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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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„Heidelberger Neueste Nachrichten"- „Heidelberger Anzeiger^

Mittwoch, 30. September 1936

Nr. 229

schossene Bürger, darunter auch Frauen. In
einer Nebenstraße die Leiche des Stadtpsarrers, der, mit
dem Kopf nach ^anten über ein Feuer gehängt, langsam
m Rauch und Flammen erstickt war. Wir sanden im
Keller des von den Roten zum Iustizgebäude gemachten
Volrsgerichis 27 von Handgranaten zersehte Körper.

In demselben Ort wurde ein Kleingutsbesit-
ä? r, der bei den Roten als Kapitalist stets ein Opfer
rhrss antikapitalistischen Feldzuqes ist, mit seinen beiden
Nsffen, einem siebenjährigen Knabcn und einem neun-
jährigen Mädchen, von den Rotsn auf seiner verzwcifel-
tsn Flucht gefangen. Die beiden Kinder wurden
vor dcnAugen desMannesgetötet, der
selbst, nachdem man ihn gezwungen hatte, diesem Schau-
spiel zuzusehen, mitVenzin übergossen und
verbrannt wurde.

In Antequerra sah ich 102 Leichen erschos-
sener Männer und Frauen, in Oropesa am Ortseingang
24, darunter ein siebenjähriges Mädchsn, das noch ein«
Puppe in der erstarrten Hand hielt.

Zn dsmselben Ort wurde ich in das dortige Ron -
nsnkloster gesührt. Durch das riesige granitene Por-
tal eintretend, stretzen wir zuerst aus die Leichs eines
Priesters, dem man den Hals aufgeschnittcn hatte. In
der Klosterkirche lagen die geöffneten Särge der
Nonnen, darunter neben Mumien dis Leiche einer
stchtlich erst vor wsnigen Tagen gestorbenen Ronne.

Diess Leichen und Mumisn 'waren in einer unbe-
schreiblichen Weise geschändet, doch sollte uns das Vild
weitaus größerer Greuel erst in den Schlafsälen
der Nonnen erösfnst werden. Dort sanden wir teil-
weise noch in den primitiven Detten die Leichen der er-
mordeten Nonnen. Ihre Verstümmelungen stnd
unbeschreiblich. Sie fallen in das Gebiet des
Sexual-pathologischen.

Ich erkläre an dieser Stelle, daß die Ansicht vieler,
die Greuelberichte seien aus Sensationslust über-
trieben, irriq ist.

Im

Gegenteil, es ist uns nicht möglich.in Wort
Dild der Oeffentlichkeit die Deweise der marxi-
diss einfach in 50 Prozent

sttschen Greuel zu geben, da

der Fälle aus Gründen der Moral ausgeschlos
sen ist. Das Material hicrüber ist jedoch zwar nicht der
Oeffsntlichkeit, absr dsn Regierungsstellen zugänglich ge-
macht worden.

Ls gibt nichts, das der entmenschten Phantasie
dsr marxistischen Horden an Destialität und Scheußlich-
keiten als Unmöglichkeit erschiene. Die von den Kom-
intern-Experten in Madrid gegebenen Wei-
sungen der Grsueltaktik entspringen dem
Wunsch Moskaus, durch diese Handlungsweise die bür-
gerlichs Welt. di« nach dem Plan der Komintern später-
hin bolschewisiert werden sollen, zu warnen und ihr durch
das spanijche Deispiel ihr eigenes Schicksal sür den Fall
eines Widerstandes zu zeigen.

Der spanische FliegerFrancisco Medena,
der lebend in die Hände der Roten siel, wurde, nachdem
man ihn geblendet hätte, mit Rastermeffern verstümmelt
und entmannt und dann zu Todegequält.

In Huelva in Südspanien habe ich einen Keller
voll Geiseln gesunden, der mit einer Dynamit-
bombe gesprengt wurde.

In Lkcrena wurden an Hand der vorhandenen
Wahllisten als Unterlage alphabetisch Män-
ner und Frauen erschossen, die bei den lehten
Wahlen ihre Stimme den Nationalen gegeben hatten.

In den lehten zwei Wochen, schcinbar auf bestimmte
Weisungen Madrids hin, unterschisdsn die roten Mord-
banden die sogenannte kleine Tötung und die or -
^anisierte Tötunq. Dei lehterer'werden täglich
in der besehten Stadt 40 bis 50 Geiseln als abschrecken-
des Beispiel erschoffen, wobei weder eine Anklage noch
eine Untersuchung vorausgeht.

