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„Zeidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"
Samstag, 26. September 1936
Nr. 226
Nach -er Abrejse.
Von Nikolas Knobel.
Dis Sommerfrischler haben die Dörfer verlasien und
sich in Städter zurücjverwandelt. Hinter ihnen steht das
Gras wieder auf.
Vildlich, sehr bildlich gesprochen. Denn dcr Weg
des irdischen Grases endet größtenteils auf dem Heu-
boden, und es hat cine Wiederauferstchung höchstens als
Crzeugnis der Milchwirtschast. Anderes, zu lange be-
drückt, vermag auch nicht, sich wieder auszurichten. Was
wir abcr im Vild meinen, das ist unscre Hosfnung, daß
wir nicht allzuviel „Natur" hintsr uns lasien, die den
Stempel unseres großstädtischen Besuches nicht wieder
los wird; daß das Dorf sich wieder ganz verbauere.
Wir vergesien ja so leicht; kaum machen wir uns
darum Sorge. Und müßten es doch! Ich wurde lehr-
reich darauf hingewiesen.
Cs waren zwei Wasserfälle, also eigentlich
doch einigermaßen stramme und selbständige Vestandteile
der Natür, die mich nachdenklich gemacht haben. Das
Problem — ich bitte sehr um Cntschuldigung! — sührt
unangenehm in die Tiese.
Äber fanqen wir bei meinem Wafferfall an, wie das
auch meine ärwägungen taten. Ich ging still meinen
Wald entlang, um einen der gerühmtesten Vachfälle
Deutschlands zu sehen. Da trat plötzlich ein Mann vor
mich hin: „Haben Sie eine Karts?"
Was meintc er? „Ob Sie schon bczahlt habcn?" Cs
stellte sich heraus: sür den Wasierfall wird Cintrittsgeld
erhoben. D. h. sürs Veschreiten seiner Aferpsade und
zum Hinblicken (einschließlich Hinhören). Mit welchem
Recht? „Instandhaltung der Wcge?" Die wäre doch
auch ohne berühmtesten Waffersall nötig.
Aha, das ist richtig: die Gemeinde tut noch mehr
für das von der Natur unberechnet zur Verfügung ge-
stellte Wunder. Sie beleuchtet es am Abend, bcn-
galisch und anders. „Silberner Licht-Wasicr-Zaubcr."
Ich. war entsetzt, daß ich wohl oder übel zu diesem
Frevel mit dem Betrag meiner Cintrittskarte beigesteuert
hatte. Abcr schon nicine Sommcrsrischler-Crscheinung,
unter tausend anderen, war schuld daran. Llnd dort
dachte ich's zum erstenmal: Wenn wir alle weg sind,
dann sind die Waldpfade nicht mehr Stehparkett; dann
erschrecken sich die Forellen nicht mehr zu Tode, wenn ste
plötzlich in himbeerrotes Wasier hinunterspringen; dann
werden die Vögel in dcn Zweigen, die Cichhörnchcn,
Ameisen und Marienkäserchen nicht mehr durch nächtliche
Schcinwerfer vcrstört, die in den schlafenden Wald eine
verwirrend'e Lichtung legen.
Cs war wohl ein besonderes Unglück, daß die Dupli-
zität der Fälle mir ein paar Tage später das gleiche Pro-
blcm in der gleichen Verpackung zum weiteren Vedenken
abermals in die Hand drückte. Der Fahrer, der uns ge-
mächlich eine schöne Felsenwand entlang das Tal hin-
untertrudelte, bremste plötzlich, zeigte nach links und
sagte: „Das tröpselt heute noch . . . hängt ganz scucht.."
— Wir sahen hinüber und verstanden nichts. Cr fuhr
fort: „Da ging gestern der Wasserfall herunter.
Immer Sonntags . . ."
Schon wieder ein Wafferfall, der mich auf die Stö-
rung aufmerksam machte, dcr die Natur der „Fremden"
wegen ausgesetzt wird! Cin für sie aufgespeichertes
„Naturschaüspiel" mit einem genauen Fahrplan für
Feiertags! Nicht auszumalen, wie es all den Wesen
samt Gräsern, Mooren, Flechten zumute sein muß, dis in
dem jcht nur Sonntags vcrkchrenden Wasicrlaus angesie-
delt sind! Katastrophe für die einen der Montag,
wenn das Natz ausbleibt. Katastrophe sür die an-
deren der Sonntag, wenn die Ueberschwe m m ung
überrascht. Katastrophe für alle: wir Sommerfrischler.
Nach solchen vorbereitenden Lehren mutzte ich ja
wohl sehr empfindlich für die Frage sein, die mir das'
Dorf seDst stellte. Die Ferien hatten es verändert, natür-
lich. Zum Befferen? Jedenfalls nicht zum Echteren. Hun-
dert Aenderungen würen zu erzählen, alle von den Som-
merfrischlern verursacht. Aber gut, das erledigt sich mit
ihrer Abreise; das Gras steht wieder auf, wenn die Gäste
weg siud.
Ileberall?? Jch gebe solgendes zu bedenken, was jeder
wohl leicht um unzählige Beispiele vermehren lann.
Dies hier war ein Bauernhaus. »Dies hier früher
Stall, Scheuer, Einfahrt. Die Eltern hatten noch Kühe
und Schwein. Jetzt haben die Kinder eine „Pension".
Das Haus ist nett umgebaut: kein Stall mehr; vicle
freundliche Fremdenzimmer. Jst's nicht schade?
Und die kleinen Kinder des neuen Hauses, — die
haben auch nur die „Pension". Monatelang, wenn wir
Sommerfrischler da sind, müssen sie mäuschenstill in
ihrem Zimmer stecken, wenn sie nicht weit weg vom Haus
spielen können. Jn Haus und Küche und Treppe dürfet.
sie keine Schritte, keine Klapperschrittchen hören lassen:
„das stört die Gäste".
Wenn der sieüzigjährige Fischer während der Ferien-
wochen auf dem Heuboden schläft, weil das Zimmerchen
die Fremden haben, — wir denken nicht gern daran, doch
hat er «s schlietzlich bald wieder. Aber viele halben ihr
Haus garnicht mehr wieder. Es tut wunderschön seine
Pflicht, aber es ist ihnen sremd geworden. Es ist kein
Dorfhaus mehr, wird es nie wieder sein.
Jetzt haben wir alle ja noch genügend lebendige Er-
innerungen. Das Problem wäre also deutlich. Wird es
durch die Tatsache gelöst, datz die Sommerferien der Städ-
ter immerhin Geld ins Dorf bringen, oftmals rettendes
Bargeld? Wird das von den Dörflern gebrachte Opfer
gerechtfertigt, durch den Segen, den das Land in Grotz-
stadtseelen träuselt?
Wir werden uns vor dem Versuch hüten, diese Frage
zu beantworten. Wir glauben aber, datz es gut ist, uns
mit ihr zu beschäftigen. Es könnte doch sein, datz der
eine oder andere von uns dabei auf diesen und jenen Ge-
danken kommt, den er im nächsten Sommer auf dem Dorf
gebrauchen kann.
Erlebnts beuWer BolksgemeiMaft in Rortugal.
(V o n unserm
Lisiabon, 2V. September 1936.
Fast alle der in Spanien ansässigen
deutschen Volksgenossen sind nun in der Hei-
mat eingetroffen, nachdem das Reich sie tn so groß-
zügiger Weise vor dem in einigen Teilen Spaniens
herrschenden bolschewistischen Untermenschentum in
Sicherheit gebracht hat. Trotzdem viele von ihnen all
ihr Hab und Gut, ihre Geschäfte und ihre Verdienst-
möglichkeiten im Stich laffen mußten, ist bcmcrkens-
wert sestzustellen, mit welch tiefer Dankbarkeit sie
das Hilfswerk des Deutschcn Reiches ancrkennen, das
sie nicht nur von dem Schlimmsten bewahrte, sondern
ihnen den Ausenthalt in der Heimat so angenehm wic
möglich gestaltete. Jeder einzelne deutsche Volks-
genosse nahm sich gerne der Landsleute aus Spanien
an und versuchte, ihr Los so angenehm wie möglich
zu gestalten. ,
Doch nicht nur in der Heimat ward den Spanien-
Deutschen diese gastliche Aufnahme zuteil, sondern
auch die Auslandsdeutschen in anderen Ländern wett-
eiferten in der Fürsorge für die Volksgenoffen aus
Spanien. Portugal, als das Land, das die längste
gcmeinsame Grenze niit Spanien aufweist, wurde in
crster Linie von den Spanien-Flüchtlingcn ausgesncht.
