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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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Oerdelberger

Illeueste Mackrichien

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l.w Rm. t-inichl, Träg-rlohn», «ei d-n Äbholft-ll-n
nioüÄÄ R,n. yaldmonatlich I.— R,n Durch di- Poft bezogen
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^r. 268

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Samstag, 14. November

Hauvtgeschäftsstelle Hauvtstrahe 23, Fernsvrecher-S.-A. 7351—53.
Fweigstelle: Sasvelgaste 1.

1936

Aainineil über Barcelliiia.

Es gehört in England zu einer ehrwürdigen
rabition, dah am 9. Äovember der neue Lord-
ahvr von London in sein 2lmt seierlich eingeführt
. ^v. And eine ebenso ehrwürdige Tradition ist es,
W der jeweilige Premierminister des Lan-
es bei dem Bankett, das zu Ehren des neuen Lord-
„ vhors im alten Zunfthaus, in der Guildhall, ver-
^Maltet wird, eine politische Rede hält. 2n
^Esem Iahr war der Premierminister, als er seine
ankettrede überdachte, wegen des Stvffs nicht ver-
^gen. Der derzeitige Premierminister Baldwin,
^ bekanntlich nvch im vorigen Iahr Englands
tenze am Rhein vermutete, sah sich veranlaht,
Blicke über das ganze Erdenrund
Mveifen zu lassen und er erklärte, dah es für die
, oster nur eine Pflicht gebe, sich zusammenzu-
^aehen, um Europa zu retten. Baldwin
r andte sich mit besonderer Schärfe gegen die 21 uf -
^stung, die er einen „unverständlichen Wahn-
l nn'' nannte, zugleich aber teilte er mit, dah Eng-
t ^ "ntschlossen sei, weder Menschen nvch Kosten
oa scheuen, um seine Berteidigung der Weltlage
. nzupassen. Wie man aus der Rede erfuhr, neigt
anglische Premierminister der 2lnsicht zu, dah
anftige Kriege möglicherweise den Eharakter
vn Religionskriegen haben könnten, denn
gebe, so meinte Baldwin, heute geistige 2luffas-
/'Ngen, deren Vertreter ihre Weltanschauung „bis
DaL erzwingen möchten". Es gehört nicht viel
charfblick dazu, um zu wissen, daß Baldwin mit
vsen Worten gegen den Nationalsozialismus, ge-
gen den Faschismus und gegen den Bolschewismus
abwehrende Bewegung machte. And er ver-
werte seinen Zuhörern, in England sei kein Raum
^ irgendeine Form einer „organisierten Welt-
^schauung". Es steht uns nicht zu, diesen Glauben
englischx^ Premierministers zu zerstören, abec
^^ileicht dürfen wir doch Herrn Baldwin um die
Mlligkeit bitten, eine Tatsache, die nicht ganz
^ erhebijch ist, doch in Zukunft etwas schärfer zu
^ a <Hien. 2luch Herr Daldwin muh bereits ver-
^ »rinen haben, dah der Rationalsozialis-
^ us (ebenso wie der Faschismus) kein Expvrt-

- ^ ikel ist und dah daher für Herrn Baldwin und

- Landsleute keine Gefahr besteht, daß

gejstige 2Iuffassungen aufgezwungen werden,
sie, wie wir wissen, nicht verwerten können.
Baldwin wird auch niemals vernommen ha-
Natt ^ ^ England Propagandisten des Natio-
^ ^^zialismus tätig sind. Dagegen kann es dem
b A"schen Premierminister nicht entgangen sein,
der Bolschewismus die ganze Welt
^ svin Tätigkeitsfeld betrachtet und er ist auch in
^-^vnd mit grohem Fleih und, wie man weih,
r stchtbarem Erfolg bei der 2lrbeit.

