LufgaLe erkännte und den Mut und die Kraft fand, sie durch-
zuführen.
Die Aufgabe war: das Streben nach Einhctt und nationaler
Kraft zu vereinigen mit den Ansprüchen der Teile auf Erhal-
tung ihrer Selbständigkeit. Diese Aufgabs ist durch die Vorträge
und die Reichsverfassung von 1870/71 gelöst worden; diese Lösung
ist aber durch die Verfassung von 1919 wieder in Frage gestellt wor-
den. Dis Feinde des Werkes Bismarcks wagten zwar selbft in
jenen Tagen des Einreitzens und der Zsrstörung nicht, sich ganz ofsen
durch dis Tat zu dem Unitarismus, d. h. zu der vollkommenen Aus-
tilgung aller Sonderbildungen zu bekennen, obwohl man theoretisch
diesen llnitarismus mit heitzem Eifer verkündigte, aber man min-
derte doch die einst von Bismarck den Einzelstaaten, vor allem Bayern,
dem gröhten von ihnen, gemachten Zugestandnisie derart, datz von
wirklicher Selbständigkeit kaum nrehr etwas Lbrig blieb und man
wob damit dem neuen Verfassungs-Eewande einen Fluchspruch ein,
desien Wirkung sich in beständig steigendem Mahe offenbart.
Bedrohlich wurde diese Wirkung namentlich, seitdem die Partei,
die der eigentliche Träger des geschichtsfeindlichen Eeistes
und des blutleeren Doktrinarismus ist, seitdem die Sozialdemokratie,
unterstützt von dem linken Flügel der Demokratie, Preußen zum Sitz
ihrer Macht umzugestalten unternahm und von hier aus die Reichs-
politik zu beherrschen versuchte. Seit dieser Zeit ist der Konflikt
des Reiches mit Dayern eigentlich dauernd: er kam beinahe
zmn offenen Ausbruche infolge des Eesetzes „zum Schutze der Repu-
blik". Dieser offene Ausbruch wurde zwar vermieden, er droht
aber beständig weiter, da das Fortbestehen dieses unglücklichen Aus-
nahmegesetzes gegen die in Bayern vorherrschende Gesinnung ent-
weder von selbst immer neue Reizungen schafft oder Anläsie für die
patentierten Republikschützcr, immer neue Streitvorwände zu schaf-
fen und damit die Hetze gegen Dayern im Eange zu erhalten. Die
Vorgänge in Niirnberg, durch die dcr Eefolgsmann der „Frank-
furter Zeitung", Hsrr Dr. Luppe, so ichwer komproMittiert ist, die
aber auch seinen Gesinnungsgenosien. den Chef der Reichskanzlei,
Herrn Hamm, in einem sehr seltsamen Lichte erscheinen lasien, haben
auch in diesen Tagen wieder diesen beklagenswcrten Zustand einer
schleichenden Krise aufs neue kundgetan; diese schleichende Krise ist
aber nur eine Folge dcr 1919 von den Mehrheitsparteien beliebten
Eestaltung der Derfasiung, und diese Verfassung soll nun dem
deutschen Volke alljährlich als Eegenstand der Verehrung hingestellt
werden, ihr soll ein Altar errichtet werden, an dem alljährlich die
Staatspriester der Republik Weihrauch und Myrrhen verqualmen
werden!
Wir können in dem Beschlusie des Rechtsäusschusies nur ein
Attentat auf die innere Einheit des deutschen Volkes sehen und wir
stellen, wie gesagt, mit Genugtuung fest, dah die Deutsche Volks-
partei sich davon ferngehalten. Wir sind Lberhaupt der Meinung,
dah wir etwas Besseres zu tun haben sollten, als unsere Köpfe Lber
Nationalfeiertage zu zerbrechen. Wir stellen daher den An-
trag, dah die Erörterung darüber so lange vertagt wird, als
die Ruhrbesetzung dauert und als die unschuldigen Opfer Ihrer
Treue gegenüber der deutschen Republik in französischen Gefängnissen
schmachten. Jst das deutsche Land und sind die deutschen Märtyrer
wieder frei, dann werden wir ohne langes Ueberlegen schon von
selber wisien, welchen Tag wir als Nationalfeiertag zu begehen
haben.
U8.
Wachsende KM in Gngland.
Lä« lluterhaus Sb« die durch Fraukreichs Politik verschärste Läge.
London, 10. Mai.
llnterhaus. Das Mitglied Lambert fragte den Premier-
minister, ob, da die in der Beantwortung der deutschen Reparations-
note verfolgte Politik eine sich erweiternde Meinungsverschiedenheik
zwischen der französischen und der britischen Regierung bedeute, er in
»olle und offene Verhandlungen mit der französischen Regicrung
treten werde, die Tatsache im Auge haltend, dah ohne alliierte Soli-
darität kein dausrnder Friede in Europa oder der asiatischen Türkei
Lestehen könnes Schatzkanzler Baldwin erwiderte, Lord Cur-
zon habs am 20. April im Oberhause zum Ausdruck gebracht, datz
die britische Regierung sich der Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der
alliierten Solidarität voll bswutzt sei, auf die ihre augenblickliche
Politik gegründet sei. Berkeley fraate, ob der Minister sagen
könne, ob dem Hause die Lritiiche Antwort auf die deutsche Not?
rechtzeitig für die heutige Dsbatte zugestellt werden könnr?
Baldwin erwiderte: Nein; ich glaube nicht, dah di« Note an
Deutschland schon abgesandt ist. Kennworthv fragte. ob die
kürzliche Note der deytschen ReaieruN" über die Menara-°onrn der
Regierung der Vereinigten Staaten überreicht wurde und ob die
Regierung beabsichtige, Ansichten mit der a m e r i k a n i s ch e n Re-
gierung «Lenso wie mrt der ktalienischen Regisrung auszu-
tauschen'.' Baldwin erwiderte, seino Antwort auf den ersten
Teil der Frage laute bejahend, aus dsn letzten Teil verneinend.
Die Vereinigten Staaten HStten keinerlei Ansprnch an Dentsch»
land für Reparationen gestellt und es seien keinerlei An-
zsiche« »orhande« gewefen, dah fie zu Rate zn ziehen, etwas
anderes als eine Quelle der Behinderong sür fie sein könnte.
