-Kinderszenen sind uns zu-
sammen mit den Lehrstückchen ähnlichen Genres des-
selben Meisters heute ein Begrifs geworden. Aus der
musikalischen, insbesondere der klavieristischen Jugend-
erziehung laffen sie sich nicht wegdenken. Umsomehr
freut man sich, sie einmal in meisterlicher Fnterpreta-
tion zu hören, wie Stepbanie Pellissier sie am
Samstag bot. Die Lieder gestaltete Luise Lobstein -
Wirz in feinem, hochkultiviertem Erfassen. Stepha-
nie Pelliffier war ibr einfühlende Begleiterin. Das
Konzert wurdc zu einer schönen Feierstunde für die
Erschienensn. 1-

MirMWiele 19Z8.

Montag, 2V. Juli: „Götz vo« Berlichingen"
Dienstag, 21.Juli: „Götz von Berlichingen"

Beginn jeweils 20.30 Uhr abends.

Die Erstaufführung des „Götz von Berlichingen"
findet heute, Montag, abends 20.30 Uhr statt. Die für
Samstag gelösten Karten behalten ihre Gültigkeit auch
für heute abend.

Die für Montag vorgesehene „Komödie der Jrrun-
gen" fällt aus. Die hierzu gekauften Karten können an
der Kaffe für eine spätere Vorstellung umgetauscht wer-
den.

Die SternschWWe.

Sternschnuppen haftet immer etwas Ge«
heimnisvolles an. Sie dünken uns Menschenkin«
dern wie der Gruh aus einer anderen, fernen Welt, sic
kommen uns wie ein Zeichen vor, das der Himmel
schickt. Es gibt Leute, die sich beim Fallen einer Stern-
schnuppe etwas wünschn und auf die Erfüllung dieses
Wunsches hoffen. Das ist zwar nur ein Aberglaube,
aber es ist ein schöner Aberglaube, schöner als etwa
die Angst vor der Dreizehn oder vor der schwarzen
Katze, die einem nicht über den Weg laufen soll.

Dichter singen von dem Lebensstern des Men-
schen, der mit der Geburt am Himmel aufleuchtet und
wieder vom Himmel fällt, wenn das Leben des Men-
schen auf Erden verlischt. Llnd daran muhte man den-
ken, als man gestern abend im Schlvhhof sah und das
Schicksal der unglücklichen Agnes Dernauer unter
einem in aller Herrlichkeit funkelnden Sternenhimmel
vorbeizog. Denn just in dem Augenblick, als Agnes
ihren letzten, schweren Gang antrat, der ihr den Tvd
in der Donau bringt, löste sich an der Kuppel bes Him-
mels eine Sternschnuppe los und zvg in langer Dahn
über dem Ott-Heinrichsbau hinweg.

Das sind die unwägbaren Stimmungen, die das
Spiel im Schlohhof vermitteln kann —ctt.

—' Sonntag ohne Regen. Das Gewitter vom
Samstagabend, das mit seinem Regen auch die „Götz"-
Aufführung im Schlohhof gestört hatte, brachte gegen-
über den hohen Freitag- und Samstagtemperaturen eine
spürbare Abkühlung. Es hatte aber weiter zur
Folge, bah der Sonntag vhne Regen verliek,
— nach den regenreichen letzten Wochen ein seltener
Fall! Dazu kam eine Fernsicht von solcher Weite,
dah man Haardt, Dogesen, Schwarzwald und Taunus
greifbar nahe liegen sah und dort selbst Einzelberge
und Dorgelände zum Teil genau zu erkennen vermochte.

Waren Eie schon m Verlin?

Man macht es Jhne» möglich!

Drei Tage j« Berlin (vom 24. bis 27. 2uü)
»icht mehr wie 25 Mark, dabci ist Bahnfahrt hin und zu-
rück, Eintrittsgelder zur Ausstellung „Deutschland"
unv zur Besichtigung des „Reichssportfcldcs" und llnter-
tunft eingerechnet.

