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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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Heidelberger

Reueste Nackrickten

ezugsprejMonalUch 2.A» Rm. (einschl. 27 Rpig. TrLgerlobn»

m°n»^ l-w Rm --inlchl. Trüg'erlL. B°i d?n ÄbhE-ll-n
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Mittwoch, 25. November

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Zweigstelle: Häspelgafse 1.

1936

EmjetriiUche SAndjiistiz.

Moskauer Wlcnkungsmanöver.

Erivani^ Derhaftungswelle in Sowjetrußland ist, wie zu
geli eine Schreckenswelle umgeschlagen: Cs ha-

Dluturteile. wobei es Moskau nichts
mit dicsen Vluturtcilcn die Cmpö-
ver gesittetcn Menschheit hervorruft.
Eutsa^^""^^uzcffe und Schreckensurteile haben fast selbst-
>vciff,6ew>ffe Versahren herausgebildet, aus dem sich je-
^iLtee,Ä"oßcn läßt, wie groß das Durcheinander in
"'uß. In Novosibirsk hat der „Ge-
Eeit vi > dcn Prozeß unter Ausschluß der Oefsentlich-
wobei als lächerliche Begründung auf
se„ "ugeblichen „Hochverrat" der Angeklagtcn hingcwie-
ll>ng d'iur einige Bruchstücke aus der Verhand-

^ruijww der Ocffcntlichkeit zugänglich gemacht wordcn,
^Ner on - uber, die dartun, daß in Räierußland mit
bere» A>llkür verfahren wird, wie sie in keinem an-
Cch. ^nnd der Crde möglich ist. Moskau braucht
N»,^ " p r o z e s s e, Moskau braucht Bluturteile,
^estv» - "lksmaflen einzuredcn, es stünde alles zum
Bers? >n Räterußland, wenn nichi die Trohkisten, die
2stiteriis,^^^ ""b die Hochverräter wären. Wcnn es in
ei-p^ upland eine Hungersnot gibt, wsnn Millionen
svrn^^uprunde gehen, so muß ein Schauprozsß dasür
^kaatsr -^ß dis Hungersnot von Verschwörern und
eg s^bsemden angezettelt worden ist. Das wird, wenn
Anqgjs »>uß, im Schauprozeh durch Geständniffe der
bewiesen, qerads so wie es diesmal auch in
^birsk geschehcn ist.

>ve>,»?^ Geständnisse in Räterußland zusam-
dgz <"?»en ist so ziemlich bekaunt, denn das Versahren,
viein D'ei beobachtet wird, ist so abscheulich und ge-
allen'-e^ i'ch nur ein Volschewist ausdenken kann. Itt
aufg.,^chauprozeffcn, die bishsr in Moskau oder sonstwo
sest^.ogen worden sind, sind die Geständniffe so wohl-
dielk^ Vrombeeren >m warmen Herbst. Angeklagie, die
dgb.."r vor vierzehn Tagcn noch nicht einmal ivußten,
^iirdön lemals in emem Schauprozeß eitte Rolle spielen
i>vr tzs-' legen Gestündniffe über Dinge ab, von denen sie
hatttzp^^ehn Tagen auch nicht die alleraeringste Ahnung
daran' Wie barbarisch das Verfahren ist, geht vor allcm
8eu ^.pervor, daß in dem berüchtigten Schauprozeß ge-
Siest " o w s e w und Kamenew Geständniffc er-
aii/rUrdcn, in denen sich die Angeklagten bezichtigtcn.

