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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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„Heidelberger Neuefte Nachrichten' — „Heidelberger Anzeiger'

Freitag. 23. Oktober 1936

Nr. 249

di« Verpflichtung der Nichteinmischung in die
spanischen Angelcgenheiten strikt innegehalten
habe. Demgegenüber sei jedoch sestzustellen, daß der fran-
zösische Lustsahrtminister an die Madrider „Regierung"
nachstehende Apparate geliefert habe:

16 Dewoitin, 6 Potez 54V, eine Bloch-Hispano 2lü,
eine Potez-Hispano 12 D, 6 Loire, 7 Potcz 542, 2 De-
woitin 371, eine Lockheed-Orion (sie sei angeblich der
srühere Apparat des bekannten Fliegcrs Detroyat), 7
Latecoere (Aire France, von denen jeder einzelne mit
543 VÜÜ Franken bezahlt worden sei), 25 Potez, 10 Han-
riot 182 (die ursprünglich für das französische Heer be-
stimmt gewesen seien).

An disse Liste seien noch anzufügen 45 Caudron-
Renault, die angeblich von der sranzösischen Lustfahrt-
gssellschaft Aire France bestcllt worden seisn.

Vei der letzten Lieferung bestünden jedoch noch
einigs Zweisel.

Die Verstöße gegen das Nichtein-
mischungsabkommen in dcr spanischen Anlegen-
heit beschränkten sich j-doch nicht nur auf diese Lieferun-
gen. Cs sei endlich an der Zeit, einmal die Frage aufzu-
werfen, ob es zutrefse, datz dcr Sohn Roland des
französischen Ministerpräsidenten Blum, der der be-
kannten Flugzeugmotorenfirma Hispano-Suiza ange-
hört, sich kürzlich nach Perpignan begeben habe, wo er
mit Vertretern des katalanischen „Präsidenten" Com-
panis über die Lieferung von zwanzig
Eisenbahnwagen mit Waffen verhandelt habe.
*

Neue Botschaft Stalins an Largo Caballero.

Sa. Jean de Luz, 22. Okt. Den spanischen
Nationalisten ist es gelungen, eine neue Radio-
botschaft Stalins an Largo Caballero
aufzufangen. Aus dieser Botschaft ergibt stch, daß die
Hilfeleistung Sowjetrutzlands für die spa-
nischen Marxisten die Niederwerfung dcs
Faschismus bezwecke. An diesem Kampf, der
keine innerspanische Angelegenl)eit darstelle, sei die ge-
samte „sortschrittliche" Menschheit interessiert!

3m B«kMksch Ms Madrid.

Geringer Widerstand der Roten.

Vurgos, 22. Oktbr. Zn den Vormittagsstundsn
des Donnerstag haben die nationalen Truppen
die Ortschaft Navas del Marques am Südhang
der Sierra de Guadarrama in der Nähe von El Escorial
eingenommen.

Ueber die Cinnahme von Naval Larnero
wird bekannt, daß die roten Truppcn keinen grotzen Wi-
derstand leisteten, ihre vorzüglich befestigten Stellungen
beim sieghaften Vorrücken der nationalen Truppen sofort
ausgaben und mit den Lastwagen und Automobilen in
Richtung auf Madrid flüchteten. Von den nationa-
len Truppen wurden 200 Gefangene gemacht. Die Ve r-
luste der Roten an Menschen und Material konnte
wegsn der nächtlichen Dunkelheit noch nicht sestgestellt
werden. Wie nachträglich bekannt wird, wurde auch ein
Fesselballon der Roten abgeschoflen und siel in die Linien
der nationalen Truppen. Der Pilot konnte gesangenge-
nommen werden.

»

llebersiedlung Azanas nach Barcelona bestätigt.

Burgos, 22. Oktbr. De llebersiedlung des spa-
nischen Staatspräfidentsn Azana nach Barcelona wird
von Madrid nunmehr amtlich bestätigt. Nach drei-
tägigem Aufenthalt in der katalanischen Hauptstadt er-
teilte Azana Madrid den Vefehl, sosort die Leibwache
nach Barcelona zu senden.

Diese Maßnahme wird dahin ausgelegt, daß Azana
beabsichtige, einen längeren, wenn nicht gar ständigen
Aufenthalt in Varcelona zu nehmen.

Roter Führer mit 36 Millionen Peseten durchgebrannt.