In Constantina sah ich 21 verbrannte
Frauen. In Cazalla de la Sierra an der Bahn von
Sevilla nach Merina 104 tote Geiseln.

Ein Abtransport von 420 Geiseln, die von Iaen
nach Madrid gebracht werden sollten, wurden in
Vallsros angehalten und 402 Geiseln aus
dem Bahnsteig erschossen, darunter der
Priesterbischof von Iaen.

Zn Algeciras, das heute ein rauchender Trüm-
merhaufen ist, wurden 600 Offiziere ertränkt.
In dieser Stadt ist es weiterhin erwiesen, daß die Töch-
ter nationalistischer Familien den Milizhorden als Dir-
nen zur Versügung gestellt wurden.

Zn der Stadt Ronda an dsr Malagafront, in die
ich mit den Sturmtruppen des Generals Varela ein-
rückte, hatten die RoOsn von ungefähr ZO 000 Cinwohnern
627 erschossen, d. h. als es ihncn zu langweilig
wurde, sührten sic dic lehten 200 an die 150 Meter tiese
Schlucht des Guadarete und zwangen dieOpfer
in Gegenwart ihrer Frauen und Kinder, sich von einem
schmalen Brett mit verbundenen Augen zur Velustigung

Ein Geegefechtbei Gjbraltar.

Kreozek zerstört rotes TWedBoot.

Zweites Torpedoboot auf der Flucht.

London, 29. Ssptember. (Funkspruch.) Nach einem
schweren Feuergefecht westlich von Tarifa versenkte der
Kreuzer der spanischen Nationalisten „Almirante
Cervera" am Dienstag srüh den neuen Jer-
störer der spanischen Märxisten „Gravina". Cin
wsitcrer Zerstörcr der Marxistcn wird von dem Kreuzer
zurzeit vcrfolgt.

In diesem Seegefecht, das sich in den frühen Mor-
genstunden in derMeerenge von Gibraltar
zwischen dem nationalen Kreuzer „Alnnrante Lervera"
und dcn bciden Torpedobooten der Roten „Gravina"
und „Almirante Fernandez" abspielte, vermochte sich der
Kreuzer sehr bald mit beachtenswerter Genauig-
keit einzuschießen. Cr beherrschte schon nach kur-
zem Kampf die Lage und brachte der „Gravina" schwere
Volltrefser bei, so daß das Schisf Schlagseite bekam.
Während dieser Zeit grifs das Torpedoboot „Almirante
Fernandez" hartnäckig dsn Kreuzer an, bis dis „Gra -
vina" 808-Rufe aussandte und die roten
Matrosen das sinkende Schiff verließen. Cin Tsil von
ihnen kam in den Wellen um. Ein anderer Teil wurde
von dem sranzösischen Dampfcr „Koutoubia" aufgenom-
men, der in der Nähe kreuzte.

Als dis „Gravina" in den Fluten versank, stellte
der nationale Kreuzer alle seinc Vatterien auf das
zweite Torpedoboot „Almirante Fernandez" ein,
das jetzt ebenfalls schwere Trefser erhielt und ver-
suchte, sich außcr Schußweite zu bringen. Der endgültige
Ausgang dieses Kampfes ist noch nicht bekannt, weil sich
das Torpedoboot der Rotcn auf der Flucht in westlicher
Richtung besindet. Cs wird von dem nationalen Kreuzer
verfolgt.

Wie noch aus Tanger verlautet, hat der französische
Dampfer „Koutoubia" 'nur zwanzig Mann der
Vesahung dcs großen Torpedoboots „Gravina" über-
nommen. Der Rest der Mannschaft sei ertrunken.
Die „Gravina" ist ein modernes Torpedoboot, das erst
vor kurzem in den Dienst gestellt worden war.

Vesreiungsseier m Toledo.

heldentaten im Alcazar.

Paris, 29. September. Der Havas-Sonderbericht-
erstatter in Toledo meldet, daß mit einer einzigen Aus-
nahme alle Priester der Kathedrale v'on To-
ledo erschossen wordcn waren.