Auskunft und Anmeldung bei den Ortsgruppen der
Partei — auch für Nichtmitglieder — bis zum 20. Ju»-

Aber man weih, dah das keine guten Wetteraussichten
bedeuten soll, und daher ist es nicht verwunderlich, wenn
wir hören, dah das Wetterglas wieder fällt!

—* Abcndmusik in der Peterskirche. Jnnerhalb der
Reihe der Abendmusiken gcrb es am ^samstag
abend in der Peterskirche Orgelmusik von Bach un0
Mozart. Bruno Penzien (Mannheim) spielte ein-
gangs das A-Moll-Konzert nach Vivaldi von Bach. davn
zwei Orgelchoräle, von denen die triomätzige Faffung von
„Herr Jesu Christ, dich zu uns wend'" besvnüers tiefen
Eindruck hintevläßt. Bachs große Triosonate in G-D»r
ist eines der stärksten und charaktertstischsten Orgelwerke
des Meisters, ausgeprägt in der Musizierfreudigkeit und
Belebtheit. Dann schlossen sich zwei Werke von Mazgrt
an, die F-Moll-Fantasie sür Orgel, das zweifellos profi-
lierteste Orgelstück des Meisters, und zum Aüschlutz dw
von Äheinberger aus Mozarts Kammermusii mit Orgel
zusammengestellte Sonate in C-Dur für zwei Vwlinen,
Baß und Orgel. Ein Kammerorchester unter Lei-
tung von Wolfgang Fortner spielte die Streicherstiin-
men schön abgestuft und präzis. Es war für die zahlrciche
Gemeinde eine erhebende Feierstunde.

—* Was bebeuten die fünf olympischen Ringe?
Das Siunbild der Ringe ist klar verständlich: die sünl
ineinanderverschlungenen Ringe bedeuten die füns
Erdteile, einig in derIdeedesSports.
Die Bedeutung aber, die man landläufig den füus Far-
ben untergelegt hat, — schwarz bedeute Afrika, gelb
Asien, rot Amerika, blau Europa und grün Austra-
lien —, diese Auslegung stimmt nicht. Tatsächlich hat
man die fünf Farben ursprünglich gewählt, weil
sich aus ihnen die Flaggcnfarben aller Nationen zn-
sammenstellen lassen. Alle Nationen der Erde im Geist
des Sports unter einer Fahne geeint, die alle
Fahnen in sich schließt: das ist der Sinn des Olympi-
schen Banners.

Sevorslehende Vemnstallungen.

* Die Autobus G- m. b. H. gibt im beutigen Anzeigen-
teil ihr« Fahrtenfolge für die Woche vom Montag,
den 30., bis Samstag, den 25. Juli, bekannt.

Rlmschau.

Capitol: „Schmslings Sieg — ein deutscher Sieg"
Glorialichtspiele: „Der müde Theodor"
Sammerlichtspiele: „Die drei von der Tankstelle"
Odeonlichtspiele: „Skandal um die Fledermaus"
Schloßlichtspiele: „F. P. 1 antwortet nicht".

Grotzmarkthalle Handschuhshelm.

Marktpreise vom 19. Juli.

Walderdbeeren 74, Kirschen erste Sorte 29 bis 34,
zweite Sorte 14 bis 20, Sauerkirschen 28 bis 32, Io-
hannisbeeren 14 bis 15, Stachelbeeren 13 bis 20, Him-
beeren 27 bis 30, Biruen erste Sorte 18 bis 24, zweite
Sorte 10 bis 16, Aepfel erste Sorte 20 bis 26, zweite
Sorte 10 bis 15, Pflaumen 14 bis 17, Reineclauden
20 bis 24, Mirabellen 24 bis 28, Zimmers Frühzwet-
schen 32, Zwetschen diverse Sorien 28 bis 32, Psirsich
28 bis 37, Aprikoscn A 40 bis 50, B 13 bis 30. Rhabar-
ber unverkäuflich, Kopfsalat lose 4 bis 5, Buschbohnen
8 bis 11, Tomaten 24 bis 27, Schlangengurken 25 bis
27, Endiviensalat 4 bis 5 Pfg. — Stärke Anfuhr, flot-
ter Absatz. Markt geräumt. Es wird nochmals dar->
auf aufmerksam gemacht, daß Pflaumen nicht geschüt«
telt werde-n dürfen. Sie müssen gepflückt werden.