St. Iean de Luz, 22. Oktbr. Der Nadiosender Tene-
rifsa meldet, datz der Führer der roten Milizen und
Cortes-Abgeordnete Gonzales Penia mit dem Kriegs-
schatz von 36 Millionen Peseten, der aus der Veraubung
der Vanken von Gijon und Aviles stammt, aus Ovicdo
verschwunden sei.

Uellll 10000 Geiseln!«Radrid.

Darunter 15VO Frauen.

London, 22. Oktbr. Das internationale Rote
Kreuz in London hat aus Madrid die Nachricht erhal-
te«, datz dort nach zuverlässigen Schähungen über
1VÜÜV Personen (darunter I5VV Frauen) entweder
als Geiseln oder als Gefangene festgehalten wür-
den.

BolfKeMsiemns Kataloniens.

Rach MaMiier Bardild.

Zusammenarbeit mit Madrid — unter Vorbehalt.

Paris, 23. Oktbr. (Cig. Funkmeldung.) Die
Vertreter der katalanischen marxistischen und kommuni-
stischen Gewerkschaften, der marxistischen Partei Kata-
loniens und der iberisch-anarchistischen Vereinigung
haben am Donnerstag ein Aktionsprogramm auf-
gestellt, das sosort verwirklicht werden soll und die
Sowjetisierung von Katalonien, die ja prak-
tisch schon längst besteht, nun auch ganz ofsen zum Pro-
gramm erhebt.

Das Programm beginnt mit der Feststellung, datz die
Beschlüsse der katalanischen Generalidad beachtet und
durchgeführt wsrden sollen, vermutlich weil bisher
die einzelnen Gruppen getrieben haben, was ihnen patzte.
Cin weiterer Programmpunkt sieht die Cnteignung
aller Crzeugungsmöglichkeiten der Provinz vor und er-
klärt ausdrücklich, daß die bisherigen Besiher der
bctrcffenden Vetriebe nicht entschädigt werden sol-
len. Der Besih und alles, was für die Führung des
Krieges notwendig ist, soll ebenfalls „kollektiviert" d. h.
enteignet werden. Der Form halber wird die soge-
nannte Kleinindustrie ausgenommen; aufschlutzreich
ist aber, datz auch hier ein Hintertürchen offen bleibt.
Wenn der Vetrieb nämlich verdächtig ist, „umstürzlerisch"
zu sein, d. h. gegen die roten Machthaber eingestellt, so

erfolgt die entschädigungslose Cnteignung. Wichtig ist,
daß auch ausländische Unternehmungen einbezogen sind.
Hierbei soll „von Fall zu Fall" über die Cntschädigung
beschloflen werden. SLmtliche Wohngebäude mit Aus-
nahme kleiner Landbesihe sollen den Dtadtverwaltungen
unterstellt werden, — kurzum, es wird alles nach
Moskauer Muster eingerichtet. Der gesamte
Autzenhandel soll einer Kontrolle der Regierung
unterstehen. Genoflenschaften sollen sich der Kollektivie-
rung anpaflen und die Vanken verstaatlicht werden.

Für die „siegreiche" Beendigung des Krieges, so
heitzt es in dem Programm weiter, sei die Schaffung
eines einzigen Oberkommandos notwendig,
auherdem die Cinführung der Wehrpflicht,
die Aufstellung eines großen Volksheeres und
verschärfte Disziplin. Auch soll eine große Kriegsindu-
strie geschaffen werden.

Die klnterzeichner des Programms erklären fich
schließlich für Z u s a m me n a r b e i t mit der spanischen
„Regierung" auf politischem, wirtschaftlichem und mili-
tärischem Gebiet. Sie machen aber stchtlich einen gewis-
sen Vorbehalt, indem sie die Vereitschaft für Zu-
sammsnarbeit mit Madrid von der Formulierung abhän-
l gig machen, „wenn in dieser Regierung dieselben Orga-
nisationen vertreten stnd, die von ihnen vertreten wer-
den."

Krach in Viarriz.

Veim radikalsozialistischen Parteitag.

