§eite 8
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Heidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"
Mittwoch, 4. November 1936
Nr. 259
PMscher Preffeseldziig gege» I«»zig.
Merkwürdige Quertreibereien.
Danzig, 3. Novbr. Zu dem polnischen Presse-
feldzug g.egen Danzig nimmt der Danziger
Prefsedienst wie solgt Stellung:
Die Vermutung, daß Polen den Völker-
bundsauftrag gegenüber Danzig zur Stärkung
seiner eigenen Position ausnuhen möchte, wird leider ver-
stärkt durch den systematischen P r e s s e f e l d z u g, den
Polen in diesen Tagen gegen Danzig zu unternehmen für
richtig gefunden hat. Wenn es sich dabei nur um die
Vlätter der Opposition handeln würde, die gewohnheits-
mäßig gegsn Danzig Stimmung machen, könnte man dar-
über hinweggehen. Die Tatsache aber, daß Vlätter wie
der „Kurjer Poranny" die Führung in diesem Prcsse-
seldzug übernommen haben, hat in Danzig Vesorgnis
hervorgerufen.
Der „Kurjer Poranny" hat eigens einen Vericht-
erstattcr nach Danzig entsandt mit dem bestimmten Auf-
trag, Danzig dsnVorwurf der Illoyalität
gegenüber Polen zu machen und diesen Vorwurs
durch Greuelmärchcn, deren Absurdität eins sachliche Cnt-
gegnung von sclbst verbietet, zu „stühen". Dcr Korre-
fpondent hat seinen Auftrag dadurch zu erfüllen gesucht,
daß er gegen die Danziger RegierunA die ungcheüerlich-
sten Angrisfe erhoben hat, sodaß sich der Polizeipräsident
von Danzig genötigt gesehen hat, die betresfende Nummer
des polnischcn Dlattcs beschlagnahmen zu lassen.
Dabei hat die polnische Prcsse auch wieder zu der Me-
thode zurückgegriffcn, innere Gegensähe zwischen
Partei und Staat in Danzig zu konstruieren und aus
der Tatsache, daß der Präsident des Senats, Greiser,
zu einem mehrwöchigen Kurausenthalt nach Vad Wildun-
gen fahren mußte, die kühnsten Kombinationen herzuleiten.
Der „Danziger Vorposten" weist alle diese Gerüchte
mit der Crklärung zurück, daß Senatspräsident Grei-
ser das unverminderte Vertrauen der NSDAP. be-
sitzt und daß nach der Verengung der Veziehungen zwi-
schen Partei und Staat niemals ein besseres Ver-
hältnis zwischcn dem Führer der Partei und dem
Führer der Regierung hat herrschen können als gegen-
wärtig. Die polnische Preflepolemik erleichtert zwcifel-
los nicht die Zusammenarbeit zwischen Danzig
und Polen, an der beide Teile in gleicher Weise inter-
esfiert sind und zu der die Danziger Regierung stets
loyal die Hand geboten hat. Die polnische Regie-
rung müßte deshalb selbst ein Interefle daran haben,
derartige Ausfälle der Prefle zu verhindern. Die
Lage, in die Polen durch den Auftrag des Völkerbunds-
rats gekommen ist, ist ohnehin schwierig genug. Die pol-
msche Regierung muß also ein Interefle daran haben,
dreje Lage nicht noch mehr zu komplizieren durch eine
Spannung zwischen Danzig und Polen, wie sie qanz
offenbar von einem Teil der polnischen Prefle gewünscht
oder doch veranlaßt wird.
Sert eintger Zeit muß man die Beobachtung machen
daß dre polntsche Presse durch eine falsche und
tendenzröse B e r i ch t e r sta t t u n q über Danziq
dle Veztehungcn zwischcn Danzig und Polen veraif-
te t Daß hicrbei bestimmte Absichten verfolqt
werden, kann man daraus entnehmen, daß verschicdene
Warschauer Blätter Sonderberichterstattcr nach Danzig
geschrckt haben, die nachzuweisen beauftragt sind, daß pol-
msche Intereflen in Danziq gefährdct seicn. Man stüht
stch dabei auf persönliche Vorgänqe, die es wirklich nicht
verdrenen, daß auf sie besondcrs hingewiesen wird. In
dem Dorf Schöneberg im Freistaat Danzig sollte
z. V. ohns Crlaubnis der Danzigcr Regierunq eme p o l-
nrsche Minderheitenschule errichtet werdcn.
Bei der letzten Wahl wurden in diesem Ort 1300 Wahl-
berechtigte gezählt, von denen nur vier polnische
Stlmmen abgaben. Anter diesen Umständen ist
selbstverständlich die Crrichtunq einer polnischen Minder-
heitenschule in Schöneberg nicht erlaubt worden.
Cs hat sich dann unabhängiq davon eine Schlägerei ent-
wickelt, bei der Mitglieder der NS.-Haqo unter die Rä-
der kamen. Wir können uns nicht vorstellen, daß im
Freistaat Danziq Polen einer NS.-Organisation angchö-
ren. Das werden sich erst recht nicht die polnischen Zei-
tungen vorstellcn können. Nur weil diese Mitglieder der
NS.-Hago, die aus irgend einsm Anlaß überfallen wur-
den, polnische Namen haben, behauptet man, Angehörige
der polnischen Minderheit wären angegriffen worden.
Die polnische Prefle, die derartiqe Vehauptungen in die
Welt seht, beweist damit eigentlich nur, wie weniq sie die
Verhältniffe im Freistaat kennt, ja, sie gibt sich sogar
noch eine Vlöße, wenn sie aus den Namen Rückschlüfle
aus die Volkszugehöriqkeit zieht. Cs scheint ihr offenbar
entgangen zu sein, daß führende polnische Pvlitiker —
wir brauchen die Namen dieser Männer, die teilweise
sogar an höchster Stelle stehen, nicht erst zu nennen —
deutsche Namen besihen, aber niemals dem deutschen
Volkstum angehört haben.
Cs würde sich sehr empfehlen, wenn die polnische Re-
gierung die Warschauer Prefle darüber belehren würde,
daß drese systematische Vergiftung der Atmosphäre
politische Rückwirkungen haben muß, die sehr störend sein
müflen. Wir müflen es der Warschaucr Regierung über-
laflen, in wclcher Form sie den Friedensstörern das
Handwerk legt.
— Ein Gericht in Ierusalem, das sich aus briti-
schen Richtern zusammensehte, verurteilte am Mon-
tag zwei Araber zum Tod Die beiden Verurteil-
ten hatten am 8. Iuli auf britische Truppen gefeuert, wo-
bsi zwei Personen ums Leben gekommen waren.