eir, ivelchem Amfang der Bolschewismus
ge» ^wjetrussischer Exportartikel ist, das zei-
die Ruinen tu Spanien und es scheint, dah
Eroberung Madrids durch die nationale
g-^gung der Tragödie zweiter Leil be-
dvn^' roten Machthaber sind, wie man weih,
Aladrid nach der katalanischen Hauptstadt
H *^Iona geflüchtet und auch der sowjetrussische
b^^schafter, der unvermeidliche Mvses Rosen-
y * g > ist dieser Spur gesolgt. Moskau hat bereitS
j^^rdnet, dah Katalvnien zu einem Svw-
hj» ^^at gemacht wird und die Vorbereitungen
sind schon seit Monaten getroffen worden.
!vni>" Häfen des Schwarzen Meeres steht ein
Zgolzl^irussischesExpeditionSkorps von
Txj ^ Mann zum Abtransport bereit. Welch ein
Umph bje Mosiauer Regierung, daß die
trp ^ kürzlich auf der Konferenz in Mon-
^en Sowjetrussen die Benutzung der
^riellen für ihre Kriegstransporte gestat-
sind"s wenige Wochen ist das her und seitdem
W u ^^i^irussische Transporte durch die Meerengen
IvUo^^n^^En^^chvner Kette von OLessa nach Barce-
stal ^^ohren: mit Spezialtruppen und Kriegsmate-
W englische Premierminister Baldwin wird

Rtog, ""chsier Zeit sehr genau erfahren, was die
dlanr^" Regierung in Katalonien plant. Sie
bgjs^chts anderes, als die Schasfung eines
ljch^^^wistischen StützpunktS im west-
dxx Wittelmeer: eine Angriffsbasis, von
tz jj dieKriegsfackel bequem nach andern
geschleudert werden kann. Bor einer
^vr ^ der sowjetrussische Kriegskommissar
ben "^chilow einen Armeebefehl herausgege-
deug» die Sowjetunion als ,,Hort des Frie-
Böl» "^Seichnet wird. Dann heiht es weiter: „Die
denn ^ Sowjetunion sind gegenwärtig mehr
Schi bereit, zu einem vernichtenden
ier 2 gegen diejenigen auszuhvlen, die es un-
Staut sollten, den Besitz und die Ehre unseres
ichloss^ ""^ugreifen. Die rote Armee ist fest ent-
bvn ü,"' Feind auf dem Gebiet anzugreifen,
tvcrx ^ ^um Angriff schreiten svllte." Es
rirss' ^ gesagt, ein genialer Gedanke, den Sowjet-
Rti»js, Weg drrrch die Meerengen zu öffnen.
denr«!j^*ösident Baldwin wird voraussichtlich
vb wenig Zeit haben, darüber nachzudenken,

6eeic,n->t^^^^^ Weltanschauungen" für England
iet oin n-, b ^ber nicht, denn über Barcelona leuch-

olarnrnenschein.

Hermann Bagusche.

GmAe Vreife, sesen GewMucht!

Der RMskvmmWr für Preisbilbung über setne Ansgabe.

Ein Av»M nn die Bcrninst.

Die Lcbensinteresscn der Gcsamtheit haben den Vorrang.

Wcimar, 13. Novbr. Der Reichskommisiar für die
Preisbildung, Gauleiter Iosef Wagner, hielt auf
dem I. Deutschen Fachkongretz für das Prüsungs-
und Treuhandwesen, der in Weimar vom 13. bis
15. November stattfindet, am Freitag eine Rede über sein
Aufgabengebiet. Cr sührte u. a. aus:

Cs ist qrundsählich salsch, zu glauben, die Tätig-
keit des Reichskommisiars sür Preisbildung wäre
entscheidend oder gar ausschlietzlich nur eine über-
wachende. Cbenso abwegig ist die Meinung, es käme
lediglich darauf an, den Preis als das Cndergcbnis einer
Kette von Vorgängen anzusehen und die Sache demgemütz
zu behandeln. Das hietze nur die Spitze einer Pyramide
sehen und nur dieser Aufmerksamkeit und Beachtung schen-
ken. Damit zusammenhänaend erweist sich auch die andere
Anschauung als falsch, die in der Tätigkeit des Rsichs-
kommisiars für Prcisbildung etwa die'Rolle eines klei-
nen oder gröheren Schutzmannes erkeünen will. Cs
ist auch nicht so, als sei die Gesamttätigkeit auf das poli-
zeiliche Gebiet unter Zuhilfenahme von Gesetz und Ver-
waltung abgestellt, sodah die qanze Tätigkeit mehr oder
weniger ein Hinterdreinlausen vön bereits voll-
zogenen Wirtschaftsvorgängen wäre.