Noch hatten wir in Portugal kaum den Ernst der Lage
im Nachbarland erfaßt, als schon die ersten Volks-
genossen eintrafen und uns von den grauenvollen
Vorgängen berichteten. Und auf einmal war es da,
dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit,
der uns alle verbindenden Gemeinschaft. Wir siihlten
es, hier sind Auslandsdeutsche wie wir, mit dcn glci-
chen Jnteressen, mit der gleichen Sehnsucht nach der
Heimal. War es erstaunlich, daß die Lissaboner Aus-
landsdeutschen die Spanien-Flüchtlinge aastlich auf-
nahmen? Es war eine Selbstverständlichkeit, daß
eben jeder Deutsche seinem Volksgenos-
sen hilft, so gut er kann. Falls die Lage anders
wäre. nnd wir aus irgendwelchen Gründen gezwun-
gen wären. nach Spanien zu flüchten, so würden fich
nnsere Volksgonossen dort genau so unserer annehmen.
Das fühlte jeder.
Etwa 200 Volksgenossen aus Spanien waren
gleichzeitig in Lissabon. Die meisten der Lissa-
Be r i ch t e r st a t t e r.)
boner Deutschen sind nicht übermäßig mit Glücks-
gütern gescgnet. Trotzdem war jeder gern bereit,
einen oder mehrere Landsleute bei sich auszunehmen.
Wer in seiner Wohnung keinen Platz hatte, erklärte sich
bereit, für die Unterbringung in einem Hotel auf-
zukommen. Dank einer mustergültigen Organisation
durch die Ortsgruppe der NSDAP und in Zusammen-
arbeit mit der Deutschen Gesandtschaft war bereits
nach wenigeu Stunden jeder der Spanien-
Flüchtlinge u ir t e r g e b r a ch t, bis sich eine Gelegen-
heit zur Weiterreise nach Deutschland sand. Wieder
einmal zcigte sich, daß der Geist des neuen Deutsch-
land nicht an den Reichsgrenzen aufhört, sondevn daß
überall in der Welt, wo immer Deutsche wohnen, diese
sich ihrer nationalen Zusammengehörig-
keit bewußt sind und den Gedanken der Volks-
gemeinschaft in die Tat umsetzen.
Gewiß, es war ein erschütternder An-
blick, das Eintreffen der Flüchtlinge aus Spanien
zu beobachtc». Der Transport mutzte teilwcise auf
kleinen Frachtdampfern erfolgen, wenn a-ndere Schifse
nicht zur Verfügung standen. Jn Kisten und Säcken
konnten sie nur das Notwendigste mit sich führen, das
sie in aller Eile zusammenrafsen mußten. Der größtc
Teil ihres Besitzes blieb zurück; die Früchte jahre-
langer mühevoller Auslandsarbeit sind einem un-
sicheren Schicksal überlassen und in vielen Fällen end-
gültig verloren. Trotzdem hörten wir kein Wort der
Klage. Eine stolze Freude erfüllt alle, daß das neue
Deutschland sich so wirkungsvoll seiner im Ausland
lebenden Nolksgenosson annimmt. wenn sie in Not
geraten. Das Bewußtsein, man hat uns nicht
vergessen, Deutschland würdigt unsere Ar-
beit auf vorgeschobenem Posten, bot Entschädigung
nir die erlittene Unbill. Gewiß beneidete man uns
Auslandsdeutsche in Portugal darum, daß wir in
einem autoritären Ordnunasstaat leben dürfen, in
dem das bolschewistische Untermenschentum keine
Macht l,gt.
„Möge Spanicn auch wieder in geordnete Ver-
hältnisse lommen, dann wollen wir zurückkehren und
unsere Arbeit von neuem aurnebmen!" Das lvar der
allgemeine Wunsch und die Versicherung der scheiden-
den SPanien-Deutschen. U. U.
fius aUer Welt.
— Gerftcnschrot mit Schlemmkreide. Nach einer
Mitteilung der Polizeidirektion Gießen hat stch ber
einer Untersuchung einer Sendung Gerstcnschrot, dre ver
Cmpfänger beanstandet hatte, ergeben, daß dem Gerjten-
schrot 13 Prozent kohlensaurer Kalk beigemengt marcn.
Die Crmittlungen ergaben, daß der Inhaber der Mühle
in G r o ß e n l i n d e n, der 31jährige Crich Berg, rm
Lauf eines Iahros über 1500 Zentner Schlcmmkreide und
kohlensauren Kalk zum größten Teil von jüdischen Fir-
men bezogen hat, über deren Absatz und Verwendung er
keinerlei Angaben machen konnts. Cr bestreitct zwar jede
Schuld, aus den beschlagnahmtcn Schriftstücken konnte je-
doch der Betrug festgestellt werden. Der Mühleninhaber
und sein Vater wurden wegen Äntreue und Futtermittel-
sälschung verhaftet.
— Keine Hotel-Reiseschecks in der Schweiz. Cine
Abordnung der schweizerischen Hoteliervereine hatte
beim Bundesrat beantragt, daß für ausländi-
sche Feriengäste Hotelreiseschecks geschassen wür-
den, die den Ausländern einen um 30 Prozent verbilligten
Aufonthalt in der Schweiz gewährlsisten sollten. Der
Bund sollte diese 30 Prozent gerantieren. Das eidgenös-
sische Volkswirtschaftsdepartement hat die Vorschläge ab-
gelehnt.
— 300 008 Krastwagen können nicht fahren. 9000
Angestellte der Newyorker Automobil-Gara-
gen sind in den Ausstand getrcten. Dicse Ausftändigen
lasien die in den Garagen stehenden Kraftwagen, deren
Zahl auf etwa 300 000 geschäht wird, nicht aussahren. —
Auch die Garagenangestellten in Brooklyn wollen sich
dcm Streik noch anschlicßen.
— Ein Grcis beginnt noch einmal. Cin amerika-
nischer Automagnat, William Durant erlitt vor kur-
zem einen erschütternden Absturz aus seinem Glückshim-
mel. Der jeht 75jährige Gründcr der Gencral Motor Cy.
verlor durch wirtschaftliche und Vörsenverlusts den
größtcn Teil seines Vermögens, das etwa
114 Milliard. Mk. ausmacht. Troh seines Alters hat er sich
aufgerafst und eine neuc Verdienstquelle. sich geschaffen,
indem er im Asbury Park einen Speisesaal er-
öffnete, wo er Csien zu se 20 Pfennigen pro Portion
verabsolgt. Dcr Saal ist in einem großen GebLude ein-
gerichtet, das er in seinen glänzenden Aufstiegsjahren sür
etwa 600 000 Mark erbauen ließ. Wührend er nun täg-
lich fünfhundert Portionen für seine Kunden abgibt, hat
er den übrigen Teil des Gebäudss an Obst- und Gemüse-
verkäufer vermietet. Man kann den ehemaligen Auto-
magnaten jeht häufig damit beschästigt sehen, wie er
Treppen und Fußböden reinigt oder beim Spülen des
Cßgeschirrs sich bctütigt. Scin Lokal hat große An-
ziehungskrast, da selbst die amerikanischen Hausfrauen
erstaunt sind über die niedrigen Prcise, womit selbst der
sparsamste Haushalt nicht arbeiten kann.
— Steuben-Feiertag in Amerika. Aus Anlaß der
206. Wiederkehr des Geburtstages des Gene-
rals vonSteuben sandte die Vereinigur^ <Iarl
Schurz an die Steuben Society of America solgendes
Tetegramm: „Am Geburtstag Friedrich Wilhelm von
Steubens sendct die Vereinigung Carl Schurz der Steu-
ben Society of America herzlichs Grüße und Wünsche für
weitere erfolgreiche Arbeit. Sie begrüßt es, daß der
17. Septembcr auf Veranlaffung der Steuben-Gesell-
schaft durch Beschluß der amerikänischen Rsgierung zu
einem ossizisllen Feiertag des amerikanischen Volkes er-
klärt wurde."