Die nationalen Truppen veranstalteten im Mcazar
eine Vefreiungsseier. Wie bekannt wird, haben
die Verteidiger des Alcazars während der Belagerung
9 7 Pferde und 27 Maulesel geschlachtet
und vcrzehrt. A>n Tag ihrer Befreiung hatten sie noch
ein Pferd und fünf Mäultiere. Seit zwanzig Tagen er-
hielten sie täglich nur ein etwa faustgroßes Stück
Schwarzbrot. Die Frausn und Kinder waren Taq
und Nacht in den tiefen Kellern geborgen; unter ihnen
ist kein Todesopser zu verzeichnen.

Dsr durch die Dynamitsprengunq in den
Nordteil des Alcazars geriffcns Trichter ist so groß,
daß man den Pariser Triumphbogen darin unterbringen
könnts. Die Kathedrale von Toledo ist äußerlich un°
beschüdigt, jedoch im Innern geplündert und verwüstet.

Der Sender von La Coruna schildert zwei Fälle

sonders heldenhaften Mutes bei dem
mpf um den Alcazar. Cin Hauptmann Alba
lte sich freiwillig gemeldet, um den Tajo zu
rcbqucren und sich zu den nationalen Truppen durch-
zchleichen, damit sie über den Stand der roten Streit-
hte unterrichtet würden. Vei diesem Versuch wurdc
2a gefangen und erschossen. Oberst Mas-
ccdo, der sich im Alcazar befand, war aufgefor-
d> t worden, sich zu ergeben, andernfalls würde sein
Sn, der sich in den Händen der roten Truppen be-
fa, erschoffen werden. Dcr Oberst hat qeantwortet,
danichts über die Chre gehe, er laffe seinen Sohn schon
deRat geben, einen Priester kommen zu laffen und sich
zu Sterhen vorzubereiten. Da der Oherst sich nicht er-
gawurdc seinSohn erschossen.

§ine Abordnung der befreiten Helden vom
Alazar wird in den nächsten Tagen nach Vurgos

fahren, um der nationalen Regierung einen Vesuch abzu-
statten. Zu Chren der Vesreiten sind große .vcierncy-
kciten geplant.

Vorbereitunq des 2lngrisss aus Malaga.

London, 30. September. (Ligene Funkmeldung.)
Die erste Seeschlacht im spanischen Vürgerkrieg in der
Straße von Gibraltar, bei der, wie gemeldet, ein Ma-
drider Zerstörer versenkt, ein zweiter schwer beschädigt
wurde, ist nach einer Reutermeldung der Austakt für
einen neuen großen Truppentransport von
Marokko näch dem spanischen Festland qewesen. Mehr
als 2000 Mann sind mit Munition unter dem Schuh von
Kriegsschissen und Flugzeugen von Ceuta über die
Sträße von Gibraltar tränsportiert worden. Man
nimmt an, daß nunmehr derAngriff derRatio-
nalisten auf Malaga mit Unterstützung von
Kriegsschisfen beginnen wird. Die Nationalisten
sollen 8000 Mann einschließlich Kavallerie und Feld-
artillerie für den Angrisf auf Malaga zusammcngezogen
haben. Man erwartet in Spanien noch wcitere Truppen-
transporte aus Marokko.

MrungskerlaikiaWMamenommn!

z;o Slimmrn sür, 221 Llimmen grgen öle Abwerlung.

M Mmoch M dm öemit.

Der SenatSausschuß fordert Aenberungen.

Pis, 29. September. Die Kammer hat die Wäh-
rungsirlage in ihrer Gesamtheit mit Z50 :221 Stitn-
men agenommen. Die Regierung hatte die Ver-
trauenraqe nicht gestellt. Di« Kammer hat sich darauf
aus Mtwoch, 21 llhr, vertagt.

Inweiteren Verlauf der Aussprache brachten
eine R,e von Abgeordneten noch Zusahanträge ein, die
jedoch jntlich abgelehnt wurden. Dann wurde auch
der 25. qd lehte Ärtikel der Gesehesvorlage vom Haus
angenowen.

Die?ammsr wird am Mittwoch, 21 5lhr, gegebenen-
falls diegorlage, die inzwischen den Senat durchläust,
erneut zu Lesung bringen.