Heulige Verlmer Vorbörse.

Zum Wochenbeginn war der Auftragseingang noch
recht unbedeutend, so daß sich cruch vorbörslich keine grö-
tzeren Umsätze zu entwickeln vermochten. An der freund-
lichen Grundstimmung dürfte sich indessen auch im bevor«
stehenden Verkehr nichts ändern. Am Valutenmarkt er-
rechneten sich Pfunde und Dollar mit 12,48!-- bzw. 2,482
unverändert. Van den Goldvckluten lag der Schweizer
Franken etwas fester.

DvrcmSsichtliche Witterung für Daden, Wiirttemberg
und Hohenzollern bis Dirnstag abend.

Wechselnd bewölkt und zeitweise leichte Rieder-
schläge, «twas wärmer, Winde aus Südwest bis West.


Originsiromsn von Clss Spsrwssssr
(dlnavckruolc vsrbotsn) __

e

Frau Madlene Jürgensen schlief nach dieser un°
ruhvollen Nacht in ihrem pompösen Himmelbett, bis
die Kuckucksuhr im Wohnzimmer neun schnarrte. Die
heiße Morgensonne lag prall aus den seidenen, rosa-
farbenen Stores und tauchtc däs «legante Zimmer
mit den vielen Seidenpolstern in ein ' schwimmendes
Licht. Auf dem grotzen, venezianischen Spiegel blitz-
ten Sonnenfünkchen, sie glitzerten auch ans den vielen
Flaschen und Tosen aus Silber und Kristall.

Die Oberförsterin stand im scidenen Schlafanzug
über den Waschtisch gebeugt und drückte ein paarmal
den großen Schwamm voll kalten Wasser auf Gesicht
und Äacken aus. Dann bürstete sie das dichte, kupser-
braune Haar und prüfte vor dem kostbaren Spiegel
lange und sorgfältig ihr schmales Gesicht. Sie mas-
sierte leicht ein paar Fältchen in den Augenwinkeln,
legte Hautcreme und Puder auf und zerstäubte ihr
schweres Parfüm auf Haar und Nacken. Nun verließ
sie zögernd und widerwillig das prunkvolle Zimmer
und ging über den kühlcn, dämmrigen Flur zum
Speisezimmer hinüber.

Dort saß der Oberförster hinter seiner geöffneten
Aeitung am Frühstückstisch und rauchte. Sei-ne Tasse
stand noch unberührt. Das ganze, nüchterne Zimmer
roch nach frischem, starkem Böhnenkasfee, und um das
Honigglas summlen die Bienen.

Madlene Jürgensen setzte sich still aus ihren Platz
und goß die Tassen voll. Sie teille ein frisches Weiß-
brot über ihrem Teller und versah sich mit Butter und
Rauchschinken. Vom Hof herein kam das Gackern der
Hühner, das gereizte Schnatter-n der Gänse. Und im
Stall brüllte dumpf und träge eine Kuh.

Die Uhr schlug halb zehn. Der Oberförster ließ
kopfschüttelnd die Zeitung stnken und sagte: „Wo nur
Lene bleibt!"

„Lene?" Mit meisterhaft gespieltem Erstaunen sah
sie ihm in die Augen: „Die ist doch gefahren mit dem
Frühzug!"

Der Oberförster lächelte kurz und hell: „Nein...
sie ist dageblieben! Sie hat sich gestern auf dem Heim-
weg verlobt!"

Madleme Jürgensen sah einen Augenblick ver-
loren in sein weiches, gütiges Gesicht. So batte er
damals ausgesehen, als er sie zum Standesamt holte.
Und plötzlich überwältigte sie eine gräßliche Feigheit
vor ihrer eigenen Tat. Sie nahm ihre ganze Kraft
zusammen nnd sagte so unbefangen wie möglich:
„Dann weitzt du es beffer! Jch häb sie heute mörgen
selbst zum Wagen begleitet!"