Ich denke nicht einen einzigen Augcnblick an eine
sinnlose Vergewaltigung der Wirtschaft, die ja
ihren tiessten Grund nur in der Derkennung jencr
Kräfte und Wcchselwirkungen haben könnte, die im
Ablaus wirtschaftlichen Geschehens entscheidend Ve-
rücksichtigung finden müsien.

Nationalsozialistische Auffasiung vom wirtschüstlichcn Le-
ben baut auf dcnsclben Grundsähen auf, auf denen die
Gestaltunq des völkischen und staatlichen Werkes stcht.
Lebensnahe Vernunft bestimmt die Bcurteilunq der Vor-
gänge, Wechselwirkungen und Zusammsnhänge; Persön-
lichkeit, wirkliche Initiative, echtes Kaufmannstum und

gcsundes Streben sind die Faktoren, die unter allen Ilm-
jtändcn Anerkennung finden und dort, wo ihnen die Wirk-
samkeit aus der Kngunst der Ilmstände versagt ist, zum
Durchbruch gebracht 'werdcn sollen. Die Vegrcnzung
findct jeder Strcbende und auch jsde Pcrsönlichkeit dort,
wo Gesamt-Interessen eine Beschränkung
erforderlich machen und das volkswirtschastliche Leben
als Ganzes die Unterordnung der wirtschaftlichen Hand-
lung und ihrer letztcn Auswertung bedingen.

Das Wesen des Preifes.

Allgemein qilt auch heute noch in weitesten Kreisen
der Wirtschast die Thesc: Angebot und Nachfrage
bcstimmcn den wirtschaftlichen Ablauf und Preis. Aüs-
drücklich möchte ich festhalten, dah es sich hier um eine
These handelt, die dcm freihänderischcn und libcral-
wirtschaftlichcn Denken eindeutiq zu Grunde lieqt.

Der Sah: Anqebot und Nachfraqe bcstimmen den
Prcis, tritt tm weltwirtschastlichen Äblaus in nahezu
vollem Ilmfanq auf. Der Grund hierzu ist ein absolut
klarer und einsichtiger. Weltwirtschaft ist ja in Wirk-
lichkeit nichts anderes als die Wechselbeziehung der vie-
len Volkswirtschaften zueinander.

Ganz anders sind aber die Grundlagen, die fiir die
eigene V o l k s wirtschaft zutreffen. Hier tritt der ein-
zclne dcr Gesamtheit seines eigenen Volkes gegenüber.
Diesem Volk gehört er genau so an, wie diejenigen, denen
er handclnd und forschend gegenübersteht. Serne eigene
Cxistenz baut auf dsn Grundlägen auf, die von der Ge-
samtheit Volk getragen werden und staatsüberbindend
verankert und organisiert sind.

Von einem schrankcnloscn Anerkennen seiner indi-
viduellen Forderungen, die aus den Umständen ihm
persönlich als möglich erscheinen, kann ohne weite-
teres uicht die Rede sein.

Das hietze individuelles Recht HSHer setzen, als das Recht
der Gesamtheit; damit würde das Leben dss Cinzelnen
dem Leben des ganzen Volkes übergeordnet wcrden. Kein
vernünftiacr Mcnsch wird einer solchen Formulierung zu-
stimmen können. Der Cinzelne beansprucht alle Cinrich-
tungen und allcn Schuh des ganzen Volkes und Staates;

Die heutige Ausgabc unferes Blattes umfaßt mit
ben bciden Unterhaltungsbeilagen „Die Heiinat" und
„Die Feierstundc" insgesamt 22 Seiten.