Kennworthy fragte weiter, üb die amerikanifch« Regierung
nicht einen Anspruch auf die Kosten für das amerikanische Besatzungs-
heer erhoben habe, und auf jeden Fall weshalb schalte England eiue
befreundete Nation aus, die ihm in diesen schwierigen Fragen bei-
stehen könne? Baldwin erwidert«, seiner Erinnerung nach sei der
Anspruch, auf den Bezug genommen werde, vollkommen getrennt von
der allgemeinen Frage der Repäratiouen. Wedgwood Bsnn
fragte, oü es ntcht Tatsache sei, dah der deutsch« Vorschlag, die For-
derung der Alliierten einem Schiedsgericht zu unterbreiten, auf einsn
Rat des Staatssekretärs Hughes zurückzuführen sei. Baldwin
antwortete, dies sei ihm nicht bekannt. Greenwood fragts den
Premierminister, ob er bereit sei, im Namen der britischen Regie-
rung der tzeutschen Regierung mitzuteilen, dah, wenn sie bereit sei,
die vorgeschlagene Zahlung einer Reparation von 1,5 Milliarden
Pfund Sterling auf 2,5 Milliarden PfuNd zu erhöhen. er willens fei,
die guten Dienste Englands zu »ermenden, um Frankreich uud Bel-
gien zu überreden, die Verhandlungen wieder zu eröffnen. Bakd-
iv i n bat, die Veröffentlichung der Ermiderung der britischen Regie-
rung auf die deutsche Note vom 2. Mai abzuwarten.
Evans sragte, ob das britische Kriegsschiff „Harebell" Befehl
erhalten habe, stch nach der russtschen Küste zum Schutze der britischen
Fischerei zu begeben, und ob der befehlshabende Ofsizier Anweisung
erhalten habe, das Feuer auf russische Schiffe zu eröffnen, die britifche
Schiffe in exterritorialen Eewäflern behelligten. lLauter Beifall auf
der Regierungsseite.) Mac Neill «rwiderte, das Kriegsschiff
„HarebelI" habe Bsfehl erhalten, die Dehelligung britischer
Schiffe auherbalb d«r Dreimeilengrenzs zu verbindern, wenn nötig
mit Eswalt. sLauter Veifall auf der Regierungsfeitej auf der
Arbeiterseite dageoen zahlreiche Zw^'-'nrufe wie: Noch mehr Kriea?
Lansbury ruft erregt zu den Neuierunasbänken: Warum fchickt
ihr nicht die Proieste nach New Nork? Ihr seid eine Bande von
Feiglinqen! Jhr habt Angst vor Amerika' Hicr greift dsr Svrecher
ein.) Kennworthy fragte, ob anqesichts der Debatte am nächsten
Dienstag die Regierung dtzm britischen Vertreter in Moskau,
Hödgson, anweisen werde, scinen Stab uicht ohne weiteren Vefehl
nach London zurückzuziehen? Baldwin antwortete verneinend.
Sir Iohn Simon eröffnete im Unterhause die Saar-
debatte. Er lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses aust einen
im Saarqebiet verkündeten Erlah. der, wie er iagte, die fchwersten
Strafen für Akte auferlegt, die in andcren Ländern entweder über-
haupt nicht strafbar seien oder als unbedeutende Vergehen ange-
sehen würden.
Däs Saargebiet sei ein dicht bevölkertes Eebiet, däs eine sast
nur ans Deutschen bcstehende Bevölkerung von 700 90» Men-
schen umsasse. Es bestehe ketn Erund zu der ErNSrung, dah
das Eebiet nicht in jedem Sinne deutsch sei.
Die Regierung des Saargebiets sei in die Hände des Völkerbunds
gelegt worden. Es sei daher von der gröhten Wichtigkeit, dah die
britische Regierung ebenso wie alle anderen tn Betracht kommsnden
Regierungen zusehen, dah die "Eesetze, die für dieses Gebiet gemacht
würden, Gesetze seten, die gekechtfertigt werden könnten. Es sei von
grundlegender Bedeutung, dah der Völkerbund in den Augen dcr
Saarbevölkerung nicht in Mihkredit gerate. Simon bezeichnet den
am 9. März von der Verwaltungskommission verkündeten Erlatz als
einen „äuherst erstauulichen Mihbrauch legisla -
tiver Autorität". Auher der Auferlegung einer absürden
Strafe für diese lächerlichen Vergehen habe die Kommisfion es auch
noch für nötig erachtet, einen Sondergerichtshof zu errichten, um
Schuldige zu bestrafen.
Simon fragte, wann die britische Regierung zuerst davon ge-
HZrt habe. Der Erlah,sei am 7 März ersolgt, dem Generalsekretariat
des Völkerbunde? am 9. März mitgeteilt worden und seiner Anstcht
nach in Ueberschreitung des Friedensvertrages am 12. März in Wirk-
samkeit gesetzt worden. Er sagte, der Erlah sei ungesetzlich in Wirk-
samksit gesetzt worden, weil der Friedensvertrag vorfehe, dah, bevor
irgsndeine Äenderung der Eesetze in bezug auf das Eaargebiet statt-
finden könne, eine Beratung mit einer die Einwohner vertretenden
Körperschaft stattfinden müsie, und eine derartige Beratung habe
nicht stattgefunden. Es würde verhängnisvoll sein, wenn die britischs
Regierung oder irgendwelche Rsgierung zufrieden wäre, eine Lage
dieser Art hinzunehmen, nür weil ein gewöhnlicher industrieller
Etreit stattgefunden habe. Siman fragte, welches Verfahren die
Regierung einzuschlagen beabsichtigte in bezug auf diese Frage, die
wahrscheinlich den Völkerbund der Verachtung und
Lächerlichkeit ausliefern würde und die es für Deutfchland
oder irgendein anderes Land unmöglich mache zu glauben, dah dürch
eine internationale Aktion dieser Art sie einer fairen Dehandlung
versichert sein könnten.
Lord Lecil erklärte, seiner Ansicht näch müsie erwogen werden,
ob nicht irgendeine allgemeine Regelung zwischen Frankreich und
Dsutschland zur Reubildung der Saarverwaltung mif irgendei«^
anderen Eruudlage stattfinden könn«. Tecil erklärte bezüglich de
Erlasies, eine sehr ernste Lage sei hier eingetreten. Es I
hier eme Aktion unternommen worden. die wirklich dcs Militar'S
mus in serner schlimmsten Eestalt würdig sei. (Deifall bei de'
Einig« der Entwicklungcn, die vor kurzem im Rüh
gebiet stattgefunden. seien von derselben Art.
Man nehme bke Note. die di« französtsche R-giern-g vor kurze«
-n Deutschland gesandt habe. Sie sei beklagenswert »ach d«
Form wie nach dem Jnhalt. Er bedanere besonders die Tat'
sache, datz Belgie» fich der franzestscheu Kaltung «mschlotz-
viel ^?'"ung und das belgische Volk schuldeten Engl-«°
"'El. Es sei tief zu bedauern, datz di« belailLe Reqiernng es
recht und notwendig gehalten hab«, stch in dieser Frage oon
Frankmich^vvu' st'.'inmer für ein7 gem-insame Lktion zwK
nnd England gewesen, solanqe diese aufrechterhalte
werden konnte. Es sei tief bedauerlich, datz stch täe franz ° l - s f.