3krsu^^erheitsbcamtcn angehen, sondern nur noch den
lLßt Wie es m Nowosibirsk gehalten worden ist,
Prozlpv nur auf Grund der Tatsachs crmitteln, daß der
eigentlich in wenigen Stunden zu Cnde ging. Die
daß unvnisse" müffen also schon vorgelegen häben, so

sLll^bem Gerichtshos n»r übrig blieb, 'ein Urteil zu
^ass^ Moskau brauchte ein solches Arteil, um den

Agn' ^oskau brauchte

vorschwindeln zu können, daß wicder einmal dis
»ErfosH am Werk gcwesen seien, um die glänzendett
^and- " ber räteruffischen Innen- und Außcnpolitik zu-
. zu machen. ^

knh^ >ese dummdreiste Formel spiclt tatsächlich in Räte-
schitz- uo eine wichtige Rolle. Zugegeben, däß vieles
Di v ^/^angen ist, daß insbesondere die Politik
Mt. in Spanien einen Fehlschlag erlittcn

M'rgOthne Moskau und die Komintern hätte es keinen
,a»de ^"'^8 in Spanien gegeben, wäre es der Räubcr-
!o Ui» Caballero auch nicht entfernt eingefallen, auf
DloZ-P^ 3eit irgend welchen Widerstand zu leistcn.
Und q?u hat von Veginn an für die Zufuhr von Waffen
,aZ »spuition gesorgt, wie es auch Moskau war und ist,
ttndcE egor und Flugzeuge, das Truppen und Geschütze
Aäubörf,"^ troh diescr „Nichteinmischung" die rote
Uch M oande immer mohr in Vedrängnis geriet, nahm
Cnrytz 0"kau heraus, im Nichteinmischungsausschuß ganz
u>Urdo? ^um Vesten zu halten, Cngland und Frankreich
8als^?ufgefordert, durch eine Vlockade Portu-
-2i«l ^°>e Nationalisten zu schädigen, obschon das wahre
kechg.,^>er Fordexung ein ganz anderes war. Moskau
^stlicki oumit, daß eine Blockade Portugals und der

4 Ulich. ""»II-, vun e-iie <PIVIIIIIN: ^IVIIII^III» IIIII- ve,

^UsZbn Häfen Spaniens unter Amständcn zu einem
^Unte enstoß mit anderen Mächten führen

kö>

f^tiovÄ? müßte, die den Freiheitskrieg der spanischen
. Udb-t. I.ten anders sehcn als die demokratischen Ge-
^^ichtp >n Westeuropa. Als Moskau dies Ziel nicht
sUsr sg,,' uls im Gegenteil der rotcn Räuberbande im-
ÄIi de >er ging, äls troh aller Lügen und Schwinde-
- ierum Ȋteruffischen Sender auch die Volksmaffen in
?Ndtz, "Nia„d stutzig wurden, blieb wieder einmal nichts
^chq^ ubrig als die öffentliche Meinung auf einen
?»r o p iozcß zu lcnken. Trohkisten laffcn sich ja im-
Zvcho^ Uustcn, wenn auch noch einige Verschwörer und
<P°lot hinzukommcn, die vielleicht Stalin und

so ist ein

ii Uuimr- w nach dem Leben getrachtet haben,

M »Utium von Anklagen vorhanden, wie es sclbst
^Usch U'hafte Hirn der Insaffen des Kreml nicht beffer
d, V> Eann.

r. Ua^.Uie Auszüge aus der Moskauer Prefle kennt,
m^8 wsOo» Arteilsfällung auf die räteruffische Bevölke-

di-A^iaffen wurden, hat eine Vorstellung davon,
d-Uil -^arbarei von Nowosibirsk innerpolitisch für dsn
xUß i» (^utet. Cs kann dort nicht verheimlicht werdcn,
aA. dio ä?anien alles schief geht, denn ginge es gut, wä-
i.vMsa id>araussagen einigermaßen zuvcrlüffig, dann
hA. ^iamtliche Nationalisten schon ins Meer 'geworfen
er ^ichö« t.deffcn wird auch Moskau nicht mehr vcr-

s. °ber^-u. können, daß Madrid von den Nationalisten
mU», tz?>rd, wie es Moskau auch nicht verheimlichcn