Grns Cim ii Bidapeft.

Feierlicher Empsang.

Vudapest, 13. November. Der italienische Auhen-
minister Graf Ciano traf am Frcitag mittag mit seiner
Gattin und seiner Veglcitung im Sondcrzug in Vuda-
pest ein.

Aus dcm mit ungarischcn und italienischen Flaggen
g-schmückten Vudapester Hauptbahnhof wurde Gras
Ciano von Ministerpräsident Daranyi, Autzenminister
Kanya, Oberbürgermeister von Vudapcst Sipoec,
und dcn Spihen der Behörden feicrlich empfangcn. Fer-
ner hatte sich der italienische Gesandte Prinz Colonna
mit den Mitglicdern der italienischen Gesandtschast ein-
gesunden. Vor dem Vahnhof hatte eine Chrcnkompanie
dcr Vudapcster Garnison Aufstellung genommen. Die
Straßen der Hauptstadt trugen reichsn Fähnenschmuck.

Dis Vudapester Vlätter widmen dem italicnischen
Gast herzliche Worte der Begrüßung und feiern in ihm
unter Hinwcis auf die Rcvisionserklärung
Mussolinis in Mailand den Vertrcter des italie-
nischen Regicrungschcfs.

er kann also unmöglich für sich auf gewiffen Gebieten
Rechte verlangen, die eine Umkehrung der wirk-
lichen Situation darstellen.

Kein PlaZ silr Wirtschaftsegoismus.

In der Dolkswirtschaft kann also nicht unter allen
stmständen der These: Angebot und Nachsrage be-
stimmen den Preis Gcltung cingeräumt wcrdcn. Die
eigentliche These muß lauten: Allc wirtschastlichen Vor-
gänge in der Volkswirtschaft haben, gleichqültig wie um-
fangreich das Warenvorkommen und dcr Vedarf sind.

War brr siliirrmmnistrr Saiengro faftnenftüKttg odrr ntcht?

Paris, 13. November. Gelegentlich der Aussprache
über den Fall Salengro, die die Veschuldigungen
der Rechten gegen den französischen Innenminister zum
Gegenstand hatte, nämlich, daß Innenminister Sa-
lengro während des Krieges sahnenflüchtig ge-
worden sci, kam es am Freitag in der Kammer zu einer
Saalschlacht, wie sie bisher in den Annalen des
französischen Parlamentarismus wohl kaum verzeichnet
sein dürste.

Der rechtsstehende Wgeordnete Becquart führte
fortwahrenden Anterbrechungen und Zwischenrufen
von rechts und linkz in seiner „Anklagerede" aus, datz

jedem

dt« bisherigen Aussprachen und auch der Veschlu^
des sogenannten Chrengerichts (dem General Ga-
suolrn vorstand) keine Aufklärung des Falles ge-
^ocht hätten. Cr habe stch mit allen Augenzeugen der
damaligen Crergrnffe in Verbindung geseht.

Alle Antworten, dte er erhalten konnte, liesen ent-
weder darauf hinaus, daß Salengro fahnenflüchtig
geworden sei oder aber, datz die Sluskunftgeber fich
nicht gcnau des Falles erinnerten. Niemand aber
habe die llnschuld Salengros beteuert.

^Wenn unschuldig sei, müffe er von

^^?^r^5Mowaschen werden. Wenn man ihn zu lln-
recht beschuldrgt habe, müßten die Verleumdcr bestraft
werden. Fall- aber irgendein Verdacht geqen ihn
besteye, w lieqe es im Intcresie der nationalen Würde,
" - zu schaffen. Der französische Kriegs-

mmrster yave ftch geweigert, dis notwendige Aufklärung
-oeugenaussagen, die vorlägen, ginqen aus-
tchlrctzllch darauf hinaus, datz Salengro schon vor
dem Krreg auf der Lrste der Verdächtigen als An -
Revolutionär gcstanden habe.
„m ^r I9IS habe er im Lauf des Nachmittags,
wahrenb emes vollkommen ruhigen Tages, die franzö-
stschen Steuungen verlaffen und sei serther spurlos
verschwunden gewesen. Cr habe behauptet, den
Leichnam emes anr vorhergehenden Taq qcfallencn Ka-
meraden juchen zu wollen. Die Frage sei aber, warum
er dann m ernem Vrief an seine Kriegspaten erklärt
habe, er icr wahrend einer Schlacht gefängengenommen

worden.