Regierung von der «nglische'n getr-nnt habe.
d-e Frage in eine vollkommen neue und ernste Ph-se-.
Vwer fur irgendemen Anhänger der gemeknsamen Aktion dur-»
die Entente, in irgendeiner Versammlung aufzustehen undna
ie zu srklären, dah es immer noch maguw § iN -
französischen Note
werde, datz ein lndustrieiir-
wie das Ruhrgebiet ebenso produktiv sein wurd-, ^ ü
von einer auswärtigen Streitmacht besetzt sei. nis
nicht besetzt wäre. Was werde das Lnde von alledcm
genommeii die Deutschen gäben nach, wsrde mcm dann .
weiter fortgeschritten sein? (Beifall bei der Oppoütw. ^ ^ g -
scheine zweifelhaft zu sein. MitjedemTagwerdev
e r n st e r.
Das Lausanner Mentat.
Einzelheiten Lber das Berbrechen. — Die Beseggrüüdr'
Eigen« Drahtmeldung. ^j.
DAZ. Lausanne "
lleber dasLausanner Attentat w irden noch
Einzelhcilen berichtet: Schon seit einigsn Tagen waren i.
allerlei beunruhigende Eerllchte im Umlauf, denen rnai
Konfercnzkreisen keine besondere Bedeutüng beilegte- ^
Worowsky und seinen Mitarbeitern die Teilnahm- a»
ferenz versagt war, stand ihnen auch die diplomatisch- ^
nicht mehr zu. Die Nationalliga der Schweiz, die insbei g^nt
Bolschewismus bckämpft, hatte schon am vergangen«"
Schriite unternommsn, um Worowsky zur Abreise A
Donnerstag abend hatte Worowsky mit Ahrens. d-m eE -,
der rusiischen Dotschaft in Berlin, und desien SekrLtar
Tisch des Hotels Cccil Platz genommen. 'wei Tffch-
ein junger Mann. der, nacbdem er gegesien, zwei Kläser ^ » s
und einen gew isien nervösen Eindruck machte. Bald v" a"? M
nur noch zwei Easte im Saal, die weiter entfernt !am. > " y
Geschäfisführer und die Kellner waren hinausgegangem " .^jcL '
zog der jung« Mann einen Browning aus der
feuerte hintereinander achtmal. Einen zweiten vü"'.jil
ver trug er in der Tasche. Die Schüsie, die Worowsky "^--kireiid
sofort tödlich. Ahrens erhielt zwei Beinschüsie. ^<^sS>Ält
Selretär zwei Bauchschüsse erhielt, so datz fein Zustand l v
lich ist- Der Attentater blieb vollkommen ruhig und ver-a
nach der Polizei. Ein sofortiges kurzes Verhör ergab, ^
27jährigen Schweizer Konradq handelt, der alsHaup -^ps -
früheren rusiischcn Armee gedient hatte. Konrady,
der nationalen Liga nichts zu tun hat, war erst nm niast VaN
Mrich eingetroffen. Jn dem Zimmer seines Hotels fan g A
vier Seiten langen Brief, in dem es u. a. heiht. davgeluo
den Bolschewisten für seinen von den Bolschenm ^zjek? ^js
ten Dater und Onkel nehmen werde. Ahrens erklarre - ^iry
nalisten gegnüber, dah er sowohl die Schweizer K
das Sekretariat der Konfcrenz mit verantworr
müsie fiir dae Attentat, außerdem müsie seine Regl-ruve
Folgerungen daraus ziehen.
--- ??
25 Bräute.
Ekn Schelmenroman oon Wilhelm Hcrbsrt.
27. yörkkebnns. NaLdruck verboken.
Dann zündete sie zktiernd ein dickes, rotes Wachslicht an, das
bei ihr stand, träufelte Siegsllack neüen ihre Unterschrift und prshte
einen ovalen Wappenring hinsin, der ganz von Gold war.
„Hier!" sagte sie darauf und wollte den Ring Bulljahn geben.
Er osrstand ste nicht gleich recht.
„Hier!" sagte sie noch einma! ungeduldig. „Zum Andsnken an
biess Stunds."
Mit einer tkefen Verbeugung nahm sr den Ring und steckte itzn
auf ihren Wink an seinen rechten Zeigefinger-
Der schwere goldene Wappenring gab ihm gräfliches Bewußtsein.
So las er, was sie ihm hinschob. In knappen, klaren Worten
vermachte sie ihm fiir den Fall ihres Ablebens ihr ganzes Eigentum.
Das Dokument trug Tag und Unterschrift und sah ehrwürdig
und gediegen aus.
Er muhte es ibr, weil fie selbst zu stark zitterte, in ein Leinen-
kuwert stecken und dieses verschliehen und abermals mit dem Ring
versieaeln.
Bei all dem schaute der Rabe, der auf den Tisch geflogen war,
mit glänzenden Augen aufmerksam und ablehnend zu.
Dann schrieb sie mit altmodischen grohen verzitterten ZLgen
darauf: „Mein letzter Wille".
Gleich, nachdem das gefchehen, lehnte sie sich in den Stuhl zurück
und schlief mit der glücklichen Eabe, die Lltere Leute zuweilen be-
fitzen. ziemlich schnell ein.
Deit hörte sich selbst wie zur Begründunq des ganzen sonderbaren
Dorgangs unwillkürlich murmeln: „Wir sind ja! Bräutigam und
Braut."
„Bräutigam und Draut", lallte sie im Schlaf.
Krächzend und flllgelflatternd bezeugte der Rabe den eiqen-
artigen Vuud und suchte, das Kuwert, das er an einer Ecke gefaht
hatte. vom Tisch zu f,erren.
Vulljahu jagte ihn weg. Er steckt« die Urkunde in die blaue
Mappe. Sie — wie er einen Augenblick vorhatte — an sich zu
nehmen, Lesah er nicht die Verwegenheit.
Auch schien es ihm wirksamer, wenn fle einmal hier im Haus
gefunden wurde.
Seine Stimmung wechselte- Eine Minute war er übcrglücklich
und Lbermlltig vor Freude. Dann befiel ihn eine Verzagtheit, die
selten bei ihm einkehrte.
„Das geht schief aus", warnte etwas in ihm. „Das gibt cine
Prügelstrafe."