Thcodm Körners letzte R»heMe.
Von Hermann Ulbrich-Hannibal.
Auf seinem Heldenzug war das Lühowsche Frei-
korps in den Augusttagen des Iahres 1813 bis in die
Gegend der meckleriburgischen Sommerresidcnz Ludwigs-
lust gekommen und hatte in dem kleinen Dors Wöbbelin
Quartier genommen. Dis Lühower gönnten sich in dem
Dorf die wohlverdiente Rast. Aber einer der jüngsten
Streiter aus ihrcn Reihen, der noch nicht zweiundzwanzig
Iahre alte Dichter Theodor Körner, ginq von der
Landstraße einige hundert Meter nach Osten. Dort stan-
den, knorrig ineinander verwachsen, zwei stattliche Cichen,
Väume, deren Stärke er als deütsches Sinnbild ost be-
sungen hatte.
Er ließ sich zu Füßen der beiden Riesen auf einem
Stein nieder und schrieb unter dem Rauschen der deutschen
Cichen das Lied:
„Du Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heitres Blinken?
Schaust mich so freundlich an,
Hab meine Freude dran."
!tnd als er die lehten Worte geschrieben hatte:
„Der Hochzeitmorgen graut.
Hurra, du Cisenbraut!"
da dachte er an den Tod und bat seine Kameraden, falls
er für das Vaterland fallen sollts, ihn im Schatten die-
ser Cichen zu begraben.
Schon nach einigen Ta^en tras ihn bei Gadebusch
die tödliche Kugel. Zwer Tischlergesellen aus seiner
Kompagnie zimmerten ihm aus einem alten Torflügel
einen schlichten Sarg. Vier Iäger schausslten ihm zu
Füßen der verwachsenen Cichen das Grab. Gegen Mit-
tag des 27. August gaben die Lützowschen Iäger ihrem
Heldensänger dann bei gedämpftem Trommelschlaq das
letzte Geleit.
Mit seinem Lied „Das ist Lützows wilde, verwegene
Iagd" nahmen sie von ihm Abschied. Cin Feldwebel
brannte mit einem glühenden Ladestock den Namen und
den Todestag des Dichters in die Rinde der Ciche. Und
ein Kosak, der es nicht übers Herz bringen konnte, den
mutigen Kämpfcr ohne Chrensalve bestattct zu sehen —
die wegen der Nähe des Feindes unterbleiben sollts —,
riß die Pistole aus seinem Gürtel und erwies dcm Sän-
gerhelden die lehte Chre.
Cr ist würdig bestattet worden. Keine Ruhmeshalle
körmte ihn ehrenvoller ausnehmen als dieser Flecken deut-
scher Erde,
Das Totenfeft der Sapaner.
Von Rudols Weise, Tokio.
Der Ahnenkult spielt im moralischen Vewußt-
sein des japanischen Volkes eine maßgebende Rolle.
Alles, was im Leben eines Iapaners Bedeutendes ge-
schieht, wird den verstorbenen Ahnen mitgeteilt. Vor
wichtigen Cntscheidungen werden die Gcister der Ahnen
besraqt. In der Abgeschloflenheit seines Palastes bringt
der Kaiser in traditionellen Gewändern den kaiserlichen
Ahnen mit derselben Chrfurcht Opfer dar, wie der Ar-
beiter und der Vauer vor seinem kleinen Hausaltar.
Cinmal im Iahr kommen nach dem Glauben der Ia-
paner die Toten tatsächlich zur Crde zurück. Cs ist
die Zeit dcs O-Von-Festes im Sommer. Sommer ist in
Iapan die Iahrsszeit der Feuerwerke. WLHrend die
Raketen in leuchtenden Feuerbahnen in den samtschwar-
zen Himmel steigen, ziehen in den Dörfern und Dtädtchen
Iapans die Familicn hinaus auf die Friedhöfe, wo die
verstorbenen Ahnen in ihren Gräbern ruhen. Kerzen und
Papierlatcrnen flackcrn auf den altcn, bemoosten Steinen,
Weihrauch weht in bctäubenden Wolken über den Grä-
bern. Die Lebenden verneigcn sich betend und flüsternd
vor den Geistern der Toten. In den Augustnächten er-
innert ein japanischer Friedhof an unsere bayerischen Ge-
birgskirchhöfe am Merseelentag.
Am dritten Abend wird das Abschiedsmahl be-
reitet. Den Toten werden Reiskuchen dargcbracht. llm
dcn Weg ins ^.otenreich zurückzuweisen, brennen an dcn
Häuserecken kleine knistcrnde Feuer, stchen überall Vün-
del kleiner, glühender Weihrauchstäbchen.
In der letzten Nacht des O-Bon-Festes wird in den
Dörfern Iapans, in den Reisebenen und Gebirgstälsrn,
an den Ufern der Inlandsee und aus den kiefernbcwachse-
nen Felseninseln getanzt. Cin nächtlicher, religiöser
Volkstanz vor den Tempeln, ein Tanz der
Freude über die Crlösung der Seelen der Vcrstor-
benen aus dem buddhistischcn Fegefeucr in die himmlische
Seligkeit. In einer langen, geschloffenen Kctte tanzen
dic jungen Leute des Dorfes die ganze Nacht im Krcis
herum, klatschcn dazu in die Hände und singen zum Takt
dumpfer Trommelschläge. Allmählich steigert sich der
Tanz zu ekstatischcr Wildhcit. Dann bricht er plöhlich
ab, und nur das schwirrende Zirpen Tausender von Zika-
den klingt durch die Sommernacht. Und wieder beginnt
der Reigen, bis das erste Morgengraucn im Ostcn däiw
mert. Cin farbiges Bild uralten Dolkstums, ein Frew
dentanz für die Crlösung der Scclcn.