^osort nach per Gcfangennahme Sa-
heftige Veschießuna der
franzostlchen wtellungen eingeseht. Der Redner erklärte,
datz er sich wergere, anzunehmen, datz der Innenmmister
den Verrar io weit getrieben habe, seine eigenen Ka-
meraden medermeheln zu lasien. Cin Zeuge habe aus-
gesagtz day er, der Zeuge, häufig Verwundete und Tote
zwischcn den serndlichcn Stellungen gesucht habe, niemals
aber unter oen Vedingungen, wie der Innenministcr

Salengrv.

Dic Haltung Salengros sei also entweder die emes
Helden oder eines Deserteurs. Seine Vorgesehten
hätten ihn aber nie für eine Auszeichnung vorge-
schlagen, sondern ihn im Gegentcil vor das Kricgs-
gericht zitiert.

Salengro habe dre Möglichkeit gehabt, seine An-
kläger wegcn Derleumdung zu verfolgen. Cr habe
davon kcinen Gebrauch gemacht.

Die Ausführungen des Interpellanten wurden stän-
dig von Zwrlchenrufen der Linken untcrbrochen,
so daß der Kammerpräsident sich veranlatzt sah, daraus
aufmerksam zu machen, datz die Aussprache für das An-
sehcn Frankrerchs nrcht gcrade sehr glücklich sei, und datz
man sie deshalb moglichst rasch zu Cnde führcn möge.

Zum Schlutz gab der Interpellant seiner Ver-
wunderung darüber Ausdruck, datz von sünf Rrch'

tern sich zwersür dieSchuldSalengros aus-
gesprochen hätten. Dies sei ein dunkler Punkt, der un-
bcdingt ausgeklürt werden müßte.

Nachdem Becquart serne Ausführungcn beendet
hatte, betrat Ministerpräsident Leon Vlum die Ned-
nertribüne, um semen Innenminister zu verteidigen. Anf
der Rechten schte sofort cin sclten beobachteter Tumult
ein. Zwer Kommunisten sprangen daraufhrn über
ihre Bank hinüber zu der Rechten, und rn wenigen Se-
kunden kam es zu einer berspiellosen Saal-
s ch l a ch t.

Es hagelt« von allen Seiten Ohrfeigen. In weni-
geu Sekunden war der Sihungssaal in eine Faust-
kampfarena verwandelt.

In tollem Durcheinander wälzten fich rechtsgerichtete
Abgeordnete mit Volksfrontparteilern am Voden. In
dem Kamps wurden FSusteund Füße gebraucht.
Ein halbes Duhend Abgeordnete trugen blutende
Kopswundea, Veulen usw. davon.

Anter unbeschreiblichem Lärm versuchts Kammerprä-
fident Herrrot die beiden kämpfenden Parteien aus-
einanderzubringen. Leon Vlum auf dcr Redner-
tribüne brauchte mchrere Minuten, um sich übcrhaupt der
Lage bewußt zu rverden. Cr verließ schließlich die Tribüne,
als er von Herriot dazu aufgefordert wurde. Die waal-
diener räumten jeht dis Trikmne, und auch die Preffe-
vertreter sahen sich qezwungen, ihre Tribüne zu verlasien.
Crst nach längercn Bemühungen qclang es dcn Saaldie-
nern, die Ruhe einigermatzen wieder herzustellen. Nach-
dem Herriot die Sihung vorübergehend auf-
gehoben hatte, wurde die Aüssprache fortgesetzt.