— Ileber 208 000 Vesuchcr bei den Fünslingen. Wie
der Minister für öffentliche Wohlfahrt in Ontärio mit-
teilte, haben im lehten August 207 300 Personen die
Fünflinge in Callander besucht. Sie kamen in
46 825 Autös, 65 Omnibusicn und zwei Sonder-
zügen an.
Die Insel dec Macana
Mehr Cinrichtungsgegenstände sind nicht vorhanden.
steber das Ganze aber ist ein rraulicher Schimmer woh-
liger Bchaglichkcit gebreitet. Gleich im crstcn Augenblick
ist vorherrschend der Cindruck gegeben, daß hisr eine für-
sorgliche liebe tzand mit vieleni Geschick und Geschmack
täglich waltcn muß. Schließlich beachtet Cgg auch die
Kleinigkeiten: an den Wänden hängen hier und dort
eigens dafür hergerichtete Kokosnußsichalen, die als Vasen
dienen. Sie sind mit Wasier gesüllt und bergen üppig
blühende Vlumen aus dem Wälde. Neben dem Tisch
steht soqar ein Vlumenständer aus Aestcn und Kokos-
nußschalen, in die mit Crdreich gesüllten Schalen sind
Rankgewächse gepslanzt.
Zögernd geht Cgg einige Schritte vor.
Das Schlaflagcr Maranas — und nur für Marana
kann das abgeteilte Schlaflagsr rechts im Hintergrund
bsstimmt sein — sieht anmutig und sreundlich ausi Cs
ist mit bunt durchwirkten Stoffen bespannt. Daneben
steht ein zierlicher, aus Zweigen geflochtener Tisch, auch
ein Stuhl. In die Wand ncben dem Lager sind viercckige
Oefsnungen gehaucn, einigc sogar mit zweiggeflochtenen
Türen versehen. stnd soweit der Vorhang dis Ccke ab-
schließt, ist hier der Voden mit srischen, aromatisch duften-
den Waldblumen bestreut. Aus allem dem entnimmt
Cgg, daß die beiden Neger sene rätselhafte Marana mit
seltener Liebe und unermüdlicher Sorgfalt verehren
müffcn.
Im Lauf der Zeit müffen die beiden Neger eine be-
wundernswerte Handfertigkeit in der Herstellung sol--
cher Dinge entwickelt haben. Warum bestreut man aber
den Dvden mit Blumen, warum die bunten Dlüten aus
dem Kopfende des Lagers, warum die niederhängenden
Lianenfasern, die Maranas Lager gleich einem Himmel
überschirmen? Als ob hier eine Heilige wohnt!
Sinnend bleibt Egg in der Mitte des Raumes ste-
hen.
Plöhlich hört er ein gedämpftes Geräusch. Ganz
flüchtig nur, es ist sofort wieder verschwunden. Jeht
erst werden ihm alle Gefahren gegenwärtig, denen er
hier ausgeliefert ist. Egg greift an die Schuhwaffe im
Gürtel, zieht sich einige Schritte zur Seite zurück. Da
tauchen im Zugang der Lavahöhle schon die beiden 2le--
ger Sam und Giguel auf.
Sie haben Egg sofvrt gesehen. Run stehen sie dort
Lrüben, breit und schwer, von unerhvrter Kraft. Sie
belauern ihn mit ihren großen, weihschimmernd dro--
henden Augen.
Sekunden atemloser Erwartung vergehen.
„Wer seid ihr?" stvht Ggg endlich hervor.
Die Neger bleiben stumm, scheinen Egg gar nicht
zu hören. Sie kommen einige Schritte näher, schwer und
wuchtig. Eggs Hand umklammert die Schuhwafse, hält
die Mündung erhoben.
„Stehenbleiben . . . sagt, wer ihr seid!"
Langsam kommen die beiden Aeger auf ihn zu.
Llnverwandt sind ihre Blicke in sein Gesicht gerichtet.
Sie halten die Arme angespannt, die breiten, schweren
Hände grisfbereit. Jeden Augenblick müssen sie auf ihn
zuspringen und ihn mit ihrer Last zu Boden drücken.
Egg ist entschlossen, sich bis zum äuhersten zu wehren,
und doch widerstrebt es ihm, auf die beiden zu schiehen.
Dedrückend wirkt das Schweigen der Neger, ein-
engend die Stille des Raumes.
lüoman au5 der Lüdsse von Lrnst D.tl Weber
Lopgcigkl bsi «acl klökler Lo., Seciin-beklendors 26
Egg weih in dieser Sekunde, dah es keinen Aus»
weg gibt, dah nur erbittetwr Kampf ihn retten und in
Sicherheit bringen kann. Sv weicht er keinen Schritt
zurück, steht gegen die Wand gelehnt, vvrgebeugt, die
Waffe schuhbereit.
Die Reger halten inne und stehen still. 2hr Atem
ist zu hören.
Sie scheinen die Schuhwafse zu fürchten, beide sehen
auf ihren drohenden Lauf.
Llnd nun wagt Egg es, sie zu bedrängen. Die Waffe
entschlossen erhoben, tritt er ihnen einen Schritt ent--
gegen, dann einen zweiten.
Aber die Neger weichen nicht von der Stelle. 2m
Gegenteil — als Egg jetzt eine flüchtige Bewegung zur
Seite hin macht, da duckt Giguel sich plvtzlich weit vor
und schnellt ihm entgegen. Egg kann sich gerade noch
mit einem entschlossenen Sprung zur Seite zwingen,
sonst wäre der grohe, runde Schädel des Regers gegen
seinen Leib geprallt. 2etzt fchnellt auch noch Sam hinzu.
Egg gibt einen Schuh ab, absichtlich ins Leere —
und bann spürt er eine eiserne Llmklammerung an sei-
nem Arm.
Dah er die Reger schonen wollte, soll ihm ofsen-
bar zum Derhängnis werden.
Alles spielt sich mit ungeheurer Schnelligkeit ab.
Egg will sich losreihen, nochmals schiehen. Doch dazu
kommt es nicht mehr, die eiserne Llmklammerung seines
Armes ist so schmerzhaft hart, dah er vermeint, die Kno-
chen mühten ihm brechen. Seine Hand löst sich, gegen
seinen Willen. Polternd fällt die Schuhwaffe zu Doden.
Llnd in derselben Sekunde wird Egg auch schon von
Giguel zur Seite gerissen, in die Mitte des Raumes.
Nun halten beide ihn gepackt. Ein Ruck, und er liegt
wehrlos am Bvden.
Alles kreist um ihn, die Wände, die Decke, der Do-
den und die Mvbel. Es ist ihm, als würde er von un°
widerstehlichen Kräften hin und her durch die Luft ge-
schleudert. Dann geht ein schmerzhafter Ruck durch sei-
nen Körper, die Llmgebung gewinnt wieder Festigkeit,
steht still — Egg liegt, von vier harten Hünden gehal-
ten, wehrlos auf der Erde. Aus! denkt er, nun kann
dich nichts mehr retten! Schon überlegt er, wie er den
beiden mit List entgegentreten kann, schon will er zu
ihnen sprechen, um sie vielleicht beeinflussen oder irre-
führen zu können — da halten Sam und Giguel plötzlich
inne und schauen zum Eingang der Höhle hinüber.
„Geht!" tönt leise eine melodisch weiche Stimme
durch den Raum.
Die beiden Neger ziehen sich scheu geduckt an die
Seitenwand auf ihre Lager zurück. Dort legen sie sich
hin und warten, äuhern nichts als demütige Ergeben-
heit. Llnd Egg, der nun den Oberkörper aufrichtet und
den Dlick zum Zugang der Lavahöhle wendet, sieht Ma-
rana dort drüben aufrecht im Schein der trüben Oel-
lampe stehen.
„Marana!" stöht Egg unwillkürlich hervor.
Schweigen.