In Dörfcrn und Städten, die an cinem Fluß odcr
am Meer liegcn, wird dcr lchte Abcnd des O-Von-Fcst:^
zum L a t e r n e n f e st. Im Waflcr ist aus Pfählen ei
Altar errichtet, von vicr Bambusstäben umgeben. Ci'
laternengeschmücktes Boot, auf dem der Oberpriestsr im
Ornat mit Mönchcn knict und betet, gleitet langsam zu'"
Altar. Mi feierlicher Zcremonie wcrden Speiscopscr aM
klcincn Schüflclchcn ins Mcer vcrscnkt. Opscrgabcn zu^
Trost dcr Gcistcr der vielen, die im Mecr ihr Grab tst'
sunden haben. Dann stohcn von allen Uscrn Voote a^
Rudcrkähne mit buntcn Papicrlaternen, schwers Fischc^
boote mit flackcrnden Kerzen. Von dcn Flußufcrn un
von den Vootcn wcrdcn Tauscnde und Abcrtausende vo»
schwimmcnden, brennendcn Papierlatcrnen aufs Waflc^
gescht. Sie schwimmen flußabwärts auf klcinen ^HvlZ'
slößen, die Seitenwände tragen die Namcn der Tvten
und buddhistlsche Gcbete. Leise und schwankcnd gleitcn
die brennenden Laternen hinaus ins ofsene Meer, wo drc
Vrandungswcllcn sie ergreifcn und auslöschen. Die Cci'
ster der Ähnen sind zurückgekehrt in das Reich der Toten-
Dann nehmen die Vetcnden eine Papierlaterne in
die Hand, und weisen mit einem Vambusstab den Toten
den Weg zurück ins Haus, wo sie einst lebten und glück-
lich waren. Cin seltsames Vild, wenn eine alte Frau,
die Papierlaterne in dcr Hand, allein in der Dunkelheit
dem unsichtbaren Geist des Toten den Weg beleuchtet,
dabei wie für einen Vlinden mit dem Stab aus die Hin-
derniffe des Weges zcigt und ununterbrochen slüstert:
„Komm, paß auf, hicr liegen Steine. Falle nicht über
die Vaumwurzeln! Ieht sind wir bald zuhause."
Für drei Tage kehren in diesen Nächten die Toten
Iapans in ihre früheren Wohnstätten zurück. Seit 1300
Iahrcn, seit der Buddhismu- nach Iapan kam, bewirtet
das Volk der Iapaner seinc toten Ähnen und Angchörigcn
in den Hätlscrn und hält vertrauliche Zwiesprache mit
ihnen. Äuf der Strohmatte vor dem Hausaltar, im
besten Zimmer des Hauses, sind die Opfergaben für die
Toten aufgestellt. Auf einem kleinen Tischchen in win-
zigen Puppengeschirren stehen die Lieblingsspeisen der
Verstorbenen: süße Kartoffeln, Gurken, Melonenstückchen.
Diese Rückkehr der Toten hat nichts von unheimlicher
Geisterbeschwörung an sich. Cs ist ein ernstes, aber freu-
diges Fest der Wiedervereinigung für kurze Zeit, und
man ersreut die Toten während der kurzen Tage ihrer
Wiederkehr mit allem, was sie zu ihren Lebzeiten lisbten.
„Nimm von den Kartofseln, sie sind auf dem Feld ge-
wachsen, wo du sie zuerst angepslanzt hast, als der Tai-
fun vor 20 Iahrcn die Reisfelder überschwemmte. Nimm
von den Reiskuchen und den getrockneten Fischen. ilnser
Sohn geht jeht mit den Fischern nach den nördlichen
Meeren, wo sie die Fische nicht mehr trocknen, sondern in
Dlechbüchsen einschließen. Ieht habe ich das Cxamen an
der Mittclschule bestanden. Dann werde ich beim Rechts-
anwalt arbeiten, du weißt, bei der alten Kiefer, die dir
immer so viel Frcude machte. . . Glaubst du, daß ich
bald heiraten soll? Ich kenne ein Mädchen, die schöne
Tochter des Fischhändlers, dem du einmal Geld geliehen
hast. . ." So sprechen die Lebenden mit den zurückge-
kehrten Toten in den drei helligen Nächten des O-Von-
Festes.
100 griechische Verse für drei Gläser Vranntwein.
Cs ist jeht gerade 100 Iahre her, daß ein Krämer
in dem mecklenburgischcn Städtchen Fürstenberg einen
neuen vierzshnjährigen Lehrjungen einstellte, der Vutter,
Milch und Kasfee, 'Salz und Zucker, Heringe, Oel, Talg-
lichtcr, Branntwcin und noch manches andere verkausen
mußte. Und war im Ladcn gerade einmal nichts zu tun,
dann mußte er Kartoffeln für die Brennerei mahlcn oder
mit Vesen und Wischtuch hanticren. Denn von früh bis
spät gab es zu schafsen, und Stillsihen liebte der strenge
Lehrherr nicht. Da kam eines Abends einmal ein M ü l -
lergeselle, der ein Gymnasium besucht hatte und
mit seiner Weisheit wohl vor dem kleinen Lchrjungen
glänzen wollte: Lr sagte ihm mchr als 100 Verse aus
dem Homer auf. Der ängehende Kaufmann verstand zwar
nichts davon, doch er fand die „göttlichcn Vcrse" so schön,
daß er sie sich dreimal wiedcrholcn ließ und den MUller-
burschen mit drei Gläsern Vranntwein belohntc, für die
er seine lehten Pfennige opscrte. Fünfeinhalb Iahre
blieb er in der Stellung und sparte, um einmal Gricchisch
lernen zu können. Dann ging er zu Fuß nach Hamburg
und ließ sich als Schiffsjrmge auf der Vrigg „Dorothea"
nach Vcnezuela anwerbcn. In Holland fand die Reise
durch Schifsbruch ein jähcs Cnde» Hier aber wurde der
kleine Fürstenberger Krämerlehrling zu dem großen
Kaufmann, der mit seinem Reichtum den Traum der
Kindheit verwirklichen konnte: Cs war Heinrich
Schliemann, der zum berühmten Altertumsforscher
wurde, weltbekannt durch seine Ausqrabungen von Trosa
und anderen altgriechischen Kulturstätten. Cr hat durch
seine Arbeiten, die er von 1863 ab durchführte, der Wis-
senschaft unvergängliche Dienste geleistet.
Wohnungen sür einsame Frauen.
In Stockholm ist dieser Taqe Fräulein Hilde
Kumlin gestorben, die ein ansehnliches Vermögen von
fünf Millionen Kronen hinterläßt. Bemerkenswert ist
die Art der Derteilunq ihres Nachlafles, die die alte
Dame in einem Testament bestimmt hat. Cine Million
Kroncn erhält der Staat. Cine weitere Million ist zur
Vildung eines Fonds bestimmt, der für die Crrich-
tung von Wohnungen für einsameFrausv
in Stockholm Verwendunq finden soll. Weiterc Dctrag
sind für Krankenheime, Vlindenanstaltcn, die llnivcrli'
tät Upsala für die Gcwährunq von Reisegeldcrn v
mittelloss Studenten, für das Nationalmuscuv'
sowie für die Schaffung eines Volksparks auf Skawc
bestimmt.