Der Oberförster wuchs laugsam von seinem Siuhl
cmpor und starrte aus sie nieder. Auch die Frau erhob
sich und suchte mit flirrenden Augen diesem bohren-
den Blick standzuhalten... Todfeindschaft lag in der
kurzen, atemlosen Stille zwischen den beiden. Dann
ging der Mann schwer und langsam zur Türe.

Er stieg in lähmender Müdigkeit die knarrende
Treppe kiinauf und betrat das Tochterzimmer mit den
hellen Mullgardmen und den weitzen Lackmöbeln.
Durch das weitoffene Fenster brach die Sonne herein.
Das Ko-fkiiseu läg am Boden. Die Tischdecke war

verschoben und die Schranktüren standen weit offen.
Hier hatte jemand in kopfloser Hast die Flucht ergrif-
fen... die Flucht vor dem Glauben und der angst-
vollen Sorge eines treuen Vaters.

Peter Jürgensen stieg still wieder die Treppe hin-
ab. Hinter seiner Stirn drückte bleischwer das dumpfe
Gehirn. Einen Augenblick schienen die Wände im
Flur zu wanken. Schritt für Schritt stampfte er vor
sich bin bis zu seinem Schreibzimmer.

Dort erhob sich von der Bank neben Ler Türe dcr
Bauer Steffen und sagte: „Entschuldigens... Herr
Obersörster... aber die Magd hat gesagt, ich könnt
hier auf Sie warten!"

Peter Jürgensen sah ihm mit leerem Blick ins Ge-
sicht imd sragte: „Was wollsn Sie denn von mir?"

Der Vauer drehte den Hut in den HLnden: „Ich
braucht halt schnellstens acht Ster Bauholz für einen
neuen Stall!"

Peter Iürgensen starrte an der Stirn des Bauern
vorbei und hörte verwundert sein« eigene, glsichgültige
Stimms: „Ich kann Ihnen jeht unmöglich acht Ster
Bauholz geben! Wir haben den grotzen Auftrag, Schwel-
lenholz für die Bahn auszuführen. Auch mutz die Pa-
pierfabrik beliefert werden . .

„Ia . . . aber was mach ich denn da . . . Herr Ober-
förster?"

Und wieder hörte Peter Iürgensen verwundert
seine eigene Stimme: „Gehn Sie zum Forstbezirk Leb-
stätt . . . dort sind meines Wiffens vom letzten Kabl-
schlag noch zehn Ster übrig . .

„So . . . na, da wünsch ich recht guten Morgen-..
und schönsten Dank auch ... Herr Oberförster..

Peter Iürgensen stand auf demselben Fleck und be-
trachtete tieffinnig die Tür, durch die der Vauer gegan-
aen war. Wollte denn dieser entsehliche Druck nicht önd-
lich von seinem Gehirn weichsn? Cr ging bis zum Fen-
ster, stützte den Kopf in die Hände und betrachtete stumpf
und unbewsglich den balzenden Auerhahn an der Wand.

So fand ihn Frih Berthold.

Dsr Oberförster drehte schwerfällig den Kops und
nickte in das totsnblaffe, junge Männergesicht. „Du hast
wohl schon mit meiner Frau gesprochen?"

„Ia . . . aber ich glaubs nicht. . . so kann man
Lene nicht vsrhöhnen . . . das ist ganz unmöglich!"

Peter Iürgensen legte seine schweren Hände auf die
Schultern dss verstörten Iünglings: „Komödianten-
blut. . . lieber Fritz ... bci denen ist alles möglich.
Schlag sie dir aus dem Kopf. . . es hat keinen Zweck
mehr . . . an dieser Che wärst du so zugrund gegangen
wie ich an der meinen . . ."