»

Dsr -anzösische Senat hat beschloffen, erst
am Mitvoch vormittag 9.30 Uhr mit der Aus-
sprache üb das Abwertungsgcsetz der Regierung Leon
Vlum zuieginnen. Der Finanzausschuß des
Senats tac am Dienstag nachmittag, um die von der
Kammer gcklligts Vorlage zu prüfen. In den Wandel-
gängen dessenats wurde bekannt, daß der Finanzaus-
schuß bedetende Aenderungen an dem Regie-
rungsprojektvornehmen wcrde, so daß anzunehmen ist,
datz di« Cirzung zwischen Senat und Kammer recht
schwierig wc,en wird.

slnter iesen ilmständen wird die Pariser
Börse frühtens am Donnerstag wieder geöffnet.

der marxistischen Zuschauer in den Abgrund zu
st ü r z e n.

Zn der Zwischsnzeit gelang es den Roten vor-
übergehend, Rondä wieder durch einen Hand-
streich zu besetzen. Sie erschoffen dis während der
weißen Vesehung vertrauensvoll zurückgekehrten, in den
Bergen versteckt gewesenen Vüraer, und zwar 800, denen
man nachwies, daß sie General Varslas Truppen ver-
pflegt oder in Quartier genommen hatten.

IedesDors,jede Stadt, dieich mit den

vorgehenden weißen Truppen betrete, bietet d a s- .. ,. ,, , „

selbeVild. Man gcht in diesem Land buchstäb-. himmelhohei Rauchwolken t
lich durch das Vlut der schändlich Gemordeten.! brande. Sieben «lometer näher
Lch fand nach dem Gefecht von Navalmoral bei der
eroberken Dagage der roten Kolonne Feldpost mit der
Adreffe an die Kolonne Tschetschaeff, darunter einen Brief
der Freimaurer-Großloge von Frankreich,
adressiert an den Armeekommissar Turkiewitsch. Diese
seltsamen Verbindungen der roten Milizen und ihrer
Führer sprechen für sich. Hier sind Kommentare unnötig.

Bezeichnenderweise finden wir unter den gefallenen Toten
immer häufiger Sowjetrussen und französische
Staatsangehörige.

Ln Stnien sind bis heute nach vorsichtigen
Schätzuz^n 150 000 Mcnschen gefallen, der Groß-
teil hiewn als Geiseln etmordet oder von dem
Hinrichtugstribunal in Madrid an die Wand ge-
stellt woden. Unzählige Kerkcr sind noch gcsüllt.
Aus ihne holt man Tag und Nacht neue Opfer.

An der nordspnischen Küste stehen fünf Geisel-
schiffe mit ugefähr 4000 Gefangenen, die mit Dhna-
mit-Ladungen zr Sprengung vorbereitet sind.
Die Horizonte -r Schlachtfelder zeigen die Brandröte,

der roten Vergeltungs-
an Madrid werden sich
diese Greuel schrcklicher gestalten.

ES ist unuöglich, daS ganze Land nnd die
ganze Vertwrfenheit zu schildern. Eine
Welt sieht auf Sanien. Zwischen Moskau und Madrid
laufen die Drähte Das Ziel ist die Weltrevolution. Aus
den geschändeten circhen und Gräbern, aus den Leichen-
hügeln unschuldig zemordeter erhsbt sich eine Anklage,
die auch die raffinerteste Propaganda der moskowitischen
Helfer in Madrid nicht mehr zum Schweigen bringen
kann.

Milliardenoerlusle sranzösischer Sparer.

Die Sparer protestieren gegen die Abwertung.

Paris, 29. September. Der Derband derVe-
siher von Wertpapieren tst beim Präsidenten
der französischen Republik, bsstn Ministerpräsidenten und
bei den Vorsitzenden der Finanzausschüffe der Kammer
und des Senats vorstellig geworden, um aufs schärfste
gegen den mit der Abwertunq verbundenen neuen
„Raubzug gegen die Sparer" zu prote-
stieren. In einer öffentlichen Crklärung wird hervor-
gehoben, daß es möglich gewesen sei, die' Abwertung zu
vermeiden. Das Vertrauen der Spärer in die Regierung
sei völlig zerstört. Die französischen Sparer, die ohnehin
untsr den lehtcn Wirtschastsereigniffcn schwer gelitten
hätten, sähen sich eines erheblichen Teiles threr Rück-
lagen beraubt. Die Volksfrontregierung habe bedenken-
los M i l l i a r d e n d e s kleinen Sparerkapi-
tals sür ihre unzulängliche politische Führung ge-
o p f e r t.