Paris, 22. Oktbr. Die Nachmittagsfitzung des
radikaljozialistischen Parteitages in Viar-
riß ist recht stürmisch verlaufen, besonders bei Cröffnung
der Sihung während der Rede des Parteitagführers
Daladier. Als Daladier den Sihungssaal betrat,
wurde er von Hochrusen empsangen. Aus der Mitte der
Versammlung ertönte die Ma r s e i l l a i s e, die von der
Mehrhcit der Kongreßteilnehmer mitgesungen wurde und
sogar in den Wandelgängen des Kongrefles ihren Wi-
derhall sand. Als Antwort hierauf grützten sinige Ver-
sammlungsteilnehmer mit dem kommunistischen
Grutz, der vom rechtsstehenden Flügel der Partei mit
dem faschistischen Gruß erwidert wurde. Zugleich wur-
den Rufe laut wie: „Cs lebe de la Rocque!"

Der Lärm steigerte sich derartig datz Daladier seine
Rede unterbrach, um vergeblich für Ruhe und für Diszi-
plin zu mahnen. Das Rufen von beiden Seiten wurde
immer stärker. „H o ch Frankreich!" — „Heil
Volksfront!" plahten auseinander und immer wie-
der wurden die Rufe „Heil Volksfront!" übertönt von
dem Gesang der Marseillaise deren Refrain sechsmal
hintereinander gesungen wurde. Minister Daladier unter-
brach darauf die Sihung für einige Minuten. Die Atmo-
sphäre in der der Parteitaq eröffnet wurde, lätzt darauf
schlietzen datz die Aussprache über die von der Partei
künftig zu besolgende Politik vielleicht nicht so ruhig ver-

laufen wird, wis die unentwegten Vertreter des Volks-
frontgedankens in Wort und Schrift seit Tagen den gut-
gläubigen Maflen vormachen wollen.

Veilere Meldungen.

Gaulejter Bohle in Wieu.

Berlin, 28. Oktober. Der Leiter der Auslandsorgani-
satian der NSDA-P., Gauleiter BohIe, wrrd am Freitag
vormittag in Begleitung seines persönlichen Referenten
Dr. Erich und seines Adjutanten in Wien eintressen
und als Gast des Äotschafters von Papen in üer Ge»
sandtschaft Wohnung nehmen.

Gauleiter Äohle besucht die reichsdeutsche Ko-
lonie in Wien und wivd anlätzlich der Erntedankfeier
am Samstag im grotzen Konzerthaus zu allen Reichsdsut-
schen sprechen. Jm Anschlutz daran begibt sich Gauleiter
Bohle über Vsnedig und Florenz nach Rom. Er folgt
damit einer Einladung des Leiters der faschistischen Äus-
landsorganisation, Minister Parini, der als Ehren-
gast des Führers am Reichsparteitag der Ehre teiilnahm. —
Am 28. Oktober wird Gauleiter Äohle das „Deutsche
Heim" in Rom einweihen und der dortigen Ortsgruppe
der N-SDAP. übergeben.

Massenverbannungen in der Sowjetunion.

Warschau„.22. Oktober. Jn Zusammenhang mit den
in lehter Zeit erfolgten Verhaftungen angeblicher
Trotzki-Anhänger ist jetzt, wie hier bekannt wird,
zahlreichen „verdächtigen Personen" die Uebersied-
lung m das Jnnere der Sowjetunion befohlen worden.
Jn Moskau wevden von dieser Anordnung, die in ihrem
Evgebnis einer Verbannung gleichkommt, 12 000, in
Leningrad 20 000, in Charkow 11000 und rn Kiew 22 000
Personen betroffen. Jn Moskau sollen weiter 40 Aus-
länder, darunter 20 Frauen, verhaftet worden sein.

Mtsches Reich.


— Der älteste Schmied Deutschlands. Dieser
Tage feierte in Welsberq bei Staffelstein in Franken der
Schmiedmeister Andreas Späth seinen 99. Geburtstaq.
Der Iubilar ist der älteste Schmied Deutsch-
lands. Späth ist noch hcute so ungewöhnlich rüstig,
daß er, wenn Not am Mann ist, selbst noch mitunter am
Ambotz werkt.

— Vluttat eines Eisersüchtigen. In der Nähe des
Ortes Eichelborn (Kreis Weimar) gab am Don-
nerstag vormittag der in Marbach bei Crsurt wohnends
Kurt Clfer aüs den 50jährigen Handelsmann Her-
mann G e i st aus Crfurt, der mit seinem Geschirr un-
terwegs war, einen Schutz ab und verlehte ihn schwer.
Dann richtete Clfer die Wafse gegen seine Braut Clisa-
beth Dan, die bei Geist angestellt war und mit ihm
auf dem Wagen saß. Das Mädchen wurde in die Brust
c;etroffen. Schließlich jagte sich Clser selbst eine Kugel
in den Kopf. Die drei Schwerverlehten wurden in das
Crfurter Krankenhaus eingeliesert, wo Geist seinen
Verlehungen erlag. Der Beweggrund zur Tat soll
Cifersücht sein. Clfer war dem Geistschen Wagcn
auf seinem Fahrrad gefolgt.