Vei Wiederaufnahme der Sihung richtete der Kam-
merpräsident Herriot beruhigende Worte an die Ab-
geordneten

Antcr vollkommener Ruhe des Hauses betrat Sann
wieder Minifterpräsident Leon Vlum die Nedner-
tribüne, um Vie Verteidigungsreds für seinen
Innenminister zu halten. Cr verläs zunächst einige Ta-
gesberichte der Kompanie- und Bataillonsführcr, bci
denen Salengro als Radfahrer Dienst tat, und erklärte
anschlietzend,

datz Salengro nur ein einziges Mal vor das
Kriegsgericht gestellt und mit drei gegen
zwei Stimmen sreigcsprochcn worden sei.

Wenn einige Blätter das Gegenteil behaupteten, so nur
deshalb, um innere Zwietracht zu säen oder um sllr ihr
Vlatt Propaganda zu machc».

Cr habe dcr Regierung qcantwortct, sie nwqe die
Verleumder verfolgen. Die 'Männer, die im ösfentlichen
Leben stünden, seien jedoch gegcn derartige Lügen wehr-
los. (!) Cx müsie leider erklären, datz ein Schwurgericht,
wenn es einen Prozetz geqen folche Verleumder zu füh-
ren hätte, vielleicht angestchts der Parteilichkeit
der Geschworenen (!) das Urteil vergewaltiacn
würde, oder aber im anderen Fall die öffentliche Mei-
nung einen Freispruch wiederum als Parteilichkeit ab-
lehnen würde.

Ministerprüstdent Leon Vlum erinnerte daran, datz
dw Kammer keinen Freispruch zu fällcn hybe,
denn dies sei bereits vom Kriegsgericht geschehen, son-
dern, datz ste die Aufgabe habe, einen gemeinen Feldzug
zu brandmarken.

Der schwerkriegsverletzte rechtsstehende Abgeordnete
Balla t forderte dann den Innenminister auf, sich mit
dem Schiedsspruch eines Chrengerichts ein-
^rswndsn zu erklären und dieses Chrengericht aus den
Reihen seiner politischen Gegner zu wählen.

Cin anderer Abgeordneter der Rechten gab seiner j

Verwunderung darübcr Ausdruck, daß stch Salengro
nicht selbst von der Tribüne der Kammcr herab vertewigt
habe. Cr habe vergeblich auf jenen Schrei dsrCnt-
rüstung gewartet, den jeder Schuldlose abgegeben
haben würde.

Diese Äufforderung veranlatzte Innenminister Sa-
lengro zu einigen kurzen Bemerkungen, in denen er
lediglich erklärte, datz er als Soldat ebenso seine
Pflicht getan habe, wie jeder andere. (!)

Der Kammerpräsident gab die zum Fall Salengro
vorliegenden Cntschlietzungen bekannt.

Die Kammer nahm zum Wschlutz der Aussprach«
eine Cntschließung an, in der zum Ausdruck kommt, dah
ste den Feldzug qegen Salengro verurteilt und der Re-
gierung das Vertrauen dafür aussprichh datz sie
ein Presiegesetz erläßt, das in Zukunft derartige Ver-
leumdungen unmöglich macht.

*

Vertagung des französischen Parlaments.

Paris, 13. November. Die französische Kam-
mer hat stch auf den 24. Novcmber, der Senat auf
den 27. Novcmber vertagt. Die Veratung der Steuer-
reform ist wcgen dcr feindseligcn Hältung nicht nur
der Opposition, sondern auch eines Teiles der Radikal-
sozialisten zurückgestcllt worden.

Die Langemarck-Gedenkhalle auf dem ReiKssportfeld

wird am morgiqen Sonntag eingeweiht und der Ver-
waltung des Reichssportfelds übergeben. Zn der
Ehrenhalle, die mit den Fahnen der Regimenter von
Langemarck gcschmückt ist, ruht unter der -fahne des
Dritten Reiches (im Lovdergrund! eine Kassette mit
Erde von Langemarck. (Sckerl Ailderdlenst, K.)
 
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