Zu dsn ungeheuren Mwcrtungsverlusten im Inland
träten gewalti^e Verluste, die die Sparer an den Aus -
landsanlerhen, deren Zeichnunq ihnen von der
Regierung empfohlen worden sei, erleiden. Allem an den
südosteuropäischen Anleihen seien viele Hunderte MU-
lionen durch die Abwertung verloren gegangcn.

Abkvmungsgelvjnn der Vank von England.

Kein schlcchtes Geschäsk.

London, 29. September. „Daily Herald" meldet in
großer Ausmachung, datz die Vank von Cngland als un-
mittelbare Folge der Frank-Abwertung einen
Geldgswinnvon über 160 Millionen
Pfund auszuweisen habe. Dicser Gewinn ergebe sich
daraus, daß die Golddeckung des englischcn Notenumlau-
fss nach dem alten Geldwert einen Betrag von 247 600 000
Psund ausmache, während sie nach dem Marktpreis
409 998 000 Pfund darstelle. Die höhere Vewertung tritt
jeht in Krast, nachdcm ein internationales Währungs-
abkommen — nämlich die Vereinbarung zwischen Cng-
land, Frankreich und Amerika — erzielt worden sei.

Der Gewinn werde von der englischen Regierung
zur Abschreibung der schwebsnden Schuld oder zur
Finanzierung von A r b e i t s b e s ch a f f u n g s p l ä -
nen oder sogar für Aufrüstungszwecke verwandt
werdsn.

*

Der Schweizer Nationalrat stimmt zu.

Dern, 29. September. Der Schweizer Nakionalrat
hat in der Schlußabstiminung am Dienstag abend mit
80: ZO Stimmen beschloffen, dem Vundesrat dic Voll-
machten zur Crgreifung dringender wirtschaftlicher Not,
maßnahmen zu erteilen.



ArauWhrung in Karlsruhe.

Sermann Vurtes «MensM mtt unö".

Als Karksruhe am Montagabend den Tag des
Theaters in der Gaukulturwoche mit der Urauf-
führung von Hermann Burtes neuestem Schauspiel
.Mensch mit uns" beging, erfüllte es eine Dan-
kespslicht des ganzen Landes gegen einen seiner be-
deutendsten Dichter. Denn Burte stand, obwohl er
einer der großen Former unseres heimatlichen Be-
wußtseins ist und mit seinem politischen Roman von
Wiltfeber, dem ewigen Deutschen, zu emem der Weg-
bahner der deutschen Neugestaltung wurde, bis in die
letzten Jahre hinein selbst in der Heimat etwas ab-
seits. Darum geschah es mit besonderem Recht, daß
man die Uraufsührung seines neuesten Spiels im
Staatstheater in die Reihe der großen Kulturveranstal-
tungen des Landes reihte. Der Abend, an dem auch
Reichsstatthalter und Gauleiier Robert Wagner
teilnahm, wurde zu einem Ereignis von festlichem
Rang. Ueber der Gemeinschaft der Teilnehmenden
lag aufmerksame Erwartung. Man harrte auf ein gül-
tiges Äort des Dichters zum neuen Werden unscres
Volkes.

*

Burtc greifl tief in die Lebenswelt des Germanen-
tums. Er formt in „Mensch mit uns" eine Ur-
sage der germanischen Welt um und tut dies mit dem
Mut der neuen Epoche, die das Ueberkommene nach ih-
rem Bild gestalten will. Viel« Wandlungen erfuhr
dieser Stoff: von der althochdeutschen dichterischen For-
mung der Sage an. dem Nibelungenlied, der Dichtung
einer starken Zeit, die sich schon völlig dem eigenen
deutschen Lebenskreis zuwendet, — so stark, däß sie
den urweltlichen Sinn der Gestalt Brünhildens sast
ubersieht — zu der Schöpfung Hebbels, in dessen denke-
risch-geschichtlicher Gestaltung die bewegenden mhsti-
schen Urkräfte der Sage ganz verwehen, und Wagners
Werk, das wieder der Saga folqt und in der Musik
das Maß des Riesischen ausdruckt.

Jn Burtes Spiel erscheinen die Menschen wieder
ols Blöcke einer grauen, vorzeitlichen Welt, wenn auch
der Weg anders geht als der der Saga und der Sinn
sich zutiefst wandelt. Siegsried, der von den Göttern
Stammende. drängt hier mit allen seinen Gaben zur
Schicht der Menschen herab. Jmdem er sich mit ihnen
einen will, nichts sein will als der Gatte der schönen
Grimhild aus dem Geschlecht der Menschen, gerät er
in dos Netz der menschlichen Vergehen, der menschlichen
Schuldhaftigkeit.