Der salsche Negus. Drei junge Leute in Gens
hatten sich im Zuni den Scherz erlaübt, den Negus
von Abessinien und seine Vegleitung zu mimen.
Tatsächlich waren einige Diplomaten aüf die Maske-
rade hereingefallen. Die Scherzbolde wurden jetzt je-
der zu 100 Franken Geldstrafe verurteilt, und zwar auf
Grund der Genfer Kantonalverordnung über das Ver-
bot des Maskentragens in der Oeffentlichkeit.

— 21 Arbeiter in einem Steinbruch getötet. In
einem Steinbruch der Gemeinde Chauvicourt bei
Caen (Frankreich) sind durch die vorzeitige Cxplosion
einer Sprengmine 21 Arbeiter getötet und vier
schwer verleht worden. Zu dem Cxplosionsunglück wird
weiter bskannt, datz es sich um eine Kalkfieingrube
handelt, deren Crzeugniffe in Nordfrankreich zü einer
Cisenmctallmischung verwendet werden. Gewöhnlich wer-

den zur Sprengung Sprengpatronen mit flüssigsm
Sauerstoff benuht. Drese Sprenczpatronen werden
an den Sprengstellen verteilt und durch eine Zündschnur
besondsrer Art miteinander verbundcn. Meist verstrei-
chen zwischen dem Augenblick, in dem die Zündschnur an-
gesteckt wird, und der Cxplosion zwanzig Minutcn. Dies-
mal erfolgte die Cxplosion aber früher, so datz die noch
an den Sprengstellen weilenden Arbeiter überrascht wur-
den. Cine gerichtliche Untersuchung über den Vorfall
eingeleitet.

Die SlykWsche Nagge versitgelt.

Aufbewahrung in der Stahlkammer bis zu den
Spielen in Tokio.

Verlin, 22. Oktober. Die seidene Fahne mit
den fünf olympischen Ringen, die bereits mehrere
Olympische Spiele erlebt hat und zuleht in den
ereignisreichen Tagen des August im Reichssport-
feldalsSymbol des friedlichen Wett-
kampfes der Iugend der Welt über den Kämpfen
wehte, wurde am Donnerstag in den Raumen dss
Staatskommissars der Hauptstadt Vcrlin ver-
sisgelt. Das Fahnentuch ruhte bis jeht im Tresor
der Verliner Stadtbank. Inzwischen ist für den drei
Meter langen Zinkkasten, in dem oas symbolisch« Tuch
die lange Reise übsr den Ozean angetreten hatte, ein
neues Äsrschlutzstück hergestellt worden.

Am Donnerstag wurde die Flagge in eine zehn Me-
ter lange Reichsfahne gehüllt. Den Fahnenbändern
in den Farben der Städte, in denen sis zu Olymptschen
Spielen aufgezogen war, wurden noch die Farben ver
Reichshauptstadt, rotweitz, hinzugefüqt. Das
seidene Tuch ruht nun in seiner schühenden umhüllung
wieder in dem Trefor derStadtbank, denes
erst verlaflen wird, wsnn im Iahr 1940 Tokio zur
Zwölsten Olympiade rust.

Der Führer an Staatssekretär Schlegelberger. Pe?
Führer und Reichskanzler hat dem Staatssekretär i
Reichsjustizministerium Dr. Schlegelberger, de^
am Donnerstag seincn 60. Geburtstag begeht, teie-
graphisch Glückwünsche ausgesprochen. ^

Deutsche Frontkämpser werdcn unter Führung
Herzogs vonKoburg vom 23. bis 28. Oktobe
Gäste der Britischen Leqion sein. Am 28. Oktober w^r-
den sie in London offiziell vom Generalmajor Sir Fr«-
deric Maurice und Major Fatherstone Godlev, dem
Vorsihenden der Dritischen Legion, empfangen werden-

ZioeMe Gesoche.