„ALer warum denn?" widersvrach in der nächstsn Sekunde sein
Leichtsinn. „Ich habe ja nichts dazu getan. Was kann ich dafür.
dah das dumme Mädel, wenn es gezwickt wird, gleich nach meinsr
Schulter greift!"
Eo sah er lange in wandernden Eedanken und wäre Leinahs
selbft eingeschlafen wie die Eräfin und ihr Rabe, der setzt auf ihrer
Stuhllehne fah, den Kopf zwischen seine Federn gestecki hatie und
von sei'ner Jugend träumtc.
Endlich erhob sich Veii und schlich leise in den Park hinunier.
Er klemmte das Einglas ins Auqe und ging herum mit der Miene
eines Mannes, dem all dies gehörte
Inzwischen hatte die alte Dienerschaft ihren Entschluß gefunden.
Sibylle wartste und wartete. Als uiemand kam, ging fie zu
Vronislawa, die ebsnfalls wartete und wartete.
Durch die qemeinsame Unruhe geeinigt, machten fie fich auf den
Weg nach der Feldherrnstraße.
War ihrem Verlündeten etwas geschehen oder betrog er sie?
Lieh ihn die Eräfin nicht mehr los?
Alle Anhaltspunkte für diss und jenes fehlten.
Am besten war eigene Ueberzeuqung.
Wie sie aber in die Nähe von Rahels Besitztum kamen, sahen
sie vor dem eisernen Gittertor den alten Diener bei zw«i Schutz-
leuten stehen.
EiNlg mie nie rih es sie herum. Zwei vom Dlitz verfcheuchte Rehe
konuten nicht stilier und treuer nsbeneinander fliehen.
Erst nach ein paar hundert Metern besannen ste sich, ärgerten
sich eine vor der anderen und erklärten dann beide, dah sie nur
üas Beste gewollt und redlich getan hätten.
SiLylle hoffte hsimlich. Bulljahn werde jedenfalls sich und seine
Mitverschworenen herauslügen.
Ja — so dachte sie insgeheim — vielleicht rettete er sogqr die
Erbschaft für ihn und sie. Bronislawa lüochte das Nachschauett haben.
Diese sann für sich fo ähnlich.
Ein Unbehagen blieb beiden, und keine versprach sich etwas von
einem Blick in die Zukunft. Sie glaubten nicht so fest an das,
was sie itzre Kunden glauben machten.
V e l i n d e.
Ohne Ahnung von dem, was vor dsm Eittertor brauie, fchlen-
derte Veit wohlgemut durch den Park uud kam an desien anderes
Ende, das an eine große Wiese grenzte. auf der eben Iahrmarkt
^ ^Bulljahn sah die Hinterwände der Schaubudsn und das intime
Leben des fahrsnden VolkeS, das sich da auf der Kehrseite des
Elanzes abspielte, den sie nach vorne mit Eeschrei und Eedudsl
verkündeten.
Am nächsten bei ihm saß nsben einer umgesturzten Trommcl eine
gefchminkte Schöne im GraS mit turbanartiger Frisur, einsm rot-
seidenen Eoldflitterleibchen und gelben. Trikotbeinen-
Sie drückte ein Taschentuch vor die Augen und weinte.
Auf Ersuchen des Vorstehers des Politischen. D^jqe e"
rief der Bund « spräsident auf Freitag vormittas h de<-B-
ordentlicheSitzung desBundesrats ein. " n"^jt«
die Ermordung Worowslys geschaffenen Lage Steuuns,
Die Sitzung dauerte bis 12 Uhr. Am Schluß
teilung bekanntgegeben: Der Vundesrat hat w't gpeüd qil'
Nachricht vernommen von dem Attentat, das gest-r"
sanne gegen die Herren Worowski, Ahr-"^., fjch fi"
kowskk verübt worden ist. Er stellte fest, dah ist. / soU'
private Tat der Rache handelt, die um fo bedauerlE.^ale
an einem Orte verübt wurde, wo gerade eine t!"""«erletz"",Kützt-
ferenz tagt. Er verurteilt sie öffentlich als
^oral^m^^er^Gesetze^ie^i^^cmokratische^^^^^^^
Deit war sofort dermahen von Mitleid übe^^^, ^
Testamsnt, Herrenwürde und Eräfin vergah nnd uv- Mest?,
Holzzaun kletterte. ^.jcheu ^
Als die Trauernde gedämpfte Schritte auf dem
boden vernahm, blickte sie auf, wischte rasch mit -en -„«etH""'
Augen und stopfte «s unter das Lerbchen. , , S»"
„Wo fehlt's denn?" fragte Bulljahn mttfühleitd sleid"Ä
„Kann ich helfen?" qut- ^chel'"
Sie betrachtet« ihn einen Angenblick. ^eine ^ffches
erweckte etwas Dertrauen in ihr, das durch s-ilr " «eS^
nicht qestört wuriie. ... §chult°
„Ach, der!" sagte fie verächtlich und zuckte «nt d
dre Schaubude in ihrem Riicken.
„Wer?"
„Der Prinzipal." «pil
„Was macht er denn?" „-väinpst' -u *
Sie beugte fich auf ein Knie und murm-lt- L,. morO"
ich doch erste Springerin und soll jetzt plötzlim " t>aS-
Dame ohne Unterleib arbeiten!" er 5 n"
„Das ist gtausam," rief Veit empört. „Wl- «re^"
D-r
..Da"U
d-nn das?" HSHnte fie. <
Weil dre Richtiqe krank qeworden ist will er «trch
„Das tun Sie doch nichf!"
^Dann schmeiht er mich 'raus." . ^
Wo Frauen litten. gab's für ihn k-ine B-finnu««- ''
Sie mit mir!" gU
Sie sah vrrblüfft auf mit cinem l-istn SS-n""^
„Was haben S,e denn?" ffagte sie unqew'h.
„Pierde. Er dachte an Lu und den Reitsaal.
„Zirkus?"
..Freilich!"
..'s ist ja kein zweiier da!"
„Ich fange erst an."
„Wo denn?" -N
.DrüLen!" ««.^tast-
Er winkte mit dem Kovf rn das Land d-r Pb°
Sie erhob sich und strich das Leibchen glatt.
Da rief von drinncn eine Larsche St-mme: -dsp-lt
. „Jch muh 'rein." flüsterte sie und ^a .den Leinw jhpl
emander. Unter diesem lächelte sie holdselia zurua,
Kußhand zu und winkte: „Auf Wiederseh-n! ^
llnwiderstehlich zog es Bulljahn ihr nach- . h
Schon stand er im Könstlerraum des Zeltes " "^jen ^
Belinde eben auf den Schimittel hob und durch d
rn den dicht besetzten Zirkus hinausfiihrte. (ZortsetzUNS l"
zuführen.