Llnd auch in diesem Augenblick erscheint ihm Ma-
rana wie ein unwirklich schemenhaftes Wesen, das je-
den Augenblick vergehen muh. —
Er rafst sich vom Boden auf, steht Marana gegen-
I über. Aber er weih nicht, was er sagen, was er begin-
nen soll, fühlt sich wieder gehemmt vom sonderbaren
Bann ihres Wesens und wartet, während sein Blick ihr
Gesicht durchfvrscht und in ihre Augen dringt.
Maranas schmale Lippen bewegen sich. „Du bist
gekommen", sagt sie mit ihrer weichen Stimme. Es klingt
so, als habe sie ihst erwartet, ustd als ssi sie gär nicht
überrascht von diesem Desuch.
„2a", antwortet er unsicher. „Aber wer bist du.
Marana?"
2hr Dlick ist an ihm vorüber ins Leere gerichtet.
Egg beobachtet die grohen, verträumten Augen, die
in unergründliche Fernen blicken. Maranas Gesicht ist
still und feierlich, als wäre die Gegenwart ihr fremd,
und als lebte sie in einer anderen Welt. So klingt auch
ihre Stimme — und selbst ihre Worte sind nicht auf
die Gegenwart anzuwenden. „2ch bin Marana", kommt
es leise über ihre Lippen.
Mit kaum hörbaren Schritten geht fie an ihr La-
ger, schlägt den geflochtenen Dorhang der Lianen zurück
und setzt sich, schout dann zu Egg hinüber und sagt leise:
„Komm . . . auch du hast hier Platz!"
Während er nun bei ihr sitzt und sie wieder ein-
dringlich betrachtet, wird es ihm immer klarer, dah diese
Marana keine Eingeborene dieser 2nsel ist. Es kann
nur sein, dah sie durch einen Schiffbruch hierher ver-
schlagen wurde und nun fchon viele, viele 2ahre auf
dieser 2nsel lebt. Und die Einsamkeit dieses Lebens,
vielleicht auch die Not des Schiffbruches, muh ihre
Sinne verwirrt und gedämpft haben. Sv lebt sie wohl
in einem dauernden weltsrcmden Traum, denn das Lä»
cheln ihrer Lippen ist glücklich und der Ausdruck ihres
Gesichtes zufrieden. Egg denkt an das Logbuch, als er
sie nun fragt: „Marana, kennst du den Kapitän Edgar
Frenssen und seinen Dreimastschoner .Fortuna'?"
Es ist, als träte ein freudiges Aufleuchten in ihre
Augen. Aber sie schüttelt nur leicht den Kopf, während
sie ihn anblickt.
„Du kommst von fern, und ich kenn« dich nicht."
2hr Dlick wandert durch den Raum, streift über die
beiden ruhig abwartenden Neger und kehrt in Eggs
Augen zurück. „2ch suche . . . dort drauhen!" Das
Lächeln ihrer Lippen vertieft sich, es ist ein träumerisches
Glück darin. „Ewig suchen . . . denn eines Tages wer-
den sie wvhl wiederkehren!"
„Wer?" slüstert Egg erwartungsvoll und schaut
Marana fest an.
„Alle!" erwidert sie. „Alle kehren wieder, wenn
man sie ruft . . . und ich ruse sie."
Sie lebt in einer anderen Welt, denkt er bedrückt,
ergreift ihre Hände und hält sie umklammert, zieht Ma-
rana nahe zu sich, so dah sein Dlick fest in ihre Augen
dringen kann. Mit cindringlich leiser Stimme versucht
er, sie in die Gegenwart zurückzurufen.
„Marana . . . ich bin mit einigen anderen Men-
schen auf diese 2nsel verschlagen worden. Wir haben
uns auf der 2nsel einigermahen häuslich niedergelas-
sen . . . dann entdeckte ich, dah du hier lebst. 2ch will
dir helfen, Marona . . . versteht du, helfen, Marana!"
Sie schüttelt leicht den Kopf und spricht dann:
„Erlösen muht du mich!" Das klingt traurig und
schwermütig, dann schweigt sie.
Egg ist erregt und ratlos. Was soll er beginnen?
Werden ihm die Neger helfen können?
Llnd er versucht, mit ihnen zu sprechen. Doch sie
sehen ihn nur hilflos an.
Da spürt er eine Derührung auf der Schulter und
wendet den Kopf. Marana steht neben ihm, sieht ihn
lächelnd an. Llnd dieses Lächeln ist anmutig und schön,
ihre Augen sind tief und glücklich still.
„Lah uns ans Meer gehen", sagt sie leise.
Lleberrascht und freudig stimmt Egg zu. 2n ihm
keimt die Hoffnung auf, dah ihr vielleicht dort Erin-
nerungen kommen werden. Während sie vor ihm her-
schreitet, hat er Muhe. ihre Erscheinung ausmerksamer
zu betrachten. Dreit fällt das Haar über den Rücken.
Ein Llmhang aus buntdurchwirktem Stoss, ähnlich der
Decke ihres Lagers, hängt von den Schultern herab bis
an die Knie, ist an der Hüfte mit einem schmalen Gurt
zusammengerafft. Auch jetzt schreitet Marana mit dem
gleichen wiegend weichen Gang schlafwandlerischer Si-
cherheit vor ihm hin.
Sie gelangen durch den schmalen Gang hinaus in
den Wald. Egg stellt zufrieden fest, dah die beiden
Reger ihnen nicht folgen. Dielleicht hat Marana ihnen
einen Wink gegeben, zurückzubleiben.
Auch auherhalb der Lavahohle bleibt Marana nicht
stehen. Auf einem schmalen, kaum erkenntlichen Pfad
schreitet sie durch den Wald — und erst, als 'beide die
nördliche Spitze der 2nsel erreichen und am Rande des
Waldes einen sreien Ausblick über das Meer und die
Lagune gewinnen, hält Marana inne.
Dicht neben ihr stehend, nimmt Egg noch «inmal
ihre Hand.
„Marana, wie bist du hierher gekommen?"
Sie lächelt, zögernd hebt sie den rechten Arm, er
ist fchlank und geschmeidig, tief von der Sonne gebräunt.
Marana deutet auf die weite, friedlich stille Lagune.
„Dort war es . . . ich habe sie ins Verderben geführt!"
Egg hvrcht auf. „Wen hast du ins Derderben ge-
kührt, Marana?" flüstert er.
„Run suche ich sie alle", fährt sie leise fort, „um
sie zurückzubringen . . . dorthin, wo sie sicher sind."
„2ch habe eine Kiste mit Werkzeug gefunden, Ma-
rana", sagt er eindringlich, um ihre Erinnerung weiter
zu wecken, „darin auch ein Logbuch. Es geht daraus
hervor, dah der Dreimastschoner „Fortuna" mit Ka-
pitän Edgar Frenssen damals hier Schiffbruch erlitten
hat . . . auch du bist in dem Logbuch erwähnt, man
spricht davon, dah du allen ein Wunder bist und nur
du allein es vermochtest, beruhigend aus die Matrosen
einzuwirken. Erinnerst du dich nicht, Marana?" Er
nimmt ihre Hand und hält sie sest umklammert.
Marana nickt. „2a, sie waren böse, die Menschen,
weil sie Angst hatten . . . aber auf mich hörten sie . . .
und das war ihr Derderben!" Marana atmet tief auf
und lehnt sich gegen den Stamm eines Daumes, hebt
den Kops und schaut aus weiten Augen träumend in
den sternenklaren Himmel hinauf. 2ch war ihr Der-
derben . . . und nur sie können mich erlösen!"
Sie fühlt eine Schuld in sich, wird es Egg klar.
Ein entsetzliches Erlebnis muh für sie damit verknüpft
sein. Er will ihr weiter helsen.
„Du darfst nicht an eine Schuld glauben, Marana.
Es gibt höhere Gewalten als unser Wille."
Dielleicht hat ein Beben sie alle vernichtet, über-
legt er, und nur sie allein mit den beiden Negern ver-
schont, das wurzelt nun in ihr als Schuld.
Sie sieht ihn nicht an, schaut starr zur Lagune hin-
aus. 2hr Körper ist gespannt. 2n ihrem Gesicht spie-
gelt sich Entsetzen.
„Dort . . . dort!" spricht sie heftig, und ihr ArM
streckt sich zu der Lagune hin. „2a, ich komme!"
lFortiebuna folgt.)