Keine weiteren Bewerbungen an Ministerpräfident
Göring.

Verlin, 22. Oktbr. Seit dsr Herausgabe der Dek'
ordnung des Führers über die Durchführung des Vie k'
jahresplans läuft im Stabsamt des Ministerpräsi'
denten Gcneraloberst Göring eins Fülle von Gesu'
chenum Derwendung ein, die den Geschäftsbetrieb auße^
ordentlich hemmt. Hierzu teilt die Preffestelle des Dsi'
nisterpräsidenten Generaloberst Göring mit:

„Ministerpräsident Generaloberst Göring hat sür d^
Durchführung des Dierjahresplans seine Mitarbe"
terbereitsbestimmt. Es wird keine besosi'
dere Behörde oder Dienststelle gebildet.
tere Gesuche um Einstellung find zwecklos.

Midmrk im Spiilherdsl.

Von Wilhelm Hochgreve.

Nicht nur im roten Gewand ist die Heids schön.
ste wirklich kennt, liebt sie, ob sie nun braun oder gru»
oder rot oder wciß ist. Wann aber kann es dort sckM^
sein als um die Zeit, wenn der Herbst dis Blätter w
Vlut und Schwefel taucht, wenn aus dem Nebelmoor der
Schrei des Hirsches herüberschallt? And selbst an siraue»
Novembertagen ist die Pirsch durch endlose Weite a>n
köstliches Weidwerken.

Ein grauer Novembertag, so still, daß keins der lev'
ten Vlätter der alten Cichcn sich rührt. stm Wacholh^
und Stechpalmen pirsche ich am lauschigen Fluß dahr"-
Ich soll das Schmalrsh von seinen Qualen bcfreien, d<w
laufkrank am Moorrand steht. Mein nächstes Ziel ave
ist die alte vcrwitterte Prügelfallc, wo der Heidjer, ds!
sen Gast ich bin, früher seins'Ottern sing, die Fischmard-O
die heute nur noch selten von der Aller hsraufsteigen, d"'
mals aber auf Forellen, Aalquappen und Hechte jagtssi
Icht rechne ich mchr mit dcm Iltis, deflen Spuren ich
ersten feinen Pulverschnee fand. Die unter Reisig >"
jedcs fremde Auge sichcr vsrsteckte Falle ist zugeschlag^
Ich hebe die mittleren Dachknüppel hoch, die dcn vcsi'
deren Schlagbaum überragen: nichts. Aber auf der a"'
deren Seite steckt ein starkcr Iltis zwischen den KnüPprl.Ui
Ich streichs ihn glatt und puste in das Haar, um me"
Auge an dem Dottergelb unter den dunklen Grannen
weidcn. Das Cichhörnchen, das sich gestern gefangen hasi^
und als Köder unter das Prügeldach kam, hat se'^
Schuldigkeit getan, mag auch die 'Falle ohnc Kirrung da
Kleinraubwild anlocken. ^ „

Mit meiner Veute am Rucksack pirsche ich den
am Waffer entlang. Der Drilling ist auf Kugel gestd"'
Da — stehcn sis aüf mit Geplansch und „Rähb, rähb' "7
vier, fünf. scchs Stockenten. Schade, datz ich den H"^
nicht bci mir habe, Tell, dcn waflerfesten Drahthaar. 2lbs
morgen ist auch ein Tag. . . Im Moor auf der altN
„Virkhahnwcide" äst eine Ricke mit ihren Kihcn. 77'
einem Koppelpfostcn blockt ein Buflard, und aus ds
First der halb verfallenen Vishhlltte zerrt cine Ram'ü
krähs an ihrer Veute. Klirrendes Vogellocken lätzt »>> ^.
umschauen. Gut zwanzig Seidenschwänze sind in
Cichen eingefallen, um auf der Suche nach Cbereschen
wenig zu rasten. Ich sche wieder nach den Rehen. -si).
sinds jeht, und das vicrte ist das laufkranke. Ich M'.^
an der nächsten Kiefcr an, und dcr Drilling tut si'tl
Schuldigkeit. Nach zwsi. drei Fluchtcn ist das Reh ve
endet. Nach hundcrt Schritten habc ich den n2ch>M
Steg über den Flutz erreicht, den der Forstwart aus dr^
rohcn Kicfern bautc. Gut, daß es so klapptc, dcnn d«
Laufschuß ist dick vereitcrt. .