Die Aufgabe war: das Streben nach Einhctt und nationaler
Kraft zu vereinigen mit den Ansprüchen der Teile auf Erhal-
tung ihrer Selbständigkeit. Diese Aufgabs ist durch die Vorträge
und die Reichsverfassung von 1870/71 gelöst worden; diese Lösung
ist aber durch die Verfassung von 1919 wieder in Frage gestellt wor-
den. Dis Feinde des Werkes Bismarcks wagten zwar selbft in
jenen Tagen des Einreitzens und der Zsrstörung nicht, sich ganz ofsen
durch dis Tat zu dem Unitarismus, d. h. zu der vollkommenen Aus-
tilgung aller Sonderbildungen zu bekennen, obwohl man theoretisch
diesen llnitarismus mit heitzem Eifer verkündigte, aber man min-
derte doch die einst von Bismarck den Einzelstaaten, vor allem Bayern,
dem gröhten von ihnen, gemachten Zugestandnisie derart, datz von
wirklicher Selbständigkeit kaum nrehr etwas Lbrig blieb und man
wob damit dem neuen Verfassungs-Eewande einen Fluchspruch ein,
desien Wirkung sich in beständig steigendem Mahe offenbart.
Bedrohlich wurde diese Wirkung namentlich, seitdem die Partei,
die der eigentliche Träger des geschichtsfeindlichen Eeistes
und des blutleeren Doktrinarismus ist, seitdem die Sozialdemokratie,
unterstützt von dem linken Flügel der Demokratie, Preußen zum Sitz
ihrer Macht umzugestalten unternahm und von hier aus die Reichs-
politik zu beherrschen versuchte. Seit dieser Zeit ist der Konflikt
des Reiches mit Dayern eigentlich dauernd: er kam beinahe
zmn offenen Ausbruche infolge des Eesetzes „zum Schutze der Repu-
blik". Dieser offene Ausbruch wurde zwar vermieden, er droht
aber beständig weiter, da das Fortbestehen dieses unglücklichen Aus-
nahmegesetzes gegen die in Bayern vorherrschende Gesinnung ent-
weder von selbst immer neue Reizungen schafft oder Anläsie für die
patentierten Republikschützcr, immer neue Streitvorwände zu schaf-
fen und damit die Hetze gegen Dayern im Eange zu erhalten. Die
Vorgänge in Niirnberg, durch die dcr Eefolgsmann der „Frank-
furter Zeitung", Hsrr Dr. Luppe, so ichwer komproMittiert ist, die
aber auch seinen Gesinnungsgenosien. den Chef der Reichskanzlei,
Herrn Hamm, in einem sehr seltsamen Lichte erscheinen lasien, haben
auch in diesen Tagen wieder diesen beklagenswcrten Zustand einer
schleichenden Krise aufs neue kundgetan; diese schleichende Krise ist
aber nur eine Folge dcr 1919 von den Mehrheitsparteien beliebten
Eestaltung der Derfasiung, und diese Verfassung soll nun dem
deutschen Volke alljährlich als Eegenstand der Verehrung hingestellt
werden, ihr soll ein Altar errichtet werden, an dem alljährlich die
Staatspriester der Republik Weihrauch und Myrrhen verqualmen
werden!
Wir können in dem Beschlusie des Rechtsäusschusies nur ein
Attentat auf die innere Einheit des deutschen Volkes sehen und wir
stellen, wie gesagt, mit Genugtuung fest, dah die Deutsche Volks-
partei sich davon ferngehalten. Wir sind Lberhaupt der Meinung,
dah wir etwas Besseres zu tun haben sollten, als unsere Köpfe Lber
Nationalfeiertage zu zerbrechen. Wir stellen daher den An-
trag, dah die Erörterung darüber so lange vertagt wird, als
die Ruhrbesetzung dauert und als die unschuldigen Opfer Ihrer
Treue gegenüber der deutschen Republik in französischen Gefängnissen
schmachten. Jst das deutsche Land und sind die deutschen Märtyrer
wieder frei, dann werden wir ohne langes Ueberlegen schon von
selber wisien, welchen Tag wir als Nationalfeiertag zu begehen
haben.
U8.
Wachsende KM in Gngland.
Lä« lluterhaus Sb« die durch Fraukreichs Politik verschärste Läge.
London, 10. Mai.
llnterhaus. Das Mitglied Lambert fragte den Premier-
minister, ob, da die in der Beantwortung der deutschen Reparations-
note verfolgte Politik eine sich erweiternde Meinungsverschiedenheik
zwischen der französischen und der britischen Regierung bedeute, er in
»olle und offene Verhandlungen mit der französischen Regicrung
treten werde, die Tatsache im Auge haltend, dah ohne alliierte Soli-
darität kein dausrnder Friede in Europa oder der asiatischen Türkei
Lestehen könnes Schatzkanzler Baldwin erwiderte, Lord Cur-
zon habs am 20. April im Oberhause zum Ausdruck gebracht, datz
die britische Regierung sich der Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der
alliierten Solidarität voll bswutzt sei, auf die ihre augenblickliche
Politik gegründet sei. Berkeley fraate, ob der Minister sagen
könne, ob dem Hause die Lritiiche Antwort auf die deutsche Not?
rechtzeitig für die heutige Dsbatte zugestellt werden könnr?
Baldwin erwiderte: Nein; ich glaube nicht, dah di« Note an
Deutschland schon abgesandt ist. Kennworthv fragte. ob die
kürzliche Note der deytschen ReaieruN" über die Menara-°onrn der
Regierung der Vereinigten Staaten überreicht wurde und ob die
Regierung beabsichtige, Ansichten mit der a m e r i k a n i s ch e n Re-
gierung «Lenso wie mrt der ktalienischen Regisrung auszu-
tauschen'.' Baldwin erwiderte, seino Antwort auf den ersten
Teil der Frage laute bejahend, aus dsn letzten Teil verneinend.
Die Vereinigten Staaten HStten keinerlei Ansprnch an Dentsch»
land für Reparationen gestellt und es seien keinerlei An-
zsiche« »orhande« gewefen, dah fie zu Rate zn ziehen, etwas
anderes als eine Quelle der Behinderong sür fie sein könnte.