*

An diesem Morgen sagte der Amtsgerichtsrat, tlsf-
crschüttert von dem Crnst der Stunde: „Ie länger ich
Sie kennc . . . Dorothea . . . desto schwerer trage ich an
der Cinsamkeit meines Hauses. Meine Frau liegt seit
acht Iahren drautzsn in der Familiengruft . . . die Käthe
ift flügge und geht ihre eignen Wege. Run kommt das
Älter und das grotze Alleinsein . . . wenn Sie mir nicht
helfen!"

Die Lehrerin Dorothea Heinrich satz auf dem alt-
modischen Sosa hinter dem runden Tisch rmd jah mit

heitzen Augen ins Lcere. Das Zimmer war voll Mor-
gensonne. Auf den schlichten Tannenholzmöbeln lagen
handgearbeitete Decksn. Aus Seffel und Sofa verteilt
waren schöne, buntgestickte Kiffen, und der ganze Raum
mit den srischen Gardinen und den roten Geranien auf
dem breiten Fensterbrett verriet die sorgfältig waltende
Frauenhand. Die Lehrerin sagte leise vor stch hin:
„Ich habe das, »vas der Vürger eine Vergangcnheit
nennt . . . Herr Amtsgerichtsrat!"

„Cin jeder Mensch ist Herr über sich selbst und setn
Leben . . . Dorothea . . . so lang er sich nicht einem
andern zu eigen gibt!"

Schweigen. Die llhr unter dem Glassturz auf der
gebrauchten Kommode schlug hell und dünn die zehnte
Stunde. Dorothea Heinrich lictz fie ausklingen, dann
sah sie mit ernsten, gütigen Augen in das Gesicht des
Mannes: „Ich hab mal einen lieb gehabt bis zum Ver-
brechen . . . über jedes Begreifen und jeden gesundcn
Menschenverstand. Cr ist über mich hinwcggeoängen zu
einer andern. Mein Leben ist damals aus allen Fugen
geriffen!"

„Ich habe davon gehörtl" sagte der Amtsgerichtsrat
behutsam: „Cs geht mich nichts an. . . aber es tut
mir weh . . . Dorothea!"

„Auch wenn es weh tut. . . mutz ichs in dicser
Stunde sagen! Cs mirtz in meinem Leben immer alles
ganz klar und sauber sem . . . sonst kann ich nicht
ätmen!"

Cr streichelte leise ihre Händs: „Am dieser inne-
ren Sauberkeit willen hab ich Sie liebgewonnen..."

Sie atmete zitternd aus: „Ich kann nur immer ganz
hingehören . . . ich kann nur aus tiefster Seele treu scin
. . . und mutz diesslbe Hingabe von dem einpfangen, den
ich liebe! llntreue geht über mein Begrifssvermögen
. . . Verrat an der Liebe ist das schwerste Leid, das mich
treffen kann!"

„Jch habe das schon bei unserem ersten Sehen ge-
fühlt... Dorothea!"

Dora Heinrich sah mit weitem Blick über die
Geranien hinweg in den blauen Himmel: „Jch bm
sehr einsam! Das einzige, was mich nie verlassen
hat... was mir immer treu geblieben und mich im-
mer gesegnet hat, war die Arbeit. Sie allein hat mich
gehalten, daß ich nicht verzweiselt bin..."

„Jch weitz... Liebste... ich weitz! Alles, was
Sie mir sagen, weitz ich immer schon voraus!"

Eine sremde Weichheit löste ihr straffes, ernstes
Gesicht: „Daz also biu ich... und das ist mein Le-
ben. Jch habe die jubelnde Glückszuverstcht über die-
ser unglückseligen Leidenschaft verloren... und mein
Herz ist scheu und still. Haben Sie den Mut... Herr
Amtsgerichtsrat, auf einer solchen Grundlage etwas
Neues aufzubauen? Glauben Sie, daß ich für Sie
Erfiillung sein kann?"

Da drückte er seine Stirn aus ihre schönen, fest-
geformten Hände: „Es ist mcin fester Glaube, licbste
Frau!"