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„Zeidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"
Samstag, 26. September 1936
Nr. 226
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Von Nikolas Knobel.
Dis Sommerfrischler haben die Dörfer verlasien und
sich in Städter zurücjverwandelt. Hinter ihnen steht das
Gras wieder auf.
Vildlich, sehr bildlich gesprochen. Denn dcr Weg
des irdischen Grases endet größtenteils auf dem Heu-
boden, und es hat cine Wiederauferstchung höchstens als
Crzeugnis der Milchwirtschast. Anderes, zu lange be-
drückt, vermag auch nicht, sich wieder auszurichten. Was
wir abcr im Vild meinen, das ist unscre Hosfnung, daß
wir nicht allzuviel „Natur" hintsr uns lasien, die den
Stempel unseres großstädtischen Besuches nicht wieder
los wird; daß das Dorf sich wieder ganz verbauere.
Wir vergesien ja so leicht; kaum machen wir uns
darum Sorge. Und müßten es doch! Ich wurde lehr-
reich darauf hingewiesen.
Cs waren zwei Wasserfälle, also eigentlich
doch einigermaßen stramme und selbständige Vestandteile
der Natür, die mich nachdenklich gemacht haben. Das
Problem — ich bitte sehr um Cntschuldigung! — sührt
unangenehm in die Tiese.
Äber fanqen wir bei meinem Wafferfall an, wie das
auch meine ärwägungen taten. Ich ging still meinen
Wald entlang, um einen der gerühmtesten Vachfälle
Deutschlands zu sehen. Da trat plötzlich ein Mann vor
mich hin: „Haben Sie eine Karts?"
Was meintc er? „Ob Sie schon bczahlt habcn?" Cs
stellte sich heraus: sür den Wasierfall wird Cintrittsgeld
erhoben. D. h. sürs Veschreiten seiner Aferpsade und
zum Hinblicken (einschließlich Hinhören). Mit welchem
Recht? „Instandhaltung der Wcge?" Die wäre doch
auch ohne berühmtesten Waffersall nötig.
Aha, das ist richtig: die Gemeinde tut noch mehr
für das von der Natur unberechnet zur Verfügung ge-
stellte Wunder. Sie beleuchtet es am Abend, bcn-
galisch und anders. „Silberner Licht-Wasicr-Zaubcr."
Ich. war entsetzt, daß ich wohl oder übel zu diesem
Frevel mit dem Betrag meiner Cintrittskarte beigesteuert
hatte. Abcr schon nicine Sommcrsrischler-Crscheinung,
unter tausend anderen, war schuld daran. Llnd dort
dachte ich's zum erstenmal: Wenn wir alle weg sind,
dann sind die Waldpfade nicht mehr Stehparkett; dann
erschrecken sich die Forellen nicht mehr zu Tode, wenn ste
plötzlich in himbeerrotes Wasier hinunterspringen; dann
werden die Vögel in dcn Zweigen, die Cichhörnchcn,
Ameisen und Marienkäserchen nicht mehr durch nächtliche
Schcinwerfer vcrstört, die in den schlafenden Wald eine
verwirrend'e Lichtung legen.
Cs war wohl ein besonderes Unglück, daß die Dupli-
zität der Fälle mir ein paar Tage später das gleiche Pro-
blcm in der gleichen Verpackung zum weiteren Vedenken
abermals in die Hand drückte. Der Fahrer, der uns ge-
mächlich eine schöne Felsenwand entlang das Tal hin-
untertrudelte, bremste plötzlich, zeigte nach links und
sagte: „Das tröpselt heute noch . . . hängt ganz scucht.."
— Wir sahen hinüber und verstanden nichts. Cr fuhr
fort: „Da ging gestern der Wasserfall herunter.
Immer Sonntags . . ."
Schon wieder ein Wafferfall, der mich auf die Stö-
rung aufmerksam machte, dcr die Natur der „Fremden"
wegen ausgesetzt wird! Cin für sie aufgespeichertes
„Naturschaüspiel" mit einem genauen Fahrplan für
Feiertags! Nicht auszumalen, wie es all den Wesen
samt Gräsern, Mooren, Flechten zumute sein muß, dis in
dem jcht nur Sonntags vcrkchrenden Wasicrlaus angesie-
delt sind! Katastrophe für die einen der Montag,
wenn das Natz ausbleibt. Katastrophe sür die an-
deren der Sonntag, wenn die Ueberschwe m m ung
überrascht. Katastrophe für alle: wir Sommerfrischler.
Nach solchen vorbereitenden Lehren mutzte ich ja
wohl sehr empfindlich für die Frage sein, die mir das'
Dorf seDst stellte. Die Ferien hatten es verändert, natür-
lich. Zum Befferen? Jedenfalls nicht zum Echteren. Hun-
dert Aenderungen würen zu erzählen, alle von den Som-
merfrischlern verursacht. Aber gut, das erledigt sich mit
ihrer Abreise; das Gras steht wieder auf, wenn die Gäste
weg siud.
Ileberall?? Jch gebe solgendes zu bedenken, was jeder
wohl leicht um unzählige Beispiele vermehren lann.
Dies hier war ein Bauernhaus. »Dies hier früher
Stall, Scheuer, Einfahrt. Die Eltern hatten noch Kühe
und Schwein. Jetzt haben die Kinder eine „Pension".
Das Haus ist nett umgebaut: kein Stall mehr; vicle
freundliche Fremdenzimmer. Jst's nicht schade?
Und die kleinen Kinder des neuen Hauses, — die
haben auch nur die „Pension". Monatelang, wenn wir
Sommerfrischler da sind, müssen sie mäuschenstill in
ihrem Zimmer stecken, wenn sie nicht weit weg vom Haus
spielen können. Jn Haus und Küche und Treppe dürfet.
sie keine Schritte, keine Klapperschrittchen hören lassen:
„das stört die Gäste".
Wenn der sieüzigjährige Fischer während der Ferien-
wochen auf dem Heuboden schläft, weil das Zimmerchen
die Fremden haben, — wir denken nicht gern daran, doch
hat er «s schlietzlich bald wieder. Aber viele halben ihr
Haus garnicht mehr wieder. Es tut wunderschön seine
Pflicht, aber es ist ihnen sremd geworden. Es ist kein
Dorfhaus mehr, wird es nie wieder sein.
Jetzt haben wir alle ja noch genügend lebendige Er-
innerungen. Das Problem wäre also deutlich. Wird es
durch die Tatsache gelöst, datz die Sommerferien der Städ-
ter immerhin Geld ins Dorf bringen, oftmals rettendes
Bargeld? Wird das von den Dörflern gebrachte Opfer
gerechtfertigt, durch den Segen, den das Land in Grotz-
stadtseelen träuselt?
Wir werden uns vor dem Versuch hüten, diese Frage
zu beantworten. Wir glauben aber, datz es gut ist, uns
mit ihr zu beschäftigen. Es könnte doch sein, datz der
eine oder andere von uns dabei auf diesen und jenen Ge-
danken kommt, den er im nächsten Sommer auf dem Dorf
gebrauchen kann.
Erlebnts beuWer BolksgemeiMaft in Rortugal.
(V o n unserm
Lisiabon, 2V. September 1936.
Fast alle der in Spanien ansässigen
deutschen Volksgenossen sind nun in der Hei-
mat eingetroffen, nachdem das Reich sie tn so groß-
zügiger Weise vor dem in einigen Teilen Spaniens
herrschenden bolschewistischen Untermenschentum in
Sicherheit gebracht hat. Trotzdem viele von ihnen all
ihr Hab und Gut, ihre Geschäfte und ihre Verdienst-
möglichkeiten im Stich laffen mußten, ist bcmcrkens-
wert sestzustellen, mit welch tiefer Dankbarkeit sie
das Hilfswerk des Deutschcn Reiches ancrkennen, das
sie nicht nur von dem Schlimmsten bewahrte, sondern
ihnen den Ausenthalt in der Heimat so angenehm wic
möglich gestaltete. Jeder einzelne deutsche Volks-
genosse nahm sich gerne der Landsleute aus Spanien
an und versuchte, ihr Los so angenehm wie möglich
zu gestalten. ,
Doch nicht nur in der Heimat ward den Spanien-
Deutschen diese gastliche Aufnahme zuteil, sondern
auch die Auslandsdeutschen in anderen Ländern wett-
eiferten in der Fürsorge für die Volksgenoffen aus
Spanien. Portugal, als das Land, das die längste
gcmeinsame Grenze niit Spanien aufweist, wurde in
crster Linie von den Spanien-Flüchtlingcn ausgesncht.