Ich hänge msine Veute an der nahen Wcttsrb's^
auf und laffe ihr zum Auskühlen Zcit. Dann bummle „
in den Wacholdcrbsstand. And siehc da frisch bcfalstF,
ist dcr alte Fuchsbau. Beutereste licgen um die

fahrten. Das wird Arbeit geben

für den Teckel

Grundsählich ist der Wert jeder Arbeit
doppelter: ein rein materieller und ein ideelle '
Der matericlle Mert beruht in der Vedeutung, und
der matcricllen Bedeutung, ciner Arbeit für das Lebe,
der Gesamtheit. Ie mchr Volksgenoffen aus einer
stimmten vollbrachten Leistung Nuhen ziehen, us"!.
größer ist der materielle Wert einzuschätzen.
Einschähung findet ihrerseits den plastischen Ausdr»ck.'^
materiellen Lohn, welchen der einzelne sür „
Arbeit erhält. Diesem rcin materiellen Wert stelst
gegenüber der id « «lle. Er beruht nicht auf der ^
tung der geleisteten Arbeit, materiell gemeflen, sb"^.c
aus ihrer Notwendigkeit an sich. So sicher ^
materielle Nuhen einer Ersindung größsr sein kan»
dsr eines alltäglichen Handlangerdicnstes, so sicher ist
Gesamtheit doch auf diesen kleinen Dienst genau so

wiesen wie aus jenen grötzten.

Adolf Hitle^

Erstes sta-ttsKes Sinfonle Konzert.

Werke von Sverhoff und Fortner.

Heidelberg, 23. Oktober 1936.

Das erste Sinfoniekonzert sand einen statt-
lichen Zuhörerkreis; immer wachsend scheint das Inter-
efle an der Veranstaltungsreihe zu sein; Frucht sleitzi-
aer und zielbewutzter Ausbauarbeit der lehten Iahre.
Wir blicken erwartungsvoll voraus in ein Iahr weiteren
Vorwärtss chreitens.

Schon dieses erste Konzert zeigte Willen zum Vor-
wärts, ein Cindringen in die Gegenwart. Im ersten
Teil stellte es Werke zweier einhcimischer Komponisten
zur Diskuflion, beide in ihrem Schafsen hier beachtet
und bekannt. Ilnser Generalmusikdirektor Kurt Over-
hoff hat sich nicht nur mit seiner Oper „Mira", son-
dern auch mit Orchssterwerken kleineren Formats in die
Herzsn eines weiten Kreises in Heidelberg hinein-
musiziert; sein „Nächtliches Ständchen" ist uns von den
stimmungsvollen Serenadcnkonzerten in quter Crinne-
rung. Neben ihm brachte das gestrige Programm ein
Werk des junqen Wolsganq Fortiicr, deflen „Ma-
rianische Antiphonen" — viclleicht sein stärkstcs und trag-
fähigstes Werk — vor etlichen Iahren ihm den Weq
hierber ebncten; Fortner mag heute wohl zu den oft
gespielten Komponisten der jüngen Generation gehören.
'Man hätte keine grötzeren Gsgensähe sinden können:
Overhosf, Vertreter einer spätr'omantischen, reifen Rich-
tung, stimmungsgeladen, blühend im Klang, rcich an
alliterierendsm Vorstellungsvermögen. llnd ihm gegen-
über Fortner: Spiel mit Bewsgung und Linis; Form
an sich, fast asketisch, wo der andere üppig, farbenfroh
ist. -

Frische , liebenswürdige, unproblematische Gestal-
tungskraft spricht aus dem Orchestcrstück von Overhoff,
die man gcstcrn abend hörte: die Cichendorfs-
Ouvertüre. Der thcmatischen Arbeit liegt die spät-
romantische Improvisationskunst zugrunde: reicher
Schwerpunktwechsel, harmonische Ruckungen und instru-
mentgebundene Figuration sind Clemente der themati-
schen Verarbeitung. Die leicht eingängige, slüffiqe the-
matische Substanz ist in reiches harmonisches Gcwand
geklsidet, mit dem ganzen Zauber des Strautzschsn Or-
chesters übergoflen. ^ Höchstes Können liegt in der Ve-
herrschung solcher Instrumentation. Von allen Fein-