Kennworthy fragte weiter, üb die amerikanifch« Regierung
nicht einen Anspruch auf die Kosten für das amerikanische Besatzungs-
heer erhoben habe, und auf jeden Fall weshalb schalte England eiue
befreundete Nation aus, die ihm in diesen schwierigen Fragen bei-
stehen könne? Baldwin erwidert«, seiner Erinnerung nach sei der
Anspruch, auf den Bezug genommen werde, vollkommen getrennt von
der allgemeinen Frage der Repäratiouen. Wedgwood Bsnn
fragte, oü es ntcht Tatsache sei, dah der deutsch« Vorschlag, die For-
derung der Alliierten einem Schiedsgericht zu unterbreiten, auf einsn
Rat des Staatssekretärs Hughes zurückzuführen sei. Baldwin
antwortete, dies sei ihm nicht bekannt. Greenwood fragts den
Premierminister, ob er bereit sei, im Namen der britischen Regie-
rung der tzeutschen Regierung mitzuteilen, dah, wenn sie bereit sei,
die vorgeschlagene Zahlung einer Reparation von 1,5 Milliarden
Pfund Sterling auf 2,5 Milliarden PfuNd zu erhöhen. er willens fei,
die guten Dienste Englands zu »ermenden, um Frankreich uud Bel-
gien zu überreden, die Verhandlungen wieder zu eröffnen. Bakd-
iv i n bat, die Veröffentlichung der Ermiderung der britischen Regie-
rung auf die deutsche Note vom 2. Mai abzuwarten.
Evans sragte, ob das britische Kriegsschiff „Harebell" Befehl
erhalten habe, stch nach der russtschen Küste zum Schutze der britischen
Fischerei zu begeben, und ob der befehlshabende Ofsizier Anweisung
erhalten habe, das Feuer auf russische Schiffe zu eröffnen, die britifche
Schiffe in exterritorialen Eewäflern behelligten. lLauter Beifall auf
der Regierungsseite.) Mac Neill «rwiderte, das Kriegsschiff
„HarebelI" habe Bsfehl erhalten, die Dehelligung britischer
Schiffe auherbalb d«r Dreimeilengrenzs zu verbindern, wenn nötig
mit Eswalt. sLauter Veifall auf der Regierungsfeitej auf der
Arbeiterseite dageoen zahlreiche Zw^'-'nrufe wie: Noch mehr Kriea?
Lansbury ruft erregt zu den Neuierunasbänken: Warum fchickt
ihr nicht die Proieste nach New Nork? Ihr seid eine Bande von
Feiglinqen! Jhr habt Angst vor Amerika' Hicr greift dsr Svrecher
ein.) Kennworthy fragte, ob anqesichts der Debatte am nächsten
Dienstag die Regierung dtzm britischen Vertreter in Moskau,
Hödgson, anweisen werde, scinen Stab uicht ohne weiteren Vefehl
nach London zurückzuziehen? Baldwin antwortete verneinend.
Sir Iohn Simon eröffnete im Unterhause die Saar-
debatte. Er lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses aust einen
im Saarqebiet verkündeten Erlah. der, wie er iagte, die fchwersten
Strafen für Akte auferlegt, die in andcren Ländern entweder über-
haupt nicht strafbar seien oder als unbedeutende Vergehen ange-
sehen würden.
Däs Saargebiet sei ein dicht bevölkertes Eebiet, däs eine sast
nur ans Deutschen bcstehende Bevölkerung von 700 90» Men-
schen umsasse. Es bestehe ketn Erund zu der ErNSrung, dah
das Eebiet nicht in jedem Sinne deutsch sei.
Die Regierung des Saargebiets sei in die Hände des Völkerbunds
gelegt worden. Es sei daher von der gröhten Wichtigkeit, dah die
britische Regierung ebenso wie alle anderen tn Betracht kommsnden
Regierungen zusehen, dah die "Eesetze, die für dieses Gebiet gemacht
würden, Gesetze seten, die gekechtfertigt werden könnten. Es sei von
grundlegender Bedeutung, dah der Völkerbund in den Augen dcr
Saarbevölkerung nicht in Mihkredit gerate. Simon bezeichnet den
am 9. März von der Verwaltungskommission verkündeten Erlatz als
einen „äuherst erstauulichen Mihbrauch legisla -
tiver Autorität". Auher der Auferlegung einer absürden
Strafe für diese lächerlichen Vergehen habe die Kommisfion es auch
noch für nötig erachtet, einen Sondergerichtshof zu errichten, um
Schuldige zu bestrafen.
Simon fragte, wann die britische Regierung zuerst davon ge-
HZrt habe. Der Erlah,sei am 7 März ersolgt, dem Generalsekretariat
des Völkerbunde? am 9. März mitgeteilt worden und seiner Anstcht
nach in Ueberschreitung des Friedensvertrages am 12. März in Wirk-
samkeit gesetzt worden. Er sagte, der Erlah sei ungesetzlich in Wirk-
samksit gesetzt worden, weil der Friedensvertrag vorfehe, dah, bevor
irgsndeine Äenderung der Eesetze in bezug auf das Eaargebiet statt-
finden könne, eine Beratung mit einer die Einwohner vertretenden
Körperschaft stattfinden müsie, und eine derartige Beratung habe
nicht stattgefunden. Es würde verhängnisvoll sein, wenn die britischs
Regierung oder irgendwelche Rsgierung zufrieden wäre, eine Lage
dieser Art hinzunehmen, nür weil ein gewöhnlicher industrieller
Etreit stattgefunden habe. Siman fragte, welches Verfahren die
Regierung einzuschlagen beabsichtigte in bezug auf diese Frage, die
wahrscheinlich den Völkerbund der Verachtung und
Lächerlichkeit ausliefern würde und die es für Deutfchland
oder irgendein anderes Land unmöglich mache zu glauben, dah dürch
eine internationale Aktion dieser Art sie einer fairen Dehandlung
versichert sein könnten.
Lord Lecil erklärte, seiner Ansicht näch müsie erwogen werden,
ob nicht irgendeine allgemeine Regelung zwischen Frankreich und
Dsutschland zur Reubildung der Saarverwaltung mif irgendei«^
anderen Eruudlage stattfinden könn«. Tecil erklärte bezüglich de
Erlasies, eine sehr ernste Lage sei hier eingetreten. Es I
hier eme Aktion unternommen worden. die wirklich dcs Militar'S
mus in serner schlimmsten Eestalt würdig sei. (Deifall bei de'
Einig« der Entwicklungcn, die vor kurzem im Rüh
gebiet stattgefunden. seien von derselben Art.
Man nehme bke Note. die di« französtsche R-giern-g vor kurze«
-n Deutschland gesandt habe. Sie sei beklagenswert »ach d«
Form wie nach dem Jnhalt. Er bedanere besonders die Tat'
sache, datz Belgie» fich der franzestscheu Kaltung «mschlotz-
viel ^?'"ung und das belgische Volk schuldeten Engl-«°
"'El. Es sei tief zu bedauern, datz di« belailLe Reqiernng es
recht und notwendig gehalten hab«, stch in dieser Frage oon
Frankmich^vvu' st'.'inmer für ein7 gem-insame Lktion zwK
nnd England gewesen, solanqe diese aufrechterhalte
werden konnte. Es sei tief bedauerlich, datz stch täe franz ° l - s f.