Noch hatten wir in Portugal kaum den Ernst der Lage
im Nachbarland erfaßt, als schon die ersten Volks-
genossen eintrafen und uns von den grauenvollen
Vorgängen berichteten. Und auf einmal war es da,
dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit,
der uns alle verbindenden Gemeinschaft. Wir siihlten
es, hier sind Auslandsdeutsche wie wir, mit dcn glci-
chen Jnteressen, mit der gleichen Sehnsucht nach der
Heimal. War es erstaunlich, daß die Lissaboner Aus-
landsdeutschen die Spanien-Flüchtlinge aastlich auf-
nahmen? Es war eine Selbstverständlichkeit, daß
eben jeder Deutsche seinem Volksgenos-
sen hilft, so gut er kann. Falls die Lage anders
wäre. nnd wir aus irgendwelchen Gründen gezwun-
gen wären. nach Spanien zu flüchten, so würden fich
nnsere Volksgonossen dort genau so unserer annehmen.
Das fühlte jeder.
Etwa 200 Volksgenossen aus Spanien waren
gleichzeitig in Lissabon. Die meisten der Lissa-
Be r i ch t e r st a t t e r.)
boner Deutschen sind nicht übermäßig mit Glücks-
gütern gescgnet. Trotzdem war jeder gern bereit,
einen oder mehrere Landsleute bei sich auszunehmen.
Wer in seiner Wohnung keinen Platz hatte, erklärte sich
bereit, für die Unterbringung in einem Hotel auf-
zukommen. Dank einer mustergültigen Organisation
durch die Ortsgruppe der NSDAP und in Zusammen-
arbeit mit der Deutschen Gesandtschaft war bereits
nach wenigeu Stunden jeder der Spanien-
Flüchtlinge u ir t e r g e b r a ch t, bis sich eine Gelegen-
heit zur Weiterreise nach Deutschland sand. Wieder
einmal zcigte sich, daß der Geist des neuen Deutsch-
land nicht an den Reichsgrenzen aufhört, sondevn daß
überall in der Welt, wo immer Deutsche wohnen, diese
sich ihrer nationalen Zusammengehörig-
keit bewußt sind und den Gedanken der Volks-
gemeinschaft in die Tat umsetzen.
Gewiß, es war ein erschütternder An-
blick, das Eintreffen der Flüchtlinge aus Spanien
zu beobachtc». Der Transport mutzte teilwcise auf
kleinen Frachtdampfern erfolgen, wenn a-ndere Schifse
nicht zur Verfügung standen. Jn Kisten und Säcken
konnten sie nur das Notwendigste mit sich führen, das
sie in aller Eile zusammenrafsen mußten. Der größtc
Teil ihres Besitzes blieb zurück; die Früchte jahre-
langer mühevoller Auslandsarbeit sind einem un-
sicheren Schicksal überlassen und in vielen Fällen end-
gültig verloren. Trotzdem hörten wir kein Wort der
Klage. Eine stolze Freude erfüllt alle, daß das neue
Deutschland sich so wirkungsvoll seiner im Ausland
lebenden Nolksgenosson annimmt. wenn sie in Not
geraten. Das Bewußtsein, man hat uns nicht
vergessen, Deutschland würdigt unsere Ar-
beit auf vorgeschobenem Posten, bot Entschädigung
nir die erlittene Unbill. Gewiß beneidete man uns
Auslandsdeutsche in Portugal darum, daß wir in
einem autoritären Ordnunasstaat leben dürfen, in
dem das bolschewistische Untermenschentum keine
Macht l,gt.
„Möge Spanicn auch wieder in geordnete Ver-
hältnisse lommen, dann wollen wir zurückkehren und
unsere Arbeit von neuem aurnebmen!" Das lvar der
allgemeine Wunsch und die Versicherung der scheiden-
den SPanien-Deutschen. U. U.
fius aUer Welt.
— Gerftcnschrot mit Schlemmkreide. Nach einer
Mitteilung der Polizeidirektion Gießen hat stch ber
einer Untersuchung einer Sendung Gerstcnschrot, dre ver
Cmpfänger beanstandet hatte, ergeben, daß dem Gerjten-
schrot 13 Prozent kohlensaurer Kalk beigemengt marcn.
Die Crmittlungen ergaben, daß der Inhaber der Mühle
in G r o ß e n l i n d e n, der 31jährige Crich Berg, rm
Lauf eines Iahros über 1500 Zentner Schlcmmkreide und
kohlensauren Kalk zum größten Teil von jüdischen Fir-
men bezogen hat, über deren Absatz und Verwendung er
keinerlei Angaben machen konnts. Cr bestreitct zwar jede
Schuld, aus den beschlagnahmtcn Schriftstücken konnte je-
doch der Betrug festgestellt werden. Der Mühleninhaber
und sein Vater wurden wegen Äntreue und Futtermittel-
sälschung verhaftet.
— Keine Hotel-Reiseschecks in der Schweiz. Cine
Abordnung der schweizerischen Hoteliervereine hatte
beim Bundesrat beantragt, daß für ausländi-
sche Feriengäste Hotelreiseschecks geschassen wür-
den, die den Ausländern einen um 30 Prozent verbilligten
Aufonthalt in der Schweiz gewährlsisten sollten. Der
Bund sollte diese 30 Prozent gerantieren. Das eidgenös-
sische Volkswirtschaftsdepartement hat die Vorschläge ab-
gelehnt.
— 300 008 Krastwagen können nicht fahren. 9000
Angestellte der Newyorker Automobil-Gara-
gen sind in den Ausstand getrcten. Dicse Ausftändigen
lasien die in den Garagen stehenden Kraftwagen, deren
Zahl auf etwa 300 000 geschäht wird, nicht aussahren. —
Auch die Garagenangestellten in Brooklyn wollen sich
dcm Streik noch anschlicßen.
— Ein Grcis beginnt noch einmal. Cin amerika-
nischer Automagnat, William Durant erlitt vor kur-
zem einen erschütternden Absturz aus seinem Glückshim-
mel. Der jeht 75jährige Gründcr der Gencral Motor Cy.
verlor durch wirtschaftliche und Vörsenverlusts den
größtcn Teil seines Vermögens, das etwa
114 Milliard. Mk. ausmacht. Troh seines Alters hat er sich
aufgerafst und eine neuc Verdienstquelle. sich geschaffen,
indem er im Asbury Park einen Speisesaal er-
öffnete, wo er Csien zu se 20 Pfennigen pro Portion
verabsolgt. Dcr Saal ist in einem großen GebLude ein-
gerichtet, das er in seinen glänzenden Aufstiegsjahren sür
etwa 600 000 Mark erbauen ließ. Wührend er nun täg-
lich fünfhundert Portionen für seine Kunden abgibt, hat
er den übrigen Teil des Gebäudss an Obst- und Gemüse-
verkäufer vermietet. Man kann den ehemaligen Auto-
magnaten jeht häufig damit beschästigt sehen, wie er
Treppen und Fußböden reinigt oder beim Spülen des
Cßgeschirrs sich bctütigt. Scin Lokal hat große An-
ziehungskrast, da selbst die amerikanischen Hausfrauen
erstaunt sind über die niedrigen Prcise, womit selbst der
sparsamste Haushalt nicht arbeiten kann.
— Steuben-Feiertag in Amerika. Aus Anlaß der
206. Wiederkehr des Geburtstages des Gene-
rals vonSteuben sandte die Vereinigur^ <Iarl
Schurz an die Steuben Society of America solgendes
Tetegramm: „Am Geburtstag Friedrich Wilhelm von
Steubens sendct die Vereinigung Carl Schurz der Steu-
ben Society of America herzlichs Grüße und Wünsche für
weitere erfolgreiche Arbeit. Sie begrüßt es, daß der
17. Septembcr auf Veranlaffung der Steuben-Gesell-
schaft durch Beschluß der amerikänischen Rsgierung zu
einem ossizisllen Feiertag des amerikanischen Volkes er-
klärt wurde."