heiten der Orchestrierung ist Gebrauch gemacht. Ge-
dämpfter Gcigenchor, osfene Sologeige im Gegenspiel,
Instrumentengruppen in schönster Abgewogenheit qeben
dieser Partitür den Klangzauber, der gefüngen nimmt.
Dabei ist nicht das Klangiiche Selbstzweck; das Werk ist
sormal durchsichtig gebaüt, nicht lediglich nach dem
Stimmungsgehalt erfühlbar, sondern auch in der thema-
tischen Arbeit, die gute gedankliche Steigerung aufweist.
Auch für die O r ch c st e r g e s ä n g« gilt das; Overhoff
malt dabei sast detailistisch — vielleicht ist das cin Nach-
teil im Vlick auf das Orchesterwcrk. Auch bei ihnen ist
die Substanz durchaus stark und reif. 5lnd wcnn wir
uns an die Stimmungsbereiche dsr Musik Overhosfs er-
innern wollen, so sallen uns Vsrwandtschaften zwischen
dem „Nächtlichen Ständchen" und dem ersten der Ge-
sänge (Sehnsucht) auf.

Im Gegensah zu ihm, dcm Neuromantiker, steht
Fortner als Vertreter eines Neoklaflizismus (Neue
Sachlichkeit" scheint aus der Schlagwortliste gestrichen
zu sein). Als solcher ist er problematisch; denn die
Formsprache des Neoklaflizismus ist noch nicht fest-
stehend, wie die des Impreflionismus. Bei Fortner
herrscht Geballtheit der Bewegung, Gerafftheit in der
formalen Gestaltung. Seine Linie schwebt gewiffermatzen
im Raum; dabei ist seine Harmonik ohne Zielstrebig-
keit, funktionslos. Sein musikantisches Crfaffen kommt
von einer ganz anderen Seite her, als bei Overhoss;
während dört die Stimmung herrscht, regiert hier der
Vau, die Tektonik. Auch bei Fortner ist die Substanz
klar erfaßbar; ebenso die Technik. Fortner spinnt sein
Thema aus dem Bewegungselement der Melodik wsitsr,
ohne Stimmungsmomcnt, ohne „Scntiment". Dabei
strebt er fanatisch nach neuartigen Ausdrucksgebunden-
heiten, nach neuen Kombinationen, formal sich jedoch an
etwas von früheren Cpochen her Gegebenes haltend. (Cs
mag sein, datz sich dabei Widersprüche finden laflen.)
Gegensähe prallen im Sinn gewichtsmatziger Verteilung
motorischer Mittel aufeinander: Cnge und Kurzatmig-
keit der Vewegung steht neben weitgespannter Melodik,
die sast wie über unendliche Weite hinblickend anmutet
(so im Mittelteil des ersten Satzes) dann wieder diszi-
plinierte, sast konventionelle Formhaltung, wie im zwei-

ten Sah mit der an Vrahms'sche Mslodik erinnernden
Motivik und der sizilianohaften Vegleitung mit den
Flötcn in Sekundenparallelen. Cs war intereflant und
aufschlußreich, diese beiden Komponisten nsbcneinander
zu Wort kommen zu laffen.

Für das technisch anspruchsvolle und mncmstcchnisch
autzerordentlich schwierige Werk Fortners sehte stch Wal-
ter Hans Trampler (Vratsche) ein, der sich als So-
list von schönstem Format erwies. Sein Instrument
klingt bei ihm in allen Lagen, seine Klanggcbung ist be-
herrscht und nuanzenreich. Die Orchsstergesänge Over-
hoffs gestaltete Ria Ginstcr mit der bei ihr öekanntcn
technischen und klanglichen Meisterschast; ist sis doch noch
vom Schubertfest her in bester Crinnerung, manchem wohl
auch von dem zweiten Schubertabend des Rundsunks am
Mittwoch. Cs mag bemerkt sein, daß gerade dis Kompo-
sitionen Overhoffs in schönstem Verständnis für die Ge-
gebenheiten der Singstimme geschrieben sind. Iedsnsalls
kam das prächtige Organ Ria Ginsters bei diesen Stücken
trefflich zur Geltung.