E!« §ra«e»Wrd iai Zng.
Llussehenerregender Prozeß in der steirischen Stadt
Leoben.
8 Wien, 3. November. Vor einem Schwurqeria
i-tst
der steirischcn Stadt Leoben begann am Dienstag
eiu
Mordprozeß, der weit übcr die Grcnzen Ocst^fl
reichs Aufschen errcgt. Angcklagt weqen Rauv
mordesander Gattin dcs rumänischcn Oberstcn Ä!-vr
Farcasanu ist der 24 Iahre alte in llngarn geborc
Student Karl Strasser.
Am 29. September 1935 fand ein Strcckcnwärtcr st^
ben den Gleisen der Cisenbahnlinie Wicn/Innsbruck
der Nähe der Station Admont die Leiche cin ^
Frau, die sofort als Gattin des rumänischcn Obcrl
Farcasanu erkannt wurde. Aus verschiedenen Anzcia)
war zu schließen, daß die llnqlückliche cincm Mördcr 5»
Opser qefallen war. Die uinfanqrcichcn Nachforschuvq^
der östcrreichischen und Schweizer Vchördcn
schließlich zur Verhastung des Karl Straffcr
in
Zürich. Straffer, der zunächst leugncte, vcrwickcltc ^
bald in Widcrsprüchs und legte'daiin Teilgeständniflc
Cs besteht kaum mehr ein Zwcifcl, daß dcr
der, der den Zuq in Wicn bcstieqen hatte, sein istj
wertvollen Schniucks bcfindliches Opfcr plötzlich iwcn
len hat und nach hartem Kampf durch das Abtcilfcvi
auf den Vahndamm schleudcrtc. Im Lauf dcr
suchunq crgab sich auch dcr Verdacht, daß dcr inzwou^
nach Oestcrreich ausgelicfcrte Straflcr im Auftraq^ .
berüchtigtcn bulgarischen Cisenbahnräubcrs Trajan
dorescu gehändelt habe. Vishcr ift es aber nicku -
lungen, diescs Manncs habhast zu wcrdcn. ^
Schon von weitem fallen die beiden, eng zu einem
Daum vcrschlungencn Cichen mit ihrcm knorrigen Geäst
auf. Die tragen, wie dcr Vater Theodor Körners sagte,
wohl das Haupt in dcn Wolken, aber neigen ihre Arme
zur Stätte des Grabes hinab, wo ein Altar vergoldet die
Symbole des Dichters trägt: Leier und Schwcrt. „Hier
wurde, so besagt eine Inschrift auf der Vorderseite dcs
Altarsockels, „Carl Thcodor Körner von seinen Waffen-
brüdern mit Ächtung und Liebe zur Crde bestattet": wäh-
rend die Rückscite des Altars mit den folgnden Worten
die Persönlichkeit dcs Dichters wachhält: „Karl Thcodor
Körner, geboren zu Dresdcn am 23. Scptembcr 1791,
widmcte sich zuerst dem Vergbau, dann der Dichtkunst, zu-
leht dem Kampf für Deutschlands Rettung. Diesem Ve-
ruf weihte er Schwert und Leier und opferte ihm die
schönsten Freuden und Hoffnungen einer glücklichen Iu-
gend. Als Leutnant und Adjutant in der Lützowschen
Freischar wurde er bei einem Gefecht zwischen Schwerin
und Gadebusch am 26. August 1813 schnell durch eine
seindliche Kugel getötet."
An den anderen beiden Seiten leuchten in Goldbuch-
staben Worte aus dem Dichtermund Körners:
„Wachss, du Freiheit der deutschen Cichen,
Wachse empor über unsere Leichen!"
und
„Dem Sänger Heil, erkämpst er mit dem Schwerte
Sich nur ein Grab in einer sreien Crde."
Gedankenvoll blickt man auf den Stein zu Füßen der
Cichcn, vor dcnen der Freiheitskämpser ruhte, als er sein
Schwcrt besang. Der dicke Stamm zeigt die Stelle, da der
Lühowsche Feldwebel den Namcn des Helden einbrannte,
und die Spuren von der Cinlaflung der Körnerschen Per-
sonalpapiere rn den Baum. Cine 'Vronzebüste des Dich-
ters schaut aus das weihevolle Grab und auf die eseu-
umrankten Gräber seiner Cltern, seiner Schwester und
seiner Tante, auf den mit Leier und Schwert gekrönten
Altar.
Reben der Grabesstätts steht eine Gedenkhalle für
Bild links:
Könia Boris auf der
„Emden".
Könia Boris von Bul-
qarien stattete dem deutschen
Kreuzer „Emden", der auf
seiner Weltreise die bulgari-
sche Hafenstadt Warna an-
gelaufen hat. einen Besuch
ab. König Boris beqibt sich
an Bord. lWeltbild, K.)
Bild rechts:
Der Gründer der spanischen
st-remdenlegion.
Die Gestatt des Generals
Millian Astra h. des Grün-
ders der spanischen Frem-
denlegion, ist bereits legen-
denumwoben. General Ast-
ray. der hier mit zwei Of-
fizieren des Stabes das
Hauptquartier verläßt. steht
General Franco sehr nahe
und hat schon bei den Kämp-
fen in Marokko sein rechtes
Auge und seinen linken Arm
verloren. cPreffephoto, K.)
den toten Dichter. An ihrcn Wänden hängcn
verzierter Kränze. Darunter ist ein Kranz aus ^h,it
das auf der Wartburg wuchs, von Frih Reutcr q
cigcnhändiger Widmung; ferner cin Kranz dcr
Toni Adainberger, von dcm die Vcsuchcr nur nvw,
Draht übrig ließen. Abcr scine Schleifcninschrist lcua^.
noch wie ehcdem: „Frisch auf!" Dort wird auch L.jy
besungene Schwert des Dichters aufbewahrt, und Äek,
Tschako mit dem dunklen Schweif, der Hclm dcr Lützv ^
Cine Mahnung geht von diescr Stätte aus, wu
Ludwig Wicchelt iri die Worte klcidctc:
„Wandrer, dcr du hier vorbsicilst, blcib!
Vleib hier und kniee am Rasen dort nicdcr, ,.
Unter Leyer und Schwert! Dort ruhen die ^
Von Thcodor Körncr — scin Ruhm blieb Svrua,
Der mutig den Streit für die Freihcit bcstandcu-
Keine Ruhmeshalle, kein großes Denkmal kann.
pcN
toten Freihcitskämpfer
der deutschen Cichen.
beffer ehren als das
Fernsprecher-S..A. 7351—53.
Heidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"
Mittwoch, 4. November 1936
Nr. 259
PMscher Preffeseldziig gege» I«»zig.
Merkwürdige Quertreibereien.
Danzig, 3. Novbr. Zu dem polnischen Presse-
feldzug g.egen Danzig nimmt der Danziger
Prefsedienst wie solgt Stellung:
Die Vermutung, daß Polen den Völker-
bundsauftrag gegenüber Danzig zur Stärkung
seiner eigenen Position ausnuhen möchte, wird leider ver-
stärkt durch den systematischen P r e s s e f e l d z u g, den
Polen in diesen Tagen gegen Danzig zu unternehmen für
richtig gefunden hat. Wenn es sich dabei nur um die
Vlätter der Opposition handeln würde, die gewohnheits-
mäßig gegsn Danzig Stimmung machen, könnte man dar-
über hinweggehen. Die Tatsache aber, daß Vlätter wie
der „Kurjer Poranny" die Führung in diesem Prcsse-
seldzug übernommen haben, hat in Danzig Vesorgnis
hervorgerufen.
Der „Kurjer Poranny" hat eigens einen Vericht-
erstattcr nach Danzig entsandt mit dem bestimmten Auf-
trag, Danzig dsnVorwurf der Illoyalität
gegenüber Polen zu machen und diesen Vorwurs
durch Greuelmärchcn, deren Absurdität eins sachliche Cnt-
gegnung von sclbst verbietet, zu „stühen". Dcr Korre-
fpondent hat seinen Auftrag dadurch zu erfüllen gesucht,
daß er gegen die Danziger RegierunA die ungcheüerlich-
sten Angrisfe erhoben hat, sodaß sich der Polizeipräsident
von Danzig genötigt gesehen hat, die betresfende Nummer
des polnischcn Dlattcs beschlagnahmen zu lassen.
Dabei hat die polnische Prcsse auch wieder zu der Me-
thode zurückgegriffcn, innere Gegensähe zwischen
Partei und Staat in Danzig zu konstruieren und aus
der Tatsache, daß der Präsident des Senats, Greiser,
zu einem mehrwöchigen Kurausenthalt nach Vad Wildun-
gen fahren mußte, die kühnsten Kombinationen herzuleiten.
Der „Danziger Vorposten" weist alle diese Gerüchte
mit der Crklärung zurück, daß Senatspräsident Grei-
ser das unverminderte Vertrauen der NSDAP. be-
sitzt und daß nach der Verengung der Veziehungen zwi-
schen Partei und Staat niemals ein besseres Ver-
hältnis zwischcn dem Führer der Partei und dem
Führer der Regierung hat herrschen können als gegen-
wärtig. Die polnische Preflepolemik erleichtert zwcifel-
los nicht die Zusammenarbeit zwischen Danzig
und Polen, an der beide Teile in gleicher Weise inter-
esfiert sind und zu der die Danziger Regierung stets
loyal die Hand geboten hat. Die polnische Regie-
rung müßte deshalb selbst ein Interefle daran haben,
derartige Ausfälle der Prefle zu verhindern. Die
Lage, in die Polen durch den Auftrag des Völkerbunds-
rats gekommen ist, ist ohnehin schwierig genug. Die pol-
msche Regierung muß also ein Interefle daran haben,
dreje Lage nicht noch mehr zu komplizieren durch eine
Spannung zwischen Danzig und Polen, wie sie qanz
offenbar von einem Teil der polnischen Prefle gewünscht
oder doch veranlaßt wird.
Sert eintger Zeit muß man die Beobachtung machen
daß dre polntsche Presse durch eine falsche und
tendenzröse B e r i ch t e r sta t t u n q über Danziq
dle Veztehungcn zwischcn Danzig und Polen veraif-
te t Daß hicrbei bestimmte Absichten verfolqt
werden, kann man daraus entnehmen, daß verschicdene
Warschauer Blätter Sonderberichterstattcr nach Danzig
geschrckt haben, die nachzuweisen beauftragt sind, daß pol-
msche Intereflen in Danziq gefährdct seicn. Man stüht
stch dabei auf persönliche Vorgänqe, die es wirklich nicht
verdrenen, daß auf sie besondcrs hingewiesen wird. In
dem Dorf Schöneberg im Freistaat Danzig sollte
z. V. ohns Crlaubnis der Danzigcr Regierunq eme p o l-
nrsche Minderheitenschule errichtet werdcn.
Bei der letzten Wahl wurden in diesem Ort 1300 Wahl-
berechtigte gezählt, von denen nur vier polnische
Stlmmen abgaben. Anter diesen Umständen ist
selbstverständlich die Crrichtunq einer polnischen Minder-
heitenschule in Schöneberg nicht erlaubt worden.
Cs hat sich dann unabhängiq davon eine Schlägerei ent-
wickelt, bei der Mitglieder der NS.-Haqo unter die Rä-
der kamen. Wir können uns nicht vorstellen, daß im
Freistaat Danziq Polen einer NS.-Organisation angchö-
ren. Das werden sich erst recht nicht die polnischen Zei-
tungen vorstellcn können. Nur weil diese Mitglieder der
NS.-Hago, die aus irgend einsm Anlaß überfallen wur-
den, polnische Namen haben, behauptet man, Angehörige
der polnischen Minderheit wären angegriffen worden.
Die polnische Prefle, die derartiqe Vehauptungen in die
Welt seht, beweist damit eigentlich nur, wie weniq sie die
Verhältniffe im Freistaat kennt, ja, sie gibt sich sogar
noch eine Vlöße, wenn sie aus den Namen Rückschlüfle
aus die Volkszugehöriqkeit zieht. Cs scheint ihr offenbar
entgangen zu sein, daß führende polnische Pvlitiker —
wir brauchen die Namen dieser Männer, die teilweise
sogar an höchster Stelle stehen, nicht erst zu nennen —
deutsche Namen besihen, aber niemals dem deutschen
Volkstum angehört haben.
Cs würde sich sehr empfehlen, wenn die polnische Re-
gierung die Warschauer Prefle darüber belehren würde,
daß drese systematische Vergiftung der Atmosphäre
politische Rückwirkungen haben muß, die sehr störend sein
müflen. Wir müflen es der Warschaucr Regierung über-
laflen, in wclcher Form sie den Friedensstörern das
Handwerk legt.
— Ein Gericht in Ierusalem, das sich aus briti-
schen Richtern zusammensehte, verurteilte am Mon-
tag zwei Araber zum Tod Die beiden Verurteil-
ten hatten am 8. Iuli auf britische Truppen gefeuert, wo-
bsi zwei Personen ums Leben gekommen waren.