Siegsried mißbraucht seinc göttlichen Kräfte, er
dient bei Brunhild für Gunther, seinen schwachen
Menschenfreund und verschmäbt die Göttliche dreimal,
as einzige Mesen der Welt, das ihm gleich isi. Die
arte Liebe zum blonden Mädchen Grimhild und die
roßherzige Zuneigung zum Geschlecht der Menschen
chaffen seine tragische Schuld. Diese Menschen sind
einer Hingab« nichi wert, sie sind nicht stark genug,
§ Geheimnis zu bewabren, das er ihnen offenbarte.
ie verraten aus Liebe seinen Betrug. Brunhild. die
trogene, verlangt tzen Tod des Betrügers und aller,
ie mit ihm sind Siegfried will sein« göttliche« Ga-
en als Sübne sür seine Schuld darbieten doch
iese sügen stch nur dem Einzigen, die Burgunden-

Menschen können sie nicht verwenden. Sie fällen diesen
Einzigen, der unter ihnen war u>nd sie überragte.
Doch mit seinem Tod zieht die Flut der anrückenden
Hunnen das burgundische Reich und seine Menschen
ins Dunkel. . .

Richt um Menschen geht es dem Dichter, um Pro-
bleme, um Gestalien. Liebe, das ist Glück der Men-
schen, für dsn Göttlichen aber tragische Schuld — für
Siegfried gilt der Wille zum Ebenbürtigen, zur echten
Artung. Haßen, der Führer der Menschen. tann den
Gottlichen nicht ertragen, er will seine Vernichiung
und stößt den Blonden aus dem Dasein. Er spricht
vom Staat, der die Vernichtung des lleberragenden
verlange, vom Volk, das seine Führung fürchte. Ha-
^en der hier gerechtfertigt werden soll, nennt sich den
Folgerichtigen. Den Folgerichtigen — wozu? Als
der Hunnenstrom den Burgunden den Tod brachte, die
Hagen zu retten vorgab, begnügt sich der Dunkle mit
der Resignation des Sterbens. Hagens Tat empsängt
ihr Licht aus dem Gesetz des Weltgeschehons. das zeigt
sein letztes Wort — das ist ein bitterer, pessimistischer
Sinn der Dichtung.

Uns läßt Burte mit der Frage unp den unklaren
Zweifeln zurück, wie lebt der Held unter den Men-
schen — muß er vergehen? Wie gestaltet der Mensch
sein Schicksal — kann es nur im Dunkel der Selbst-
vernichtung enden?

Das Spiel lebt ganz aus der gedanklichen Grund-
lage. Es ist reich, aber man fühlt Konstruktion.
Wenn sich ein solches Spiel erheben soll zum Mit-
reißenden, Bewegenden, so ist das ein schweres Be-
ginnen. Zudem ist Burte in diesem Schauspiel der
Dichter der Momente, denn in den einzelnen Hand-
lungsabschnitten entstehen Spannungen, wie z. B. im
Gespräch der Königinnen. Toch solche Spannung ver-
flietzt wieder in der Folge des Weiterverlaufs. Wie-
derum beweist sich Burte als ein Dichter vo-n beson-
derer Sprachkraft. Jn vielen Teilen des Spiels klingt
sein Wort stark und schwer, dann aber wieder finden
sich AeUßerungen, die im Vergleich dazu unentwickelt
erscheinen müffen. Schwierigkeiten des Verständnisses
ergeben sich auch im gedanklichen Ausbau des Spiels:
wonn Hagen als der Sprecher der Schuldklage Sieg-
fried als die Verkörperung des Jüdischen bezeichnet,
ist man zumindesten erstaunt.

*

Di« Aufführung des Badischen Staatstheaters
entsprach den Hohen Ansorderungen des Schauspiels
und wurde ihnen gerecht in der sorgsältigen Entwick-
lung aller Möglichkeiten. So entstgnd eine außer-
ordentliche festliche Leistung, der alle Anerkennung ge-
bührt. Otto Baumbach fühlte, daß der Handlung
der spannende Bogen fehlt, darum sucht et durch
die strafse Folge des Ablcmfs alle dynamischen Mo-
mente der Dichtung zu steigern. Dabei atmete diese
Aufführung das mächtige drängende Leben der Vor-
zeit-Saga, das Wuchtige, Gewaltig« der germanischen
Welt wurde allein schon m der äußeren Zeichnung, im
Bühnenbild Heinz-Gerhard Zilchers deuilich.