— Ileber 208 000 Vesuchcr bei den Fünslingen. Wie
der Minister für öffentliche Wohlfahrt in Ontärio mit-
teilte, haben im lehten August 207 300 Personen die
Fünflinge in Callander besucht. Sie kamen in
46 825 Autös, 65 Omnibusicn und zwei Sonder-
zügen an.
Die Insel dec Macana
Mehr Cinrichtungsgegenstände sind nicht vorhanden.
steber das Ganze aber ist ein rraulicher Schimmer woh-
liger Bchaglichkcit gebreitet. Gleich im crstcn Augenblick
ist vorherrschend der Cindruck gegeben, daß hisr eine für-
sorgliche liebe tzand mit vieleni Geschick und Geschmack
täglich waltcn muß. Schließlich beachtet Cgg auch die
Kleinigkeiten: an den Wänden hängen hier und dort
eigens dafür hergerichtete Kokosnußsichalen, die als Vasen
dienen. Sie sind mit Wasier gesüllt und bergen üppig
blühende Vlumen aus dem Wälde. Neben dem Tisch
steht soqar ein Vlumenständer aus Aestcn und Kokos-
nußschalen, in die mit Crdreich gesüllten Schalen sind
Rankgewächse gepslanzt.
Zögernd geht Cgg einige Schritte vor.
Das Schlaflagcr Maranas — und nur für Marana
kann das abgeteilte Schlaflagsr rechts im Hintergrund
bsstimmt sein — sieht anmutig und sreundlich ausi Cs
ist mit bunt durchwirkten Stoffen bespannt. Daneben
steht ein zierlicher, aus Zweigen geflochtener Tisch, auch
ein Stuhl. In die Wand ncben dem Lager sind viercckige
Oefsnungen gehaucn, einigc sogar mit zweiggeflochtenen
Türen versehen. stnd soweit der Vorhang dis Ccke ab-
schließt, ist hier der Voden mit srischen, aromatisch duften-
den Waldblumen bestreut. Aus allem dem entnimmt
Cgg, daß die beiden Neger sene rätselhafte Marana mit
seltener Liebe und unermüdlicher Sorgfalt verehren
müffcn.
Im Lauf der Zeit müffen die beiden Neger eine be-
wundernswerte Handfertigkeit in der Herstellung sol--
cher Dinge entwickelt haben. Warum bestreut man aber
den Dvden mit Blumen, warum die bunten Dlüten aus
dem Kopfende des Lagers, warum die niederhängenden
Lianenfasern, die Maranas Lager gleich einem Himmel
überschirmen? Als ob hier eine Heilige wohnt!
Sinnend bleibt Egg in der Mitte des Raumes ste-
hen.
Plöhlich hört er ein gedämpftes Geräusch. Ganz
flüchtig nur, es ist sofort wieder verschwunden. Jeht
erst werden ihm alle Gefahren gegenwärtig, denen er
hier ausgeliefert ist. Egg greift an die Schuhwaffe im
Gürtel, zieht sich einige Schritte zur Seite zurück. Da
tauchen im Zugang der Lavahöhle schon die beiden 2le--
ger Sam und Giguel auf.
Sie haben Egg sofvrt gesehen. Run stehen sie dort
Lrüben, breit und schwer, von unerhvrter Kraft. Sie
belauern ihn mit ihren großen, weihschimmernd dro--
henden Augen.
Sekunden atemloser Erwartung vergehen.
„Wer seid ihr?" stvht Ggg endlich hervor.
Die Neger bleiben stumm, scheinen Egg gar nicht
zu hören. Sie kommen einige Schritte näher, schwer und
wuchtig. Eggs Hand umklammert die Schuhwafse, hält
die Mündung erhoben.
„Stehenbleiben . . . sagt, wer ihr seid!"
Langsam kommen die beiden Aeger auf ihn zu.
Llnverwandt sind ihre Blicke in sein Gesicht gerichtet.
Sie halten die Arme angespannt, die breiten, schweren
Hände grisfbereit. Jeden Augenblick müssen sie auf ihn
zuspringen und ihn mit ihrer Last zu Boden drücken.
Egg ist entschlossen, sich bis zum äuhersten zu wehren,
und doch widerstrebt es ihm, auf die beiden zu schiehen.
Dedrückend wirkt das Schweigen der Neger, ein-
engend die Stille des Raumes.
lüoman au5 der Lüdsse von Lrnst D.tl Weber
Lopgcigkl bsi «acl klökler Lo., Seciin-beklendors 26
Egg weih in dieser Sekunde, dah es keinen Aus»
weg gibt, dah nur erbittetwr Kampf ihn retten und in
Sicherheit bringen kann. Sv weicht er keinen Schritt
zurück, steht gegen die Wand gelehnt, vvrgebeugt, die
Waffe schuhbereit.
Die Reger halten inne und stehen still. 2hr Atem
ist zu hören.
Sie scheinen die Schuhwafse zu fürchten, beide sehen
auf ihren drohenden Lauf.
Llnd nun wagt Egg es, sie zu bedrängen. Die Waffe
entschlossen erhoben, tritt er ihnen einen Schritt ent--
gegen, dann einen zweiten.
Aber die Neger weichen nicht von der Stelle. 2m
Gegenteil — als Egg jetzt eine flüchtige Bewegung zur
Seite hin macht, da duckt Giguel sich plvtzlich weit vor
und schnellt ihm entgegen. Egg kann sich gerade noch
mit einem entschlossenen Sprung zur Seite zwingen,
sonst wäre der grohe, runde Schädel des Regers gegen
seinen Leib geprallt. 2etzt fchnellt auch noch Sam hinzu.
Egg gibt einen Schuh ab, absichtlich ins Leere —
und bann spürt er eine eiserne Llmklammerung an sei-
nem Arm.
Dah er die Reger schonen wollte, soll ihm ofsen-
bar zum Derhängnis werden.
Alles spielt sich mit ungeheurer Schnelligkeit ab.
Egg will sich losreihen, nochmals schiehen. Doch dazu
kommt es nicht mehr, die eiserne Llmklammerung seines
Armes ist so schmerzhaft hart, dah er vermeint, die Kno-
chen mühten ihm brechen. Seine Hand löst sich, gegen
seinen Willen. Polternd fällt die Schuhwaffe zu Doden.
Llnd in derselben Sekunde wird Egg auch schon von
Giguel zur Seite gerissen, in die Mitte des Raumes.
Nun halten beide ihn gepackt. Ein Ruck, und er liegt
wehrlos am Bvden.
Alles kreist um ihn, die Wände, die Decke, der Do-
den und die Mvbel. Es ist ihm, als würde er von un°
widerstehlichen Kräften hin und her durch die Luft ge-
schleudert. Dann geht ein schmerzhafter Ruck durch sei-
nen Körper, die Llmgebung gewinnt wieder Festigkeit,
steht still — Egg liegt, von vier harten Hünden gehal-
ten, wehrlos auf der Erde. Aus! denkt er, nun kann
dich nichts mehr retten! Schon überlegt er, wie er den
beiden mit List entgegentreten kann, schon will er zu
ihnen sprechen, um sie vielleicht beeinflussen oder irre-
führen zu können — da halten Sam und Giguel plötzlich
inne und schauen zum Eingang der Höhle hinüber.
„Geht!" tönt leise eine melodisch weiche Stimme
durch den Raum.
Die beiden Neger ziehen sich scheu geduckt an die
Seitenwand auf ihre Lager zurück. Dort legen sie sich
hin und warten, äuhern nichts als demütige Ergeben-
heit. Llnd Egg, der nun den Oberkörper aufrichtet und
den Dlick zum Zugang der Lavahöhle wendet, sieht Ma-
rana dort drüben aufrecht im Schein der trüben Oel-
lampe stehen.
„Marana!" stöht Egg unwillkürlich hervor.
Schweigen.