„at s>ch in Katalonien bestimmt kcin Näte-

, N t ^ chten läßt. Dazu kommt die grauenhaste Miß -

>m Inland, dazu kommt der Rückgang des
svAbeu, ?"°ols, ^uzu kommt die Not an allen Ccken und
die.-^u'de?u Uer Fünfjahrespläne, troh der lächerlichen
A?-?uden Litwinow in Gcnf. Anunterbrochen hat
d? >N ÄsUtzcnministcr" alle Hebel in Vewegung geseht,
»UN- >b , Ueuropa eincn Krieg hervorzurufen, allcs
„Vvchen '«^koskau Gelegcnheit zu geben, der räte-
H ^euölkerung weitcr vorzuschwindeln, die

1,-U e „ >»tion" sei im besten Gang. Im Fernen
de» n'-wo Moskau sein teuflischcs Spicl jahrclang ge-
kvb Äid ^t sich auch eine unbezwingbare Mauer
«b- - r>°"standes gegen den Volschewismus er-

^ »54 1 s» »111^» ^»/-5/4>s1»«-il

eZ g?,,^uropa ist das zwar auch zum Teil geschehen,
ui-sPU V!ii-^u>uier noch westliche Hauptstädte, die, weil
.tzeiw^.^wismus und scine Nutzanwendung noch
dx?. iibex?80nd kennen, es für möglich halien, mit Mos-
di- »deld b Schicksal Curopas und anderer Crdteile zu
t>w,?bnriir,'>.. ^us Schreckensurteil von Nowosibirsk hat
yljh, uvigo Varbarei des Sowjetsystems aufs Neue

ded-Aus

'«lü- ,4.

lun? sa n -' ulle Kulturvölker sich in ge.
'iz mi ? Protest vcreinigen gegen einc Vlut-
o ße heute in Sowjeirußland möglich ist.

DeuWe ln övwjetrußlanb vogelftet?

Weitere RetchödeuWe von der GM verhaftet.

Neiie ßerMssordeniiig m IeMlM.

Drei Wochen Haft ohnc Verhör.

Moskau, 24. Novembsr. Nach einer Miiteilung des
Außcnkommisiariats in Charkow sind am 21. d. Mts.
drei weitere Reichsangehörige verhaftet
worden, nämlich Monteur Friedrich Vösherz der
Zschocka-Werke in Kaiserslautern, Reinhold Schind-
ler aus Iena, beide in Mariupol, und Hermann
Stammer, Elektromonteur, gebürtig und wohnhaft in
Charkow.

Der ehemalige Kriegsgefangene, Vetriebsleiter Hein-
rich Schäfer aus Tschumysch (Kasakstan) wurde am
2l. Oktober aus seiner Arbeitsstelle bei Frunse ohne An-
gabe eines Grundes vcrhastet. Cr bcfindet sich in
Semipalaiinsk und war am 11. November noch nicht ver-
hört. Wie verlautet, wird er der „Konterrevolution zu-
gunsten Deutschlands" beschuldigt.

Die deutsche Votschast in Moskau ist bemüht, die
FSlle auszuklären.

.StUm im Krml.'

Radikalisten sordern Tod Sticklings.

London. 24. Novemöer. Der „Daily Cxpreß" ver-
öfsentlicht in großer Aufmachung unter der Ucberschrift

Der deutsche Bcrgingenieur Stickling,

der in Nowosibirsk zum Tod vernrteilt wurde.

(Scherl Bilderdienst, K.)

„Spaltung der Chefs Stalins über das Schicksal des
Deutschsn. — Sturm im Kreml" eine Meldung seines
Berichterstatters in Warschau. Darin heißt es: „Dik-
tator Stalin berief heute nachmittag eine Son-
dersihung der Sowjetregierung in den Kreml, um
die durch die Verkündung des Todesurteils gegen den
deutschen Ingenieur Stickling geschaffenen Lags zu
besprechen. Die Sowjetführer spaltsten sich in zwei
Gruppen, eine zugunsten einer Begnadigung, die
anders zugunsten der Hinrichtung. Die Vegnadi-
gungsgruppe bestand aus Veamten des Außenkommiffa-
riats und Gemäßigten, die durch Verlins heftige Aus-
brüche beunruhigt sind.