Weiterhin sang Ria Ginster noch eine Konzertarie
von Mozart, ausgezeichnet von Kurt Overhoff und dem
Orchester bsgleitet. Zum Abschlutz des Konzertes hörte
man noch die K-woll-Sinfonie von Mozart, die bereits
am Sonntag in der Morgenfeier einen grotzen Zuhörer-
kreis in ihren Vann schlüg. Stark schwankend im Zeit-
maß, wodurch die Themengegensätzs zur Gcltung gebracht
werden sollten, mit starken Akzenten der Bläser im zwei-
ten Satz und stark übersteigerter Temponahme im Schlutz-
rondo bot dieses Werk einsn schönen und würdigen Aus-
klang des Konzsrtes, das dem Leitsr, Generalmüsikdirek-
tor Overhoff als Komponist und Dirigent reichen
Veifall und Vlumen brachte; neben ihm wurden Solisten
und Orchester froh und dankbar bsdacht. vr. 'kV. I-.

Kleinc Notizen.

Bei der Reinigung eines Bildes, das aus einer dem
Museum in Straßburg geschenkten Sammlung
stammie, wurde das frllheste der bisher bekannten Werke
Martin Schongauers, eine „Verkündigung mit drei
Engeln", das lange Zeit verschollen war, wiederentdeckt.

Dem Pariser „Journal" zufolge will die französische
Regierung das Theater des Champs Elhsees, nach
der Overa eines der grötzten Theater in Paris, pachten
und sich das Vorkaufsrecht sichern. Der Direktor der
Opera, Rouche, wird vorausfichtlich auch die Leitung des
Theatre des Champs Elhsves übernehmen.

Liszl-Gedtükredeii i« Boqremo,

Zwsi Vorträge.

Am gestrigen Donnerstag, dsm 125. Gebui'M'
Franz Liszts, der in dic Mitts dsr Vav^gsti
khcr Gedenkwoche fällt, schwieg die Musik- vci
ihrer Stelle würdigtcn zwei hervorraqende Kcnnev
Pcrsönlichkcit, das Wcrk und die überzcitlichs -
tung dcs Komponistcn in Gedenkredcn. .

Der Prasident der Reichsmusikkammer, Prvbpii-
Dr. Peter Raabe, sprach über das Leben u»d ^.sti
musikalische W-rk Franz Liszts. der ein Vorbild u"-
Ansporn auch sür die Gegenwart sein könne. Liisi'pcO
stets ein Kämpfer für die Rcinhcit der Kunst »w
Fortschritt der Kultur gcwssen. Profeflor Raab^ah
ein mit vielcn Ctnzslhcitcn belegtcs Vild. von dcn LchtS'
fensgrundsähcn und der sittlichsn Ueherzeugunq 7>tiU'
wobet deflan Vildungsstrebcn, Opfcrsinn und Gcr^o
kcitsgcsühl besondcrs hcrvortratcn. Mit bcrcdten ^'p>-
ten schilderte der Präsident der Rcichsmusikkammcr,jzc>
Freundschast mit Wagner, die — troh verschicdcnu'st,»>
Stellungnahme dcr bcidsn Komponistsn zum Musi'üics'
— im Glaubcn und Kamps Liszts sür den Begrif',A,al>
reuth ibrc Krönung gcfunden habe. Cs müflc dcz.stc"
nicht als ein Zufall, sondcrn als eine Fügung anchüq>>
wcrden, daß Liszts Leben in Bayreuth zü Cnde b
gsn sci. pc^

Dann ergrisf der Rektor der Musikabteilu>Ä ^0.',
Llngarischen Nationalmussums, Dr. Koloma» l-''
Isoz (Budapest), das Wort. Cr sprach von dc" 'pc>
tenden Kunstwillen und dsm kunstehrenden G-ÄM!'
neuen Zeit", dsr in dcr Musikstadt Vanreutb, >" 's. ih'
punkt des dsutschcn Musiklshens — wo das Gc»'° ch'.
chard Wagners die Welt zur Huldiaung und
erkennung dcs Sieges seincs Schafsens gezwung'-'N
^ das Zusammenwirken zn Chren Franz Liszts
licht babe. Dcm diesen Kulturwillen verkörperndcn o
ten Reich und ssincm Führer Adols Hitler ör'N
seine Huldigunq dar. -^rn"

Dann gab Dr. von Isoz eins wiflenschaftlich "
dete Darstcllung Franz Liszts als Schriftsteller.

- ... pv

sSchillers „Wilhslm Tsll" qrischisch-s Ä'küA
gricchische Zeitschrift „Nca Cstia" 'mitteilt, wurvL^ck"
lich Schillers „Wilhelm Tell" '»s
schs übertragen.
 
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