Llnd auch in diesem Augenblick erscheint ihm Ma-
rana wie ein unwirklich schemenhaftes Wesen, das je-
den Augenblick vergehen muh. —
Er rafst sich vom Boden auf, steht Marana gegen-
I über. Aber er weih nicht, was er sagen, was er begin-
nen soll, fühlt sich wieder gehemmt vom sonderbaren
Bann ihres Wesens und wartet, während sein Blick ihr
Gesicht durchfvrscht und in ihre Augen dringt.
Maranas schmale Lippen bewegen sich. „Du bist
gekommen", sagt sie mit ihrer weichen Stimme. Es klingt
so, als habe sie ihst erwartet, ustd als ssi sie gär nicht
überrascht von diesem Desuch.
„2a", antwortet er unsicher. „Aber wer bist du.
Marana?"
2hr Dlick ist an ihm vorüber ins Leere gerichtet.
Egg beobachtet die grohen, verträumten Augen, die
in unergründliche Fernen blicken. Maranas Gesicht ist
still und feierlich, als wäre die Gegenwart ihr fremd,
und als lebte sie in einer anderen Welt. So klingt auch
ihre Stimme — und selbst ihre Worte sind nicht auf
die Gegenwart anzuwenden. „2ch bin Marana", kommt
es leise über ihre Lippen.
Mit kaum hörbaren Schritten geht fie an ihr La-
ger, schlägt den geflochtenen Dorhang der Lianen zurück
und setzt sich, schout dann zu Egg hinüber und sagt leise:
„Komm . . . auch du hast hier Platz!"
Während er nun bei ihr sitzt und sie wieder ein-
dringlich betrachtet, wird es ihm immer klarer, dah diese
Marana keine Eingeborene dieser 2nsel ist. Es kann
nur sein, dah sie durch einen Schiffbruch hierher ver-
schlagen wurde und nun fchon viele, viele 2ahre auf
dieser 2nsel lebt. Und die Einsamkeit dieses Lebens,
vielleicht auch die Not des Schiffbruches, muh ihre
Sinne verwirrt und gedämpft haben. Sv lebt sie wohl
in einem dauernden weltsrcmden Traum, denn das Lä»
cheln ihrer Lippen ist glücklich und der Ausdruck ihres
Gesichtes zufrieden. Egg denkt an das Logbuch, als er
sie nun fragt: „Marana, kennst du den Kapitän Edgar
Frenssen und seinen Dreimastschoner .Fortuna'?"
Es ist, als träte ein freudiges Aufleuchten in ihre
Augen. Aber sie schüttelt nur leicht den Kopf, während
sie ihn anblickt.
„Du kommst von fern, und ich kenn« dich nicht."
2hr Dlick wandert durch den Raum, streift über die
beiden ruhig abwartenden Neger und kehrt in Eggs
Augen zurück. „2ch suche . . . dort drauhen!" Das
Lächeln ihrer Lippen vertieft sich, es ist ein träumerisches
Glück darin. „Ewig suchen . . . denn eines Tages wer-
den sie wvhl wiederkehren!"
„Wer?" slüstert Egg erwartungsvoll und schaut
Marana fest an.
„Alle!" erwidert sie. „Alle kehren wieder, wenn
man sie ruft . . . und ich ruse sie."
Sie lebt in einer anderen Welt, denkt er bedrückt,
ergreift ihre Hände und hält sie umklammert, zieht Ma-
rana nahe zu sich, so dah sein Dlick fest in ihre Augen
dringen kann. Mit cindringlich leiser Stimme versucht
er, sie in die Gegenwart zurückzurufen.
„Marana . . . ich bin mit einigen anderen Men-
schen auf diese 2nsel verschlagen worden. Wir haben
uns auf der 2nsel einigermahen häuslich niedergelas-
sen . . . dann entdeckte ich, dah du hier lebst. 2ch will
dir helfen, Marona . . . versteht du, helfen, Marana!"
Sie schüttelt leicht den Kopf und spricht dann:
„Erlösen muht du mich!" Das klingt traurig und
schwermütig, dann schweigt sie.
Egg ist erregt und ratlos. Was soll er beginnen?
Werden ihm die Neger helfen können?
Llnd er versucht, mit ihnen zu sprechen. Doch sie
sehen ihn nur hilflos an.
Da spürt er eine Derührung auf der Schulter und
wendet den Kopf. Marana steht neben ihm, sieht ihn
lächelnd an. Llnd dieses Lächeln ist anmutig und schön,
ihre Augen sind tief und glücklich still.
„Lah uns ans Meer gehen", sagt sie leise.
Lleberrascht und freudig stimmt Egg zu. 2n ihm
keimt die Hoffnung auf, dah ihr vielleicht dort Erin-
nerungen kommen werden. Während sie vor ihm her-
schreitet, hat er Muhe. ihre Erscheinung ausmerksamer
zu betrachten. Dreit fällt das Haar über den Rücken.
Ein Llmhang aus buntdurchwirktem Stoss, ähnlich der
Decke ihres Lagers, hängt von den Schultern herab bis
an die Knie, ist an der Hüfte mit einem schmalen Gurt
zusammengerafft. Auch jetzt schreitet Marana mit dem
gleichen wiegend weichen Gang schlafwandlerischer Si-
cherheit vor ihm hin.
Sie gelangen durch den schmalen Gang hinaus in
den Wald. Egg stellt zufrieden fest, dah die beiden
Reger ihnen nicht folgen. Dielleicht hat Marana ihnen
einen Wink gegeben, zurückzubleiben.
Auch auherhalb der Lavahohle bleibt Marana nicht
stehen. Auf einem schmalen, kaum erkenntlichen Pfad
schreitet sie durch den Wald — und erst, als 'beide die
nördliche Spitze der 2nsel erreichen und am Rande des
Waldes einen sreien Ausblick über das Meer und die
Lagune gewinnen, hält Marana inne.
Dicht neben ihr stehend, nimmt Egg noch «inmal
ihre Hand.
„Marana, wie bist du hierher gekommen?"
Sie lächelt, zögernd hebt sie den rechten Arm, er
ist fchlank und geschmeidig, tief von der Sonne gebräunt.
Marana deutet auf die weite, friedlich stille Lagune.
„Dort war es . . . ich habe sie ins Verderben geführt!"
Egg hvrcht auf. „Wen hast du ins Derderben ge-
kührt, Marana?" flüstert er.
„Run suche ich sie alle", fährt sie leise fort, „um
sie zurückzubringen . . . dorthin, wo sie sicher sind."
„2ch habe eine Kiste mit Werkzeug gefunden, Ma-
rana", sagt er eindringlich, um ihre Erinnerung weiter
zu wecken, „darin auch ein Logbuch. Es geht daraus
hervor, dah der Dreimastschoner „Fortuna" mit Ka-
pitän Edgar Frenssen damals hier Schiffbruch erlitten
hat . . . auch du bist in dem Logbuch erwähnt, man
spricht davon, dah du allen ein Wunder bist und nur
du allein es vermochtest, beruhigend aus die Matrosen
einzuwirken. Erinnerst du dich nicht, Marana?" Er
nimmt ihre Hand und hält sie sest umklammert.
Marana nickt. „2a, sie waren böse, die Menschen,
weil sie Angst hatten . . . aber auf mich hörten sie . . .
und das war ihr Derderben!" Marana atmet tief auf
und lehnt sich gegen den Stamm eines Daumes, hebt
den Kops und schaut aus weiten Augen träumend in
den sternenklaren Himmel hinauf. 2ch war ihr Der-
derben . . . und nur sie können mich erlösen!"
Sie fühlt eine Schuld in sich, wird es Egg klar.
Ein entsetzliches Erlebnis muh für sie damit verknüpft
sein. Er will ihr weiter helsen.
„Du darfst nicht an eine Schuld glauben, Marana.
Es gibt höhere Gewalten als unser Wille."
Dielleicht hat ein Beben sie alle vernichtet, über-
legt er, und nur sie allein mit den beiden Negern ver-
schont, das wurzelt nun in ihr als Schuld.
Sie sieht ihn nicht an, schaut starr zur Lagune hin-
aus. 2hr Körper ist gespannt. 2n ihrem Gesicht spie-
gelt sich Entsetzen.
„Dort . . . dort!" spricht sie heftig, und ihr ArM
streckt sich zu der Lagune hin. „2a, ich komme!"
lFortiebuna folgt.)
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