Die Vefürworter der Hinrichtung, bestehend aus ra-
dikalen Kommunisten, forderten, daß das Arteil voll-
streckt werde. Sie behaupteten, daß es der Wille des

Sowjetvolkes (!) sei, datz „der faschrstische Hund" Stick-
ling sterben solle und verwiesen auf Hunderte von
Telegrammcn örtlicher kommunistischer Parteigruppen
aus dcr Sowjetunion, die den Tod verlangten. Sie
sehien sich mit Verblcndung über die Befürchtunqen der
außenpolitischen Sachvcrständigen hinweg, daß Deutsch-
land eine kraftvolle Aktion unternehmen könne
und drängten Stalin, ein Veispiel zu statuieren, um
den Terrorismus in der Sowjetunion ausrurotten.

Cine Stunde vor der stürmiscken Sibung sprach
Graf von derSchulenburgin Moskau noch
einmal im Außenamt vor und verlangte dringend, daß
eine günstige Antwort auf seinen Schritt zur
Begnadigung so bald wie möglich gegeben werde. Der
Stellvertretende Außenkommiffar Krestinski sagte
dem Votschafter, daß bis nach Stalins Ratssihung keine
Antwort qegeben werden könne.

Zu spüter Nachtstunds wartete Botschafter Graf
Schulenburg noch immer."

Gkstiiadnisse diirch Folter.

Auch deutsche Marxisten werden an die Wand gestellt.

Berlin, 24. November. Wis sich nach einer Bochumer
Mitteilung herausstellt, stammt der in Nowosibirsk
von einem Sowjetgericht in einem Theaterprozeß zum
Tod verurteilte deutsche Vergingenieur Cmil Stick-
ling aus Wanne-Cickel bei Bochum. Stickling ist der
Sohn eines Schachimeisters und hat seine Laufbahn
selbst als Grubenarbeiter begonnen. Cr hat am Welt-
krieg teilgenommen und galt in der gesamien Nachkriegs-
zeit als Marxist. Im Iahr 1929 wurde er von einer
deutschen Firma für einen großen Auftrag in Sowjet-
rußland angeworben. Cr ging als marxistischer Arbeiter
nach Sowjetrutzland, um die Leistungen des Bol-
schewismus kennen zu lernen. Als der Auftrag sei-
ner Firma beendet war, trat er, wie Verwandie Stick-
lings mitteilen, notgsdrungen in den Dienst einer sow-
jetruffischen Firma, da er sich inzwischen in Sowjctruß-
land erneut verheiratet hatte, seiner Frau abcr,
dis nach sowjetruffischem Gesetz Sowjetbürgerin bleibt,
die Ausreise aus SowjetrUßland nicht möglich
war. Siickling ist, wie so vjele deutsche Arbeiter, die mii
großen Hofftiungen nach Sowjetrußland gingen und dort
vielleicht ihrer grenzenlosen Cnttäuschung Ausdruck
gaben, ein Opfer der sowjetrussischen Rache-
justiz geworden. Cr wurde in unmenschlichster Weise
gequält und gefoltert, und es wurde von ihm
schließlich ein sogenanntes Geständnis erpretzi,
wie man es bei allen bisherigen sowjetruffischen Schau-

prozeflen nachgerade gewohnt ist. Cs kann festgestellt
werden, daß über Stickling seit seiner Auswanderung
nach Sowjetrußland bei deutschen Stellen nicht das Ge-
ringste mehr bekannt geworden ist.

Dsr Fall Stickling ist ein erneuter Beweis
dafür, daß auch deutsche Marxisten vor dem Haß der
Sowjetmachthaber nicht sicher sind, und ihnen im Land
der Bolschewisten das gleiche Schicksal blüht' wie allen
Deutschen.

