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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 1/2
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Biermann, Georg: Vorwort des Herausgebers zum neuen Jahrgang
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0021

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Vorwort des Herausgebers zum neuen Jahrgang

Mit dem vorliegenden Heft tritt der „Cicerone“ in [einen elften Jahrgang. Konnte
unfere 3eit[d)rift einmal in Friedensjahren durch ih>r Programm die geiftigen
Beziehungen unter den Völkern enger knüpfen, der Weltkrieg unterbrach jäh
und fchmerzhaft jenen einzigen £Ueg der Verftändigung, deren Mittlerin die Kunft
fein füllte. Croßdem ift unfere ^^itfchrift auch unter den Nöten der hinter uns liegenden
Jahre — wenn auch in felbftgewollter Befcßränkung — ihrem alten Grundfaß treu ge-
blieben: Erkenntnis zu vermitteln, mit dem Lage Schritt zu halten und die Intereffen
von Sammlertum und Kunfthandel zu pflegen. ÜJas aus Vergangenheit noch unentdeckt
im Verborgenen fcßlummerte, was lebensftark mit neuen Kräften in die 3ukunft wies,
es wurde von uns ans Licht gezogen und kritifcß beleuchtet. Daneben galt es zu be-
obachten und für die Gefehlte aufzuzeichnen. Alle Gebiete des öffentlichen Kunft-
lebens hier und im Ausland fanden im „Cicerone“ Beachtung, einerlei ob es [ich um
Äusftellungs- und Sammelwefen oder um Mufeen, Entdeckungen und Denkmalspflege
handelte. Dazu der Kunftmarkt: Die Börfen von London, Ämfterdam, Paris, Berlin
und München waren Gradmeffer des internationalen Handels, internationaler öüertung.
Das wird einmal wieder der Fall fein, fo feßr auch der 3ufammenbruch unferes Vater-
landes in der Folge grade auf diefem Gebiete unfere Bedeutung und unfer Anfeßen
mindern mag. Uliv glauben dennoch, daß eines Cages der Ausgleich kommt und wir
wollen dafür kämpfen, daß er fo [cßnell als möglich kommt. Der Reichtum unferer
CUiffenfcßaft, die Fülle unferer jungen künftlerifchen Kräfte find zu evident, als daß wir
aus diefen Catfachen nicht neuen Glauben an die 3ukunft finden füllten. Aber in diefem
neuen Kampf um die geiftig-künftlerifcße öQertung unferer Exiftenz bedürfen wir meßr
als bisher der Freunde und tatkräftiger ünterftüßung all derer, die vielleicht im alten
Deutfcßland wenig Freude an kunftpolitifcßer Betätigung gefunden.
Das muß jet^t vorbei fein! Mit dem Lage der Revolution haben wir bewiefen, daß
wir voll eines neuen Geiftes find, der mit Riefen feßritten über die Erde geht. Das
alte Syftem überkommener üleltordnung brach in einer einzigen Nacht in Nichts zu-
fammen. Die Sturmßut junger Kraft fordert Opfer, aber aus dem Boden, den fie über-
feßwemmte, foll neue Saat erwaeßfen. Energien find freigeworden und poftulieren ißr
Recht. Klar die Kunft im 3eitalter des Kapitalismus Luxus privilegierter Klaffen, heute
ift fie Angelegenheit des ganzen Volkes. Der neue demokratifeße Gedanke, die For-
derung naeß fozialem Ausgleich geben ißr in der Folge ungeahnte Criebkraft. Aber fie
wird arbeiten und kämpfen müffen, um ißr junges Recßt zu behaupten. Alles ßat fieß
gewandelt. Auch wir müffen den Dingen fortan Rechnung tragen.

Der Cicerone, XI. Jahrg., Heft 1/2

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