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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 16
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Hoeber, Fritz: Die Vergeistigung einer Industriestadt, [2]: Kunst- und Kulturbestrebungen in Offenbach a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0527

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Die Vergeiftigung einer Induftrieftadt Kunft- und Kultur-
beftrebungen in Offenbad) a. M. mu 25 Abbildungen / Von fritz hoeber

IV. (Fortfefeung und Schluß aus F>eft 15.)
Das Vorbildliche, das allen den modernen Bauwerken Offenbachs eignet, konzentriert
[ich) gleichfam in der künftlerifchen Pädagogik, die die Fechnifchen Lehr-
anftalten unter Eberhardts Leitung ausüben oder vielmehr in Friedenszeiten
ausüben konnten. Diefe Änftalten find keineswegs bloß eine beliebige Kunftgewer be-
oder Fortbildungsfcßule, fondern fie [teilen, kraft der ßier vereinten fcßöpferifchen
Energien, eine Quelle moderner Qualitätskultur für die ganze Stadt und ihren Induftrie-
bezirk dar.
Der Stundenplan der Ärcßitekturabteilung nennt die Namen Gofchenhofer, Boeßm,
Beck, Schröder, fflagner. Der leider auch) dem Krieg in jugendlichem Älter zum
Opfer gefallene, reichbegabte Maler Franz Franke erteilte in einer befondern Klaffe
für Flächen- und Bucßkunft Unterricht in dekorativer Graphik und ihrer praktifcßen Ver-
wendung für die 3wecke von Handel und Induftrie: hier entftanden in den Techniken
des bolz- und Linoleumfcßnitts, der Lithographie und der mechanifchen Reproduktions-
verfahren ausgezeichnete moderne Plakate und prächtige Kataloge für Offenbacher
Fabriken neben allerhand anmutig fd)önem Buchfchmuck (Äbb. 21). Äls Erfafe Frankes
ift der Ehmcke-Schüler Ludwig Enders neuerdings aus München berufen worden. -
Die Dekorationsmalerei pflegt mit ficherm Gefchmack und Können Richard Fhroll,
der bereits eine große Tätigkeit im Äusmalen von Kirchen und Villen entfaltet hat
(Äbb. 20). Des Plaftikers Karl Fjuber und feiner kunftgewerblichen wie auch frei-
künftlerifchen Arbeiten wurde bereits Erwähnung getan. Die künftlerifdje Frauenarbeit,
wie (Xieberei, Stickerei, Batiken, Feppidjknüpfen, vertritt im Stundenplan eine Schülerin
des auf diefen Gebieten fo erfinderifchen (üiener Kunftgewerblers Jofef b°ffmann,
Fräulein Mizzi Vogel. — Eine fel)r große Bedeutung durch ihre dauernd enge Ver-
bindung mit der Praxis befifet endlich die Schrift der Offenbacher Fecfmifchen Lehran-
ftalten: an ihrer Spifee fteht der bekannte Graphiker Rudolf Koch, der Schöpfer jener
charaktervollen gotifchen Druckletter, die mit ihren herben, an das fpäte deutfche
Mittelalter gemahnenden Formen größte Verbreitung gefunden hat (Äbb. 19). In der
Druckklaffe werden muftergültige Safebilder gefcfeaffen, neue bibliographifcfee Möglich-
keiten erprobt, ausgezeichnete Gelegenheitsdrucke und kleine reizende Bücher für
Freunde von Vorzugsbänden hergeftellt. 3ufammen mit R. Koch arbeitete hier Franz
Franke für den illuftrativen Feil und der auch bei der Firma Gebrüder Klingfpor
befchäftigte Faktor Engel für die tecfmifchen Feinheiten eines kunftgerechten Fypenfafees.
Die Druckklaffe [teilt, wie fd)on angedeutet, ein Offenbacher Spezialbedürfnis
dar. Denn die Stadt hat im Lauf der neunziger Jahre, neben den feit altersher be-
rühmten Induftrien der Ledererzeugung und -Verarbeitung und der Galanteriewaren in
Metall, [ich noch eine typographifche Induftrie von höchftem Qualitätsrang gefchaffen,
welche durch die Schriftgießerei Gebrüder Klingfpor und die Druckerei öCIil-
ßelm Gerftung vor allem vertreten wird. An den Namen Klingfpor knüpfen [ich alle
die künftlerifcßen Fortfcßritte, die die neue Schrift feit dem (niedererwachen des
Kunftgewerbes erlebt hat: hier entftand die erfte bewußt moderne Fype, die Otto
Eckmann 1898 mit dem Pinfel zeichnete. Peter Behrens [ctjuf für die Gießerei
feine vier berühmten Schriften: die „Behrens“ von 1901, die „Kurfive“ von 1907, die

Der Cicerone, XI. Jahrg., Heft 16

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