Obwohl Stickling Marxist war, hat stch die
Reichsregierung irohdem mit aller Krajt seines Schick-
sals angenommen, denn es spielt für das nationalsozia--
listifche Deutschland keine Rolle, wslche Weltanschauung
der deutsche Volksgenoffe im Ausland früher vertreten
hat. Die deutsche Volksgemeinschaft als Schicksals-
gemeinschaft nimmt sich selbstverständlich jedes deut-
schen Volksgenoffen und Reichsangehörigen an, dem im
Ausland Anrecht widerfährt. Ieder deutsche Reichs-
angehörige ist auch im Ausland des Schutzes der deut-
schen Volksgemeinschaft sicher. Cs ist eins Frags der
Chrs derdeutschenNation, keinen Angehörigen
dieses Volkes jemals preiszugeben. Die bolschewistischen
Zicle, die von den Machthabern im Kreml mit dem Pro-
zeß gegen den Zngenieur Stickling verfolgt werden, stnd
jedem Denkenden klar. Daher wendet sich die deutsche
Reichsrcgierung mit Nachdruck gegen ein osfensichtliches
TheaterverfaHren, das, durchsichtig in seiner Llbsicht, nicht
den Ingenieur Stickling, sondern den Deutschen in
ihm trefsen soll.

Mnblsmriitrr erWt drn Frtebens-Robrlprrls!

Ser Llnkövazifift Karl »»>> SfsikW vrämilert. - Elne unerherte SemnSsorverung SeutMandS.

Oslo, 24. November. Das Nobel-Preis-Komitee
des Norwegischen Storthing hat de» Friedens-
Nobel-Preis sür 1935 Karl v. Ossietzky zu-
geteilt. Den Friedens-Nobel-Preis sür 1936 hat der
argentinische Außenminister Carlos Saavsdra Lamas
erhalten.

'*

Mit Karl v. Ossiehky ist der Friedens-Robel-
Preis zum erstenmal an einen von dem höchsten Gericht
seiner Heimat verurteilten Landesverräter gesal-
len. Karl v. Offiehky wurde am 23. November 1931, also
in der Zeit der Novemberrepublik, vom Vicrten Straf-
senat des Reichsgerichts in Leipzig wegen Landes-
verrats zu einer Strafe von anderthalb Iah-
ren Gesängnis verurteilt. Er hat diese Strafe im
Mai 1932 angetrcten. Cin Gnadengesuch an den Reichs-
präsidenten, Generalfeldmarschall v. Hindenburg, wurde
von diesem abgelchnt. Offichky ist Weihnachten 1932 aus
Grund einer allgemeinen Amnestie in Freiheit gesetzt
worden. In Gcgensah zum Sowjetstaat, der jeden poli-
tischen Gegner an die Wand stellen läßt, hat sich das
nationalsozialistische Deutschland daraus beschränkt,
Offiehky am 28. Februar 1933 in Sicherheitsverwahrung
nehmen zu laffen. Ofliehky ist vor längerer Zeii aus die-
ser Haft entlassen worden und befindet sich in Freiheit.

Die Verleihung des Nobel-Preises an einen noto-
rischen Landesverräter ist eine derart unverschämte Her-
aussorderung und Veleidigung des neuen
Dcuischland, daß daraus eine entsprechend deutliche
Antwort erfolgen wird.

Aus den bisher vorliegenden ausländischen Preffe-
stimmen geht hervor, daß weite Kreise des Ausiandes
die unerhörte Fehlentscheidung vonOslo
schars ablehnen »nv p(g Cntrüstung, die ganz
Deutschland über diese Provokation empfindet, durchaus
teilen.

Notels SM lelivt EntscheidvN ad.

„Nichts könnte mehr dem Wunsch Alfred Robels
zuwiderlaufen!"

Stockholm, 24. November. Der sonderbare Cnt-
schluß des Osloer Nobelkomitees hat in weiten Krei-
sen des schwedischen Volkes starkes Vesremden her-
vorgerufen.