Frau Pastor Berthold ging rastlos auf der Kante
des Salontepptchs auf und nieder und sagte: „Seit
drei Tagen irrt er im Wald herum... seit zwei Näch-
ten ist setn Bett unberührt... kein einzigesmal ist er
zum Essen dagewesen... Mein Gott... mein Gott...,
was sollen wir tun?"

Käthe Müller stand neben der Türe und schwieg.
Der Pastor lehnte am Fenster und starrte über den
Garten hinweg znm Wuldrand hmüber: .Ausbren-

nen lassen, Tilde... schweigen und ausbrennen last
sen... das braucht seine Zeit!"

Die Pastorin tupfte sich zwei Tränen aus den
Augenwiukeln: „Heute morgen hab ich ihn endlich er-
wischt. Er saß im Erlengrund auf einem Baum«
stumpf und sah den Ameisen zu. Wie hab ich ihm zu-
geredet, daß er nach Haus kommt! Er küßte mir die
Hand und lächelte mit verzweifelten Augen. Dann
ließ er mich stehen."

Käthe Müller zerrte nervös an ihrem Taschentuch.
Der Pastor stellte die lange Ps-ise, die längst aus-
gegangen war, aus der Hand und sagte kopfschüttelud:
„Es war töricht von dir, ibm nachzulaufcn. MaN
kann in solchen Dingen nicht leise genug sein!"

„Sie haben mich rufen laffen... Frau Pastor.
fragte Käthe Müller: „Was kann ich für Sie tun?"

Die Pastorin legte den Arm um ihre Schulter und
sagte mit strömenden Tränen: „Du sollst uns bel-
se>n... Kind! Du liebst ihn... ich weitz es schoN
lang! Und hier kann nur die Liebe helfen!"

Auf dcm blassen Gesicht des Mädcheus brannten
zwei kreisrunde Fleckchen: „Er verachtet meinc
Liebe... Frau Pastor!"

„Hab Geduld mit ihm... Käthe!" schluchzte die
Frau Pastor.

Die Lippen des Mädchens zitterten leise: „Es
geht über meine Kraft... mich fiir meine Liebe ver-
achten zu lassen!"

„Die Liebe trägt alles ... Käthe ... sie duldet
alles ... die Liebe kcmn Berge versetzeu ..."

Es war ein paar Augenblicke ganz still. D«r
Pastor slarrte zum Waldrand hinüber... die Pastorin
drückte das Taschentuch an die Augen.

Da sagte Käthe Müller tief atmend: „Mein Vn-
ter wird heiraten... und ich bin da vorläusig iw
Weg. Jch getze auf zwei Semester Kunstgeschichic narh
Jena und wohne bei meiner Grotzmutter!"

Die Pastorin hob ihr verweintes Gesicht: „Abcr
Kind... da bist du ja in seincr nächsten Nähe... rr
macht sein praktisches Jahr an der Klinik..."

„Jch weiß es ... Frau Pastor! Ursprünglich wollt
ich grad deswegen nach Heidelberg zu meiner Tantc
Rittmeister!"

Pastor Berthold wandte sich vom Fenster ab, war
mit zwei Schritten bei dern Mädchen und reichte ibr
die Hand: „Meine Frau hat ganz recht... kleinr
Käthe..., die Liebe kann Berge versetzen!"

*

Als an diesem Tag dic kupferrote Abendsonne in
schrägen Strahlen über der Waldschneise stand, tra!
der Sanitätsrat auf Fritz: „Hier wird gebliebe-n.
Der alte Mediziner hielt ihn am Aermel fest: -D»
machst mir den Eindruck, mein Sohu, als möchtest?
schleunigst wieder seitwärts in die Büsche verschww
den. Das ist nicht edel von dir... zumal ich dir
Diphtherie... na du weitzt schon... Ich gedenke nan
lich jetzt mit dir ein wenig zu lustwandeln!"

Fritz Berthold antwortete nicht. Sein Gesickst w»
hager geworden in diesen drei Tagen, seine Aristc
lider waren gerötet. Die Fäuste in den Rocktascpc '
stampfte er mit gesenktem Nacken den Weg entlang-

(Fortsetzung folgt-1
 
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