Thcodm Körners letzte R»heMe.
Von Hermann Ulbrich-Hannibal.
Auf seinem Heldenzug war das Lühowsche Frei-
korps in den Augusttagen des Iahres 1813 bis in die
Gegend der meckleriburgischen Sommerresidcnz Ludwigs-
lust gekommen und hatte in dem kleinen Dors Wöbbelin
Quartier genommen. Dis Lühower gönnten sich in dem
Dorf die wohlverdiente Rast. Aber einer der jüngsten
Streiter aus ihrcn Reihen, der noch nicht zweiundzwanzig
Iahre alte Dichter Theodor Körner, ginq von der
Landstraße einige hundert Meter nach Osten. Dort stan-
den, knorrig ineinander verwachsen, zwei stattliche Cichen,
Väume, deren Stärke er als deütsches Sinnbild ost be-
sungen hatte.
Er ließ sich zu Füßen der beiden Riesen auf einem
Stein nieder und schrieb unter dem Rauschen der deutschen
Cichen das Lied:
„Du Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heitres Blinken?
Schaust mich so freundlich an,
Hab meine Freude dran."
!tnd als er die lehten Worte geschrieben hatte:
„Der Hochzeitmorgen graut.
Hurra, du Cisenbraut!"
da dachte er an den Tod und bat seine Kameraden, falls
er für das Vaterland fallen sollts, ihn im Schatten die-
ser Cichen zu begraben.
Schon nach einigen Ta^en tras ihn bei Gadebusch
die tödliche Kugel. Zwer Tischlergesellen aus seiner
Kompagnie zimmerten ihm aus einem alten Torflügel
einen schlichten Sarg. Vier Iäger schausslten ihm zu
Füßen der verwachsenen Cichen das Grab. Gegen Mit-
tag des 27. August gaben die Lützowschen Iäger ihrem
Heldensänger dann bei gedämpftem Trommelschlaq das
letzte Geleit.
Mit seinem Lied „Das ist Lützows wilde, verwegene
Iagd" nahmen sie von ihm Abschied. Cin Feldwebel
brannte mit einem glühenden Ladestock den Namen und
den Todestag des Dichters in die Rinde der Ciche. Und
ein Kosak, der es nicht übers Herz bringen konnte, den
mutigen Kämpfcr ohne Chrensalve bestattct zu sehen —
die wegen der Nähe des Feindes unterbleiben sollts —,
riß die Pistole aus seinem Gürtel und erwies dcm Sän-
gerhelden die lehte Chre.
Cr ist würdig bestattet worden. Keine Ruhmeshalle
körmte ihn ehrenvoller ausnehmen als dieser Flecken deut-
scher Erde,
Das Totenfeft der Sapaner.
Von Rudols Weise, Tokio.
Der Ahnenkult spielt im moralischen Vewußt-
sein des japanischen Volkes eine maßgebende Rolle.
Alles, was im Leben eines Iapaners Bedeutendes ge-
schieht, wird den verstorbenen Ahnen mitgeteilt. Vor
wichtigen Cntscheidungen werden die Gcister der Ahnen
besraqt. In der Abgeschloflenheit seines Palastes bringt
der Kaiser in traditionellen Gewändern den kaiserlichen
Ahnen mit derselben Chrfurcht Opfer dar, wie der Ar-
beiter und der Vauer vor seinem kleinen Hausaltar.
Cinmal im Iahr kommen nach dem Glauben der Ia-
paner die Toten tatsächlich zur Crde zurück. Cs ist
die Zeit dcs O-Von-Festes im Sommer. Sommer ist in
Iapan die Iahrsszeit der Feuerwerke. WLHrend die
Raketen in leuchtenden Feuerbahnen in den samtschwar-
zen Himmel steigen, ziehen in den Dörfern und Dtädtchen
Iapans die Familicn hinaus auf die Friedhöfe, wo die
verstorbenen Ahnen in ihren Gräbern ruhen. Kerzen und
Papierlatcrnen flackcrn auf den altcn, bemoosten Steinen,
Weihrauch weht in bctäubenden Wolken über den Grä-
bern. Die Lebenden verneigcn sich betend und flüsternd
vor den Geistern der Toten. In den Augustnächten er-
innert ein japanischer Friedhof an unsere bayerischen Ge-
birgskirchhöfe am Merseelentag.
Am dritten Abend wird das Abschiedsmahl be-
reitet. Den Toten werden Reiskuchen dargcbracht. llm
dcn Weg ins ^.otenreich zurückzuweisen, brennen an dcn
Häuserecken kleine knistcrnde Feuer, stchen überall Vün-
del kleiner, glühender Weihrauchstäbchen.
In der letzten Nacht des O-Bon-Festes wird in den
Dörfern Iapans, in den Reisebenen und Gebirgstälsrn,
an den Ufern der Inlandsee und aus den kiefernbcwachse-
nen Felseninseln getanzt. Cin nächtlicher, religiöser
Volkstanz vor den Tempeln, ein Tanz der
Freude über die Crlösung der Seelen der Vcrstor-
benen aus dem buddhistischcn Fegefeucr in die himmlische
Seligkeit. In einer langen, geschloffenen Kctte tanzen
dic jungen Leute des Dorfes die ganze Nacht im Krcis
herum, klatschcn dazu in die Hände und singen zum Takt
dumpfer Trommelschläge. Allmählich steigert sich der
Tanz zu ekstatischcr Wildhcit. Dann bricht er plöhlich
ab, und nur das schwirrende Zirpen Tausender von Zika-
den klingt durch die Sommernacht. Und wieder beginnt
der Reigen, bis das erste Morgengraucn im Ostcn däiw
mert. Cin farbiges Bild uralten Dolkstums, ein Frew
dentanz für die Crlösung der Scclcn.