Der Llteste Nachkomme des Preisstifters, Ingenieur
Lüdwig Nobel, hat im „Aftonbladet" eine Crklä-
rung veröffentlicht, die an Deutlichkeit nichts zu wün-
schen übrig läßt:

„Ich bin derselben Meinung wie der Storthing-
Präsident Hambro, daß es unglücklich ist, wenn
der Friedenspreis zu parteipolitischen oder über-
haupt zu Zwecken benutzt wird, die Streitigkeiten hervor-
rusen könnten. Nichts könnte mehr dem Wunsch Alsred
Nobels zuwiderlausen. Dies geht schon aus dem
bloßen Namen des Preises hervor. Ich will mich nichi
über die Personcnwahl als solche Sußern, aber der Preis
soll nicht den Zweck haben, Streit zu entsachen.
Eine solche Sache ist selbstverständlich."

„Eine historische Fälschung."

Das Vlatt selbst nimmt an leitender Stelle untcr
der fteberschrist „Trotz allem — Offiehky" eine ähnlich
abweisende Stellung zu der Osloer Cntgleisung ein. Die
Verleihung des Friedenspreises an Offietzky sei, so heißt
es darin, ein lästigs's und verfäng liches Manö-
ver, das ganz und garnicht mit dem Zweck dcs Fric-
denspreises, entspannend und versöhnend zu wirken, in
Cinklang steht. Cs sei wahrhaftig nicht die Meinung
Nobels gewesen, daß der Friedenspreis dazu benuht
wird, die herrschenden Reibungen hervorzuheben und zu
vcrschärfen.

„Nya Dagligt Allehanda" erklärt in einer Stellung-
nahme u. a.: „Der Friedenspreis Nobels für Osftetzky
ist als eine reine Kundgebung zu betrachten, eine
Kundgebung in dem Maß, als sie einen Protest gegen
den Nationalsozialismus bezwecki." Das Blait gibt dcr
Ausfaffung Ausdruck, daß „dcr Träger des Friedens-
preises stcherlich kein welthistorisches Format besthe. Ihn
darum als ein pazifistisches Opser des kriegerischen Hit-
lerregimes zu betrachten, bedeute im hohen Maß eine
historische Fälschung."

Cin Beweis sür die politische Einstellung des
Komitees.

Kopenhagen, 24. November. Die Abendausgabe der
„Berlingske Tidende" beschäftigt stch in einer rcdaktio-
nellen Steüungnahme mit der Verleihung des Friedens-
Nobelpreises und schreibt dazu u. a.: Wenn das nor-
wegischs Nobelkomitee sich doch entschloffen habe, dcm
umstrittenen Karl v. Ossiehky den Preis zu verlsihen
und damit den Haß des ganzen nationalsozialistischen
Deutschland hervorzurusen, so sei dies ein Vcweis sür
eine starke Radikalisierung der ganzen Cinstel-
lung des Komitees.

„Eine bewußte Kränkung Deutschlands."

Wien, 24. November. Die Verleihung des Friedens-
Nobelpreises an den Linkspazifisten Ossietzky hat in
Oesterreich äutzerstes Vefremden ausgelöst, das
sich zum Teil bis zur Cntrüstung steigert, da man
diese Cntscheidung nicht nur als peinlich für das Richter-
kollegium selbst empfindet, sondern vor allem, weil man
darin eine bewußte Kränkung Deutschlands
sieht. Das „Neuigkcitswcltblatt" überschrcibt seine Mel-
dung bezeichnenderweise: „Friedens-Nobelpreis für einen
deutschen Hochvcrräter." Auch in dem Vericht der Amt-
lichen Nachrichtenstclle wird die Tatsache unterstrichcn,
daß Offietzky wegen Landesverrats vor ein Gericht ge-
stellt und noch in der Weimarer Zeit verurteilt wör-
den ist.

— Zahlreiche Studcnten dcr Universität Kairo tra-
ten am Dienstag in Streik, um einige alte Forderun-
gen beim Rektör durchzusehen, zugleich aber um gegen
einen Vericht des Dekans der Haiidelsfakultät zu pro-
testieren, der mangelhaftes Wissen unter
den Studenten seststellte.

Der deutsche Botschafter in Moskau,

Graf von der Schulenburg, der im Auftrag
der deutschen Regierung alle Nerhandlungen im Zu-
sammenhang mit dem Bluturteii von Nowosibirft
führen wird. (Graphische Werlitattew,
 
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