Regierung von der «nglische'n getr-nnt habe.
d-e Frage in eine vollkommen neue und ernste Ph-se-.
Vwer fur irgendemen Anhänger der gemeknsamen Aktion dur-»
die Entente, in irgendeiner Versammlung aufzustehen undna
ie zu srklären, dah es immer noch maguw § iN -
französischen Note
werde, datz ein lndustrieiir-
wie das Ruhrgebiet ebenso produktiv sein wurd-, ^ ü
von einer auswärtigen Streitmacht besetzt sei. nis
nicht besetzt wäre. Was werde das Lnde von alledcm
genommeii die Deutschen gäben nach, wsrde mcm dann .
weiter fortgeschritten sein? (Beifall bei der Oppoütw. ^ ^ g -
scheine zweifelhaft zu sein. MitjedemTagwerdev
e r n st e r.
Das Lausanner Mentat.
Einzelheiten Lber das Berbrechen. — Die Beseggrüüdr'
Eigen« Drahtmeldung. ^j.
DAZ. Lausanne "
lleber dasLausanner Attentat w irden noch
Einzelhcilen berichtet: Schon seit einigsn Tagen waren i.
allerlei beunruhigende Eerllchte im Umlauf, denen rnai
Konfercnzkreisen keine besondere Bedeutüng beilegte- ^
Worowsky und seinen Mitarbeitern die Teilnahm- a»
ferenz versagt war, stand ihnen auch die diplomatisch- ^
nicht mehr zu. Die Nationalliga der Schweiz, die insbei g^nt
Bolschewismus bckämpft, hatte schon am vergangen«"
Schriite unternommsn, um Worowsky zur Abreise A
Donnerstag abend hatte Worowsky mit Ahrens. d-m eE -,
der rusiischen Dotschaft in Berlin, und desien SekrLtar
Tisch des Hotels Cccil Platz genommen. 'wei Tffch-
ein junger Mann. der, nacbdem er gegesien, zwei Kläser ^ » s
und einen gew isien nervösen Eindruck machte. Bald v" a"? M
nur noch zwei Easte im Saal, die weiter entfernt !am. > " y
Geschäfisführer und die Kellner waren hinausgegangem " .^jcL '
zog der jung« Mann einen Browning aus der
feuerte hintereinander achtmal. Einen zweiten vü"'.jil
ver trug er in der Tasche. Die Schüsie, die Worowsky "^--kireiid
sofort tödlich. Ahrens erhielt zwei Beinschüsie. ^<^sS>Ält
Selretär zwei Bauchschüsse erhielt, so datz fein Zustand l v
lich ist- Der Attentater blieb vollkommen ruhig und ver-a
nach der Polizei. Ein sofortiges kurzes Verhör ergab, ^
27jährigen Schweizer Konradq handelt, der alsHaup -^ps -
früheren rusiischcn Armee gedient hatte. Konrady,
der nationalen Liga nichts zu tun hat, war erst nm niast VaN
Mrich eingetroffen. Jn dem Zimmer seines Hotels fan g A
vier Seiten langen Brief, in dem es u. a. heiht. davgeluo
den Bolschewisten für seinen von den Bolschenm ^zjek? ^js
ten Dater und Onkel nehmen werde. Ahrens erklarre - ^iry
nalisten gegnüber, dah er sowohl die Schweizer K
das Sekretariat der Konfcrenz mit verantworr
müsie fiir dae Attentat, außerdem müsie seine Regl-ruve
Folgerungen daraus ziehen.
--- ??
25 Bräute.
Ekn Schelmenroman oon Wilhelm Hcrbsrt.
27. yörkkebnns. NaLdruck verboken.
Dann zündete sie zktiernd ein dickes, rotes Wachslicht an, das
bei ihr stand, träufelte Siegsllack neüen ihre Unterschrift und prshte
einen ovalen Wappenring hinsin, der ganz von Gold war.
„Hier!" sagte sie darauf und wollte den Ring Bulljahn geben.
Er osrstand ste nicht gleich recht.
„Hier!" sagte sie noch einma! ungeduldig. „Zum Andsnken an
biess Stunds."
Mit einer tkefen Verbeugung nahm sr den Ring und steckte itzn
auf ihren Wink an seinen rechten Zeigefinger-
Der schwere goldene Wappenring gab ihm gräfliches Bewußtsein.
So las er, was sie ihm hinschob. In knappen, klaren Worten
vermachte sie ihm fiir den Fall ihres Ablebens ihr ganzes Eigentum.
Das Dokument trug Tag und Unterschrift und sah ehrwürdig
und gediegen aus.
Er muhte es ibr, weil fie selbst zu stark zitterte, in ein Leinen-
kuwert stecken und dieses verschliehen und abermals mit dem Ring
versieaeln.
Bei all dem schaute der Rabe, der auf den Tisch geflogen war,
mit glänzenden Augen aufmerksam und ablehnend zu.
Dann schrieb sie mit altmodischen grohen verzitterten ZLgen
darauf: „Mein letzter Wille".
Gleich, nachdem das gefchehen, lehnte sie sich in den Stuhl zurück
und schlief mit der glücklichen Eabe, die Lltere Leute zuweilen be-
fitzen. ziemlich schnell ein.
Deit hörte sich selbst wie zur Begründunq des ganzen sonderbaren
Dorgangs unwillkürlich murmeln: „Wir sind ja! Bräutigam und
Braut."
„Bräutigam und Draut", lallte sie im Schlaf.
Krächzend und flllgelflatternd bezeugte der Rabe den eiqen-
artigen Vuud und suchte, das Kuwert, das er an einer Ecke gefaht
hatte. vom Tisch zu f,erren.
Vulljahu jagte ihn weg. Er steckt« die Urkunde in die blaue
Mappe. Sie — wie er einen Augenblick vorhatte — an sich zu
nehmen, Lesah er nicht die Verwegenheit.
Auch schien es ihm wirksamer, wenn fle einmal hier im Haus
gefunden wurde.
Seine Stimmung wechselte- Eine Minute war er übcrglücklich
und Lbermlltig vor Freude. Dann befiel ihn eine Verzagtheit, die
selten bei ihm einkehrte.
„Das geht schief aus", warnte etwas in ihm. „Das gibt cine
Prügelstrafe."
