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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 5/6
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Uphoff, Carl Emil: Künstler, Kunst, Sozialismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0143

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Künftler, Kunft, Sozialismus Von CARL EMIL UPHOFF


Es ift eine nicht abzuleugnende Latfacße, daß Deutfcßland und Europa, wenn der
bürgerlicß-fozialifierende Demokratismus obfiegt, einem neuen 3eitalter der Fjalb-
kultur entgegen gehen.
Fjiftorifcße Rück- und Umblicke tun für den Einficßtigen nicht meßr not. Er weiß,
daß die Niederlage des Sozialismus das Neuaufieben der Mammonsßerrfchaft bedeutet
und daß, wo der Mammon die Macht hat, der Geift, die Kunft, die Kultur zum Afcßen-
brödel- und Luxusdafein verdammt ift.
Alfo muß der Geiftige und der Künftler fiel} aufleßnen und meßr wie je Revolutionär
fein, foweit fein Menfcßlicßes in Frage kommt.
Alfo muß der Geiftige und der Künftler meßr als je auf ein Stilleben- und Studier-
ftubendafein verzichten.
Alfo muß der Geiftige und der Künftler meßr als je neben feinen Ewigkeitsgefühlen
und Ewigkeitsaufgaben die 3eitgefül)le und 3eitaufgaben ins Auge faffen.
Es ift kein tragifcher, feßwere Opfer auferlegender Entfcßluß, der nottut. Es
handelt fid} nur um das Fjerabfteigen von einem Piedeftal, um die Entgößung der Kunft
und des Künftlertums.
Allzugern ließ der Künftler fid) die Cßronerßebung, die göfzifeße Verehrung gefallen.
Allzu woßlig hüllte er fid) in den Ruhmesmantel, den die bürgerlich-romantifcßen
Menfcßen ißm aus billigen Pßrafen webten. Allzu willig ließ er fid) gößifd) auf das
Piedeftal der Berühmtheit erheben und dadurch vom Leben entfremden oder feine für
das bürgerliche Dafein gefahrvolle oder mindeftens unbequeme Lebendigkeit ungefähr-
lich und bequem machen.
So machen es die (Inlebendigen mit allem Lebensvollen: es wird auf Cßrone er-
hoben und vergört. Nunmehr ift es unfd)ädlid) gemacht und kann fid) doch nicht
beklagen. Nunmehr ift es Gegenftand der Anbetung und wie alle angebeteten Dinge,
wie alle Götter, zur göttlicß-götzifcßen unnahbaren, unentwickelbaren „Vollkommenheit“
erhoben. Nunmehr ift das Lebendigfte desaktiviert und die Urägßeit hat ißre Ruße,
der Bürger fein Vergnügen und der Künftler, das Kunftwerk — feinen Erfolg.
(die liegen heute die Dinge?
Der Sozialismus ift keine Parteifacße, keine Klaffenfacße meßr. Dies erkennt felbft
der Reaktionäre dadurch an, daß er ficß zum „Sozialifieren“ entfcßließt, zum Ceil-
fozialifieren natürlich. Der Reaktionäre kann alles Ganze immer nur ßalb feßen und
anerkennen. Und die beffere, die weitaus beffere und der forgfamsten Konfervierung
werte Fjälfte, das ift immer er und fein „Intereffe“. Vor allem fein Intereffe! Der
Reaktionär ift feinem Intereffe gegenüber immer ßöcßft befcßeiden, äußerft uneigen-
nützig. Er wagt in diefer Befcßeidenßeit nie von meinem, nur von „unferm“ Intereffe
zu reden. Aber unfer Intereffe ift nießt die Fjalbßeit, nicht das Ceilfozialifieren!
ünfer Intereffe, Menfcßen-, unfer Intereffe, Kunftfcßaffende-, unfer Intereffe ift: die
Befreiung des Menfcßen und der Kunft aus der Mammonsfklaverei!
(Uie ift es doeß noeß bis heute?
Der Künftler erzeugt aus feßöpferifeßer Erregung ein Kunftwerk. Niemand ßat ißn
beauftragt, niemand ßat ißn veranlaßt, fcßöpferifcß erregt zu fein. Nirgendwo beftand
die Notwendigkeit, den Kosmos um ein kosmifeßes (Hefen zu vermehren. (Uie in
einem Menfcßenpaar die Erregung aufflammt, die zum 3eugen des Dritten treibt, fo
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