Die Gestalten des Schauspiels standen sich in kla-

rer Umrcißung hres Wesens gegenüber. Paul
Hierl gab Siegried das Kraftvolle und Göttliich-
Strahlende, in den von Anbeginn an die Ahnung d!es
Untergangs ersteht eines Untergangs, den der Käm-
pfer heldisch bestehi E-Va Fiebig gelang als Brun-
hilde überzeug-ond ie Glut und das Lodern der über-
menschlichen Frau.die vor etnem verdorbenen Leben
zur Drängerin in cen Tod wrrd. Grimhild, die Kö-
nigstochter mit den öchwächen menschlicher Liebe wurde
von Elfriede P a ut in edler Haliung gegeben. Der
Hagen August Mimbers war unheimlich in der
Käkte seiner Zielsiclerheit, und Stesan Dahlen er-
schien ergreifend als der schwache König, der vergeblich
versucht, seine Aufgibon zu zwingen. Aus der Schar
der burgundischen Nänner hoben sich die Gestalten
Giselhers und einesalten Kriegsmanns aus dem Volk
hervor. Den einen pielte Heinz Graeber mit aller
Begeisterung eines slen jungen Herzens, den andern
Ulrich von der Lrenck mit der dunklen Ahnung
des Alters, das unaiwendbares Unglück kommen sieht.

Begeisterter Beihll dankte am Schluß siir Spiel
und Auffiihrung. T>r Dichter mußte sich immer wie-
der mit scinen Darscllern zeigen.

Hcrmann Hartwig.

Konzett des Heiielberger Kammerorchesters.

Mte und leue badische Meister.

Heidelberg, 30. September 1936.

Rach zwei Seiten >in war das gestrige Konzert
des K a m m e r v r ch est e r s vrientiert: es bot einen
Vlick in die Vergangenheit, in eine große ZeU des
Musizierens in unserem Gau und einen in die Gegen-
wart. Wenn wir heutc uns nach dsr Vergangenheit
hin ausrichten. so finden wir innerhalb unserer engeren
Heimat viele kleine Zentcen, in denen nach irgend einer
bestimmten Vichtung hi» weisend musikalische Kultur-
arbeit geleistet wurde, wir dvch geraüe in der Zeit des
musikalischen Darock und des Rokoko jeweils die Ein-
stellung eines Hofes maßgebend: und deren hatte un-
sere engere Heimat eine ganze Reihe. Da waren die
Markgrafenhvfe, die mitunter Männer in ihren Kreis
zogen, die sich unsterblich machten, wie 2. K. F. Fi-
scher in Rastatt, da waren einige Dischvfssitze mit rei-
chem kulturellen Eigenleben, wie der Druchsaler unter
den Hutten und Schvnbvrn, abgesehen von einer frü-
heren musikalischen Dlüte in Konstanz. Für unsere
nördliche Gegend des badischen Landes ist jedoch die
Musik am Mannheimer Hof der pfälzischen Kurfürsten
von gröhter Dedeutung: hat doch hier eine Dewegung
ihren Ausgangspunkt genvmmen, in die die große Li-
nie der klassischen Meister der Wiener Echule ein»
mündete.

Dieser reichen Perivbe musikalischen Schafsens ge«
dachte der erste Teil des gestrigen Programms. Frisch
und unmittelhar strömt der Quell reicher musikalischer
Erfindung bei den Mannheimer Meistern. 2m Mit-
telpunkt steht da der ältere Stamitz, 2ohann, der
aus Böhmen berufene Geiger und Kapelleiter des kunst-
sinnigen Kurfürsten Karl Theodor. Seine Orchester-
trivs stehen am Anfang: sie haben damals ihren Sie-
geslaus durch die Welt angetreten und wurden für die
zweite Hälfte des 18. 2ahrhunderts wegweisend. Llm
Stamitz arbeitete ein Kreis Degnadeter. Franz Taver
Richter gehvrt dazu. Dicht alles, was er schreibt, ist
gewichtig: wie könnte es das auch bei der ungeheuren
Produktion dieser Meister sein. 2Iber es ist liebens«
würdig und unterhaltsam. Es rst eine Musik. Lie uns.

in den letzten 2ahrzehnten wieder näher gekommen ist:
man hat begonnen, sie auszugraben, Spielvercinigungen
greisen gerne danach, der Hörer freut sich darüber: so
dürste es üieser Musizierkunst beschieden sein, auch in un-
serer Zeit wieder einmal befruchtend zu wirken.