In Dörfcrn und Städten, die an cinem Fluß odcr
am Meer liegcn, wird dcr lchte Abcnd des O-Von-Fcst:^
zum L a t e r n e n f e st. Im Waflcr ist aus Pfählen ei
Altar errichtet, von vicr Bambusstäben umgeben. Ci'
laternengeschmücktes Boot, auf dem der Oberpriestsr im
Ornat mit Mönchcn knict und betet, gleitet langsam zu'"
Altar. Mi feierlicher Zcremonie wcrden Speiscopscr aM
klcincn Schüflclchcn ins Mcer vcrscnkt. Opscrgabcn zu^
Trost dcr Gcistcr der vielen, die im Mecr ihr Grab tst'
sunden haben. Dann stohcn von allen Uscrn Voote a^
Rudcrkähne mit buntcn Papicrlaternen, schwers Fischc^
boote mit flackcrnden Kerzen. Von dcn Flußufcrn un
von den Vootcn wcrdcn Tauscnde und Abcrtausende vo»
schwimmcnden, brennendcn Papierlatcrnen aufs Waflc^
gescht. Sie schwimmen flußabwärts auf klcinen ^HvlZ'
slößen, die Seitenwände tragen die Namcn der Tvten
und buddhistlsche Gcbete. Leise und schwankcnd gleitcn
die brennenden Laternen hinaus ins ofsene Meer, wo drc
Vrandungswcllcn sie ergreifcn und auslöschen. Die Cci'
ster der Ähnen sind zurückgekehrt in das Reich der Toten-
Dann nehmen die Vetcnden eine Papierlaterne in
die Hand, und weisen mit einem Vambusstab den Toten
den Weg zurück ins Haus, wo sie einst lebten und glück-
lich waren. Cin seltsames Vild, wenn eine alte Frau,
die Papierlaterne in dcr Hand, allein in der Dunkelheit
dem unsichtbaren Geist des Toten den Weg beleuchtet,
dabei wie für einen Vlinden mit dem Stab aus die Hin-
derniffe des Weges zcigt und ununterbrochen slüstert:
„Komm, paß auf, hicr liegen Steine. Falle nicht über
die Vaumwurzeln! Ieht sind wir bald zuhause."
Für drei Tage kehren in diesen Nächten die Toten
Iapans in ihre früheren Wohnstätten zurück. Seit 1300
Iahrcn, seit der Buddhismu- nach Iapan kam, bewirtet
das Volk der Iapaner seinc toten Ähnen und Angchörigcn
in den Hätlscrn und hält vertrauliche Zwiesprache mit
ihnen. Äuf der Strohmatte vor dem Hausaltar, im
besten Zimmer des Hauses, sind die Opfergaben für die
Toten aufgestellt. Auf einem kleinen Tischchen in win-
zigen Puppengeschirren stehen die Lieblingsspeisen der
Verstorbenen: süße Kartoffeln, Gurken, Melonenstückchen.
Diese Rückkehr der Toten hat nichts von unheimlicher
Geisterbeschwörung an sich. Cs ist ein ernstes, aber freu-
diges Fest der Wiedervereinigung für kurze Zeit, und
man ersreut die Toten während der kurzen Tage ihrer
Wiederkehr mit allem, was sie zu ihren Lebzeiten lisbten.
„Nimm von den Kartofseln, sie sind auf dem Feld ge-
wachsen, wo du sie zuerst angepslanzt hast, als der Tai-
fun vor 20 Iahrcn die Reisfelder überschwemmte. Nimm
von den Reiskuchen und den getrockneten Fischen. ilnser
Sohn geht jeht mit den Fischern nach den nördlichen
Meeren, wo sie die Fische nicht mehr trocknen, sondern in
Dlechbüchsen einschließen. Ieht habe ich das Cxamen an
der Mittclschule bestanden. Dann werde ich beim Rechts-
anwalt arbeiten, du weißt, bei der alten Kiefer, die dir
immer so viel Frcude machte. . . Glaubst du, daß ich
bald heiraten soll? Ich kenne ein Mädchen, die schöne
Tochter des Fischhändlers, dem du einmal Geld geliehen
hast. . ." So sprechen die Lebenden mit den zurückge-
kehrten Toten in den drei helligen Nächten des O-Von-
Festes.
100 griechische Verse für drei Gläser Vranntwein.
Cs ist jeht gerade 100 Iahre her, daß ein Krämer
in dem mecklenburgischcn Städtchen Fürstenberg einen
neuen vierzshnjährigen Lehrjungen einstellte, der Vutter,
Milch und Kasfee, 'Salz und Zucker, Heringe, Oel, Talg-
lichtcr, Branntwcin und noch manches andere verkausen
mußte. Und war im Ladcn gerade einmal nichts zu tun,
dann mußte er Kartoffeln für die Brennerei mahlcn oder
mit Vesen und Wischtuch hanticren. Denn von früh bis
spät gab es zu schafsen, und Stillsihen liebte der strenge
Lehrherr nicht. Da kam eines Abends einmal ein M ü l -
lergeselle, der ein Gymnasium besucht hatte und
mit seiner Weisheit wohl vor dem kleinen Lchrjungen
glänzen wollte: Lr sagte ihm mchr als 100 Verse aus
dem Homer auf. Der ängehende Kaufmann verstand zwar
nichts davon, doch er fand die „göttlichcn Vcrse" so schön,
daß er sie sich dreimal wiedcrholcn ließ und den MUller-
burschen mit drei Gläsern Vranntwein belohntc, für die
er seine lehten Pfennige opscrte. Fünfeinhalb Iahre
blieb er in der Stellung und sparte, um einmal Gricchisch
lernen zu können. Dann ging er zu Fuß nach Hamburg
und ließ sich als Schiffsjrmge auf der Vrigg „Dorothea"
nach Vcnezuela anwerbcn. In Holland fand die Reise
durch Schifsbruch ein jähcs Cnde» Hier aber wurde der
kleine Fürstenberger Krämerlehrling zu dem großen
Kaufmann, der mit seinem Reichtum den Traum der
Kindheit verwirklichen konnte: Cs war Heinrich
Schliemann, der zum berühmten Altertumsforscher
wurde, weltbekannt durch seine Ausqrabungen von Trosa
und anderen altgriechischen Kulturstätten. Cr hat durch
seine Arbeiten, die er von 1863 ab durchführte, der Wis-
senschaft unvergängliche Dienste geleistet.
Wohnungen sür einsame Frauen.
In Stockholm ist dieser Taqe Fräulein Hilde
Kumlin gestorben, die ein ansehnliches Vermögen von
fünf Millionen Kronen hinterläßt. Bemerkenswert ist
die Art der Derteilunq ihres Nachlafles, die die alte
Dame in einem Testament bestimmt hat. Cine Million
Kroncn erhält der Staat. Cine weitere Million ist zur
Vildung eines Fonds bestimmt, der für die Crrich-
tung von Wohnungen für einsameFrausv
in Stockholm Verwendunq finden soll. Weiterc Dctrag
sind für Krankenheime, Vlindenanstaltcn, die llnivcrli'
tät Upsala für die Gcwährunq von Reisegeldcrn v
mittelloss Studenten, für das Nationalmuscuv'
sowie für die Schaffung eines Volksparks auf Skawc
bestimmt.