„ALer warum denn?" widersvrach in der nächstsn Sekunde sein
Leichtsinn. „Ich habe ja nichts dazu getan. Was kann ich dafür.
dah das dumme Mädel, wenn es gezwickt wird, gleich nach meinsr
Schulter greift!"
Eo sah er lange in wandernden Eedanken und wäre Leinahs
selbft eingeschlafen wie die Eräfin und ihr Rabe, der setzt auf ihrer
Stuhllehne fah, den Kopf zwischen seine Federn gestecki hatie und
von sei'ner Jugend träumtc.
Endlich erhob sich Veii und schlich leise in den Park hinunier.
Er klemmte das Einglas ins Auqe und ging herum mit der Miene
eines Mannes, dem all dies gehörte
Inzwischen hatte die alte Dienerschaft ihren Entschluß gefunden.
Sibylle wartste und wartete. Als uiemand kam, ging fie zu
Vronislawa, die ebsnfalls wartete und wartete.
Durch die qemeinsame Unruhe geeinigt, machten fie fich auf den
Weg nach der Feldherrnstraße.
War ihrem Verlündeten etwas geschehen oder betrog er sie?
Lieh ihn die Eräfin nicht mehr los?
Alle Anhaltspunkte für diss und jenes fehlten.
Am besten war eigene Ueberzeuqung.
Wie sie aber in die Nähe von Rahels Besitztum kamen, sahen
sie vor dem eisernen Gittertor den alten Diener bei zw«i Schutz-
leuten stehen.
EiNlg mie nie rih es sie herum. Zwei vom Dlitz verfcheuchte Rehe
konuten nicht stilier und treuer nsbeneinander fliehen.
Erst nach ein paar hundert Metern besannen ste sich, ärgerten
sich eine vor der anderen und erklärten dann beide, dah sie nur
üas Beste gewollt und redlich getan hätten.
SiLylle hoffte hsimlich. Bulljahn werde jedenfalls sich und seine
Mitverschworenen herauslügen.
Ja — so dachte sie insgeheim — vielleicht rettete er sogqr die
Erbschaft für ihn und sie. Bronislawa lüochte das Nachschauett haben.
Diese sann für sich fo ähnlich.
Ein Unbehagen blieb beiden, und keine versprach sich etwas von
einem Blick in die Zukunft. Sie glaubten nicht so fest an das,
was sie itzre Kunden glauben machten.
V e l i n d e.
Ohne Ahnung von dem, was vor dsm Eittertor brauie, fchlen-
derte Veit wohlgemut durch den Park uud kam an desien anderes
Ende, das an eine große Wiese grenzte. auf der eben Iahrmarkt
^ ^Bulljahn sah die Hinterwände der Schaubudsn und das intime
Leben des fahrsnden VolkeS, das sich da auf der Kehrseite des
Elanzes abspielte, den sie nach vorne mit Eeschrei und Eedudsl
verkündeten.
Am nächsten bei ihm saß nsben einer umgesturzten Trommcl eine
gefchminkte Schöne im GraS mit turbanartiger Frisur, einsm rot-
seidenen Eoldflitterleibchen und gelben. Trikotbeinen-
Sie drückte ein Taschentuch vor die Augen und weinte.
Auf Ersuchen des Vorstehers des Politischen. D^jqe e"
rief der Bund « spräsident auf Freitag vormittas h de<-B-
ordentlicheSitzung desBundesrats ein. " n"^jt«
die Ermordung Worowslys geschaffenen Lage Steuuns,
Die Sitzung dauerte bis 12 Uhr. Am Schluß
teilung bekanntgegeben: Der Vundesrat hat w't gpeüd qil'
Nachricht vernommen von dem Attentat, das gest-r"
sanne gegen die Herren Worowski, Ahr-"^., fjch fi"
kowskk verübt worden ist. Er stellte fest, dah ist. / soU'
private Tat der Rache handelt, die um fo bedauerlE.^ale
an einem Orte verübt wurde, wo gerade eine t!"""«erletz"",Kützt-
ferenz tagt. Er verurteilt sie öffentlich als
^oral^m^^er^Gesetze^ie^i^^cmokratische^^^^^^^
Deit war sofort dermahen von Mitleid übe^^^, ^
Testamsnt, Herrenwürde und Eräfin vergah nnd uv- Mest?,
Holzzaun kletterte. ^.jcheu ^
Als die Trauernde gedämpfte Schritte auf dem
boden vernahm, blickte sie auf, wischte rasch mit -en -„«etH""'
Augen und stopfte «s unter das Lerbchen. , , S»"
„Wo fehlt's denn?" fragte Bulljahn mttfühleitd sleid"Ä
„Kann ich helfen?" qut- ^chel'"
Sie betrachtet« ihn einen Angenblick. ^eine ^ffches
erweckte etwas Dertrauen in ihr, das durch s-ilr " «eS^
nicht qestört wuriie. ... §chult°
„Ach, der!" sagte fie verächtlich und zuckte «nt d
dre Schaubude in ihrem Riicken.
„Wer?"
„Der Prinzipal." «pil
„Was macht er denn?" „-väinpst' -u *
Sie beugte fich auf ein Knie und murm-lt- L,. morO"
ich doch erste Springerin und soll jetzt plötzlim " t>aS-
Dame ohne Unterleib arbeiten!" er 5 n"
„Das ist gtausam," rief Veit empört. „Wl- «re^"
D-r
..Da"U
d-nn das?" HSHnte fie. <
Weil dre Richtiqe krank qeworden ist will er «trch
„Das tun Sie doch nichf!"
^Dann schmeiht er mich 'raus." . ^
Wo Frauen litten. gab's für ihn k-ine B-finnu««- ''
Sie mit mir!" gU
Sie sah vrrblüfft auf mit cinem l-istn SS-n""^
„Was haben S,e denn?" ffagte sie unqew'h.
„Pierde. Er dachte an Lu und den Reitsaal.
„Zirkus?"
..Freilich!"
..'s ist ja kein zweiier da!"
„Ich fange erst an."
„Wo denn?" -N
.DrüLen!" ««.^tast-
Er winkte mit dem Kovf rn das Land d-r Pb°
Sie erhob sich und strich das Leibchen glatt.
Da rief von drinncn eine Larsche St-mme: -dsp-lt
. „Jch muh 'rein." flüsterte sie und ^a .den Leinw jhpl
emander. Unter diesem lächelte sie holdselia zurua,
Kußhand zu und winkte: „Auf Wiederseh-n! ^
llnwiderstehlich zog es Bulljahn ihr nach- . h
Schon stand er im Könstlerraum des Zeltes " "^jen ^
Belinde eben auf den Schimittel hob und durch d
rn den dicht besetzten Zirkus hinausfiihrte. (ZortsetzUNS l"