Der zweite Teil bvt zeitgenvssische badische Kom-
ponisten. Don der älteren Generation sprach 2ulius
Weismann in einem Gesangswerk mit Kammermusik
zu uns. Sicher gehört der Kvmponist zu den HSusiger
genannten unter den Lebenden. Dielgestaltig ist sein
Lvbenswerk. Der Weg, der ihn zu seiner reifen Sprache
führte, ist nicht gerade und ungehemmt. Er sührte von
der Münchner Schule Thuiles, zu der man ihn früher
zählte, weg über eine neuromantisch-impressionistischs
Klangkunst zu einer neuen formbetonten Ausdruckskunst.
Sein Zyklus: „Derklärte Liebe" gehört dieser sei-
ner letzten Schaffenszeit an.

Das Werk interessiert durch seine starke klanglich-
harmonische Ausgestaltung, durch die thematische Durch-
führung und die vornehme Linearität, in den 2nstru-
mentalstimmen. Die stark symbolistisch gesärbten Texte
hat der Kvmponist in schöne in sich geschlossene Formen
verarbeitet, die wohl zu sesseln vermögen. Der anwe-
sende Komponist konnte die freudig« Zustimmung der
Zuhörerschaft entgegennehmen.

Erich Lauers „D e u t s ch e S u i t e" ist aus den
2nstrumentalstücken einer „Feiermusik zur Winterson-
nenwende" zusammengestellt. („Es steht ein Flammen-
stoh in tieser Aacht", Dichtung von Walther Döhme.)
Dvrige Weihnachten wiesen wir gelegentlich der Llrsen»
dung im Münchner Sender auf das ganze Werk hin.
Die als „Deutsche Suite" gestern aufgeführte 2nstru-
mentalmusik aus der Kantate zeichnet sich durch Schlicht-
heit des Ausdrucks, durch Einfachheit der Formgebung
und die Oekonomie der instrumentalen Mittel aus. Kein
Lleberschwang, sondern Klarheit der Gedanken, damit
Wahrheit des Gestalteten liegt dem Werk zugrunde.
Die Dariierung des thematischen Gedankens, die dea
Hauptgedanken als Fuge, als Choral, als Pastorale und
als Reigen in ständiger Llmwertung des Bewegungs-
und Spannungsgehaltes bringt, gibt der Suite schöne
innere Geschlossenheit. Es ist ein Werk, das in der
Gesundheit der Faktur und geistigen Haltung gefällt.
Reicher Deifall dankte dem anwesenden Komponisten
für die schöne Gabe.

Als lehtes Werk hörte man eine Spielmusik von
Wilhelm Maler, deffen Schaffen in tzeidelberg wohl
bekannt ist. Die Spielstücke sind ein qut klingendes, for-
mal selbständiges Vorspiel (Praeludium) zu dem neuen
Lied „Hsiliq Baterland", das sich als roter Faden schön
durch den Mittelsah zieht, ein „Lanqsames Zwischen-
spiel" und ein „Klemes Rondo", alle in ähnlicher Weise
mustkalisch qut durchdachte und in sich qeschlosiene Stückc,
die dankbar aufgenommen wurden.

Wolfgang Fortner musizierte in intensivem Lin-
satz mit seiner Spielerschar. Cs war ein sauberes und
gut abgestimmtes Spiel. Das Kammerorchester qing gut
auf die Intsnsionen des Leiters ein. Dic Gesänae von
Weismann bot Frihi Clausen (Leipzig), eine Sän-
aerin von schönstem künstlerischem Format, sauberem An-
satz und klarer, weicher Stimme.

Damit ist nun die Folqe des Konzertwinters ein-
geleitet. Dankbar stellen wir qleich bei diesem erste«
Konzert den freudiqen Ciniah für zeitqenösiisches Schaf-
fen sest. Der Saal der Neuen ftniversität hätte noch
weitaus mehr Zuhörern Platz qeöoten

Die Crschienenen spendeten reichen Veisall.

vr. zv. O.
 
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