E!« §ra«e»Wrd iai Zng.
Llussehenerregender Prozeß in der steirischen Stadt
Leoben.
8 Wien, 3. November. Vor einem Schwurqeria
i-tst
der steirischcn Stadt Leoben begann am Dienstag
eiu
Mordprozeß, der weit übcr die Grcnzen Ocst^fl
reichs Aufschen errcgt. Angcklagt weqen Rauv
mordesander Gattin dcs rumänischcn Oberstcn Ä!-vr
Farcasanu ist der 24 Iahre alte in llngarn geborc
Student Karl Strasser.
Am 29. September 1935 fand ein Strcckcnwärtcr st^
ben den Gleisen der Cisenbahnlinie Wicn/Innsbruck
der Nähe der Station Admont die Leiche cin ^
Frau, die sofort als Gattin des rumänischcn Obcrl
Farcasanu erkannt wurde. Aus verschiedenen Anzcia)
war zu schließen, daß die llnqlückliche cincm Mördcr 5»
Opser qefallen war. Die uinfanqrcichcn Nachforschuvq^
der östcrreichischen und Schweizer Vchördcn
schließlich zur Verhastung des Karl Straffcr
in
Zürich. Straffer, der zunächst leugncte, vcrwickcltc ^
bald in Widcrsprüchs und legte'daiin Teilgeständniflc
Cs besteht kaum mehr ein Zwcifcl, daß dcr
der, der den Zuq in Wicn bcstieqen hatte, sein istj
wertvollen Schniucks bcfindliches Opfcr plötzlich iwcn
len hat und nach hartem Kampf durch das Abtcilfcvi
auf den Vahndamm schleudcrtc. Im Lauf dcr
suchunq crgab sich auch dcr Verdacht, daß dcr inzwou^
nach Oestcrreich ausgelicfcrte Straflcr im Auftraq^ .
berüchtigtcn bulgarischen Cisenbahnräubcrs Trajan
dorescu gehändelt habe. Vishcr ift es aber nicku -
lungen, diescs Manncs habhast zu wcrdcn. ^
Schon von weitem fallen die beiden, eng zu einem
Daum vcrschlungencn Cichen mit ihrcm knorrigen Geäst
auf. Die tragen, wie dcr Vater Theodor Körners sagte,
wohl das Haupt in dcn Wolken, aber neigen ihre Arme
zur Stätte des Grabes hinab, wo ein Altar vergoldet die
Symbole des Dichters trägt: Leier und Schwcrt. „Hier
wurde, so besagt eine Inschrift auf der Vorderseite dcs
Altarsockels, „Carl Thcodor Körner von seinen Waffen-
brüdern mit Ächtung und Liebe zur Crde bestattet": wäh-
rend die Rückscite des Altars mit den folgnden Worten
die Persönlichkeit dcs Dichters wachhält: „Karl Thcodor
Körner, geboren zu Dresdcn am 23. Scptembcr 1791,
widmcte sich zuerst dem Vergbau, dann der Dichtkunst, zu-
leht dem Kampf für Deutschlands Rettung. Diesem Ve-
ruf weihte er Schwert und Leier und opferte ihm die
schönsten Freuden und Hoffnungen einer glücklichen Iu-
gend. Als Leutnant und Adjutant in der Lützowschen
Freischar wurde er bei einem Gefecht zwischen Schwerin
und Gadebusch am 26. August 1813 schnell durch eine
seindliche Kugel getötet."
An den anderen beiden Seiten leuchten in Goldbuch-
staben Worte aus dem Dichtermund Körners:
„Wachss, du Freiheit der deutschen Cichen,
Wachse empor über unsere Leichen!"
und
„Dem Sänger Heil, erkämpst er mit dem Schwerte
Sich nur ein Grab in einer sreien Crde."
Gedankenvoll blickt man auf den Stein zu Füßen der
Cichcn, vor dcnen der Freiheitskämpser ruhte, als er sein
Schwcrt besang. Der dicke Stamm zeigt die Stelle, da der
Lühowsche Feldwebel den Namcn des Helden einbrannte,
und die Spuren von der Cinlaflung der Körnerschen Per-
sonalpapiere rn den Baum. Cine 'Vronzebüste des Dich-
ters schaut aus das weihevolle Grab und auf die eseu-
umrankten Gräber seiner Cltern, seiner Schwester und
seiner Tante, auf den mit Leier und Schwert gekrönten
Altar.
Reben der Grabesstätts steht eine Gedenkhalle für
Bild links:
Könia Boris auf der
„Emden".
Könia Boris von Bul-
qarien stattete dem deutschen
Kreuzer „Emden", der auf
seiner Weltreise die bulgari-
sche Hafenstadt Warna an-
gelaufen hat. einen Besuch
ab. König Boris beqibt sich
an Bord. lWeltbild, K.)
Bild rechts:
Der Gründer der spanischen
st-remdenlegion.
Die Gestatt des Generals
Millian Astra h. des Grün-
ders der spanischen Frem-
denlegion, ist bereits legen-
denumwoben. General Ast-
ray. der hier mit zwei Of-
fizieren des Stabes das
Hauptquartier verläßt. steht
General Franco sehr nahe
und hat schon bei den Kämp-
fen in Marokko sein rechtes
Auge und seinen linken Arm
verloren. cPreffephoto, K.)
den toten Dichter. An ihrcn Wänden hängcn
verzierter Kränze. Darunter ist ein Kranz aus ^h,it
das auf der Wartburg wuchs, von Frih Reutcr q
cigcnhändiger Widmung; ferner cin Kranz dcr
Toni Adainberger, von dcm die Vcsuchcr nur nvw,
Draht übrig ließen. Abcr scine Schleifcninschrist lcua^.
noch wie ehcdem: „Frisch auf!" Dort wird auch L.jy
besungene Schwert des Dichters aufbewahrt, und Äek,
Tschako mit dem dunklen Schweif, der Hclm dcr Lützv ^
Cine Mahnung geht von diescr Stätte aus, wu
Ludwig Wicchelt iri die Worte klcidctc:
„Wandrer, dcr du hier vorbsicilst, blcib!
Vleib hier und kniee am Rasen dort nicdcr, ,.
Unter Leyer und Schwert! Dort ruhen die ^
Von Thcodor Körncr — scin Ruhm blieb Svrua,
Der mutig den Streit für die Freihcit bcstandcu-
Keine Ruhmeshalle, kein großes Denkmal kann.
pcN
toten Freihcitskämpfer
der deutschen Cichen.
beffer ehren als das